<J by Google
Digitjzed by Google
■V, • ■ ■ - !
■Wi. .1*. hk ' »
«
4
Digitized by Google
Wilhelm von Humboldt^s
gesammelte Werke.
Wierter UmmL
«
Berlin,
gednidtt und ▼«rlegt bei G. Rdner.
IM.
Digitized by Google
Digm^uü üy Google
I
f
Seite
Ueber Götbe's Herrmann und Dorothea . . . • 1 — 268
( Aesthetische Versache. Erster Thcil. Braunachweig
1799. 8. XX?L 360 S,)
Einleitnng 1
I. Wirkong dea Gedichts im Ganzen. — Es läfst einen rein
«Hchterischen Kindruck, in dem Gcmüthe zurück . * . . . IS
II. llaniitbegtandtlieile der dicliterisclien Wirkmig. — Plan
dieser Beurtheilung im AUgemeinen lt>
Hl. Einfachater Begriff der Konst ..«.,.>♦« « 17
IV. Hohe der Wirkung^ za der die Kunst »ich erhebt. — Idea-
lität. — Erster Begriff des Idealisciien , als des Nicht-
Wirklichen 19
V. Zweiter imd höherer Begriif des Idealkcheii, ab eine* Et-
was, das alte Wirklichkeit übertrifft 21
VI. Nothwendigkeit^ in der »ich jeder echte Künttler befindet,
immer das Idealische zn eiTeichen 26
Vfl. Nachahmung der Natar 25
VIII. Zweiter Vorzug der Kunat in ihrer letzten Vollendung:
Totalität. — Zwiefacher Weg, dieselbe zu erhalten . . . 27
IX. Diese Totalitat ist allemal eine nothwendige Folge der
vollkommenen Herrachaft der diohteriacbcn Einbildungskraft. 29
X. Einfluis des Idealischen i» <ler Daratellung aut die Totalität. 32
Xt. Uebersicht des ganaen Weges, welchen der Dichter von
seinem uraprüngücheu Zweck bis an »einem höchsten Ziele
zurücklegt 3H
XII. Unteiiacheidung des holten und echten Styls in der Didit-
kunst von dem Altnslyl in derselben ^
t
/
nr
Seil»
Xm* Anwendung des Vorigen auf Uerrmann und Doro-
thea. — Reine Objectiritüt dieies Gedidili. — Eni»
Stufe deneiben . • 41
JOf. Zmate Slnle der Objeetititil nnm.Cieaidito. — Ver- '
^midticheft leiiiet Style mit dem Stjl der Mldenden Kqnet. '4S
XV. YerwmndtechKfl «Her Kentte unter emeader. — IN>ppeltee
Veritiltnifa jedes Vlbi8t|MS/«iil' Xamit ubeidiaiiyt «ml tu
M^ner beeondrea . . • • 46
^^XVl. Mittel, wodnreh unser Biebter diese, der bildenden Kunst
nalic kominondc, Ohjectivität erlangt 49
N, XV 11. Erläuterung des Gesagten an der ^iiiidi^rung der Ge- * '
stalt Dorotbeens * Cj|
^ XVIII. In wie fern inaclit unser Dicliter, bei setner Verwandt*
^ Schaft mit- der bildenden Knnst, die beeo%dren Vorzüge der
DicMkORst fettend ? • \ • \' , ' M
XIX. Bigenthimiielie MMav der'INeMlUHNt, ib: einer nde»-
dm Knnst 6#
XX. Dtkte ona letite .Stnie der Oli^fitfi* dee GevBolMs . 6»
^ XXI. Zwiefitehe Gnttung beschreibender Ciedieirte Iii tticksieht
anf ihre grölsere oder gering^ere Objectifitil'« «rliotert
an iiomer und Ariost ....... 66
O XXII. Ilomfr verbindet die einseinen Theile seiner Dichtun-
gen fester zu einem Ganzen . . . T 68
XXIII. Ariost rechnet mehr auf den Effect, Homer wirkt stärker
durch die reine Form 60
XXIV. Colorit . ^ ... ^ .......... . 71
XXV. Homer ist meiir aaif j Arioe^ melir sentimentaL Re-
tvltat'der ganzen Ontoiaaehiraf .'.*..«.... 74
XXVL Binllols dieser VerschiedenlMil beseHMbender Gediefafe
anfm« Wahl der Venart 76
V XXVII. Ztt welch'er jener beiden Oattongen nnaer IMehter ge-
hört, beweist er durch die Zeiclinnng seiner Figuren . . 77
XXVIII. Vergleicliung unsers DicJiters mit Homer in «lieseni
Stück. — Beispiel an Claukus un<l Dioincdes Waüentausch 78
^ XXIX. Sdiildcruog Herrmamis und Dorotüeens 81
\ XXX. Reste Einführung Dorotheens dnrob Herrmamis Eraih-
lang Ton ihr ^82
Dlgitized by Google
Seite
XXXI. ScItiMerung der Jungfrau in ihrer Wirkung auf llerrmann. 84 V
XXXII. Die Wirkung des MädcheM auf den Jungling ist nicht
in einer unbestiinmtea Gfö^, fOiliiem in dem bvBiiMSleii
Begriff «ter veUkonrnmeii AHguneMeBheil beiftor NMineii •
gezdeltnet , \ - 87
XXXiri. Dfliotiweiii e^nee BiMbeineii 91' \
XXXIV. finiÜilMig iMfoiMlim M«tltt de# Ji^^
^ der Dichter 4pit tliat, gerade dieiea^Zag'Mii iteen Lelien ^
herauszuheben? 02 \
XXXV. Düi uÜtet n^ Zusaiinnenkuntt liut Herrmann; — erst am
BruAnen, dann auf dem Wege xn seinem ICItern .... ^
XXXVf. Eintritt der beiden Liebenden in das Zimmer der Kl—
tern. — ]>orotbeens Benebne« im «wn Stthlqüi det Ge- \^
dichts. — , Anruf der Muse 99
XXXVII. Knn» Vergtoiehiuig diejwr ScIulderBng ^t* dem Iii
. Vorigen Geeagten. — Reine Otge^ttvilfil denellkM \
wie dea gteuen GedUhts . * » • , . I8O1
XXXVni. Scidichte Einfalt and natnrUehe Wabrbelt unaiea
Gedichts . |(m
XXXIX. Die Verbindung reiner Objectivitüt mit einfacher W alir-
heit macht dies Gedicht den Werken der Alten alinlicli . . IQJ
XL. Verschiedenheit uasrcs Geiiiclits von den Alten. — Man-
gel an sinnlichem Reichthnni
XLI. Dieser Mangel an sinnliciiem Keichtlium zeigt aich auf- '
fallend in der Behandlung des ' Wandertiaren • • • & . J|4
XLII. Der Unteraebieil dieaea Gedieliii irM dM Weite der
Alten oiEmbnrt alek aber aseh in eben Ihm «igentbfha-
lichen Vermig ' . 117 j
XUn. Kriiateröng dei Voügen dopoh eiafge Mipiele uq '
XUV« Reicher Gehalt diem Gedieht* fnr den Geist und die
' Empfindong. — Hi g e nth imgche Behandlung desselben . . 121
XLV. Kigenthümlichkeit unsres Gedichts in der Verbindung
dieses wahriiait modernen Gejialts mit jener echt antiken
Form I
XLVi. Vaterländischer Charakter unsres Dichters in seiner Ver-
gleichnng mit den alten und den neneven Diclilem aüdier'
Nationen geieigt 135
Digitized by Google
Seke
XLVll. Kintiü(ii der gescliildcrten KigentliiuiiUdikeU de» Ge-
^ «liclits aul die Totalwirkung de^Kclben 139
NjtLVIII. Resultat«. — AUgemeiiu'i- Cliarakter unsres Diesters. 139
XLIX. RediUertigung des bei der ^cUiHuig dieMt Charak- •
. T' ten gewabl^en Ganges ; . . 141
h* iaaQ|ktig«i^BUcl( auf flMT«bfilta^ii^de» eiuwalKtM j,
LI. ZwIaMip bnttthtilnar «iM» ftoMiefM) • ' - . - / 145
IfüL Epische pi(ohtii9c; W üobeitiilinlliieit /des gjMittirtWii» .
BegtU£i:ilKn$tlbe« . ^U» . . T'- , , . • .'A . ; ' I4i>.
LIII. Methode der Ableitung der Tenchiednen Diditungsarten. i > : Itt-
LIV. Allgemeiner Charakter derEpopee. — Aas welcher Stirn- '
mung der Se«ltf das Beduriiiift tvr ' epiadien Diehtkujul <
' ' kerfliertt? . . .. . . v > . . . i ' . . . ^' *' 149
LV. ZiiiliHl''illi|c*iitfMKfie«^
«laaj» wmh&Mm^ . ISO
.to»d« .... . . . . . . . .•■ v 188
• • >
LVII. Verbindung des Zustandes allgemeiner Beschauung mit
./^
der Thatigkeit der diditerisdicn EinbildaiiaskTaft. : — Bnt- .
-^'atehbng d«s epiaehen Gedidils . . ^ • ^ • t «. i • Im
LTftr. HlgeBidiallaii*dis tetlAde« AUgemelaar Bes^oung 1&7
LK. Eigenschaften der dichteria«heit Einbildujigs|ci9^}iii ^Be-
ziehung auf jenen Zustand • . . . 159
LX* In ^ti^/iy erbind ttng des Zustande^ allgemeiner Beschanung
Iihil~jiiiitj4i^|-Tfr^'" testen der Form
^1 1 nadi girt^i%^ ^kuMMler in W«[cbsel-.l »l
LXII. Definition der Bpop^fc*-! i^.>ir> H(*twj»«a|^!|^^ IW
' XLIII. ünfcersdiiüd /.wischen der Kpop©o ön4<<k»'|f^^
]y^JV. Die Tragödie erregt eine bestimmte Empfindung, W#fi^*»*
ist daher lyrisch . . . . ' 173
LXV. Worin bevteipidiAungsarten mit einander äbcBMOkom-
, nent und woriii iü» ton «inander abweidi^lt^ür« it«u«<«j.. 17Ö
Digitized by Google
VII
^ Seite
IXyi, Wanuii clie'Wcrice der Alten vottugureite dne m grobe
Ruhe hervorbriiig«iif . . » ; I7ft
LXVII. ünterechieil swisdi«n 4ct K|M>|>e« mifl der Idylle. —
Charakter der letzteren la liucksicht auf «iie Stimmung;,
ans iler sie Iierfliefst 17^
XLVllI. CliarakCer der Iitylle in Rücksicht auf den Gegenstand,
den sie scIiiUlert \ . 192
LXIX.. Unterschied zwischen derEpQ^ nid niidtfa «RÜMnn-
den, «her nicht ^Mschen Gedichte« 186
LXX.^ DIeie Ckitttuif -ixitdiNibender GedltHte hat elMn b«-
' . achiiakteMii 2yedi, als die Bpopee, nnd itobt Ulm Im didi-
terischer l^^oUendiing nacb ...'..«« 188
- LXXI. Biawnif geyra dl* Anmidnng des Begriffi der Kpopee '
auf das gegenwartige Gedieht Ml
LXXII. Bcantwortang diesen Binwuris. — Begritt des He-
roischen lAS
LXXIIJ. Gewülmlicher Begriff der grofsen Kpopee. — Seiner
Unbestirnmlheit angeachtet liegt ihm Wahrheit zum Grande. 194
LXXIV. Beweis des Gesagten darch einBefs^iel ausderlUade. 198
I.XXV. Jener nnbertioimte Begsiff .der Ep«pee wird bentaanl, ,
aobald man ibn auf iea des HetoiBchen lUriickfühtt . - 198
|«XXVI. AnkSndiguBg den Gegenstandes and Amt der Mim '
in der Kpopee ■ 189
tXXVlL Zwiefiuilie Gnltmig der Bpopee . 99^
LXXVIII. BigenthSmBche Gid&e des Gegenstondet uaMi
Gedichts . 20ti
LXXIX. Hauptthema des Gedichts 208 ~*
LXXX. Gröfse in den darin au^etübi t^n Charakteren und
Begebenheiten 210
LXXXI. Resultat des Ganzen. ^ Bigentlicher StolT des Gedichts. 214
LXXXU. Gesetne der Bpopee. Gesetz der höchsten Sinn-
Uchkeit . . : . 23»
LXXXtll. Geselk dtoßhgSiigiger iHetIgkeit 218
LXXXIV. GesAtn dee Hta^eH . 299
LXXXV. Gesetz des Gleiditewichts » . . . ^
LXX3tVI. Gevetn de^ Totmitat^ . . . . • 884
LXXXYII. Gesetz pragmatischer Wahrheit . 225
1
Digitized by Google
VIII
V ' Seite
\ LXXXVIll. PUft Gedichte. — Gahg der Han<UHng , . . ^
LXXXIX. Kellt dicliteriscike Krtindung des Ganzen .... 233
XC. Augenblick, in welchem die Handlung anhebt .... 234
XCI. Entachc^idende Umstände, durch weiche die Handlung
ihre Hauptwendnngen erhält 23ft
XCII. Benutzung des Orta und der Zeit ........ 241
XCIII. Stetigkeit in Jen nacli einander erregten Kmpfindangen.
— Ausnahme davon. — Mittel des Apothekers gegen die
Ungeduld 244
XCIV» Charaktere des Gedichts. — Aligemeine Gattung, zu
der dieselben gehören. — Ihre Aehnlichkeit mit den Ho -
• meriscJien 247
XCV. Verhältaife der Cultur und einCT colÜTirten Zeit zu dem
epiachen Gebrauch » ' . . 250
XCVI. Möglichkeit der heroischen Epopee in un&rer Zeit . .
XCVn. Darstellung einfacher Weiblichkeit in Dorotheen . . 255
XCVIII. Idealität in der Charakter - Sdiilderung, Verhaltnifs
der Charaktere 7ai einander 257
XCIX. Diction 2.'>fl
C. Einfachheit der Diction 261
Ol. Periodenbau . 264
CIL Versbau und Rhythmus 265
CHI, üehereinstimmung des besondren Charakters des Ge-
dichts mit dem allgemeinen der Gattung, zu <ler ey gehört 267
CIV. Schlufs 2flft
lieber den Geschlechlsunterschied und dessen
Einflufs auf die organische Natur 270—301
, (Schillcr's Hören. Erster Band. Tübingen 17^5. 8.
Stück 2. S.W— 132.)
Ueber vier AegjrpUsche, iöwenköpfige Bildsäulen
in den hiesigen Königlichen Antikensammlungen 302—333
(Abhandlungen der historisch - philologischen Klasse
der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu
BerUn, 1825. BerUn 1826. 4. S. 145 - 168.)
Hiezn die Kupfertafel.
IZ
Seite
Sonette. (HandschriftUd».) 334-390
1. Die steinernen Zeugen 334
2. Der Schatten ^
3. 4. Irdischer Zwiespalt. I. II 33«. 337
6. Das Unwiederbringliche 338
6. Das fremde Land ^
7. Kalter Trost ^
8. Die Gesinnung • — ■ — ' — •- — •- ^
9. Der Ritter ^
10. Die Treue ^
11. Wesen der Scliönheit • ^
- 12. Der Komet ^
13. Die Falkenberge ^
14. Die Brahmin und das Sudra-Weib 347
15. Hulda ^
16. Ate ^
17. Leben im Lebenlosen 340
18. Klarheit und Tiefe 351
19. Die Eiche 352
20. Vereinigung
21. Der Schauspieler . — . — : — : — : 354
22. Blinder Gehoraam ......... » — . — *—t — : 35^
23. Durga , . , , , 35H
24. Das Gold 357
25. Freiheit und Gesetz ^
26. Die Wehrauth 359
27. Opfer der Tyrannei 360
28. Jnno Ludovisi * — ■ — ■ — • — ^ ^
29. Faros 362
30. Die Jungfrau Israels — ± — s — : — : 363
31. Die Schauspielerin 364
32. Der Schmerz , 365
33. Molly • • 366
34. Die Nonne 367
35. Die Doppelwesen 368
.36. Ein alter Freund 369
37. PfiichterfüUung 37Q
38.
»9.
Ml
40.
Die Wolken
.m
41.
4^
43.
376
44.
45.
4«.
47.
4$.
49.
382
60.
883
5L
9QJ,
M.
M.
387—389
57,
»
Uebcr
iä5tlie''s HerriMiiii und Horath«««
Parii, im April 1799.
Einleitung.
Nichte voUeadet so sehr den abmluteM Werth eines
Gedichts, als wenn es, neben seinen übrig'en eigen-^
thümlichen Vorzügen, zugleich den sichtbaren Aus-
druck seiner Gattung und das lebendige Geprfige sei-
nes Urhebers an sich trägt. Denn w ie grofs auch die
einzelnen Scliönheiten seyn mögen , durch weiche ein
Kunstwerk zu glinzen im Stande ist, wie regellos die
Bahnen, welche selbst das echte Genie manchmal ver- '
folgt; so bleibt es doch immer gewifs, dafs dasselbe
da, wo es in seiner volieii Kraft thätig ist, auch im-
mer in einer reinen und . entschiedenen Individualität
auftritt, und sich eben so wieder in einer reinen und
bestimmten Form ausprägt. Wenn daher andere Pro-
ducte der Kunst nur eine ieinseitige Bewunderung oder
eine flüchtig aufbrausende Begeisterung hervorbringen;
so sind es alldn die, welcbe jenen Grad der VeU^
kommenheit besitzen, in welchen der Leser seine volle ^
IV. 1
Digrtized by Google
und dauernde Befriedigung lindel, und am denen er
^vieder die SUmmung zu schöpfen vermag, die ihnen
seihst das Daseyn jjnl). > Orzüglich aber sind sie ein
dankbarer Gegenstand für die ästhelische Beurlfaeilnng.
Doini hie erheben zugleich mit sich auch ihren Beur-
ikeiler empor, und führen von selbst eine Art der
Kritik herbei, die in dem einzelnen Beispiel zug^Ieich
die Gallung, in dem W erke zugleich den küusüer
schildert.
Eine solche Beurlheilung schien mir Gölhe's
Herrmann und Dorothea vorzugsweise zuverdie-
nen. Denn in dem eigenthOmlichen Geiste, der diese
Dichluiig beseelt, glaubte ich in vorzuglich sichtbarer
Stärke die doppelte Verwandtschaft zu erkennen, in
welcher derselbe auf der einen Seite mit der allge-
meinen Dichter* und Künstlernatur äherhanpt, auf der
andern mit der besondem Ei^enthflmlichkeit ihres Ver-
fassers steht. Die poetische tiatlmig und die epische
Art erscheint nur selten so rein nnd so voUstfindig,
als in der meisterhaften Coniposition dieses (ianzen,
der dichterischen Wahrheit dieser Gestalten, dem 8te<~
Ilgen Fortschreiten dieser Erzählung; und wenn* Gö-
thens Eigenthämlichkeit in einzelnen ihrer Vorzüge
Stärker und leuchtender aus andern seiner Werke her-»
vorslralt, so fmdet mau in keinem, so wie in diesem,
alle diese einzelnen Straten in Einem Brennpunkt ver-
sanmelt.
Die kritische Zergiiederomg dieses Werks zu über*"
nehmen, hiefs in einem noch eigentlicheren Verstände,
Üigitized by Googli
%
3
als es die islhelisehe Beurlheiluag^ imoier thiin vauts^
hl (las Wesen der dichlerisclieii EiiiLilduii^skraft eiii-
zudrifigen; und 30 trieb mich die Begierde, dieser ge-
heimnlfsvollslen unter aiien menschlichen Krfiften mit
Begriileii üäiier zu koiuuieiK nicht weniger, als die
Liebe xn diesem Gedicht, den Versuch m wagen, aus
iietii diese Schrift enlsland.
Diesem Gesichlspuniite, von dem ich ausging,
habe ich mich bemüht, in der Ausfßhrnn^^ »elreu za
bleiben. Ich Jiabe die BelradUuiig des Gedichts so
wellig als mAgfieb von der Betrachtung des Dichters
gelreiinl, und dasselbe, so viel ich immer koiinle, nur
als den lebendig dargestellten Gedanken einer indivi-
duellen dichterischen Einbildung^krafl heuriheill. Demi
die JMatur eben dieser Einbildung^knift zu studieren,
war mein hauptsfiehliclister Endzweck.
Dies bitte ich den Leser nicht aus den Augen
zu veriieren, wenn er vieUeioht finden soHle, dafs i^
mich bisweilen zu sehr von meinern Ge^enslande ent-
ferne, m hoch zu aligemeiaen Grundsätzen erhebe,
oder zu weit auf andre Dichtungsarten und Didiler-«
natjiren verbreite. Beides war auf dem Wege, den
Idi einmal nahm, unvermeidiich. Denn um zu zeigen,
dals dies Gedicht die aligemeine Natur der Poesie und
der Kuiist reiner, als nicht leicht ein andres, sich zum
besondem Charakter aneignet, mulbte ich nothwendig,
das Wesen der Kunst in ihren ersten Gründen auf-*
■
suchend, bis auf die höchsten Prindpien der Element
Digitized by Google
4
far-AeHlhetik Kurflckgehn: nnd um demselben, sowie
(lern Dichter selbst, die «liiun gebührende Stelle un-
ter den fibrigen Kunstwerken und KOnsUem tniznwei^
sen, eben so nolhwendi^i^ die verschiedenen Neben-
arten auffähren, welche dieselbe Gattung mit ihnen
befafst.
Ich wählte aber diese Methode, immer zugleich
bei meinem Gegenstande etwas Allgemeineres , die
Poesie und die Dichtenialur überhaupl, im Auge zu
haben, nicht ohne Absicht. Jede philosophische Beur-
theflung kann auf einen zwiefachen Endzweck hinar-
beiten, mehr auf die objeclive Beschaffenheit des AVerks,
das sie zu wfirdigen versucht, oder mehr auf den
Geist Röcksicht nelimen, der nothwendig war, es her-
vorzubringen. In dem ersteren Fali befördert sie die
Gesetzmfifsigkeit nnsrer Thfltigkell; in dem letzteren
bildet sie die ihr günstige Stimmung unsres Gemüths.
In dem Gemöthe des Menschen aber sind die Anla-
gen zu jeder Art der Kraftäufserung mit einander
verwandt, und jede einzelne entwickelt sich freier und
voHkommner, wenn sie durch die verhfiltnifsmäfsige
Ausi)ildung der übrigen unterstützt wird. Von wel-
chem Gegenstande man daher immer reden mag, so
kann man ihn auf den Menschen, und zwar auf das
Ganze seiner inteilectuelien und moralischen Organl-
salkvn beziehen. Bei jeder ei^enfhömlichen Philoso-
phie, jedem weitumfassenden System der Naturfor-
schung, jeder grofsen politischen Einrichtung kann man
untersuchen, was dadurch der pbiiosopbische, nalur-
Digitized by Google
iuflorwciie, politisohe Geist allein und in ihrer Ver-
bindung gewonnen haben. Mun kann an diese Un-
lersttchunf die noch aUgemeinere ankuäpien, uni wie
viel dadurch der menscUiehe Geist Oberhaupt dem
letzten Ziele seines Sü'ebeuä nälier gerückt ist, dem
Ziele nemiich: die ganze Masse des Slofis, wehsfaea
ihm die Welt um ihn her und sein inneres Selb.^l dar-
bietet, mit allen Werkzeugen seiner Kmpfftnglichkeit
in sich aufeunehmen. und mit allen Krftften setner
Selbsttliäligkeit umzugestalien und sich anzueignen, und
dadurch sein Ich mit der Natur in die allgemeinste^
regste und übereinsUinniendste \V echselwirkung zu
bringen. Man nmfs sogar immer beides, soba)d man
einen hohen praktischen Endzweck verfolgt, und man
darf es wenigstens nie ganz vernachlässigen, wenn
man von der Kunst spricht, die aus dem Innerste des
menschlichen Gemüths selbst entspringt, und von -einem
ffnnstwerlLe, das mit dem GeprAge einer grolben £i-
genthämlichkeii gestempelt ist.
Erwählt man nun diesen höheren Standpunkt, so
bezieht man seinen einzelnen Gi^gensland anf einen
eUgemeinen, aufser demselben liegenden Mittelpunkt,
wmI arbeitet an einem radur oder minder betrAchÜichen
Theil eines weiten und erhabenen Gebäudes. Dieser
Mittelpunkt ist nemiich: die Bildung des Menschen;
dies Gebftude: die Charakteristik des menschli-
chen Gemüths in seinen möglichen Anlagen
und in den wirklichen Verschiedenheiten,
weiche die Erfahrung aufzeigt. Man besitzt nun-
>
mehr in der Summe der Vorzüge da» Geibles ufkd der
Gesinnung, welche die Mensohh^it bisher dargethsQ. hat,
eine ideaiisdie, aber bestimmbare^ Grofse, nach wel-
cher «ch der Einzelne benrtheilen lAfst; man sieht ein
Ziel, (lern mau liachtstreben kann; man kennt einen
Weg, auf dem es mdglich ist, im höchsten Verstände
des Worts Entdecker zu seyn, indem man durch
die Thal als Dichler, Denker, oder Forscher, aber
vor allem als handelnder Mensch, jener Summe etwas
Neues hinzufügt, und daiail die Grenzen der Mensch- *
heit seihst weiter rückt Man gewinnt eine Idee, welche
durch Begeisterung zujvleich Kraft mittheilt, da das Ge-
setz die Schritte nur leitet, nicht auch beüügeit, und
den Mnth mehr danlederschldgt, als erhebt.
Es giehi keine freie und kraftvolle Aeufserung
«isrer Fähigkeiten ohne eine soi^ältige Bewahrung
unsrer ursprünjn;-lichen Naturanlagen; keine Energie ohne
Individualität. Deswegen ist es so nothvveudig, dafs
eine Charakteristik, wie die eben geschilderte, dem
menschliclien Geiste die Möglichkeit vorzeichne, man-
. 'Uigfaltige Bahnen zU verfolgen, ohne sich darum von
dem einfachen Ziel allgemeiner Vollkommenheit zu ent-
fernen, sondern demselben vielmehr von versdiiedenen .
Seiten entgegen %n eilen. Nur auf eine philosophisch
empirische Menschenkennlnifs lafst sich die Hoffnung
gr&nden, mit der Zeit auch eine philosophische-Theo*-
rle der Menschenbildung zu erhalten. Und doch ist
diese letztere nicht hlofs als allgemeine Grundlage zu
ihren einzelnen Anwendungen, der Erziehung und Ge-
Digitized by Google
7
setsigeiniiigf, (die selbst erst von ilir durchffti^rfgfeii Zu-
saiuiiienhang in ihren Priiu ipien crwiirlen dürfen) son-
dmi auch als ein sicherer Leitfaden hei der freien
Selbstblldun^ jedes Einsäen ein alltrem^nes und be*-
sonders in unserer Zeit dringendes Bedürruirs. Je grö*
fser die Ansahi der Richtungren ist, welche ihm offen
liegen, je reichhaltiger der Stoff, welchen unsre Cul-
tnr ihm darbietet, desto mehr flohit sich auch der bes-
sere Kopf verlegen, unter dieser Mannigfdliglceit eine
verst&ndige Wahl zu treffen, und auch nur Mehreres
davon ndt einander su verbinden. . Ohne diese Yer*
bindung aber gehl die Cullur selbst verloren. Denn
wenn die Cultur des Menschen die Kunst ist, sein Ge-
mflth durch Nahrung fruchtbar zu machen, so mufs er
dazu seine Organe so harmonisch stimmen, und eine
solche Anfsre Lage wfihlen, daft er so Vieles, als mög«
Udi, sicii aneignen kann, da ohne Aneignung kein Nah-
rungsstoff weder in das Gemüth, noch in. den Kdrper
übergeht.
£ine solche Charakteristik des Menschen
durfte ich nwar nie zu einer eigentlichen WIsscDSduift
erheben, ob sie gleich mehr bestimmt wäre, philoso-
plnsch und zum Behuf hdherer Ausbildung m ent-
wickeln, was der Mensch überhaupt zu leisten vermag,
als historisch zu zeigen, was er bisher wirklich geiei^
stet hat; aber sie wlirde dennoch nidit minder ver-
dienen, als eine eigne, philosophisch geordnete Erfah-*
ningslheorie von der Masse der ttbrigen philosophischen
Kenntnisse abgesondert zu werden. ^ In wie ferne sie
Digitized by Google
8
hierauf Ansprache macheu, und »e^&i eines eignen
Namens bedttrfen mödite, da sie sich aneh in ihrem
allgemeinen Theile von der Psychologie und Anlhro-
poiogie wesentlich unterscheiden würde, ist hier nicht
der Ort, auseinanderzusetzen. Ich gfianbte ihrer nnr
uherhaupt erwähnen zu müssen, um für die Beurthei-*
hmg dieser Blfilter den entfernteren Zweck bestimmter
anzudeuten, den ich hei Ausarbeitung derselben nie
aus den Augen verior.
Der Rückblick auf diesen entfernteren Zweck aber
hat mich genothigt, einen Gang zu wählen, der, wie
idi fürchte, vielen zu lang und zu beschweriich schei*-
nen wird. Mein Raisonnement ist nemlich für die In-
dividualitftt meines Gegenstandes vielleicht zu allgemein,
für seine Anschaulichkeit zu philosophisch geworden..
' Wenn ich mir auch schmeicheln konnte, den Aesthe-
tiker einiger Mafsen befriedigt zu haben, so darf ich
nicht auch hoffen, dem Dichter unmittelbar bei seinem
Gesehfift nützlich zu werden. Die philosophische Höhe,
zu der ich mich von meinem Standpunkte aus uoth-
wendig erheben mufste, ist dem ansttbenden Künstler
weder bequem noch fruchtbar; er bratitcht mehr spe^
ci^e und empirische Hegeln. Wenn diese dem l'hi-
losophen zu eng und individuell sind, so erscheint ihm .
dageg^en dasjenige, was für diesen gehörigen Gehalt
und Tauglichkeit zum allgemeinen Gesetz hat, immer
hohl und leer. So stehen beide in einem nothweudi-
gen und unvermeidUchen Widerstreit mit einander.
Aber die Philosophie der Kunst ist auch nicht >
Digitized by Google
9
haapt^ächÜcii für den Küat^ler, und wenigstleas nie fär
den Augenblick der Hervefbringung bestimmt.* Es ist
ein Vorzug und ein Unglück der Philosophie über-
haupt immer nur den Menseben, nie die Ausübung
zum unmitlelharen Endzweck zu hüben. Der Künst-
ler kann ohne sie Kunstler. der Staatsmann ohne sie
Staatsmann, der Tugendhafle ohne sie tu^^dbaft seyn;
aber der Mensch bedarf ihrer, um, was er von ihnen
empflEin^, zu geniefsen und zu benutzen, um sich selbst
und die Nalur zu kennen und diese Kenntnifs frucht-
bar zu machen; und jene sogar kdnnen ihrer nicht ent-
befaireni, wenn sie sich selbst vmtdndiicb werden und
mit ihrer Yernunit dem Fluge ihres Genies oder der
Tiefe nnd- Richtigkeit ihrea praktischen Sinns gleich-
kommen wollen. Eben so ist auch die Aesthetik un-
mittelbar nur für dei^enigen bestimmt, welcher durch
die Werke der Kunst seinen Geschmack, nnd du^ch
einen freien und geläuterten Geschmack seinen Ghar
rakter zu bilden wünscht; der Künstler selbst kann sie
nur gebrauchen, sich überhaupt zu stimmen, sich, wenn
er sich eine Zeit hindnrcb seinem Genie Überlassen
hal. wieder zu orienliren, den Punkt zu bestimmen, auf
dem er steht, und wohin er gdangen sollte, lieber
den Weg aber, der Ihn zu diesem Ziele führt, kann
ihm nicht mehr «ie, sondern allein seine eigne und
fremde Erfahrung Rath ertheilen.
Zwar wird ihm auch diese iuuuer nur einzelne
Bmcbatücke zujiefern im Stande seyn, abgerissene
Regeln, denen os nicht blofs an Vollstündigkeil. son-
Digitized by Google
10
dem auch an Allgemeini^tigkeit fehlt. Dessenungeach-
tet yväre es nicht minder wichtig, dieselbe» m sam-
luein und zu ordnen, und jeder, welchem sein Talent
die Bahn der Kunst mit entscliiedenem Erfolge zu wan-
deln erlaubt, sollte sorgfällig aufzeiclmeii, ANas er auf
derselben an sich seihst bewährt gefunden hat. Es
wfirde dadurch nicht blofs der Kunst, sondern auch der
Fhilosophie ein wesentlicher Dienst geleistet. Denn der
Aesthetiker benutzt diese poetischen Geständnisse eben
so, als der Psycliolog die moralischen, und freut sicli,
die Künstlernatur, die er sonst nur mit Mflhe aus ih-
ren Werken ahndet, nun dnrch nnmitfelbare Anschauung
zu erkennen. Dies ist e$, was Diderots fislhetischen
Aufsätzen einen so grofsen Werth giebt, der R^ch-
Ihum von Bemerkungen und Erfahrungen, der z. B.
seine Versuche über die Malerei und seine Ab^
haiidlung über die dramatische Poesie so frucht-
bar für den Künstler und Theoretiker macht.
Der Abstand^ welcher sich zwischen dem allge-
meinen Gesetz und dem individuellen Kunstwerk be-
findet, hindert oft, dafs das letztere sogleich vollkom-
men als der einzelne Fall erscheine, in welchem das
erstere dargestellt ist. Sehr leicht könnte sich daher
der Leser in der Folge dieser Versuche zu der Be-
schuldigung veranlafst finden, dafs ich den Charakter
des beurtheilten Gedicht« nicht treu genug vor Angen
gehabt, und meine BehaupUiiigen nichl durch vollkom-
men passende Beispiele gerechtfertigt hütte. Ehe er
indefs ein solches Verdammungsurtheil ausspricht, mufs
Digitized by Google
11
kk ihn billen^ sich mit dem Geiste des Gänsen recht
Verlraul zu machen, und diesen auch hei eiuzelnen
Stelien nie aus dem Gesicht zu verlieren. Denn auch
mir hat immer der Totaleindruck vorgr^schwebt^ und
ich iieune in ästh^lischen BeurÜieilungeu keine iindre
Absondermgs-Methode, als di^enlge, wekshe die ein-
zelne Eigenschafl, auch zu einem aiifrcnMicklichen Ge-
brauche getrennt, noch immer durch das Ganse, mit
dem sie verbunden ist. modificirt belrnchtet.
Bei der Bestimmung der Dichtuugsart, zu weicher
Herrmann und Dorothea gehört, habe ich nöthig
gefunden, eine eigne ^ von dem gewöhnlichen Begriff
der Epopee abweichende Gattung derselben festzusetzen.
Ich fürchte hiebei nicht den Vorwurf, zum Behuf ei-
nes einzelnen Gedichts ohne Noth eine neue Gattung
geschaffen zu haben. Wer die Theorie der Kunst bear-
heilet, beiludet sich in dem gleichen Fall mit dem Na-
turforsdier. Was diesem die Natur ist, das ist jenem
das Kunslgenie. Wofern er nur gewifs isL dafs die-^
ses und zwar in seiner vollen und reinen Kraft ge-
wirkt hat, (denn hieWIber mufs er einen freien und ei-
genmachligeu Bichlerspruch fällea) so bleibt ihm nichts
übrig, als die Geburten desselben gerade für das zu
nehmen^ wofür sie sich anliündigen, sie einfach zu be-
schreiben, und sein System, wenn sie sich seiner Glas-
sificalion wideiselzen, nach ihrem Jit diirfiufs zu er-
weitern.
Die Entwicklung piiilosophi^cher Theorieen an dn-*-
zeiuen zum Grunde geieglen Beispielen fuhrt gewölm-
Digitized by Google
lidi mehr als £iucu Aachtheii iiiii »ich, Enlweder lei-
det dadurch die AUgemeinheit der Theorie, oder es
wird aucU in dem einzelnen Füll, von dem man aus-
IHeht, mehr hineingelegt, als sich sonst natfiriich darin
gefunden luilte. So wie ich in dieser Einleitung den
Zweck auseinaiidergeseUi habe, auf den ich hiuarhei-
tele, jorlaohe Ich keinen dieser beiden Vorwürfe mehr
bei ürciiten zu dürfen. Bei der Methode, die ich wählte,
mnfste sich zwar das gesammte Feld der Kunstphilo-
iiophie meinem Blicke zeigen, uhei ich (iiirlle mich nie
von dem Standpunkte entfernen, auf den ich mich ge-
stellt hatte. Wenn die erstere Betrachtung mir die Bahn,
die ich zu durchlaufen halte, eröffnete, so mufste die
letztere sie xu begrfinzen dienen. Dies bitte idi den
Leser besonders da nicht ku vergessen, wo ich über
andre Dichtüngsarten und Diehtematuren, wie z. B. Ober
die Tragödie und über Ariosl rede. Denn da ich
ihrer immer nur in Beziehung auf meinen eigentlichen
Gegenstand erwähne^ -so- könnte mein Raisonnement In
diesen Stellen, olme. diese Erinnerung, leicht schief und
einseitig erscheinen. Freilich aber gestehe ich gern,
4ars ein tieferes Eindringen in che Grundpriaeipien ei- .
ner allgemeingfllligen Philosophie der Kunst überhaupt,
mir bald zu reizend schien, um dasselbe als einen blofs
untergeordneten Zweck meiner Arbeit zu betrachten,
und däfs meine Bemühung vielinehr wesentlidi darauf
hinging; den gesammten \ orrath meiner Ideen über
«diesen Gegenstand zu einem, auch, von jeder fremden
Digitized by Goo<?le
Beziehung unabhängigen und so viel möglich in sich
Selbst vollendeten Oanzen syslematisch zu ordnen.
Sollte übrigens der geschmackvolle Kunstrichter
die Resultate dieser Untersuchungen mit minderer Aus-
führlichkeit und mit einer gedrängleren Kürze darge- •
stellt wflnsdien; so fühle ich vielleicht lebhafler-, als
irgend einer meiner Leser, die Billigkeit dieser For-
derung, • in so fern sie den Styl und den Vortrag auft-
scUiefsend betrifft. Für einen grofsen Theil des Pub-
licums hingegen glaub' .ich meinen philosophischen
Raisonnements sowohl jtnehr Klarheit, als mehr über-
zeugende ivraft dadurch erlheilt zu haben, dals ich sie
unmittelbar an die Zergliederung eines vollendeten Kunst-
werks angeschlossen; und Ich habe der • Versuchmig
nicht widerstehen können, manche sonst nicht unwich-
tige Rüdbichten dem höheren Interesse aufzuopfern,
welchem ein so allgemein beliebtes Meisterstück jedem
nicht ganz mifslungenen Versuch seine Schönheiten zu
entwickeln, unstreitig zu erthellen vermag.
i.
Wirkung dec Gedichts im Ganzen. — Es Ulkt einen rein^diobieneoheii
Rindrnck in dem Geuiüthe zurück.
Die schlichle F^infachheit des geschihierlen Gegenstan-
des und die Gröfse und Tiefe der dadurch hervorgebrach«
len Wirkung, diese beiden Stücke sind es, welche in Gö-
thens Herrmann und Dorothea die Bewunderung des
Lesers am stäricsten und unwillkührlichsten an sich reifsen.
Digitized by Google
14
Was i^ieh ciiu meisten cnlgegcuslcht, was imr ileiu üenie -
de8 Kün«Üer8, und auch diesem ^ein in seinen glücklich-
sten Slimmuiigen zu verknüpfen gelingt, finden wir auf ein-
mal vor unsrer Seele gegenwarlig — Geslallen , so w a h r
und in Ui viel II eil, als nur die Nnlur und die lebendige
Gegenwart sie zu geben, und zugleich so rein und idea-
lisch, alsr die Wirklichkeit sie niemals darxusletten vermag.
In der bloften Schilderung einer einfachen Handlung erken*
nen wir das treue und volistündige ßiid der WcU und der
Menschheit.
Der Dichter erzählt die Verbindung eines Sohns aus
einer wohlhabenden Bilrgerfamilie mit einer Ausgewander-
leu'^ er ihul nichls^ als die einzelnen IVIomenle dieser Hand-
lung, die einzelnen Thcile dieses 8tolVs aus einander legen,
die Reihe der Umstände entwickeln , wie sie natürlich und
nothwendig aus einander entspringen ; er Ist nie mit^ etwas
andrem, als mit seinem GegeiisUuidc bescliäfliiil ; alle Hin-
dernisse, durch die er den Knoten der Handking schürzt,
alle Mitteil durch die er ihn wieder löst, sind allein aus die-
sem und aus den Charakteren der handelnden Personen ge-
nommen; alles, wodurch er die Theilnjibme des Lesers ge-
witmt, ist allein in diesem Kreise enthalten, und nie tritt
er in seiner eignen Individualität hervor, nie schweift er in
eine eigne Betrachtung, oder eine eigne Empfindung aiis«
Und auf welchen Standpunkt sieht sich dadurch der Leser
versetzt! Das Leben in seinen gröfsfesten und wichtigsten
Verhältnissen und der Mensch in allen bedeutenden Momen-
ten seines Daseyns stehen auf einmal vor ihm da, und er
durchschaut sie mit lebendiger Klarheit
Was seinem Herzen das Wichtigste ist, sein Nachden-
ken und seme Beobachtung am anhaltendsten beschäftigt,
sieht er mit wenigen, aber meislerhalten Zügen in überra«
sekender Wahrheit geschildert — den Wechsel der Alter
Digitized by Google
15
und Zeiten, die lorlschreitende üiiiaiKlcrung in 6iUeü uüU
Denkangsarl, die HaupUlufen menschlicher Cullur, und vor
allem das VerhäUnUk hüaalicfaer Bürgerlugend und aliUen
Familienglücks zu dem Schicksal von Nationen und dem
Slrome aufserordenllicliei- Ereignisse. Indem er nur den
Begebenheiten einer einzelnen Familie zuzuhören glaubt^
fühll er seinen Geist in ernste und allgemeine Betrachtun-
gen versenkl, «ein Herz zu avehmulhsvoUer Rührung hin-
gerissen, sein ganzes (jeniiilh hingegen /.ulelz-l witMlci" durch
einJaclie, aber gediegene Weisheil beruhig!. Denn die wich-
tige Frage, die sich in unsrer Zeit überall jedem anldrUn-
gcn muls: wie soll bei dem allgemeinen Wechsel, in wel-
clicm Mejniuigen, v'Mllcn, Verfassungen und Nationen forU
gerissen werden, der Einzelne sich verhallen? llndcl er nicht
allein in den • mannigfaltigsten- Gestallen aufgeworfen, son-
dern auch so beantwortet, dafs die Antwort ihm mit der
Belehrung zugleich Kraft zum Handehi und 5Iuth zum Aus-
harren in die Seele haucht
Aus der Mitte aller Verhältnisse seiner Zeit und sei-
nes Vaterlandes, sieht er sich in eine Welt versetzt, in die
er sonst nur, von der Erinnerung an die einfachsten und
frülieslen Mcnsclienaller erfuHl, an der Ilaiul der Allen ein-
zugehen pflegt. Denn indem ihn der Dichter bei der gan-
zen Individualität seines Weseas ergreift, führt er ihn zu
^n reinen und ursprünglichen Naturformen zurück; und
indem er in der Wirklichkeit alles vertilgt, was sie zur
blofsen Wirklichkeil und untaughch ' zum Gebranch für die
Phantasie machti benutzt er noch bis auf den kleinsten Zug
ihre Individualität
So rein dichterisch hat er seinen SloIT erfunden und
ausg^lni.
16
II.
♦ '
RftoplbettMiHli^ile «Her dicliteriich«ii Wirkniig. — Plan di«ter B«nr*
- theilang im Aligenieineii.
Nichts ist ein so zuverlässiger beweis des echt dich-
terischen Chiirakters, als die Verbindung des Einfachsten
und des Höchsten, des durchaus Individuellen und vollkom*
men Mealischen (dieser beideirl laiiptbcslaiitlliieile aller künst-
lerisciien Wirkung) in derselben .Schilderung und derselben
Gestolt
Denn durch einzelne Bilder der Phanlasie den Geist
auf einen hohen und weiluinschauenden Standjmnkt zu füh-
ren i ist die schöne beätiiumung des Dichters, vermittelt
durchgängiger Begrensung seines Stoffs eine unbegrenxte
und unendliche Wirkung hervorsubringen , durch ein Indi-
viduum einer Idee Genüge zu leisku, und von Einem Punkt
aus eine ganze Welt von Erscheinungen zu eröffnen.
Zwar kann es leicht scheinen, als sey das Geschäft,
das ihm dadurth aufgelegt wird, nur die übertriebene For-
derung eines undtchterischen Zeilalters, das, indem es über-
all nach philosophischen Begtiflen liaschl, aucli überall nur
Ideen sucht, und das blofse und leichte Spiel der Sinne und
der, Einbildungskraft verschmäht. Man darf aber nur seine
nächste und eigentlichste Bestimmung genau untersuchen,
und man wird im! uighar iindeU) dafs, indem er dieser voll-
kommen zu genügen strebt, er sich zugleich auf dem Wege
befindet, jenes zu erreichen, sich au Idealen zu erheben und
eine gewisse TotalitHt au erlangen.
Dies liegt uns jelzl zu zeigen ob. Denn wenn das
Gedicht, das wir zu beuriheilen im ßegrilT sind, wirklich
einen so rein dichterischen Eindruck zurückläist, als wir so
eben beschrieben haben, so wird uns nichts so sicher « als
die Erörterung des Wesens der Dichtkunst selbst, bei der
V
Digitized by Goo^I
1»
Schtlderung teineft all gemeinen Cheraktere I«h
leti; und diese 'Sdrfldening macht den ersten und haujil»
sächlichsten Theii unwes Geschäfts aus.
Haben wir diesen vollendet, so bleibt uns dann nur
nech übrig, die Arbeit des Dichlers mit den be«
sendreft Regeln, der Gatt4tng zu vergleichen, ftti
der sie gehört.
Denn nur, indem wiv iliosc iloppeUe Beurlheiiung uiit
einander verbinden, können wir gewitis seyu, weder der Ori«
ginalitäi des Dichters, noch den gerechten Ansprüchen* <ier
Theorie ^et Kunst su nahe su Irefen.
in.
Kinl'aclustei; Uegriü' «ler JlBJiAt.
Das 1 cid, iJ is der Dichter als sein Eigenlhuiw bearbei-
tet, ist das Gebiet der Einbildungskraft; nur dadurch, dafs
er diese heschüftigt, und nur in so fem, als er dies starit
und ausslcliHefsend Ihul, verdient er Dichier tu heifseti. Die
Natur, die sotisl nur einen Gegenstand für die sinnliche
Ansciiauung abgiebt, mufs er in einen ätoil für die Phan^
taste uinschaffen. Das Wirkliche in ein Bild su ▼e'i<-
wandeln, ist die allgemeiBSle Aufgabe allet Kunst, auf
die sich jede andre, mehr edet weniger uiüliHlelbar, zurück-
bringen läCst
üin bierin, glücklich zu seyu, hat der Künstler nur £1-
neu Weg einAiscMägen. . Kr mufii in untrer Seele jede
Erinnerung an die Wirklichkeit vertilgen, und nur die Phan-^
tasie allein rege imil iebentiig ei Jialten. An seinem Objecto
darf er dem Gehalt und selbst der lonn nach nur wenig
ändern; wenn man 'die Natur in seinem Bilde wiedererken-
nen soll, so tnufe er -sie alrehg und treu nechahmen; eft
bleibt ilun also nichts übrig, als sich an das Subject in
Digitized by Google
18
WiDden, auf das er wrrk«n will. Liers« er aydi den Gcf«
genttwid wllitl» bis mil seine kleinaten Fkieken, gerade mt
wie er in der Natur ist, so iilitte er denselben iikhl» desto
welliger zu etwas Jurebaiis Verschiedenem gemacht; denn
er liälte ihn üi eine andre 8j>luirc versetzt. \\\ der Wirk-»
liehkeil achHefst immer eine Beslimmuiig jede andere aus;
was sie also dem Gegenstande dareh ihre Beschaffcnheil
giebt, das nimmt sie ilun wieder durch ihr ausschlielsendes *
Dasejn; vor der Fhanlosic iiingegeii fällt diese jiescliran-
kiMig, die nur aus der Natur der Wirklichkeil herfliefst,
von selbst Inn weg, «la die Seele, von der Phantasie begei-
stert, sieh über die Wirklichkeit erhebt -
Diese allgemeinste und einfacliste Wirkung aller Kunst
beweisen am besten diejenigen Gemähide, die sich begnügen,
leblose NatnrgegenstSnde darauste&en. Eine Pianae^ eine
Fnichl ist gerade so gemahlt, wie sie In der Natur vor uns
daliegt, es i^l iiiehts ansgelassen, nichts hinaugesetzl; wa-
rum macht sie dennoch einen anderen £indriiek| als der
wirkliche Gegenstand? wamm ist ein solches Stück in
Aileksicht auf den allgemeinen Begriff der Kunst diurhaua
von demselben Werth in seiner Gattung wie jede andere
Vorstellung iü ^ler tbiigen? Blofs darum, weil es gerade ,
und rein xur Phantasie d^ Zuschauers geht» und eben so'
rein aus der Phanlauo des Künstlers enls|Mrungen isL
Bis so weit ist die Kunst mehr beschrieben^ als deii-
nirt; ihr Wesen mehr «su|iiriseh erlüutert, als |>hilosopl)isch
entwickeit worden. £me wahre Definitiaii mufe sich, wenn
sie nicht willkfihrlicli scheinen soll, auf eine Ableitung aus
BegrifTen gründen. Eine solciie kann für die Kunst nur
aus der nllgemeineH i\alur des Gemiilhs St^iti linden.
Wir unterscheiden drei aligcmeilie Zustände unserer
Seele, in denen allen ilire sSmrotlichen Krüfte gleich thätig,
aber in jedem Einer besondeni, als der herrschenden, un»
Digitized by Google
tergeordnet nnd. Wir und entweder mit den .^«tm ffnt^
Ordnen und Anwenden bloiser Erfahningskenntnuse, oder
mH der Anfsucliung von BegrilTen. die von aller Erfahrung
unabhängig sind, beschäAigt; oder wir leben millen in 4er
beechiÄnlOeii und endJieben Wiridüehkeit, aber ee ah wai«
sie lur uns ünbescbrankt und nnendJidu
Der letztere Zustand kann, das begreift man leicht,
nur der Einbildungskraft angehören, der einzigen unter un-
sern Fähigkeiten, welche widersprechende Eigenschaften au
verimiden im Stände ist. Was in demselfaen vorgehl, mnfs
eine zwiefache Eigenschaft in sieb vereinigen. Es inufs
1) ein reines Erzeugnils der Einbildungskraft seyn; und
2) immer eine gewisse, äuli»re oder innere, Aealttät be»
isilaen. Ohne das erstere wäre die EinbiJdinigBkraft indit
herrschend; ohne das andere wSrendie übrigen Kräfte uns-
rer Seele nicht zugleich thälig- Da aber die Realität, von
der hier die Rede ist, sich nicht auf ein Oaseya in der
Wirkliebkeit belieben darf, s# kann dieselbe nur auf Oe«
setsmSiiigkeit beruhen.
Aus diesem Zustande nun entsjmu^l das Bediirfmls der
Kunst
Daher ist die Kunst die Fertigkeit, die £inbil<-
dnngskraft nach ^vesetsen piroductiv in machen;
und dieser ihr einfachster Begriff ist zugleich auch, ihr
höchster.
IV. .
BBbe 4er WIckong, zu d«r lUe Kraul »ich erhebt — ideaiitit —
Knter BegrilF de« Idealiadiea, ab des Nicht- Wiitfidien«
CKe Einbildungskraft durch die Einbildungskraft xit ent-
iQnden, ist das Gebeininils des Kiinsllers. Denn nm-die
unsrige jXi nöthigen, den Gegenstand, den er ihr achilderty
2*-
ff
vdn m» sich telbH lu erEmigeii, muh deradbe Im ans der
seinigen hervorgclin. Dftdarrli aber, ^fe jedes Kuntlwerk,
wie treu es aiicli seinem l i l)iiilc scy, doch als eine voU-
konimcii neue Scltüpfinig dem Künstler eigen ist, erleidet
eudi der Gegenstand eine Umiindenlng eeinee WeseiM»
und wird kii einer andren Höhe erbeben.
Dns lieicl» der Phantasie ist dem iieiche der Wirklich-
keit durciiaiis entgegcngcsetzi; und eben so entgegengesetil .
isl daher auch der Ciiarakier dessen, was dem einen oder
dem andern dieser beiden Gebiete angehurt. Mit dem Be«
gi-iÜ des Wirklichen unzertrennhar verhuiulen ist es, dafs
jede Erscheinung einzeln und für sich da steht, dais keine
als Grund oder Folge 'von der anderen abhängt Denn nicht
allein, dals eiae solche Abhängigkeit niemals whrkttch ange-
schaut,, immer nur durch Schlüsse eingesehen werden kann,
macht .auch der BegiilT des Wirklichen seihst das Aufsu-
ehen derselben übeilUissig. Die Erscheinung . ist da: dies
ist genug, jeden Zweifel aarttcksuweiaen ; wosu btaiieht sie
sieh noch durch ihre Ursache, oder ihre Wirkung zu recht-
fertigen ? Sohnid man liingegcn in diis (»ebiot des Mög-
lichen übergeht, sp besteht niciits mehr, als durcii seine
Abhängigkeit von^ etwas andrem und alles, -was nidit an*
ders^ als unter der Bedingung eines durchgängigen inneren
Zusammenhanges gedacht werden kann, ist daher im streng-
sten uiul eiiiiachslen Sinne des Worts idealisch. Deau
es ist in so fern der Wirklichkeit, der Healität, geradesu
entgegeng^selzL
Auf diese Weise -idealisirl nitifs daher alles werden,
was die Hand <lei Kunst in dns reine Cjebiet der Kinbil-
dungskraft hinüberführt.
Wohin, der Alensch nur immer seine Blicke richten mag,
da sm^t er den Begriff eines gegenseitigen Zusammenhan-
ges, einer iunem Organisation geilend zu machen; üebei>
Digitized by Googl
2t
aU (ieu Zufall zu verbtimieti, zu verbuMlern, dals in <leiii
<?eMete Beobachtenft umi Denken« er Dicht so l«rr»
sdbfen scheine, im Gebiele des linMlelna^tttdil hemehe, kl
das. Stieben der Vernunft. Oaduicit allein schon bewährt
er, dafs er sieb mit iiechl einer höheren Abkunft rüiinil,
•la dw öhrigen Gesdiöpfe». 4ßf» er in ein beeseree hrn^ alt
de« der Wirktichkeii» daifii er in des Lend der Ideen gebort
Ddhin aucii die ganze Natur, treu und voUsiüiidig beol>*
nchiet, mi^ skk hinüber zu tragen, d. h. den Sloil seii^
^tf^Amm§m den» Umtoge der Weil gleich sii nmeheat}
4w$e unguhtture Blaaee einiehier und ah^^sacaer ExaAüf
nungen in eine ungeirennte Einheit und ein erganisirtee
Ganses zu verwan/dein; und dies durch alle die Orgaoe zu
thun, die* ihm hiena verliehen nnd, ^ »& das kUte ISiet
emce inteUedueKen Benülfaeiia.
Da jedoch diese Betrachtung in ihrer Atlgemeinhmt
unserm Gegenstände fremd ist, so bleiben wir hier nur bei
dem AotheiW stehen, den an dieser grofsei^ArlMtii die Ein-
bUduogßkiiifl lind dar Künstler insbesondere nimml. Wir
erinnern überhaupt niur davao» um sa xeigen» dafadie Kunal
mclit zu den mechanischen und untergeordneten Gescl»aUen
gehört, dui-ch die wij: uns iiusier e^enlUclien ^siimr
iBung bM> vorbereileOii «fuidcrn «i den hikh^ten' und, pr^
.habewicn, durph die> wir sie- sefbat' onmiMelbar erQMeii..
Zweiter und liölierer Begritf <lt>8 Idfalisctmn, al» eines Kiwas, das alle
WirklidikeU ubectriirt
■
' Dadurch, daü» der Diditcr seinen Cjcgensland, selbst
wenn er ihn, unmittelbar aus der Natur entieiuti,. .doch im-
mer vm neCiem durch, seine Einbiidm^kr^ill, eraeugt» wird
die Ucstall beslimml, die er denselben, üb^ seine wirklidj^e
Besciiaffinilieity oder auch aufeer detselben, giebt. Denn
«r lilgtr nim jeden Zug in ihm ads, der nur in Zuflttigkei'^
ten seinen Grand hat, macht jeden von dem andern, md
das Ganze nur van sich selbst abhängig; und die Einheit,-
die dadurch in ihm herrschend wird, ist dennoch keine
£inlicit deflT Begriffs, sondern dtlrohans nur eine Einheit der
Form. Denn nw unter der deppellen Bedingung ydttiger
Selbslbeslimiiiufig und völliger Formnliliil ist die Einbil-
bungskrafi im Stande, ihn sich selbst zu bilden. Gehngl
ihm diese Arbeit, so stellt er Buiettt lauter remo Ciiarak«
terformen .auf, Uofee Gestalten, wefohe die lautre, nieht
durch einzelne wechselnde Umstände entslellte Natur an
sicli tragen; so ist jede mit dem Gepräge ihrer Eigenthüm-
Üdikeit gestempelt, ünd diese Eigenlhümlicbkeit üegt blols
In der Form, kann nie anders, als durch Ansebanen gefaftt,
nie aber in einem Uegrifi" ausgcdriickt werden.
Nun erst wird die Natur durch die Kunst verschont
und veredelt, nun ent erhält der Begriff des Idealischen
seine höhere Bedeutung dessen, was- keine Wirklidikeit er-
reichen und kein Ausdruck erschöpfen kann.
Auch hier muis man sich indels sorgiäUig in Acht neh-
men, weder die Art, wie der Künstler hierbei verfahrt, lu
verkennen, noeh etwa gar in den Irrthum xu verfallen, als
dörfe et nur grofte, nur fehlerfreie- Charaktere schddem.
Weiches auch die EigenthümÜchkeit sey, die sie an sich
tragen, wenn sie nur ganz und allein in ihnen erscheint,
wenn sie nur als ein reines Objeet der Einbildungskraft be-
handelt ist — dies ist die einiige Forderung, der ihm 6e*
niige zu leisten obliegt. Um aber diese zu erfüllen, hat er
nicht eben Züge wegzulassen oder hinzuzufügen ; wenig-
stens wird nur seilen gerade darauf das Wesentliche seiner
Wirkung beruhen. Selbst bei der skl<iv]sdisten Anhänglich-
keit an die Natur kann er diese noch in ihrem ganzen Um-
• . . .
lang erteidien. Denn sie hiingi nichi von emieinen Zfigen»
einzelnen Umänderungen, nur von der FaH>e, von dem
Glänze ab, d6n er seinem Werke überhnupt leiht, nur da-
von, da(s er ihm eine Einheit und eine Fonualitäi giebt,
4ie .unmittelbar au misrer Phantarie aprichl, ihn nna «mmi^-
lelbar ds ein reines Werk der fiinbtldangskrafl, und alo*
vollkommen real, durchaus «bereuistimmend mil den be-
setzen der Nalur und unsers Gemütlis, also idejihsQh zeigt
Wodurch er indeCi eigenlUch diese Uehereinstlmmnag 4«r
Form onsver Einbildungskraft ndt der Form der Natar be-
wirkt, vermöchte er selbst nicht zu sagen ; und so wie man . '
es zu beschreiben versucht, geräth man immer in die Ge-
fahr, es in eine blola' mechanische Ari>eit tu verwandeh.
Der Ausdruck,- da& der Dichter die Natur erhBht, mula'
daher immer mit Behutsamkeil gebraucht werden. Denn
genau genommen ist er schlechterdings uneigentlich. Das
Werk des Künallers und das Werk /der Natur stehen nichl
mehr in demselben Gebiet, und eilänben daher auch nicht
' mehr denselben Malsstab.
Der Gebrauch, den man vom Idealischen im Intcllec-
tuelien und Moralischen macht, verleitet sehr leicht, sich
darunter immer etwas durch den Verstand Gedachtes, oder
durch das Herz Empfundenes vorzustellen. Aber dieser Be-
griff ist ebensowohl aut biois sinnliche Gegenstände an-
wendbar, und man darC sich nur an das vorhin gegebener
Beispiel, den emfachsten Fäll der Kunst, die blo&e Nach*-
.afamung der Natur erinnern, um sieh hiervon au uberzeugen.
An einer schön gemahllen Frucht bemerkt man ein
Schwellen der Conture, eine Zartheit des Fleisches, eine
.- ilaumartige Wetcfaheit der Haut, ein Glühen der Farben,
das — so 1^ ist es blo£i idealiseh — die Natur nie an -
erreichen vermag. Man kann darum nicht sagen, dafs die
gemalte Frucht schöner sey, als die natürlicliei die Natur
Digitized by Google
überhaupt uic s^köii, als ii^oferi) die Pliaiitasie sie sich
vorsteiiU Man Mni^ nicht sagen , dal« di« Umrisse in der
Natur weniger voUenddy dief*^r!en minder lebhaft war^;
(]er l nlerschicd ist allein der, dafs die Wirkitehkeil la den
Sinnen, die Kunst zu der Phantasie spricht, daCs jene
j^^e Vü9fi a^uasi^nde Umrisse, dies^ >war immer besün^le^
aiier iinpper auich unendliche giebU
Selbst der nnläugluire Widerspruch, der in diesen bei-
be^ Eigenschaften enthalien ist, beweist, Jafs alle Wjikun^
dfr^ Kirnst nup: durch die; Stimmung des Empfindenden her-
* Vff|^gebi:^bl wird. Denn s#nst ist es offientinr ktar, da^ 4er
UiKirils, der bestimmt, zugleich begrenzt, da(s, indem er an-
giebt, wie weit eine Linie, eine Flache gehen soll, er zu-
• gijoiiiik alles Ftjrnere ausschlieisl; aber, die PhaiUasic be-
g^eUft nie, sie gehl immer ins VnendlMiihe fdrt^mid. sobald
al^Q di« Genie des Künstlers sie begeis^rt, yerl^dl^t sie
ihre Unendlichkeit mit den Formen, die er ihr vorlegt, ohne
sich um einen Widerspruch zu bekümmern, der zwar d^
Verstand mid die bloOse sinnliche Anseh^mig, nicht abei;
ftic «ingeht»
J'Lben daher kommt es aneh, dafs di^ Kirnst ans Immer
ip i|fis zurück versenkt, da die Wirklichkeit uns aus uns
lierattsführty nnsre Begierde zum Genufs, unsre TlUitigkeit
zum Handeln w^kt Das. Werk 4er Kunst ist zu edel für
den Genufs, und erregt tu sehr die innersten Kräfte des
i^Ieifschen, uni sie plöUhch in Bewegung zu setzen; es llölsl
«li^ l>öchsLe mid schönste B^^eist^rung zu groüsen Thatt;n
ciUr aber erst indem es d^n Manschen . sieh selbst giebt.
schenkt es ihn der Welt £s spricht gar Glicht zu den^e»
nigcn rUeÜe ^s^ines \Vesens, mit dem er der Wirklichkeit
aitgchüiL.
.L-d by Google
25
Nolliweo4|igL«U, in der «icU. jeder eckt« KunaUer b«üuil«t, itliiner «Im
Idealiiche so. erreicbea.
i^obald man di\s Wesen der kunsl in den (jeselsen d^i*
Phantasie, ivt/xli die sie t^iiftm wirksan» ist, onlBiichl, ge*
langt nuin notbwendig auf d»^ Begriff des IdeeJiscben.
Denn so uiiL»egreiflicli alich das VcrüalHcii des Kunst,-
ist, so gewifs darifi, ininier i^lwas — und gerade das
Wesentüehe — übrigl^ieibli» dec Di4|l4er seib«|L nickt
verstehen», dj^r. Krilii^er nie apsyusprecbeA vehnag; so
ist indefs dpcii immer so viel gewifs, dal's der Künstler
zu^rAt v^n nichts aii4erm ausgelit, als nur etwas Wirkli-
ches in. m m vearwandiüi^j dafs aber bald eria^,
dies nijcht iiidi^rS}^ aJs durch eine^^^^ lebendiger JUit-
theiluiig, nur dadurch möglicli ist, dafs er gleichsam einen
clektriscl^n Fmiken aus seiner i^iiantasie in die PluaiU^i^
fp^dicei^ ^bi^i^M;öirifBi]i läfst^ und di^s svvajr nipiit unaiilldbart
son4^ip so> ii^^ er ihn einew Object aolsjer sich einhaucht^
Dies Ist der einzige Weg, der ihni offen Ijegt, und ohne
es irgend zu woUen , blols indem er seinen Dichterberuf
erfüllt, und dt^ Ausführung seines Geschäfts der Phantasie
gberl^fst, hebt, er die Natur aus den iSphranhen der Wii;|<*
lichkeit empor , und. fuhrt sie in das Land der Ideen hii^
über, schafft er seii|^: hjidivid|ien iu ic|ca|p utii,
Nftclialimungr d<ir Na'ttir.' .
per Begrifl des id«4tH^h^n> als e^^as über die Wifik«
Ui^kf^t l^rmifsni;n/eri^^t «{aa QeateH d<?n Nachah«
nmng der Natur, das man bisher gewöhnKch dem Künst-
ler zoi ii^fjpl^eu gebqt^u^ ja sogar <ds eine p^itipu dev
üigiiizea by LiüOgle
26
Kunst Belbsi angesehen hat In der Thal fa(si er aueh die ,
beiden Hauptbegriffe derselben in sich: den der Realiläl in
dem Ausdruck der Natur, und den, dafs dieselbe doch
anders, als sie wirklich ist, dargestellt werden soll, in dem
der JNachahmung, die tue eine völlige Uehereinkunft mit
ihrem Vorbilde erhiabt Aber es enthalt euie Unbestimmt-
heit, die nur dadurch vermieden weiden kann, dafs man das
Wesen der Kunst nicht (wie man bisher nur zu od gethan
hat) in der Beschaficnheit ihres Gegenstandes, sondern in
der Stimmung der Phantane aufsucht
Zwar hat man sich bemüht, dieser Unbestiüimlheit auf
eine doppelte Weise abzuhelfen. Man hat dem Künstler
empfohleni nur die schöne Natur, und diese nur schön
nachxuahmen. Aliein ^er Begriff des SchSnen veranhifst
vielerlei Milsverüläudnisse , ist von durchaus unbestimmter*
Ausdehnung, und läfst immer neue mid höhere Grade bu.
Der des Idealischen hingegen ist vollkommen bestimmt.
Denn alles ist ideaHscfa, was die Phantasie in ihrer reinen
Selbstlhätigkeit erzeugt, was daher vollkommne Phantane-
Einheit besitzt Diese nun ist immer eine geschlossene
Grdise, obgleich, da kein Künstler hoffen darf, sie ganz zu
erreiehen» die Starke der Phantasie in den einzelnen Indi-
viduen auch hier unzählige Grade jedoch nur in der
Ausführung, nicht in der Forderung — zuläfst
Die andre Zweideutigkeit, welche der Ausdruck der
Nachahmung veranlalsty hat man dadurch vermeiden wollen,
dafs es keine leidende Nadudimung, sondern eine selbst- -
thUlige Umwandlung der Natur seyn müsse. Aber
auch die Grensen und die Art dieser Umwandlung verlang-
ten neue und, genau au reden, unmögliche Bestimmungen.
Die einzige Art diesen Sireit xu schlichten, bleibt' da-
her der subjective Weg, den wir gewählt haben, und der
dennoch nicht weniger zu einer vollkommen objeclivenDe-
Digitizod by C
fii^tkm «ler Kunst lührt Denn da der Künstbr die Nalnic
(onler der .wit den Inbegriff alks dessen^ was för um Rea«
Iklt haben kann, verstehen) su di^pn Gegenstände der Phan-
tasie macht: so ist die Kunst. die Darstellung der Na-
tur durch die Einbildungskraft; und diese Definitkm
unleladieidet sich so wenig von der oben (UL) gegebenen»
dals sie vielmehr nur ein ob j ec Uve r Ausdruck derselben ist
Diese Diirslellung kann luia niclit anders, als schön
seyn; denn sie ist ein Werk der EinbiidungskraiL Siemufo
eine Umwwidlung der Natur enthakten; denn sie verselil
dieselbe in eine andre Sphäre. Die Definition selbst aber
fafst die liestimmung in sich , welche Schönheit ihr ange-
hören, welche Umwandlung die Natur erfaliren soll; keine
andre neniich^ als welche jene VerseUnng in ein fremdar-
tiges Medinm von selbst nit sieh bringt.
vm.
Zfmilev Vsmns der Kaast m ihrer letsten Voneadong: ToMilS*. —
ZwiefMher Weg, dieeelbe sa etlMlIen.
Wir haben nunmehr gezeigt, wie der Dichter zur Idea-
lität gelangt; aber unsre fiehauptung im Vorigen erstreckte
sieh noch weiter: wir sägten, dals er allemal auch Tota-
litat erreiche; wir bedienten uns des Ausdrucks einer
Well, und dieser Ausdruck sollte keine Metapher seyn.
Die Welt, als der geschlossene Kreis alles Wirklichen,
lalst sich auf diie awiefache Weise betrachten: einmal von
den Gegenständen aus, die sie umfnfst; dann von den Or-
ganen aus, womil der Mensch dieselben in sich aufnimmt.
Denn nur insofern er entsprechende Organe besilBt^ kann
dne Aufoenwelt für ihn vorhanden seyn.
Der Dichter kann daher die Totalität, nadi der er
sliebt, auch auf diese dOp])cUe Weise erreichen, indem er
eutweder den Jireis der Objccte, oder den Kreis der £m-
4
S8
*
pfinihmgeii dunüilauft, 4ae 9» hervorbringeii. Üb» «raUfft
H gewdhnlick der Weg des besehreibeaden, d«s ieUtor^
der des lyrischen Dichtep, obgleich beide uuch diese Me-
thode uuitauscben können, da es nicht auf die untntUelbarej
sondern nur auf die leUie Wirkung ankonuBi^ die «k tu-' '
rtieklasseiL
Auf keinem von beiden. Wegen ist es ihm schwer ^ au
diesem Ziel zu gelangen. Alle verschiedenen. Zustände des
nensdiiichen Wesens ^ (und scImmi dasum» weil dies der
Sifindpanki haH, aus dem wir die Nafair brtw d i te» ) aiiA
aUe Kräfte der Natair sitid so nahe anl .enaBder ymFandjt,
hallen und tragen sich so ge^euseilig unter einander, da£^
es kaum möglich ist, eine derselben lebendig darzustidki^
ohne auch aiigleich den ganien Jüoeis nui in seinen Plan
auftunehmen. Für den beschreibenden Diehier insbeson'^
dere ist das Leben so reich an Verhältnissen, und es wird
ihm so leicht, dieselben wiederum auf eine für den Men-
schen bedeutende Weise dänusteUen, dals er iiur eineii
selbst zufalJig. aufgenommenen Stoff näher su entwickeln,
nur die angelegten Figuren mehr zu individuaiisireti braucht,
Uin immerfort auf Lagen m stofsen, die er dem Gemüth
wichtig machen kfixußf und ui|t bald nach imd iiach dje
gamie Masse von Gegenständen su erschöpfen, welche sich
seinem Bück von scmeiu Maiidpunkle aus darbicleii.
In dieser Kunst, dxtö, Lebeu der Phantasie vor-
Kufiihren, oder dien gansen lleiischen iiiv seinem Innersten
zUi erschüttern, und also immer auf einnial alles au umfos*
sen, was ihn zu rühren vermag, hal niemand die Allen
übeitroHen. Jede Hymne des Piadar, jeder gtöisere Ch^
der Tragiker, jede Ode d^s Horas durchläuft^ nur in mi*
endUch abwechselnder Mannigfaltigkell, denselben Kreis,
Immer ist -es die Erhabenheil der Götter, die M^cht des
Schicksals, 4^ Al^huugigkeil des M^i^schei), aber auch die
Digitizod by Ct^j^ '^ic
29
iiröbe der (icsmuiing und die Höhe des Miillis, durdi %
welelie. «r sich gegen das ächkksi^l zu behauplen, od«r
^ öber dusMlbe «ii erheben vertnng, welehe der DiehUr
schildert. Und wie anders, wie Jel>eii(Jji;oi , reicher, «inif-
lich- klarer nodi ist eben dies im iiouier gezeichnet! Nicht
biofs in seinem ganzen Gedicht^ in jedem einzelnen Ge-
«MngBy last in jeder ^ntdnen SteU« Hegt das ganze Leben
offen und klar vör uns da, da(s die Seele auf einmal leicht
und sieher, was wir sind und vecnii>geu, was wir leiden
gwiefeen, wo wir recht ihun und wo wir iehlen» ent-
äckcadet
Daher die beculiigeDde Wirkung, die jedes rein ge-
stimmte G'emülh bei der Lesung der Allen erfährt; daher,
da£s sie audi den leidenschaftlichsten Zustand iieftiger Au^
Wallung oder erliegender, Verzweifliing attenial zur Rube
lierab'^ und zum Muthe hinaufstimmen. Denn diese, Kraft
einhauchende, Ruhe fehlt niemals, suhiild nur der Mensch
•ein Verhiiltnifs zu der Welt und dem Scliicksale ganz
uberaieht;. Blo£i wenn er gerade da stehen bleibl, wo die
anbtve Ulacht sme innere Kraft, oder seine innere Heftig-
keit das iiufsere Gieicljgewicht zu überwältigen droht, enl-
steht verzweifelnder Miismuth, md sß günstig ist die ihm
in der Reihe der Ding^ angewieaene Stelle, dab Harmona«
und Rulle hiuner sogleicli zurückkehren , als er nur den
KreiSvder Erscheinungen voJIcutlcl, welcJie il)m die Phmi-
lasie in diesen Augeubhckcn eine^'.ernöleii Rührung, iu we(r
eher ei- mit dem Geschidt Rechnung hält, vorfuhrt
' 4
IX. '
Diese Totalität ist allemal eine noUtwcndige Folge der volikMinMieii '
Ueritdiaft der dicbteri^olien fiinbUduiigdUiUl.
Aber es hfingl nicht bloTs von der oft zufälhgen Wahl
des Gegenstandes, nicU von der Individualität des Dichters
Digrtized by Google
30
ab, sich dieser Totalität zu .versichern, und auf einnal ai-
1er £inpfindiingeii seines Zohorers Meisler wa werden. Er
imils es immer rnid darchaus, sobald er nur im absoliiUai
Verslande Dichter zu heifsen veidienl, d. i. sobald er es
versteht, die £iiibildungskrafl herrschend und sellistthätig
SU madieii.
Denn weder die ZaM der Objeeie, die er nt seine«
Plan oufniumit, ist hierbei vorzüglich wichlig, noch auch
die rSühe, in welcher dieselben zu dem höchsten Interesse
deir Mensehheil liegen; beideSi wie sehr es auch die Wir-
kung seiner Arbeil verstärken kann, ist für ihren künstle*
rischen Werth gleichgültig; alles, was er hierbei zu ihun
Kät, ist nur seinen Leser in einen Mittelpunkt zu stellen,
vo;i welchem nach allen Seiten hin Stralen ins Unendliche
ausgehen, imd von dem er daher alle die. groÜMn und an-
fachen Naturformen iibersehauen kann, die sogleidi da ste-
hen, als man die ^virklichen Gegenstände ihrer aufidfige»
Eigenthüinüchkeiten entkleidet
£8 kommt daher gar nicht darauf an » alles, was an
sich unmögOdi wäre, oder auch nur vides, was mandie
Gattungen der Kunst ausschliefsen würde, wirklich zu zei-
gen, sondern nur darauf, uns in die Stimmung zu ver-
seilen, alles tu sehen, £r sanimle nur unser eignes We-
sen in Einen Punkt, und bestimme es, wie er als K&istler
immer thun mufs^ sich in einem Gegenstand auiser sich
selbst hinzustellen (objectiv zu seyn), und es steht unmit-
telbar (welches dieser Gegenstand auch seyn möchte) eme
Welt vor uns da. Denn unser ganses Wesen ist dann in
uns zugleich und in allen seinen Punkten rege, und ist
schöpferisch; was es in dieser Stimmung hervorbiingt, mufs
ihm selbst entsprechen, und wieder Eanheit und Totalität
besitien; nun aber sind es diese beiden Begriifej die wir In
*
deni Attsdiuck einer Welt mit dnander vereinigen.
Es isl iieuilich liier wieder derselbe Fall, den wir vor-
lain bei der Emiebung des Idealbch«» fanden. Der Di«h«
tor yerseUje uns^ wie er sdnein ersten und etn&chslen Be*
rufe nach txi ihun verbunden ist, aulserhnlb den Schranken
der Wirklichkeit, und wir befinden uns unmittelbar von
selbst in der Regien, in welcher jeder Punkt das CeoUnrat
4es Gänsen, und mithin dieses schrankenlos' und unendfich
ist Abaolttte TotalilSt mufs eben so sehr der unterschei-
dende Charakter alles Idealischen seyn, als das gerade Ge-
gentheü davon der unterscheidende Charakter der Wirklidip»
hmi mbL Sebald also der Dichter nur dahin gelangt» in uns
jede auf die Kenntmis der Wirklichkeit gerichtete Stim-
mung zu unterdrüeLen, und alle sonst damit beschälliglen
Kräfte unarea Geiates aUein der £inbüdungskra(t untenw-
Qtdnen, so hal er aetnen Zweck, erreicht. Demi nun ial
diese lelstere aUein herrschend; wm knüpft n» auf eimnal
aUes zusammen, worin sie eine für sich besiehende Kraft,
iein eignes Lebenspnncip entdeckt; und da alles i^ositive
nH cinattder yerwandt und eigentliGh Eins «He Absen«
denmg von Individuen aber nur durch BmhrMung enir
nichi, so erfolgt hieraus nothwendig von selbst ein Stieben
nach einer in sich selbst geschlossenen Voilatäudigkeit Das
Gemüth dko, auf das der Künstler ao eingewirki hat» ial
iauner geneigt, von welchem Oljede ea auch auagehen
möchte, doch den ganzen damit verwandten Kreis zu vol>
lenden, und immer im eigentliclisleu Verstände eine Well
von Erscheinungen auf einmal ausammen au fassen. ,
Mehr aber ala daa Gemttth au atimmen ist lucht
& Absiehl des Dichters, «fie sich überhaupt nie über das
Subject hinaus erstreckt, und die Gegenstände nie anders
schildert, als um in ihnen den Menschen darauatelien; und
ao viel mufa er jedesmal leisten, er mag den einfachaten
Sloff« einan Sonnenaufgang, einen sdiönen Sommerabendi
Digitized by Google
ii
oder jede andre einzelne ^aliirsccue besingeu, oder eine
Itfas, eine Messiade dtchlen* Se imseirtrennfich isi dieM
Forderung mit seinem Dichter- uni überhaupt mit «einem
Künsllerbernfc verbunden.
Auch ist die Erfüllung deiselbeii im genauesten .Ver-
alande nur das Werk der echten Künstlernatur. Denn statt
dar» , wie man vietteicht au giauben geneügt ist» «ur der
ernste, grofse, gehaltreiche Dichter am besten Sne Tota-
Klät erreicht, führt uns gerad»^ der ilir am nächsten , wel-
ehetn der Genius der Kunst seine gröfoeste Leiohligkeit
verliehen hat, der die Einbildungskraft • am aartesten und
leiseslcn zu bewegen versteht, dessen Tttnen sie M Qf^
jiigsten entgegen scbwidl, der sie mit einer unendlichen
Sehnsucht nach iimiier neuen Verbindungen, immer neuen
FKigen erföilt Denn darin eben besteht dies AliumCae^
sende, das er Ihr mitlheilt, dafs ne nirgends In Bchmw
auftriltj um sicli an Einer Stelle festzuwurzeln, dals sie im-
mer weiter und wciler schweift, und doch iuuncr den gan-
zen Kreis «ugleich beherrscht^ den sie durchstrichen hat|
dnfs ihre Wonne an Wehnrath, ihre Wehmuth an Wannte,
gi-änzt; dafs sie nichts mehr jii der Farbe der Wirklichkeit,
alles nur in dem Glänze erbhckt, mit dem sie es, wie durdl
einen geheimnifevoiien Zauber, überkhiidet.
Es ist nicht mehr schwer» eine Welt su bewigen, wemi
man einen Punkl nufserhalh derselben gefunden hat) mif
den man mit Sicherheit fufsen kann.
KinHufi des Moalischen in der Darstellug auf die TotsIttSt.
Ist <lie 8eele einmal künstlerisch gestimmt, -hat ihr der
Dichter einmal jene larte fimpD&uglichkeH, jene leise Erreg-
barkeit milgelbeilt, so hängt es aHein vcw semer Willköhir
Digitized by Google
ub, wie viele einzelne Objecto er ihr wirklidi vorführen,
wie viele eiiwelne Empfindiingen er in ihr rege nutehen
will Dies bestilnml die Nalur seiner tiAtlimg, die- Wahl
seines Moüs, endiich seine Itulividualitiit. D«ils es ihm nicht
schwer werden kann, aus jeglicliem Stoff eine groüse Man-
nigfaitigl^eil von Figiwen xu entwickeln, ist schon iin V«*
rigen gezeigt worden; aber es ist auch noch mehr. Dit
Art, wie er auch nur eine einzige dichterisch, aufstellen
mulsj bereitet die Phantasie von selbst zu, nicht blofs meh-
rere, sondern gerade so viele andre-an diescUie anzukniipfeil^.
als mit dieser einen geschlossenen Kreis bilden.
Dadorch, dafs die Einbildungskraft das Aehnliebe mit
dem Aehniiciien verknüpft, und selbst zwisciien das Uiiähn-
liehe noch verbindende Mittelglieder einschiebl, bringt sie
nur ftlannigfaitigkeity nicht Totaütäl, hervor. Zu dieser leta-
leren vmk sie und ihr Objeet diehlerisch gestimmt und au-
bereitet seyn, und dici ist der Fall, wenn der Dichter ideo-
tische Figuren aufstellt.
Zu beidem, ku- dm Idealischen und* aur Totalität , er-
hübt er «sieh nur in dem Gebfeie der Einbildungskraft; iHir
nachdem er das beschränkte und getrennte Daseyn der
Wirklichkeit, wie durch einen Machtspruch, aufgehoben bat.
Beides muis daher in genauer Verbindung mit einander ste-
1^1. Auch beruht das Ideaiische offenbar auf der Möglich-
keit dfr TotaBtSt^ denn^ das Unterscheidende des Ideals
besteht gerade darin, dafs es sich alles, aber alles nur auf
seine Weise, aneignet. Und wiederum begränzt das Idea*
Hsche die Totalität, da es die Menge der einsehien Bestand*
theile immer In Massen zusammenschliefst , die^ aus Einem
Punkt betrachtet, ein Ganzes für den VersUnU oder die
Anschauung btiden.
Wir nennen ein Ideal die Darstellung einer Ideo ia ci-
nem Individuum. Wir fordern daher von demselfai^U eine
IV. 3
Digitized by Google
34
Kigenthümlichkeil ohne ii^inseilit^keit. Eine solche a^er er-
hiilten wir nidii anders, «U indein wir ailes., waS' einem
gewissen Chartfkler (der jeder id^ayschen Figur tmfner tum
(irunde Hegen nujls) wesenlhch isl, zusammennehmen; alle«
hingegen, was er nur zutailig an sich Iriigl, davon abson-
dern. Alle Ideale eradieineD ihiher vollkommen als das,
und nur als das, was sie wirklich sind. Dadurch fiilh bei
mehreren unmiilelbar der Punkt ihrer gemeinsamen -Berüh-
rung und der Punkt ihres individuellen ( ontrasles ins Auge.
Aber es kann auch niehl Leicht eine Lücke unausgefülU
• bleiben. Wo swischen sweien ein Mittelglied 4ehlt, da mufo
nian es immKtelbar auch gewahr werden.
Durdi diese Aehniiclikeit, die nie zur Einerleilieil , und
diese Verschiedenheit, die nie zur Unverträglichkeit ausar-
tet» sondert^ sich nun die gante • Well vor dem iüealisiren-
den Blick in eine unendliche Zahl -einselner Massen ab.
Die Individuen treten in Gini»|»eiK kleinere unter diesen in
gröfsere, alle in eiu Ganzes zusamnien. Nicht anders er-
geht es dem Dichter. Auch er zeigl nichts ab Massen.
S^h ganser Stoff verbindet eine selclie Beweglichkeit mU
solchem Streben nach Form, dafs er, wof man nur einsohnei-
det, uberall in organische Massen aus einander flieht j wo
man v€l4>iiidet, sich wieder zu solchen ztrsanin>enrolU.
■ An demselben Faden nun, an dem das Genie des Dichr
ler» diese mannigfaltigen Gruppen aus einander entwickelt,
an demselben geht die Phantasie seines Lesers von der ei-
nen wm andern über; und sobald einmal eine einzige idea-
liscli> geseii^nete Figur da steht, nöthigt sie von selbst,
andre, und .wieder andre, und so viele herVbrznrufeQ, bis
sie einen Kreis vollendet hat, der für den jedesmaligen Grad
der künstlerischen SUmuiung hinlänglich grofe und umias-
send ist -
Alle Gestalkti nun-, die der Dichter auifUliren kann.
Dig'itized by
35
haben einen gemeinsamen Verbindungspunkl , ihre Beiie«
httäg auf die menschliche Nalur. Von fliesem Mitlelpunkt
ans kann er schlechterJings alle bewegen und beherrschen.
Viele aber sind noch he'i weitem näher mit einander ver-
wandt, und bilden eine noch viel enger geschlossene Spliäre.
Werni nun beides, die Einbildungskiraft sq gestimmt
und der Gegenstand so bearbeitet ist , dafs die erstere bei
kt'iiiem einzelnen Punkt stehen bleiben, und der k'lzlere
sie auf keinen einzelnen heften will 'y ßo kann nicht anders,
als erst mit der Vollendung des, ganzen Kreises, mit voll*
kommner Totalität, Stillstand ur.d Buhe emtrelen.
Wie ist es z. B. möglich, dns Aller des Jünglings le-
bendig m schüdeni, ohne dafs der Phantasie zugleich das
Kind, aus dem er hervorgeht, der Mann, dem seine Kraft
enigegenreifl , und -der Greis, in dem 'die letalen Funken
seines auflodernden Feuers verglimmen, gegen wiir Ii g w ären?
Wie den Helden zu mahlen, der auf dem Schlaciillelde,
mitten unter Leichnamen, dftn Tod gebeut, und das Ver-
derben pltfnmafsig anordnet, ohne den ruhigen Denker, der
ftwiäehen seinen einsamen Wihiden, fern von aller ausüben-
den Thäfigkeit und den laeignissen des Tages fremd, nur
W«'dirheiteu naciispäht, die vielleicht erst komnienden Jalir*
hunderten segenvolle Früchts veraprechen, oder den ruhi*
gen Pfliiger, der, nur för das Biediirfiiife des Tages besorgt,
nu» aul den Wechsel der sich immer von neuem aliroUcTi- ,
den Jahrszeiten hesehr.wkt , blofs der künftigen Ernte ge-
deckt, zugleich vor die 8eele au nifeA?
Ein Zustand führt «imm^ von selbst die übrigen Xm-i
bei, durcli welche nur gemeinschaftlich der einzelne Mensch
' oder che gunse Menscidieit bestehen kann; und dies ist eben
der grofse Gewinnst, den die künstleriseh geaiimiiite ßii^
bildungskraft auch «dem moralisclien MenachSm gewahrt, dafs«
sie ihn gewisaermafsen alle E|iocfaen des Lebens zu vev«ff<
3'
Digitized by Google
9f
Iiigen, die verflossene noch forlzusetzeit und die nächstfol-
gende schon oAsufangen lehri» ohne dofs er durum doch
der gegenwjirUgen weniger eigeathiimlich angehört.
Ueberüiclit des gansen Weges, welchen der Dichter von seinem ar->
tpriifiglidieii Zweck l»it tu aeiii«iii liöclislen Ziele xnrücklegt.
hl keiner Art menschlicher Thütigkeil mi es niögiich
. das Höchste su erreichen^ als nur hmerhalh der Schranken
ihrer Galtung. 'Nur dadurch, dafs er dasjenige vollkommen
geltend macht, was er ist) erreicht der Mensch Oberhatipt,
lind der Einzelne inshcsoiuli e , seine ietzic allgenitiue und
individuelle Bestiiniuung. Nicht anders der Dichter. Sein
' Geschüft ist es, die Einbildungskraft herrschend und pro-
dttdiv SU machen, und indem er dies Geschäft vollendet,
gelangt er zn Idealen und erreicht er TotalitäL
Dies glauben wir im Vorigen bewiesen 9u haben; und
wenn der Weg, den wir gingen, lang und unsrem nächsten
Geschäft fremd schien, so wühlten wir ihn dennoch nicfal
ohne Ursnche. Nichts ist hei Beurllieilungen jeder Art von
Arbeilen so wichtig, als die Forderungen streng vor Augen
XU haben, deren genaue Erfüllung man mit Jiechi von ih-
iien erwarten kann. Zwar isl es nicht ungewöhnlich, vor-
, auglich ästhetische Werke - mit unbestimmten Lobsprüchen
zu erheben, sie lud anderen ihrer Gattung zu vergleichen,
und ilinen gleichsam iiberverdienstliche Tugenden beizule«
gen. Niehls desto weniger bleibt die einzige richtige Art
der Bourlheilung immer die, dieselben allein mit dem, was
sie seyn sollen, mit den Grundsiilzen der Aesthetik und
dem Ideiri der Kunst xu vergleichen, zu entscheiden, ob sie
ihre PDicht erfüllen, den gerechten und jnothweudigen An-*
Sprüche« der Kritik ein Genüge leisten. Ihr absoluter, nicht
i^idui^cd by Google
4
ihr r«lirtiTer Werth soll bcstimint werden. Bliebe man die-
sem Wege unverbrilchlieh gelreu, so würden die Bawor«
ler des Sehdnen; des Erhnbenen, des VortTefflU
chen sicli voji selbst in die des verständig Gcdacli-
ten, plannialsig Atigeordaelen, wahr (leschilder-
len, richlig Empfundenen, pod'lisch DargesteU*
len verwandeln; man wurde sich begnügen, einfach su ent»
scheiden, mit welchem Rechte d;is Werk den Namen eines
jGedichls überhaupt und den der besondeni Gattuug führt,
der es beigeaählt wird.
Freilich verlrägl nicht jedes Gedicht eine solche Beur-
theilung*, aber unverseihKch wurde es seyn, eine andre bei
demjenigen anzuwenden, welches so grofse nolhwendige
und wesentliche Tugenden besitzt, und so sehr alles frem-
den und erborgten Schnuickes entbehrt
Wir sind bei der Entwickelung des Wesens der 'Kunst
bisher mehr eiiietn raisonnirenden Gange gefolgt, und ha-
ben uns nur selten auf die Erfahrung berufen. Um uns
indeis von den aa^esteUten Behauptungen auch noch auf
•liie sianliohe Weise su öberzeugen, dürfen wir nur die
Wirkung in uns zurückrufen, weiche jedes vollendete Kunsl-
werk immer in uns hervorbringt: die >Stimmung, in die uns
der 9eivaderisGhe Apoll oder eine Stelle des Homer verselsl.
Alle Fäden menschlicher Gefühle sind alsdann in uns
aufgesogen; wir empfinden die menschliche Natin /Ai<;letelj
in allen ihren Berülirungspunkten j nie gehen wir ieiser von
einer Empfindung lu einer «ndren über; nie i^t jede, anch
sonst heftige, Regung so milde und so gehalten; sugieich
aber spiegell sich alsdann' in uns die Welt , die rnis um-
gtebt, und setzt dieselbe Stinmmng in uns iovi. Denn die
Vollendung und Harmonie, die wir vor uns erblicken» ge-'
heu in uns selbel über, und oflfonboren sich dm^h Rulie
und Rührung — welche beide man viellcMhl als die all-
38
gemeinste W irkung jedes grol'seti Kunstwerks ansehen darf:
durch Huhe, weil in diesem Zustande nichts Störendes,
nicht» Mi&kiingendes Statt finden kann; durch Rührung,
weil es immer das Herz mit Wehmulh ergreift, sa oft wir
in eine gewisse Tiefe der Natur oder der iMensclilieit blicken.
Beide zusammen beweisen, däfs wir die Menschheit uikI
das Schicksal, diese beiden -ungeheuren Gegenstände, die
auf einmal alles umfassen, was ein menschliches Hers au >
rühren vermag, nie lebendiger durchsclmuen und energi-
scher verknüjifen, als in diesen Momenten, in eme soidie
wunderbare und unbegreifliche Stimmung aber kjann der
Geist nicht iinders versetzt, in eine solche Tiefe nicht an-
ders versenkt werden, als wenn man ihn, von aller Wirk-
lichkeit hinweg, in eine Welt von Idealen hinüberzaubert,
in der er die Natur nur an ihren Elementen und ihren
Kräften - wiedererkennt, sonst aber überall blofis eine ihr
fremde Vollendung und Schrankcnlosigkeit antrifil.
Wenn man nuiiuiela dun Weg übersieht, welchen der
Dichter (und mit ihm jeder Künstler) durcldäufi, so er*
staunt man bei der Betrachtung, von welchem einfachen
Ziel aus er sich zu welcher unbegreiflichen Höhe schwingt
Dert wirklichen Uegcnslaad nur gleichsam £iun Spiel
in ein Object der Phaulasie zu verwandeln, fängt er au,
und hört damit auf, das gröliieste und schwerste Geschäft,
was dem Menschen als seine letzte Bestimmung aufgege-
ben ist, sich iiiicl die Aufsenwell um ihn her auf das m-
'nigstc mit einander zu vcrknüplen, diese erst als einen
fremden Gegenstand in sich aufzunehmen, dann aber als
einen frei und selbst organisirtten wieder ' zurückmgeben,
auf seine Weise und mit den ihm angewiesenen Organen
auszulühren.
Denn den ganzen Stoff, den ihm die Beobachtung- dar-
reicht, organisirt er zu einer ideatischen Form für die -Ein*
Digitized by Google
2»
bildungskralV und die Welt uin ihn hei ctschemi thtii aiclil
anders, aU wie ein durchgungig individueiics , lebendiges,
harmoDtsefaes, nirgeods beachränktes noch abhängiges, mir
sich selbst geiiiigeiides Ganzes mannigfailiger Ponnen. So
hal er seine eigne innerste und beste Natur in sie überge-
tragen, und sie zu eineui Wesen gemacht, mit dem er nun
veiU^oinmen su 8ym|)a4hiinren vermag.
XII.
Viitmcheititinä, «k'ä hoUt^n uiul e<-lil<m Styls in der Diclitkuii&t von
* . dem Aiteratyl in derseibeiu
Ob der Dichter bis zu diesem Gipfel der Kunst ge-
langt, ob er seine Leser mit sich bis zu dieser Hi)he er>
• hehl? dies ist also der einaige echte Prüfstein seines wah-
ren ästhetischen Werths. Denn an diesem Ziele müssen
sich alle mit einander vereinigen, welche den Namen eines
Künstlers mit Keclit tragen wollen, wie verschieden auch
•der Weg sev, den sie, gezwungen durch die Gattung, die
sie gewählt hahen, oder eingeladen durch die Verschieden-
fa^ ihrer Individualilat, dahin einschlagen. Eine Nation,
die nocii nicht lebendig empfindet, dafs dort allein die kiitist-
lerische Vollendung gesucht werden darf, eine Sprache, die
es ihren Dichtem nicht leicht macht, diese Dahn mit Glück
jra veHolgen, sind von dem'grofseti Styl in derPojfsie noch
eiilfernl, und ^nlbchren noch aller der wohllhatigon Folgen,
die damit lür die Bildung überhaupt und jden Charakter
verbunden sind.
Denn allerdings giebt es aufser jenem grofsen und ho-
hen Styl in der Kunst noch einen <indern, der dem von
Natur minder reinen, oder durch Verwöhnung verdorbenen
Geschmack sogar noch gelailiger selimeichellv itnd daher
sehr oft mit jenem allein echten verwechselt wird. Ja, da
Digitized by Google
40
beide getvisseriuaiscii lu zwei verscbietienen Regionen lie-
gen, so kann Belb«! die Kritik swischen swei Kunstwerken
ftweifettuili scyn , von denen das eine in jenem minder ho-
hen Styl uielir leistet, als das andre auf seinem besseren,
aber auch slcileicn imd gefahrvolleren Pfade.
Unter allen Künsten aber ist keine der Versuchung,
ihre eigentliümliche Schönheit durch erboigten SchfBUck
cu entstellen, so nahe, als die Dichtkunst Denn aufserdem
(Jals sie, \Vie jede andre Kunst, sUiU die Einbildungskraft
völlig frei und scibsllhülig zu erhalten , statt sie entschie-
den zu ndlhigen, ein bestimmtes Object hervorsubrinj;en,
sie blofs mit angenehmen und gefälligen Bildern erfüllen;
sie mit ciiitni bunten, aber unbedeutenden 1 ;iibenspiei um-
geben kann; so hat aic aucii noch einen andren Abweg zu
fürchten, der nur ihr aliein angehört» Da sie durch die
Sprache, also durch ein Glittet wirkt, das, urspränglich nur
lür den Verbland gebildet, erst einer Umarbeitung bedarf,
um auch bei der Piiantasie Eingang zu linden; so schweift
sie leicht in das Gebiet der Phikaophie hinüber, und inter-
esairt unmittelbar den Geist und das Hen^ sUiU Uola auf
die Einbildungskraft einzuwirken. Mehr, als irgend eino
ilircr Schwcslerii, im Stande, auch «ocli durch etwas, das
gar nicht mehr Kuu^l. iäl, zu gelten, findet sie überall die
' mehresten Anhänger , da hingegen die Musik, die Mahlesei
und vor allen die Plastik» in deüen aich, vielleicht gerade
in der hier angegebenen Stufenfolge, der BegHff der Kunst
immer reiner und enger zusammendr^gt, nur den immer
seltneren echt ästhetischon Sinn lu fesseln verinögen, .
Aiif diesen Abwegen nun artet die Dichtkunst von ih-
rer eigentlichen und höheren rsalui aus; sucht abwechselnd
durch niahlerische Bilder zu gefallen, und durch glänzende
und rühreudp Sentenaen m erstaunen und au erschüttern;
und sinkt von der Geburt des Genies »i .einem hlofiien
' Digitized by Google
«
Werk des Talents iieiab. Zwar isl sie auch so iiocb im-
laer einiger , und unler den Händen grofser Meisier (die
num tmh hier nieht verkennen darf) noch sogar einer gro*
fsen Wirkung fühig ; me kann xugleidi die Einbildungskraft
in Bewegung seUeii, und üicli des (ieistes und <les Herzens
bemäcUiigen ^ sie koim durch . BliUe des ücmes Bewunde-
rung und Hilhrung erregen : * aber imoi^eiE' wird man seine
erieuciitende und envürinende Fianune entbehren) immer tn
dem I\Ian&,el jener innigen Begeisterung, jener hohen und
harmonischen iiulic die Gegenwart der ecli^en Kunst ver-
missen.
Denn die Einbildungskraft, die luer nie frei und aUeift
wirkt, vermag uns nicht aus dem Kreise aller WiHcKdikeii
hinaus in das I^anU der Ideale zu versetzen, und ohne das
isly w^che Mittel man auch sonsi anwenden möchte » nie*
mals eine echt hünstterische Wirkung denkbar.
xm. ' •
Anwendung des Vorigen aof Herrinann und Dorotlma. — Reiif«
Objectivität dieaea Gedichts. — Ente Stufe defselben.
Wenn wir uns bisher bemühten, den grofsen, oder viel-
mehr den reinen und echt dichterischen Styl demjenigen
entgegenauaetaen^ der nur mit Unrecht diesen Namen füfarl;
ae war es in der That nicht, biofe'zu beweisen, dais das
vorliegende üetlicht ungezweifell dem ersleren angehört;
diesen Beweis liülte uns die £m|>iindung des Lesers von
selbst erlassen. Wir verweilten nur darum ao lange bei
der Entwicklung des Begriffs der Kunst, bei der Zeiglie-
derung ihrer Bestinnnnng und der Schilderung ihrer Wir-
kung, um deslo voller m euiphnden, was es heifst^ dafs
der allgemeine Charakter aller Kunst so unver-
fcehnbar in demselben ausgeprägt ist, dafs er.
Digitized by Google
dadurch zu seinem eigeulhüuiiichen u^nd unter-
scheidenden wird. •
Was das leiste Ziel jedes kvnsllerischen Beiuüfatns Ui,
dahin hal dies Gedicht in der Thal ein auffeilendes und <
entschiedenes Streben, dahin gelangt es mit dem glücklich-
sten Erfolge. Der cclile Dichter, haben wir gesehn, wir kt
allein auf die Einbildungskraft; er hesümmt sie, frei und
gesetsinSfsig einen Gegenstand aus sich selbst zu eneiigen ;
er slelll einzelne Geslallen vor ihr aut , und zeigt ihr in
ihnen die Welt und die Menschlieit in ihren letzte» und
grdfsesten Verbindungen. Gerade dasselbe erfahrt auch der
Leser Herrmanns und Dorotheens. Von dem ersten
Gesänge an fühlt er seine PliaiUasie mächtig angezogen;
die einzelnen Xheile der Handlung, die sich vor ihm be-
' wegt, gehen wie von selbst aus ihr und aus einander her^
vor; er glaubt- sich Thälnehmer des Familienkreises weni- \
ger Menschen, und wird zu einer Höhe der Ansicht erho-
ben^ über die er selbst bewundernd erstaunt.
Nicht Worte sind es, die seinem Ohre nachhaUen,
nicht einselne Gedanken und Aussprüche, die sich, aus dem
Ganzen herausgerissen, seiner Seele eingeprägt haben; so
vieles ihm aucli davon noch gegenwärtig geblieben ist, das
die Erinnerung bei ähidichen Vorfüllen des Lebens zurück-
führen whrd, so sind iii dem Momente, wo er dem Dichter
bis ans Ende gefolgt ist, es doch nur die Sache, die -Hand-
Jung, die Personen, die lebendig vor ihm dastehen.
Er sieht den JüngÜng, dessen Gefühle bis dahin un- ^
entfaltet; ihin selbst unbewufst, gebunden schlummerten,
durch eine plötzUch auflodernde Leidenschaft von den Bon-
den befreit, die sein Inneres heniiiitcn, sieht, da dieser Zau-
ber in ihm gelöst ist, die edelsten und höchsten Entschlüsse
in ihm aufkeimen, sieht ihn beim ersten ßltcke das Mäd-
chen erkennen, das die Natur für ihn bestimmt hat, ^ind
Digitized by t^OOgle
aich mit reincai Veiiraueu dieser Eiiipiinduog überlassen;
stehe das Mädehen^ das, mulhig und Uiätig, in eigner Be«
, drängmis noch liülfreieh isi, eiftleo Hoffnungen, nichl trage
vertraut, in wahrer Noth nicht feige verzweifelt, edJei Liebe
nicht unem|>ranglich stille \V üiis(Jie im besciieidcucu Busen
birgl, aber, wenn ihr Ehrgefühl aufgeregt wird, uüi w^b-
lichem MuUi die verborgensten . Fallen ihres Hersens auf-
dfeckif sieht die lldenschheit , wie sie in allen ihren Formen
reine und grolse Cliaiaktcic bew.ilul, wie sie einzeln ver-
theilty was verbunden in geschlosseneui Kreise innere Vol-
lendung mit äufserer Zufriedenheit paart; sidht endlich das
Schicksal y wie es Individuen -und Nationen aus einander-
sdilcüdci l , aljer nichts gegen die unenniidliche Kraft des
Menschen vermag, der, wo es ihn hinwirft, imuiei* wieder
von neuem Fufe fafet, sieh von neueni eine Hütte bauli
^neiie Bande knüpft, sich ein neu^s Glück und neue Fieu- .
den scliafll.
So vollkonnnen objectiv hat der Dichter seinen Stoft
behandelt. So ist es immer Ein Gegenstand, der ihn be»
schäfiligt, und« dieser JSne rein ei-zeugl durch die Einbil-
dungskraft.
XIV.
Zweite Stufe itei- Oljectivitüt tinsres Gedichts. — Verwandfocliaft.
aeiii«s Styls mit dem Styl der bildenden Kunst.
Kein Bcgiifl ist m der Tiieone der Kunsl so wichtig,
aU der der ObjectivitUt; keiner erfordert augleich eine so
genaue und ausführlidie Erörterung.
Denn eines Theils ist das Ofaject der Kunsl nie ein
wirkliches Objecl, und tragt daher inuner nur gewissernia-
fsen uneigetillicli diesen Namen. Die Kunst bleibt .allein
innerhalb des Kreises der Einbildungskraft,, also innerhalb
ussres GemüM»; es 'ist ddher inuner nur ein ideides 13e-
Digrtized by Google
44
ziehen derselben Kraft auf die Natur und die Sache, oder
auf den MeiMcken und die Peivon. Von dieter Seite mufa
man li^ suertl vor Verwecitalung und frrthum Hilten.
Dann aber ist dieser Begrifl' auch andren Theils von
sehr verschiedenem Uintange. Denn obgieich jeder Künst-
ler« ohne Ausnahme objeetiv seyn mufa, so ist doch dem
eben dies Gesets- noch strenger vorgescbiteben^ ata dem
andren; es giebt einige, denen man m*Verglelchting itiH
andren, sogar die entgegengeselzle Benenn img geben könnte;
und man muls daher immer genau unterscheiden, in wei«
cheni Umfange der Begriff der- Objectintäl genommen,
'wolchem andren er gerade an der Stelle, wo er vorkommt,
entgei^eiigeselzl isl.
Diese Vorsicht ist um so nolhwendiger, als jene Viel-
deutigkeit des Begriffs nicht von onem irrigen Gebrauche
desselben herrUhrt, sondern in der That in der Sache selbst
wesentlich gegründet ist. Der Kunsller soll den Menschen
mit der ISaiur in die engste und mannigfaltigste Verbin-
dung bringen. Um dies Geschäft ganx xa voltenden, mofa
er bald den ätifsem Gegenstand, bald die innere Stimmung
stärker geltend machen. Ja selbst ohne dies zu wollen,
kann er es kaum vermeiden. Da er, um einen Gegenstand
durch die £iobildungakraft zu erxeugen, sugleich bildend
und stimmend verfahren, das Objecl darstellen und das
Subject zubereilen muls, so kann er in dem Verhültnife, in
dem er sich swischen dieser doppelten Arbeit vertheill,
unmöglich immer dieselbe Gleichheit beobachten. Schwer*
lieh findet man daher nur swei Dichtemaluren, die hierin
vollkommen mit einander tibereinslimmlen.
Dennoch müssen sie alle eine gewisse (i ranze hewaii-
reu. Schon im. Allgemeinen dürfen sie weder den wirkH-
chen Gegenstand selbst »eigen, noch die Empfindung utt-
mitielbinr (und anders als durch die Einbildungskraft) be-
4»
riilireii; Iin4 Qooli engere Schranken bestimmen ihnen ein-^
xfln« Gelungen der Kunst Diese «rflgemeine Aehiitich*
kett mechi jenen besoadre» Untenchted fein und schwer
zu entdecken.
Die^e Betrachtungen war ^es nothwendig vorinissu-
schicken^ um im Folgenden Mifsdetitungeii vorsubeugen.
Denn, die Ehtwiekhmg der reinen Objectivitöt unsres Ge-
tlicJils ist es, die uns jetzt zunäclist beschäftigen mufs.
Schon die Totalwnkung ilesselbcn beweist, wie emsig
unser Diehler bemüht ist, blofs und iiUein die Form ßine»
Ge^nslandes zu seiehnen. Ifti Einzelnen iäfsl sich dies
nicht vollständiger zeigen, als dadurch dafs man diese Ob-
jectivität von 6tuie zu Stufe beschreibt, und genauer be-
schränkt»
Bisher haben >vir nur der ersten erwähnt, nur deije*
nigen, anf welcher sich dies Gedicht als ein grofses und
echtes Kunstwerk, bewiihrt, der Bestimmtheit , mit der es
einen rein durch die Einbildungskraft erzeugten Gegenstand
hinstellt
Aber wie viel mehr ist das, was wir bei genauerer
Betrachtung gewahr werden! Wenn wir langer bei dem-
selben verweilen, wann, wir ihm in allen seinen einzelnen
Theilen folgen» wenn wir dann sehen, wie voUendei aUe
Umriase sind, wie fest sich jede Gestalt un'srer Phantasie
einprägt, wie" klar jede sich an die andere stellt, um zu-
sammen eine scliun geschlossene und. leicht übeirsehbare
Gruppe XU bilden; dann iönnen war uns nicht verläugnen^
dais die Stimmung« mit der wir es verlassen f der Stim-
mung ähnlich ist, mit welcher sonst ihrer Gattung nach
ganz verschiedene Kiinste,. mit welcher die Werke der Mah-
lerei und der Plastik auf uns einwirken. Denselben Chär
rakter tragt jiuch .die Bewegung an siidi,- die es uns dar-
stflUt Nii^nds reifst uus dieselbe ^leiclisam in lyrischem
Digiii^uu üy Google
46
Taumel inil s\vh fort; doch überall ist sie .'io lebendig und
matiaigfallig, dafs wir einer bewegten Welt zuzusehen mey-
n«n. Ueberau ist Handlung und Gest< \vir fühlen so
wenig, dafs wir blofs Zuhörer des Dichters sind, dafs wir
unnuUeibar vor dem üemählde seines Pinsels zu sleiien
glauben.
Wir sehen daher hier eine höhere Stufe der Qbje'cli-
vitäl; wir erblicken die reinen Formen sinnlich'eT
G egeii st H 11 (1 e ; wir können es als ein ehan\klenstisches
Merkmahl dieses Gedichts aufstellen, dafs es mehr an
die Forderungen und das W^sen der Kunst über--
haupt und d'er bildenden insbesondre^ als einsei-
tig an die e igenlhümüche ISalur der Dicltlk iinst
erinnert.
Verwandtsehall aller Künste unter einander. Doppeltes V-erhiltniCi
Jedes Künstlers zur Knnst überhaupt und zn «einer besondren.
Alle Künste umschlingt em gemeinschaftliches Band;
alle haben sie dasselbe Ziel , die Phantasie auf den 'Gipfel
ihrer Kraft und ihrer Eigontluiinliclikeil zu erheben. Sie
haben sich nur getrennt, weil jede für sich etwas besitzt,
wodurch sie diese allgemeine Wirkung auf eine eigne Art
zu erreichen vermag, und was den aAdem, in Vergleichung
mit ihr, manfjell. So fehlt der Mahlerei die Vollendung der
Form, der Biidliauerkunsl die Wirkung der Farben, beiden
die lebendige Bewegung,, der Musik die Schilderung der
Gestallen, der Dichtkunst die Anschaulichkeit und^die Stärke,
mit welcher ^e mannigfaltigen BestandHieiie, die. sie in sich
vereinigt, jeder cuizelii für sicli, erscheinen.
Der Mensch, dem es daran hegt, die Kunst mit allen
Sinnen in sich aufsunehmen, muOs es verstehen, stdh in
eine Mitte von allen zu stellen» mit dichterischem' Sinn da*
Digitized by
Weri des Mahteis, mii mahlerischem Auge das Werk des
£Nchtm ffu betrachten, D^r Künstler, der nicht anders als
von einem einselnen Punkt aus ^virben darf, inn£i dennoeh
so das üanze ins Auge fassen, da Ts er immer eigentlich
dem allgememeu ideal der Kimsl nachsirebt, iitii so, wie
seine heiondere Gattung besliinmt. Durch diese Bear-
beitung seiner Kunst nadi den Forderungen aller Kunst
überhaupt erhall er sich alle Verbindungen mil ihren Schwe-
sleni — denen er sich nie uiiiniUelbar, sondern iminer nur
in jenem allgemeinen Verhindongspunkke nahem darf —
leise mid locker.- Und diese Verbindungen sind es, welche
die Phantasie wirkhch ehizugeheu versuchen soll; keine
Kunst soll den Menschen ausächliefshch für sich, jede ihn
zugleich für aUe andren, für. die Kunst überhaupt stim-
men ; und in jedem ■ grofsen KunsUverk isl immer ekie
doppelle Cigenlhümlichkeit nufl'allend: eine durch die es
der besondren Kunst augehurl, die es schuf^ und eine, durch
die C8 einen iStyi an sich trägt, der durch alle übrigen
Künste hindurch: c&ne gleidie Anwendung erlaubt, und so
sichtbar mit dem Gepräge dieser seiner AUgemeinheil ge-
stempelt ist, dafs er sogar einladet, diese Anwendung selbst
in Gedanken zu versuchen. Wem z. B. führt nicht der
Belvederische Apoll das Wandehi des «üinenden Gottes ii>
der fiias, wem diese SteUe des Dichters- nicht das göltliche
Bild in die Seele ziuück?
Der Künstler lial also zweierlei Ansprüche zu befrie«!
.diffcn, die Ansprüche der Kunst überhaupt, und die derbe^
. sondren, die er gewählt hat. Die erstere vevlangt, dafs er,
ihre allgemeinen Forderungen slreag im Auge, alle Mittel,
die seine Kunst ihm in die Hände giebt, nur dazu anwende,
dieie %u liefried^en, nicht, aber sie seibsl einseitig gllinsen
tu Iäfl6en;.die letstere fordert dagegen mit gleichem Hecht,
dafs er alle Vorzüge, die sie iinn darbietet, auch in ihrem
Digitized by Google
48
gancen Umfange und in ihrer vollen Starke geüend mache.
Gegen die erslere Regel veratofst der Mahler, %velcher dem
Coloril ein verhälinifswWrigcs üebergewichl «her die Schön-
•heii der Formen und die Anordnung des (Manzen erlaubl;
gegen Äe »weite der, welclier dagegen, das C oloiil vcr-
nachlfisaigend, die Lebhaftigkeit und Stärke verkennt, welche
Farbe, Licht und Schalten seinem Werke au geben im
Stande sind. Endlich kann der Kiinsllci , um die AufBÖh-
iung der Abwege, welche er, von diesem Standpunkt aus
betrachtet, au vermad'en h«t, vollatUndig au machen, auch
dri^ens weder die Kunst überhaupt, noch seine eigne be-
sondre, sondern eine drille, ihm fremde, einseitig begünsti-
gen und nachahmen. So giebt es Dichter, die fast durch-
aus blofo musikalisch wirken, und so kennen wir Mahier,
deren Figuren mehr den Bildsäulen, als der Natur gleichen.
So wie der Kiinsller objecliv irren kann, indei9 er da»
wahre Verhällnifo »wischen der Kunst überhaupt, seiner
eiguen insbesondre und ihren Schwestern verfehlt, so kann
er es auch »ubjecliv in Rücksiefat auf das Verhältnila sei-
ner Individualität, der Nalur des KünsÜers «berhaupl Und
der Eigenthiimlichkeit anderer Künstler. Kr kann der er-
Staren au iriel oder au wenig einräumen, oder sie endlich
ganz aufgebe» und gegen eine fremde vertauschen.
UebernH, wo er sich au «nseitig blofe auf seinen ein-
seinen Standpunkt beschränki, da verfällt er ins Manie-
• rirte, sey es nun ins Manierirte der Kunst, wenn er sei-
ner Kunst, oder ins , Blanierirte dea Styis, wenn er seiner
Individualität zu viel einräumt
Dies smd alle möglichen Abwege, auf welche der Künst-
ler in Rücksicht auf den allgemeinen Charakter seiner Werke
geVathen kann, und es war nothw^ndig, dieselben vorher voll-
ständig aufsuaählen, um Über das Folgende ei« helleres Licht
zu verbreiten. Wir kehren jetzt zu unsrem Gedicht »urüek,-
Digitized by Google
4»
XVL
Miltttt, wQdweli mer Djichter iU«m, der biM^niles Kmnt uli«
konmteade ObjeeCiTitjtt eriangt.
Wir haben sefaon oben beuierkl, dab der l>icliier, ^
rade weil , er auch «mmllelbar auf den Ventand und daa
Hera einzowirken vermag , mehr als ein anderer Kttnttier
Gefahr lauft, weniger ausschliefscnd die GitibiidungsLnift *
KU bescluifCigen. Wenn er aber auch diesen Fehler ▼tr-
meidet, und sich streng m dem Gebiete der Kmt erhalt,
so hat er es doch immer in seiner Gewalt, mehr den Geiat
und die lunpfindung in Bewegung ku setzen, uiul die leiclile
und reine Wirkung auf die «!>inne zu verschmalicik Vou
beiden Seilen betrachtet, kann er sich daher gegen den-
Künstler überhaupt und gegen den Irildendeo insbesondere
in einer Art von Gegensat befinden.
Wir erwähnen hier der Kunsl überhaupt und der hit»
denden insbesondere als beinahe gleichbedeulend; wiracbeu'
len uns sehen im Vorigen nicht, den Styl «nsres Dichters
dem Styl der bildenden Kunst verwandt zu nennen, ohne
darum den Vorwurf zu fürchten, dafs er, was allemal feh-
lerbafi ist, eine iimi fremde Galtmfig naclialime. In der
That aber ist auch die bildende Knnsl mit der Kunsl über-
haupt äufserst nah, und niher, ids die Dkhtkunsl verwandle
Denn sie isl rein darstellend und sinnlich; und liieso bei-
den Kigensehaflen sind auch im allgemeinen ßcgnlTe der
Kunst die herrsehenden. Wenn man daher von einem Ge*
gensatze der Poesie mit der Kunst spridit, so kann men
an keine andren MeiLiu.iiile derselbeii, als an diese beiden,
also an die Seile denLen, von weicher die Kunsl überhaupt
der bildenden insbesondere am nächsten kommt.
Herrmann und Dorothea nun ist niehl blofs von
mem solchen Gegensätze frei, der reine, echle und allge«
IV. 4
Digitized by Google
SU
meine Kiinslsinn, welcher dies GaWcU bcscell, zeigl auch
vielmehr, dafs das Genie des Dichters, der es schuf, auf
das iiiuiusie mit dem (leniiis aller Kunsl verwandl, und mil
dem (Gepräge gcsteiii|>ell ist, welches die Kunst iiberhaupt,
tuehl diese oder jene euiselne ausschlicfsend, bezeichuet —
ein Vorsug, welliher Hlun kanllig ( wir dUrfen dies mit Si-
cherheit von der Gerecbligkek der NaehweU Iwffen) unter
aiien neueren l>»tlilcrn eiiic vorzügliche Stelle anweisen
Wird, Denn in der That liat bis jetal keine Nation einen
andern aurauweisen, der ihm hierin auch nur überhaupt
nahe käme.
Unstreitig liegt der rinnul hiervon darin, dafs er mehr,
als ein andrer, die hiWende Kiafl der Phantasie in Bewe-
gung SU' setsen,' mehr hioüi den Gegenstand liinxustellen,
und damit seine ganze Wirkung hervortuhringen versteh«.
Indefs isL dies innner nocli nicht bestimmt nnd klar genug;
auch andere DicJiter sind gleich treue iMahier der Natur,
ohne dafo man ihnen doch darum diesen Vorzug in glei-
chem Grade einniumen darf« l^bn mufs auch hier auf die
Stimmung des (icniülhs, in dem Dichter und in seinem Le-
ser, zurückgehu; iii ihr, in der EinpOndung, mit der wir
ditoen Dichter und einen andren verlassen, liegt der leuic
aber wichtige IJnlerscliied. Auch hier zeigt es sich wieder,
dafs man es als den Qrundirrthum aller bisherigen falschen
ii^lhelisclirii Hnisonnenicnls anselieu kann, dafs man im Ob-
jecte aufgesucht hat, was allein im bubjeclc verborgen ist,
wen^tens nur an die^m eigentlich beschrieben, in jenem
biofs empfunden werden kami.
Da, wo ein soldier allgemeiner Kunstsinn vorwallet,
ist es durchaus klar, heiter, ruhig und leicht in der Seele;
die Phantasie allein ist thätig, und hier auf den äufsem
Simi bezogen, wie er, was er vor stdi sieht, treu und slifl
In sich aufnimmt In diesem Znstande ist sie nie verwirrt,
Digrtized by Google
51
weil sie jeden üinrük deutlich voii dem anderen absondetty
nie tinruhig oder trübe bewegt, well sie blob beschaut, blofs
Geslnllen, Leben und iiewegung vor sich erblickt, nie
schwer oder drückend, weil sie in dieser Verbindung am
ieiehteslen ihre blofe idealische Natur beibehält. Wo liiu-
gegen die besondere Natur der Diehtkuiist (insofern die»
selbe neinlich, wie nun nach dem Vorigen kJai seyn mufe,
der Kunst ubcrhauj)l cnlgcgengeselzi werden knnn) das
Uebergewicht hat, da ist die Einbildungskraft entweder wirk-
lich nicht rein oder allein thiitig, oder sie verliert dock
durch die enge Verbindung, die sie nun mit dem Geisl oder
dem Herzen eingeht, von ihrer leichten und biois objccti-
ven Natur. Das Gemüth ist. nun nicht mehr blols naii dem
Gegienstande beschälKgl, in- jedem Augenblick wird «igleich
die eigne Betrachtung oder die Empfindung rege, es ist ein
uitaiifhörlichcs Liebeigehen zu dem Subjecl, es isL mehr die
Wirkung des Gegenstandes, als der Gegenstand selbst, des-
sen wir una ' bewillst sind.
Das Eigenthümliche der Beliandlung in dem men und
dem JHidicn Falle zu zeigen, ist, wie wir schon itn Vori-
gen bemerkten, schwer; indefs giebt es docii Emen hierbei
ädaerst wichtigen Punkt, der schon bei einiger Aufnierk*
aamkeit leiclit ins Auge füllt. Wenn man die Poesie ust
der Sculplur vergleicht, als welche am meisten deui reinen
BegriiVe der Kunst eiilspricht, so ist Ein Unlersclücd in
beiden sogleich auf den ersten AnbHck sichtbar. Die Sculp
für (vorsugfich in dem einfachsten Fall, bei dem wir liier
stehen bleiben, wo sie blofs eine elnselne Figur aufstellt)
kann allein durch die Form, und da die Form immer nur
auf der ganzen Gestalt ruht, allein durch das Ganze wir»
ken; und wenn bei einer Statue wirklich nur ein einzelner
Tbeil, ein Arm oder «in Fufs, gut gearbdfot, das Uebrige
aber vernachlässigt ist, so gilt sie nur als ein schöner Arm,
4*
52
«in schöner Fufsi» um) iler Begriff des Schünet» wird niclil
von diesem einxeliien Theil auf das Ganse ttbergelragen.
Der Dichter liingcgcn hr.mclil niclit die ganze Figur
Einzustellen, er kann nur den Theil zeichnen, und indem
er die Schilderung iitcsseihen der Empfindung seines Lesers
wichltg macht, diesen naihigen, das Fehlende aelbst anssa«
imihlen. Sobald es ihm nun gelingt, i. B. in der SehiMe-
rung einer weiblichen Gestalt durch einen einzelnen Zug
das Hern desselben sa gewinnen, so vollendet älsdanu seine
Phantasie von selbst nnch demselben Mafsslab und in dem-
selben Charakter auch dte ganze fibrige Figur , und konwil
also dem Dichlor dadurch auf halbem Wege entgegen.
Freiiidi ist aber auch die Schilderung dann minder objec-
tiv i die GeslaK seichnet sich dem B(ick weniger bestimmt,
die Empfindung ahndet mehr ihren Charakter» als dofe ihre
Umrisse dem Auge sichtbar winden.
Was wird daher der Dichter thun müssen, wenn er
dem allgemeinsleu und reinsten Begriff der Kunst treu blei-
ben will? Er wird das Ganse und nicht btofe einzehie
Theile schildern, den Gegenstand zeichnen, nicht die Em-
pfindung erregen müssen. Zwar thut er dies letztere doch,
und will es auch thun, allein nur durch den Eindruck des
G^sen, niclit dnrdi den Effect ctnaelner Theile , nur durch
den Gegenstand selbst, nicht unmittelbar durch eunelne
ihm abgewonnene Züge; und gerade dadurch geschiehet
es reiner und besser.
XVIL
Brlilateiung des UcsagUa im der Sditlfterung' der Gestalt Dorotheens.
Um SA sehen, wie unser Dichter die Aufgabe einer
Wnhrhaft künstlerisclien Schilderung gelöst hal^ wollen wir
Digitized by Google
«iiiiual das Geiualiltlc vitr^gleichen , Uas er uug vmi Uotq-
tfaeesr Gestalt giebt.
Machdem Herrmaim n» nur aai wenigen Zügen (S. 29L)
60 gezeichnet hat, wie er sie zuerst anlraf, wie sie ihre
sdiwaogre Verwaiidie rettet, uad die Ochsen leiikly die den
Wagen liilirctt» hcadireibt er sie (S. 1I& der neuen Aua-
gabe) «ien Freunden, die unter 'den ulnrigen Att^wander-
len Naehticht von ihr cinuiziehcQ (digcschickt sind..
Und Ihr werdet sie bald,
sagt er,
vgr allen andern erkennen:
Denn wohl tdiwerlicli ist ao Bildung ihr euie vergleichbar.
Aber ich geb* Eudi noch tlie Zeichen der reinlicheo Kleider.
Also aur naeh den KJeidehi whnd die Gestalt geschil-
fert. Dadurch gewinnt der Didiler einen doppelten Vor-
theil. Er ist gewifs, Mofs dem Auge zu mahlen, durch keine
Nebenvorsteüung die Aufmerksamkeit von der Gestalt ab-
«mehen, auf weftche sie gehellet aeyn soll; und sugleieh
kann er auf diese Weise die ganse Figur in allen ihren
UflMrissen leiehnen. Wühlte er dagegen die Bildung selbst,
so konnte er immer nur einzelne Theile schildern, die Ge-
stalt nur beschreiben, nicht unmittelbar vor die Augen stel-
len. Auch «eigt er sie uns in der That vom* Haupte bis
au den Ffifsen; und Avählt lauter solche einiebe Zöge aus,
welclic die aulsem Umrisse bezeichnen, die Wölbung des
Busens, die Schlankheit des Wuchses, die Form des Kop-
les. VoiaiigMch sorgt er dafiir, da^ der Phantasie in dem
ganxen Conlur scUechlerdnigs keine Lücke bleibe. £^
zeichnet genau, wie über der Brust um den Hals sich das
Hemde zur Krause faltet, wie das Kinn daran anstöfst, und
sich d^r Kopf darüber erhebt, und auch abwärts vollendet
er die Figur bis cum Knöchel herunter.
Alloia dies ist ihm noch^nichi ^cnug^ er wüi sie ^4^r
Digiii^uü by Google
Kinbiiiiungskraft niehi blols zeigen, er wiii sie ihr iinaik»-
iöftcklich lest einprägen. Er verUnderi «bo die tStettanf^
Jetit haben wir sie kn Geben gesdui; em Strecke weiier
seichnet er sie uns (S. 140.) sitzend. Dieselbe Beschrm*
bung kehrt mit denselben Worten zurück, nur mit den Ver-
änderimgen^ welche diese Lage erfordert. Jetzt ist es, «U
.hatten wir me im Leben wirklich vor uns gesehen^ wo
«och dieselben Gestalten in mannigfalligen Bewegungen
erscheinen; jetzt hat sich uns tlies Dild für dio g;inzc i oJge
des Gedichts fest eingeprägt; wo sie nun aultrilt, steht e»
vor uns da, begjkitet alle ihise VVorte, Gebehrden und
Handlungen.
Die Wirkung, welche nun der Dicliter durch diese ein-
lache Schilderung hervorbringt, ist uneudiicii grölser, ab
wenn er unmittelbar in dieseAbe mehr Gehalt gelegt, mehr
das Helft seines Lesera dafür intereasirl, mehr, wie aonal
dei* Dichter so oft tluit, bei der üesUit zugleich auch den
iuuern Charakter beschrieben hätte. Man kann es nicht
genug wiederholen: die Hoheit, die Grolse, der innre Ge-
halt, das, was man in einem Gedicht eig«nttich Seele
iiennl, mufs in dem Ganzen der Erfindung, der Handlung,
der Personen, der Darstellung und des Tons liegen; es
iiiufs das Kesultat der lebendigen Sichildening auf - das ge-
hörig gestimmte Gemulh seyn.
Der Dichter hal es daher hnmer nur mit diesen bei-
den i)ingen zu ihun; mit der anschauiichslen Darieguiig
seines Stoffs « und mit der lebendigsten Stimmung des Le-<
sers; diese beiden aber erreicht er, sobald er den Leser
durdiaiis in die Mitte semer Handlung versetzt; um alles
Lcbrige kann er schlechterdings uiibeküinmcrt bleiben. Er
ist ja nur dadurch walircr Künsileri dab er gerade das
Höchste und Beste seines Geschäfts seinem Genie überlas-
»sen, und sieh lür das, was er eigentlich, sich selbst be-
V
56
• wufst, dabei Ibul, uui mit d«i' versliuidigeii Ajiotdtiutig und
kttnstniülsigea Ausführung, also nur mit deoi lechni*
scheu Theile desselben, su heschälligeit braucht. Vor allca
andren aber gilt dies von dem episdien IMcliler, und. es
iBufs dem aufmerksamen Leser schon hei dem, Nva^ wir
voirltta sagten, von selhsi aufgefallen sevu, wie passend eine
Schilderung, die nur Contufet aber diese in der gröfiMsten
Vollständigkeit zeichnet, filr eine Galtung der Diehtkunal
ist, deren ganze Wiritung nur auf nie still stehender ße-.
wegung und ununterbrochener Stetigkeit heruhL
£he ym aber diese Stelle verlMen> müssen wir noch
einen Augenblick bei den eutseben Beiwörtern verwcMen;
mit welchen die einzelnen Theile der GesUlL bezeichnet
r
sind. Kein eins^es derselben hat für sich ein grofses und
uuverhältiiifsniliisigea Gewiehi; alle sind von der Art^ wie
sie sich för das blofse ruhige und uneiBgenoninieoe Be-
schauen lies blofsen Sinnet» schicken; alle zeigen die Bil-
dung des Alädcheiw nur in reinlicher Zierhchkeil, in treier
und hefterer Anmuth. . Sothel die Stärke, die, mit der Lctch«
. li^it verbunden, den Hauptoharakter desselben ausmacht,
ist gerade dahin verlegt, wo sie nur auf die Rdstigkeit des
physischen Baus, und ganz und gar auf keine Nebenyor-
atdllung, führen kann:/in die Wölbung der Brust, die trelf-
iiche Gröfse, die Länge und Schönheit des Haars. Dadurch
isl tUe Stimmung, welche diese, so wie überhaupt der Ton
in allen Schilderungen dieses Gedichts hervorbringt, derje-
nigen ähnlich, hi der wir gleichsam mit naturhistorischem,
physiologischem Blick die Natur betrachten; und diese
Stimmung ist ungleich poeüschei', ab die ihr entgegenge»
setzte senümentale, hei der wir hi derNaiur eigenüich nur
uns selbst sehen* Denn sie fülnl eine zwar langsamer, aber
inniger eindringende Wärme, und eine minder feurige, aber
.höhere und dauerndere B^eisterung mit sich.
«»
Digitized by Google
M
4
Fragen %vir aber weilev nüch: wie kam der Dichter
«laBO» dais er gerade diese Ari der Seküderung wUldte? so
i»t die einfache' Antwort die: iveil es ihm nidit möglich
war, eine andere «inzuwenden. Herrmann ist es, iler seine
GeKeUe beschreibt, und er ist der Mensch nicht, dessen
Herz mit dem Ausdruck semer Empfindung die einfache
DarBteilmig dessen, was er gesehen oder vernommen hat,
unterbricht; er beschreibt sie seinen Freunden , um sie si-
cher und schnell aus dem Haufen herauszufinden, und muls
daher die Merkmahle auswählen, an denen sie dieselbe ohne
Fehl wiederzuerkennen im Stande SindL An welchen an-
dern nun ist dies lichter, ab an den Unarisscn derGestatt,
dem Sclinilt und der Farbe der Kleidung? •
Dafs dies aber sa ist, dais Herrmann diesen Charakter
hat, ist wieder in andren Umständen , in andren CSianikte*
fen gegründet, und dtcse wieder in andren und in dem
Ganzen, so dafs die^e einzelne SehiWerung mil itücui mi-
sammenhangt und durch alles beslnnmt wird. Derselbe
Geist ako> den sie athmet, beseelt auch da» Ganse, und
wns wir von ihr bewiesen haben, gilt zugleich von allen •
übrigen und von dem ganzen iicdichl selbst.
XVIII.
In wie fern msdit riiuer Diebter, l>ei amr Verwandtsduilik nie der
biblend«» KiiMl, die besondren Venuge der DiditkamI geltendt
Dais der Dichter;, welcher den wesentfichen Forderun-
gen der Kunst ein Genüge thut, sugleich das Wesen der
Poesie in ihrem vollen Gehalte benutzt, versieht sich von
selbst. Denn er liat geleistel, was die Kunst überhaupt
verlangt, und keine andren Mittel gehabt, als weiche seine
besondre ihm darboL In so fem bedürfte daher die aufge-
worfene Frage keiner weitem Erörterung.
Digitized by Google
w
Alkin dt» Wes^n 4er Dichlktinsl bielel den%jeirig«ii,
der es gan« zu benulxen versteht, noch so reiche und ei-
genthüiiiiiche Hülfsquclleii dar, dafs, um das Vcnliwisl des
Dichlers vollkommen zu schätzen, es nicht möglidi ist, die-
selben mit Stittschweigen wa übergehen«
Wir reden jetsi nicht von dem Gehalte, welchen er
den Geslalten unterlegen kann, die ci gleichsam von der
bildenden Kunst entlehnt; wir bleiben noch lür jetzt allein
bei. dem Voraig der Objectivität stehen, weichen er sich
in einem bei weitem voUltonnnneren Grade, nie jeder andre
Künäüer, zu verschaffen im Stande is\.
Die Bildhauerkunst besitzt blofs Formen, die Mahlerei
nur diese und Colorit; beiden iehlt unmittelbare ßewegung»
di« sie nie anden, als dwdt eine- Art der Täuschung her-
vorbringen können. Beide steilen also nur im Raum einen
Gegenstand dar; iiaben nur Objectivität für die Sinne, die
im Räume wirken. Durch die Macht, mit der die hlote
Fonn hervorfriti, erhalt die Sculptor eine fiinfaelihcily die
an Armuth zu gramen scheint, und selbst der Mahler ist
nur auf die Vorstellung gewisser Gegenstände, und selbst
noch in der Darstellung dieser bescluränkt.
Der Dichtkunst ist die Bewegung so eigmrtlittmlich»
dals flio' dgentlich keinen Ausdruck für das Stülsteliende
hat. Nur dadurcli, dafs sie das Auge die Umrisse der Fi-
gur durchlaufen läfst, kann sie eine Gestalt aeichneo. Die»
aber pnigi dieselben der Einbildungskraft nur um so fester
ein, da der Dichter sie nun vor ihr selbst erseugt, sie im
cigenilichslen Verstände nöthigl, sie selbst zu beschreiben.
Sie wirkt ganz in der Zeil, greift dadurch tiefer, als die
immer kältere, bildende Kunst, in unsre Empfindung ein,
und beseelt ihre Schilderungen mit einem volleren Leben.
Ihre Gcmäblde sind nicht blols Gruppen, in denen sich Ge-
stalt, an Gestalt anschliefst; sie gleichen audi volikommen
Digitized by Google
gegliederten KeUen, in welchen Bewegung aus Bewegung,
Figur aus Figur entspringt
Der ]Jiclitur venii;ig die (jcsIüII nur eben so uneigenl-
iich, alä Uer bildende Künstler die Bewegung, zu schildern.
Aber der wichtige Unierscbied a%vischen beiden ist der,
dals die Bewegung eioe grSisere Lebhafiigkeil mit sich
führt, dafs sie daher die Einbildungskraft besser stimuil, je-
nem Mangel aus eignem Vermögen abzuhelfen, benutzt
also der Dichter seinen ganzen Vortheil, so erlangt er eine
griifsere Objectivitäl, als dem bildenden Künstler inögtieh
ist Denn er bemeistert sich mehr aller Organe, durcii die
wir einen Gegenstand erfassen, derer, die im KsMm, und
derer, die in der Zeit wirken.
Es ist nicht bloft^ da& er Gestalten schildert und Hand-
lungen beschreibt Sein Schildern der Gestalt ist selbst
eine Handlung, mid seine Handlung w ird zur Gestalt Demi
jeder voiige Zug, den dn nachfolgender verdrängt, bleibt
doch, in der gansen Gruppe stehen. Wir sehen .dun wirk*
lieh vor uns, was wir hei dem GemaUde inmier nur unr
vollkonunen hinzu denken, wie nemlich der vorgestellte
Moment entstanden ist und wobiti er übergeht.
Selbst die grolse sinnliche .Realität, welche die bildende
Kunst durch das wurkliche Aufelellen des Objeeies besitil,
schadet ihr in Absicht auf diese Totalität Denn diese le-
bendige Öiniiiichkeit schlägt.JMin alles nieder, was die Ein-
bildungskraft ihr noch hiniü setxen möchte. -
Wie in jedem Verstände dichterisch nun die Objectivi-
lät ist, welche in Herrmann und Dorothen herrscht, bedarf
nicht erst eines eignen Beweises. Nirgeiids ist biofse Be-
schreibung des Ruhenden f überall Schilderui^ des Fort-
schrotenden; nirgends ein abgetrenntes, einseb da stehen-
des Bild, überall eine Reihe von Veränderungen, in welcher
jede einzelne immci* klar und geäclueden umgreuziist^ und
Oigitized by
I
At» .Gatiae uibai glmfai M wenig dem .GeiBählde eiae«
Uotk kidenden Stotand«») dalü es vielmehr überall ab das
Zusamiuenwirken einer Menge voa EirtschUassen^ Gedonuii-
gen und Ereigiiisseu erscheint.
lÜgeitCbumlichc Natur der Didi^kanttf ab einer ledeitden Kami.
Wir haben die Dichtkimsi Im vorigen AbschniU mehr,
10 so fem sie von der bildenden verschieden^ ab in so fem
sie ihr enlgegengesefait ist, befrachtet. Von dieser feisteren
Seite könnten wir uucli dieselbe iügtich ganz mit Stillschwei-
gen übergehen, da sie von dieser das gegenwärtige Gediehi
nichi berühren kann. Um indeb die g«nie Bfatotie volt-
slSndiger cu «erschöpfen, scy uns noch diese Abschwdfuog
erlaubt. Je mehr num die Natur der Dichtkunst, alü einer
blofs redenden Kunsl, erörtert, desto klarer wird man be-
greifen^ wie es möglich isft| ne ab faildeode au bebandebi.
Die Po^e bl die Kunst durch Sprache. In (Beser
kurzen ßeschreibimg Hegt für denjenigen, welcher den vol-
kii.Sinn dieser beiden Wörter falst, ihre ganze hohe und
unbegreiHiehe Natur. Sie soH den Widesspmchy woiin die
Kunst, welche nur in der £inbildun§^raft lebt und niehts
als Individuen will, mit der Sprache steht, die blofs iiir den
Verstand da ist, und alles in allgemeine BegrifTe verwan»
deit, — diesen Widerspruch soll sie, nicht etwa losen, so,
dab nichts an die Stelle trete, sondern vereinigen, dafs.
aus beiden ein Etwas werde, was mehr sey, als jedes
einzeln für sich war. Ueberall aber, wo im Menschen wi-
denprediende Eigenschaften zu etwas Neuem verknüpft
werden, da isl er gewifs, hi seiner höchsten Natur xu er-
scheinen. Denn diese Eigenschaften widersprechen sich
schlechterdings so lange, ab seine innere Geistesstinmuuig
Digitized by Google
w
iler wirklichen Weil um ihn her gieicht» und es gieht kein ^
onderes Mittel, sie m vereinigen, ak wenn man ihn «m
dieser Beschrünklliett hinweg in ein unendliches Feld vef*
selzl, ihn au der iland der Philosophie iu die Region der
Ideen hinüberführt, oder auf den Flügeln der Poesie sa
Idealen erhebet
Die Sprache ist das Organ des Menschen, die Kunst
ist am natürlichsten ein Spiegel der Well um ihn her, weil
die ßinbildungskraft im Gefolge der 8inne am leichtesten
iiifrre Geslalten surüekföhrt Dadurch ist die Diehtkumt
unmiltelbar, und in einem weit'bSheren Sinn, als jede an-
dere Kunst, für zwei ganz verschiedne Gegenstände ge-
macht: für die äufseren utid die inneren Formen, für die,
Welt imd den Menschen^ und dadurch kann sie in einer
iwiefachen, sehr verschiedAen Gestak eradiemen, je nach»
dem sie sich mehr auf die eine, oder die andere Seite
hinneigt
In baden Fällen hat sie die iSdiivierigkeilen der Spradie
stt überwinden^ und steh der Voniige xu erfreuen, die sie
gerade dadurch geniefst, dals diese, und daher der Gedanke,
das Organ ist, durch das sie wirkt ^ allein wenn es die in^
neren Formenr sind^ die sie lU ihrem übjecle wählt, dann
findet sie in der Sprache einen gana eignen Schals neuer
und vorher unhekannler Mittel. Denn nunmehr ist diese
der einzige Schlüssel zu dem Gegenstande seihst; die Plian>
ta«e, die sonst gewöhnlich den «Sinnen folgt, muls sich nun
an die Vernunft nnschliefiien; und wenn schon auf der ei-
nen Seile der Geist durch die Gröfse und den Gehalt des
Gegenstandes hingerissen wird, so muls noch auiserdem
auch die Kunst einen noch höheren und rascheren Aufflug
nehmen, um auch noch in diesem Gebiet die fihibildungi-
kraft olldn herrsdiend zu erhalten, zumal wenn sie nicht
Digrtized by Google
• ♦
61
ßiiipnnduiigen, «mdeni Ideen behatideli; und atso mehr, in-
(ellccUicIl, als setiltmenUil ist.
Diese GalUmg, in der uns tias 13eisj)icl der Allen fast
gäntltch vciiürst, ist, sie mag nun rein oder vcmusclit uiii
andern erscheinen^ der eigentiiclie Gipfel der neueren Poesie,
und kann ihr eigenlhfiinlich genannt werden. Je entschied-
ner sich dieselbe jedoch \on der iikIliu Ucuui, desto wei-
ter entfernt sie sich auch von dciu itüchlefitou und einfacii"
sten Begriffe der Kunst
Jeder eclile Dichter nun wird dem einen der beiden
Wer geschilderten Charaktere eigentliünilicher angehüieii,
mehr geneigt seyn, entweder die individtielle N.itur der
S|»rache liir Kunsl, oder die der Kunst durdi die Sprache
geilend so machen, den geslahldsen, todten Gedanken Form
und Lehen initzuüiciicn, oder die lehoiidige Wirklichkeit
bildlich und anschaulicii vor die Einbildungskraft hinzustcU
len. In beiden Fällen ist er gleich grofser Dichter; aber in
dem ersteren Jeislet er mehr etwas, das nur dieDichtkunst
und keine ihrer Schweslern vermag, aseigl er mehr ihr in-
nerstes eigenthümliciistes Wesen, wandelt er mehr einen
einsamen, von kelpism andern betretenen Weg, da er ia
dem leltteren mehr einen* gemeinschafUidieb Pfad mitalleii
übrigen Künsten, nur auf seine Weise, verfolgt. In jenem
kann er daher in einem noch engeren Sinne des Woria
Dichter heifsen, als in diesem.
In dicaer letaleren ongereif Bedeutmig nun Dichter so
seyn, ist der Giattnng, zu welcber Herrmann uivd Do«
rothea gehört, geradezu entgegengesetzt. Dies kaiiu rmr
der lyrische» didaktische und tragische Dichter, die, nahe
mit einander venvandt, £ine Chuse anaammea aiumachen,
aioht der epische. Dieser fordert Gestalten, Leben nnd'Be-
Weisung, führt den MetisLheü in die Welt hinaus^ uiiil fangt,
um zuletzt so gut, als jene, sein GeuuUh in seinen mner-
Digitized by Google
CS
Sien Tiefen xii enchöüem, bei seinen Sinnen und ^n (ie^
gensländen, die Ilm umgeben, no.
♦
XX,
Dritte und letzte Stufe der Olijectivitat de» Gedicht«.
Wenn man dasjenige, was wir bisher über das Gü-
ihische Gedicht gesagt haben, mil dem Eindruck ver-
gleicht, welchen es selbst hervorbringt; eo inufr man nolli-
wendig . fühlen, . wie weil noch unser -Begriff hinter dem
letsteren suri&ekgeblieben ist, wie viel noch daran fehlt, dafs
die Zeichnung seines Charakters die wirkliciie Empiiiidung
auch nur einiger MeÜsen erreiche. Gerade Aber weil seine
hohe Schönheit darin besteht, dals es seine grofse uiid all-
gemeine Wirkung tn der strengsten Individualilat hervor-
bringt, ist die ßeurllieiiung desselben so schnnertg. Wie
bei der Scliilderung eines lebendigen und organischen We-
sens, wird man bei jedem Charakterzug, den man ihm bei-
legt, immer« lebhaft daran erinnert, dafs num es nie voll-
ständig und iiciilig zeichnet, sobald man nicht das Ganze
in der nothwcndigen und unzertrennlichen Verbiuduog aller
seiner Theile hinsustellen vermag.
Wir haben im Vorigen seine hohe Objectivität su seliil-
dern angefangen; wir haben gezeigt, wie es blofe sinnliche
Gegenstände, und diese in iliren vollständigen Umrissen, in
den rdnen Formeo der Einbildungskraft seidinet Allein
wenn es uns auch vollkommen gelungen wäre, dadurch su
beweisen, dafs es von einem reineren und allgemeineren
Kunstsinn, als andre, beseelt, sich näher, als sie, an die
Werke der bildenden Kunst anschiiefst: so sind dadurch
noch kaum die äufsersten ünien des Charakters desselbea
geidchnet; so Ist -es noch immer su wenig aus der Ifasse
beschreibender Gedichte herausgehoben, und so reicht (liea
Digitized by
es
noch bei -Weitem nicht tiin, seine cigentluiuiliclio Wirkung,
die tiehlTolie Klariieit, sa der es die PhanlaMe» die enei^-
sehe Ridie, cit der es deS'Gemüth erheb! , mich ninr im
Ganzen und der Gattung nacii zu erkiüren.
. Die Objectiviläl der bildenden Künste .überhaupt ist
nedi sdbst v4n so verscliiedener .Natur; es faerndit s. B.
offnihar eine so ganz andre in den einfodien Werken der
Bildhauerkunst und vonEÜglicli in einigen der Malilerci, dafs
die ailgemeine Verwnndtscliaft des Slyls eines Gedichts nut
dem Styl der bildenden Kunst diese freien Untersehiede
^ noch bd weitem nicht beslinmit genug nngiebt
Wo der höchsle Uiad der Ohjedivitiil erreicht ist. da
steht schleciUcrdings nur Ein Gegenstand vor der Einbil-
dungskraft da;^ wie viele sie auch derselben unterscheiden
möchte, so vereinigl »e sie doch immer mir in Ein Bild;
da ist der Stoflf bis auf seine kleinsten Theile besiegt; da
ist alles Form> und durch das Ganze hni nur Ein und eben
dieselbe. Gleich deutlich kündigt sich diese hohe Trefflich*
keil durch den EindraSck an, den sie aurückla&L Wir füh-
len uns von' einer Klarheit umgeben, von der ^vir sonst
keinen Begriff hoben; wir empfinden eine Ruhe, die nichts
SU stSren vermag, weil wir alles,, wofür, wir nur irgend
Siim haben, in diesem '£in«i Gegenstande imd dort in voll-
kommener Harmonie antreffen; alle Kräfte unsres Gemiitlis
gehören der Phantasie, und diese ausschliefsend der Einen
reinen, hohen und idealischen Form an, die aus einem sol*
dien Kunstwerke uns entgegenstialt
Am deuüiehsten sehen wir dies bei den Werken der
Scul|Uur. Wenn die Hand des Bildners den Marmor bear-
beitet, so verschlingt der kleine Fleck, auf welchem sein
McifiBel geschäftig ist, sugleich sein^ ganse Aufmerksamkeit.
Wochen, Monate und Jahre halten ihn diese engen Greu:*
• sen gefangen; immer das Bild, das er darstellen will, vor
Digitized by Google
04
Augen, ütMiei er in ihnen eine Welt, welcher aeiiM Kräfte
nur mit Mühe Genüge leisten, iinil ruhet nicht eher, als
bis er ganz und vollkommen den Gedanken semer Eiobil-
bungskraft dein rollen SAem abgewonnen hat
Der reicheren Mannigfiikigkeit, des. wetteren Unifange '
der lebendigen Bewegung endlich^ die seine Kunst ihm dar*-
bietet, ungeachtet, ist der Dicliter dnes gleich bildenden
Sinns» sein Werk einer gleich hohen Objectiyitäi föhig. Wo
er nun einen solchen Sinn besitzt, da ist es ihm nicht ge«>
bug:, blofs sinnliche Gegensliinde^ Mols reine Formen über-
hau|)t aufzustellen, da strebt er immer, die Einbildungskraft
auf ein einsiges Object su heften, nur für dieses zu interes-
siren, anf dies allein alles andere zurueLsuföhren. Sein
Charakter besieht dann gane eigentlich darin, nur in der
vollendeten Darsleiiung dieses Einen Gegen*
Standes seine volle Befriedigung zu finden*
Die Einbildungskraft entschieden au- nüthigen,, auf eine
bestimmte Weise thiitig und productiv «tt seyn, Ist augieich'^
seine einfachste Aufgabe und sein höchstes Ziel. Um die-
ser Forderung Genüge zu leisten, mufs er derselben drei
mit einander verwandle Eigenschaften augleich mittheilen:
lebendige Starke, vollkommene Freiheit und durchgängige
Gosel zmäfsigkeit Zw den beiden Stufen der Objectivilät,
die wir bis jetzt geschildert haben, sind mehr die beiden
ersten Stücke erforderlich; zu der dritten aber, die wir
jetzt naher betraehten, erhebt man sieh nur durch das lets^
lere, durch xollkomnine und strenge G es e tz m a fsi gkeil.
Um nun zu zeigen, dafs unser Gedicht auch diese ielzle
und hdchste Stufe der Objectivilät erreicht, wollen wir ea
mit einer zwiefachen Gattung beschreibender Gedichte ver«
gleichen. Wir werden dadurch noch aufserdem den Vor-
Iheil gewinnen, dais, wenn wir es bis jetzl nur als ein ech-
tes Kunstwerk', und als ein beschreibendes Gedicht über- •
Digitized by Googl
ifi^ 'ifc — — - - _. _ .
• 65
iia«^ diaraklensiiten, wir nun auC den bestiiMien PiaU
• kommen werden, den es uoler dieaen Ittflleren tnli «u^
fldilieislicli lueignel*
XXL
Zwie&che Gftttang betcbreibender Gedichte in Rnckfticht auf ihr«
STtöfsere oder gerisgere ObjeeUvitfit — erKntert «n Homer
nnd Arioit.
«
Alle beechfreibendeit Gedbble slelleo . eine Reihe vdn
Bildern, ein verbundenes Ganzes von Gestalten anf. Der
Unterschied, den wir, geleitet die bisherigen betrach-
timgen, bier unter ibnen fesUusekxen im Begriff sind» be-
stebt 4ario, ob sie mehr darcb die Mannigfidligkeil und Ver^
seldedenheit der Figuren, oder durch die Gestalt der ein*
zeliien und die Verbindung aller zu einer Einheit z.u wir-
ken besUttHnt sind, ob der 0ichler seine Gruppen mehr als
Messen, oder mehr als Ganse behandelt hal, mehr durch
Farbe und Celorit oder durch Form tu gewinnen strebt? '
Auf diese Weise ialsl sich dieser LiUeischied objecliv
angeben; subjectiv bestiaiint iüuft er darauf hinaus, ob es
dem Dichter mehr auf eine gewisse bestimmte ThAtigkeit
der Einbildungskraft, oder nur auf Tbätigkeit überhaupt, an-
kam? ol) ihm mehr daran lag, dais sie gerade nur dieses
oder jenes Üüd, oder blots überhaupt in einem gewissen
. Ton.imd Rhythmus Bilder erzeugte?
Alan sieht leicht, dafs hier blofs die Frage ist: ob er
mehr bildend^ oder mehr stimmend (musilcafiseh) wirkt f
und dafs dieser Unterschied sich blofs daraus ergiebt, dals
man die allgemeine Einthcihingsformei, nach welcher sich
alles entweder auf das Erseogte, das Qbject, oder auf das
Erseugende,- d«s Subject, besieht, auf diesen eniielnen FaH^
lY. 5
Digitized by Google
. die versciliecleiw Hägiküikeit der dichterischen DarsteUtiAg
«ner Uandlinig» anwetidel.
Um diese suriefache Galtung unmiltelbar in cmem Bei-
spiel wietlerzuerkennen, vergleiche man den Ariosl und den
Homer. Dies Beispiel wird gerade darum vorziigtich be-
weilend seyn, weil es kaum möglich seyn dürfle, bei gleich
grofser Verschiedenheil, eine gröfsere Aehnlichkeit zwischen
«wei durcli so viele Jahrhunderle getrennten Dichtem an-
sulreffen. Wo lebt, seit Homer, in einem anderen Dichter
eine selche Fülle und ein solcher Reichthum von Geslal-
ten, wo eine spldie nie atiUstehende, sich iimner wieder
aus sich selbst erxeugende Bewegung, wo strömt ein sb
unversiegliclicr Quell e\vig neuer und überraschender Er-
findungen, als in den Gesangen Ariosis? Welcher andere
neuere Dichter eischeint nieht, von diesen Seilen aut ihm
verglichen, arm und dürftige ernst und feierlich, Iroeken
und schwer? Wenn die höchste ßcNvegirng und die le-
bendigste Sinnlichkeit das Wesen der Dichtkunst ausma-*.
dien» und niemand anstehen wird, dem Hemer hierin > den
Rang einsurSumen; so gebührt dem Ilalianischen Sänger
unstreitig gleicli die erste Stelle nacli ihm.
Und doch welche ungeheure YcrschiedeiUieit ; wie stark
geieichnei voraüglich der eben geschilderte Unterschied!
Im Homer irüt immer der Gegenstand auf, und der Sanger
verschwinde!. Achill und Agamcnnion, Patroklus und Hek-
ior stehen vor uns da; wir sehen sie handeln und wirlien,
und vergessen^ welche Macht sie aus dem iieiche der Sdiat»
ten in diese leljiendige Wirklichkeit heraurgerufen hat. Im
Ariost sind die handelnden Personen uns nicht weniger ge-
genwärtig ^ aber wir verlieren auch den Dichter nicht aus
dem Auge, er bleibt immer zugleich mit auf der Bühne, er
ist. es, der'siip uns äeigt, ihre Reden erzähll, ihre Handlan-
gen besdureibt Im Homer entsteht Begebenheit aus Be-
. gebcuheit, alles iiüngt iest mit emander zusauimeu, im4er-
Mugt «ich teUni aus dttn an^eni. AriMl knöpft iwM
Faden nidil nur lockrer lupanmieii, tondem wenfi sie auch
noch so fest verbunden wären, so zeneirst er sie ^elh&l
wie in inuthwilligein Spiel, und iäfsl immer mehr die Herrr
achaft seiner Wilikühr, ab die 'Festigkeit sciivss Gewdies»
Micken; er unterbcidil sich mit Flink, springt von Ge^
sdnchle tu Geschichte über, scheint (und darin Jiegt zum
Theil seine gröfsesle Kunst versleckt) nur nach Laune ati
eittander zu reihen, ordnet aber im Grunde nach den in«'
nem Gesellen der Sympathie und des Conirastes der Em^
pfindungen, die er in seinem Zuhörer weckt
Aber dieser Unterschied liegt bei weitem nicht blofs
iu der Composilion des Ganzen; wir finden ihn eben so
gut In jedsr eincelnen Schüderung» in jeder eimekien Stanie
wieder. Homer beschreibt eigentfieh nie; die Phantasie
seines Lesers beÜadet sich nie in dein Zustande, wo sie,
wie sonst der. Vei^siand, blols die einzelnen Züge, die ihr
gmigi werden, aufnimmt ^ an einander reiht und so ein
Games susammensetzl; wie sie dem Sänger folgt, stehen
die Gestalten vor ihr da, sie hat sie nicht von ihm em-
« pfangen und doch auch niciit allein erzeugt; auf eine un-
eirklärhare AVeise ist beides siigieich und aiif «innud vor
sich gegangen« Iriost beschniibt immer, zeigt' uns immef ^
abflidillich Zng ^lur Zug; und obgleich die Einbildungskraft
durch ihn gleichfalls frei und lebendig beschäfligt und echt
dichterisch gesUmml wird: so hat sie doch nie gleich reii;^
hlois dfn Geg^taadj und noch bei weitem weniger tmmsr *
nur das Ganse vor sich; auch der ThetI, andi die dnsel-
nen Züge des Geaiähides hat iler Dichter so behandelt, dafs
sie für sich die Phantasie gewinnen, und si^ von dem Gan-
nan absieben, im Homer ist durchaus blofs die Natur und
.die Sadie, im Ariosjt inmier .sugleich auch die Kunst und
5*
Digitized by Google
die Person f sawohl die 4es Dickitrs, «Is ^ des Lmrs.
Deiui wenn der Leser uch eelbfli versessen soll,. d«rf er
nicht an den Dichter erinnert weiden.
Beide besitzen einen hohen Grad der Objectivität, beide
seichnen sinnliche und lebendige üestalten; aber nur in
Homer leuclitel das Streben nach der vollendeten Darstel-
lung Eines Gegenstandes hervor. Beide sind trene Mahler
der Well und <U'r LSatiir, aber Ariost g^efälli mehr durch
den Glanz und den Heichlhuin seiner l^arben, Homer zeich-
net sich mehr durch die Beihheit der Formen, dordb die
Schönheit der Com))osition aus.
XXII.
HiMii«r verUiutet di« ewxeliies TlmUt «eiaor BiohUagtn fetter
s« emaa Gaaxes.
Der so eben gesdiilderte Conlrasi uiufs jedem Leser
Homers und Ariosts auffallend seyn, welcher die-Tolalwir-
fcimgy die beide Dichter auf ihn machten, in sein Gefftcht^
nifs zurückruft. Entwickelt mau nun denselben genauer, so
findet man den zwiefachen Charakter, den wir oben ange-
geben haben.
Homer verbindet eine ungeheure Menge von Gestalten
in eine einzige Gruppe; Ariost fafst eine vielleicht noch
gröfsere Anzahl, in vieliache Gruppen verlheill, nur gleich-
sam in denselben Rahmen ein. Im Homer strebt alles
durchaus sum Gänsen; es ist überall Einheit: Einheit der
Handlung, der Charaktere, der Gesinnungen, der Empfin-
dungen; die Verschiedenheit, die bis in iJire feinsten Züge
nüancirt ist, wird immer nur als eine Stufenfolge vOn Be-
stimmungen gezeigt, die sieh in sieh zu einem Ganzen zu*
sammenschliefst. Ariost kann eben so wenig der Einheit,
als Homer cles Reichthuivis und der Mannigfaltigkeit, ent-
I
bciuren; es ist einmal ohne beides keum dichlenaclie Wir*
kttng möglich. Aber niobl £eae Einheil, aen^ern nur d»
BbnnigfaltigkeU wirken sa lasten , iai ihm* wichtig. Däi
Auge soll von Gestalten zu Gestallen unihei schweifen, und
ihre Zahl tue übersehen^ die Flüche « ^uf der sie auUrcteOj
BoU sich immerforty aber nur da^ wo es ihm jedesmal einen
Augenblick su verweilen gefiUll, nicbl gerade vom Mittel-
ponkt aus und nach aUen Seiten hin ins Unendliche erwei-
tern j die Verschiedenheit soll, selbst da, wo wirklich alle
einieken Glieder zusammen verbunden ein Ganses ausma-
ehen würden , doch nur als Contrast erscheinen. Denn
wenn auch, wie vielleiclit nicht schwer su erweisen wSr^,
die Helden Ariosts eben so als die Helden Homers alle
Uauptseiten des menschlichen Charakters vollständig dar-
stellten» so würde man denncMch immer nur in diesen den
Reichlhnm der Menschheit, in jenen blofe die VeradHedei^ ,
lieil der Menschen zu ^ehen glauben.
. Gerade aber dann ist ein Charakterunterschied unter .
«wei Künstlern derselben Gattung echl und fehlerfrei^ wenn
heidei wie hier, denselben Reichthum besitaen, und ihn nur
auf verschiedene Weise geltend machen, ihn »u verschie-
denem Gebrauch und unter verschiedeueui Stempel au:^-
frägen.
xxiu.
Ariost recUnet inelir aut den Kifect; Homer wirkt stäikct liuidi
die reine Form.
Wenn Homer sich strenger an das Ganze hält, Ariost
mehr den einzelnen Theil heraushebt, so mufs der erstere
ihehr auf die Form, der letstere mehr auf den £ffect rech-
nen, den in der Verbindung eine Figur mit der andism
macht. Das aber ist es, was man in der Dichtkunst Licht
Digitized by Google
f§
und SdiMlen iMtineii kamt, der Grad, um den eine Gestak
dadurch hervor- oder «urücktfüt, data eine andre nflli«ii
ihr sieht. Dies, verbunden mit dem Ton , welcheM der
Dichler seiner Sprache giebt , mit der eigenthümlichen
Wichiigkeily die er cleuiselben für sich einräumt, macht sein
Golorii ans.
Homer mm arbeitet überall auf die Form; ent in dem
einzelnen I igiirei», in ihrer Ruhe und ihrer Bewegung, dann
sn der Verbindung derselben, wo er eine an die andere,
oder mehrere sutammen, oder «ndlieh. alle in £in Gaiiie«^
veiknöpftv Darum llfal sieh die ganie Ulae oder dfe game
Odyssee am Ende wie eine eincige Statae, oder, wenn
diese Vergieichung zu kühn ist, wenigstens wie eine ein-
sige Gruppe betrachten. Bei dieaem Verfahren ist daa Co*
loni nallirlich uhtergeordnet ; es- richtet «ch gL^chM»
nach der Ferm, und dient nur, diese mehr lieraiMonheben.
Ganz anders hingegen wirken Farbe, Licht und Schalten
da, wo die einzchien Figuren mehr allein und getrennt er-
adieinen. Denn da gehönm «io wesentlieh nt den Veito«
dungsmitlebi des Gänsen; und Oberhaupt braucht jedee Ge-
mählde immer um so viel mehr Colorit, als es an Einheit
und Harmonie der Formen verliert. So wie die Einbii^
dungskraft nicht ganz in ihren Gegenstand versenkt iai, so
erhält ihre eigne Energie das Uebergewicht ; und so wie
der Dichter nicht so durch denselben beschäftiget ist, dafs
er jede Kraft aufbieten mufs, uui ihn nur einfach hiniustel-
len, so erhöht ^ich unvermerkt und an steh selbst sein Ton,
und wird reicher und prachtiger, als sein Stoff.
71
*
XXIV.
4
Colüril.
Demi ' WM wirCelorit *) nennen («nd es giel>l in jeder
Kunsl etwas diesem ßegiifl* EiUsprcdieiiilei.), ist, wcui) wir
*)J>vt Begriir des Colorits ist liier iik einem ungecclirinkt«»
Sinne gebraucht. Üm dem MibventSndiittse v4>ixubeMgen» dm
uttlblitbar entstellen mSlste, wenn man ilim einen allgemeineren
unterlegte, sey es erlaubt, nocli folgende RrlSuteruitg liinziizufij-
gen. Die Mahlerei (von der man naUirticb, so oft von Colorit die
Rede ist, immer ansgrelm nuils) tiat ein zwiefaches Mittel, ihren
Gegenstand darzusteiien ; «lenUmrils un<l i!ieFarl>e. Die letz-
tere dient unmittelbar, die Aelinli< likeit »Ics Bililcs auch von die-
ser Seite zu vermehren; aber in so lern wirkt sie nur auf eine
untergeordnete Weise. Ihre haujitsäciilichste Wirkung bringt sie
durch die Stimmung hervor, in weldie sie nnsre Phantasie blofs
für sich» und unabhängig von aller Natur- Nachahmung versetst.
Denn geht man (wie bei üsthetiadien Untersuchungen hSn6ger ge-
schehen sollte) auf die Natur derjenigen Sinne zuriick, welche die
Kunst zunächst beschäftigt, so iindet man, dafs das Auge sich in
einer doppelten Beziefmng auf der einen Seite r^^if imsre Iiölieren
intellectuellen, auf der andern auf die niedrigeren sinnlichen Kräfte
beündet, und dais seine Vei w andlscliaft nut den ersteren durch
den Kindruck der Gestalt, die mit den letzteren dureh den Kin-
' druck der Farbe entsteht. Daher ist die blofse Gestalt (wenn sie
ohne aHe Farbe, als« auch ohne Licht und Scliatten, möglich
. wäre) kalt und trocken» die blofse Farbe hingegen (auch durchaus
formlos) so friüch, lebendig und sinnlich, dafs sie altein Emiilin-
dungen zu -wecken im Stande ist. In so fern nun der Mahler
sich dieser beiden Mittel zugleich bedient, schlagt er zugleich ei-
nen objectiven und suhjectiven Weg ein, siel) unserer KJnbildnngs-
kraft zu beineistern; und flippe heitren Wefre sind es, die in der
Tltat inuner /Ji^l» irli iic(i7>(e ii wridni m\iiss< vtimi man ZU einer
watiiliaft küiisüeiiscken Wiikung gelangen will. Denn oligleich
. beide, der Ürnrib sowohl, als die Farbe, die Natur des Gegen-
standes (der beide mit einander verbindet) nachzuahmen dienen,
so arbeitet der entere dennoch mehr darauf hin, uns denselben zu
zeigen, die letztere mehr uns selbst lebendig genug zu stimmen,
ihn vollkommen zu sehen. Tndefs kommen immer beide darin
oberein, nur ihn allein darzustellen. Wird aber das Gleichgewicht
zwischen beiden gestört, und dem Colorit ein Vorzug eingeräumt,
so tiitt alydann der Fall ein, von dem o}>en die Rede ht. In die-
sem nun bleiben dem Künstler nur noch zwei Wege einzuschlagen
n
es allgemeio uad piiiiosophbch in seinen Gründen und sei-
mr Wirkung anlerauchen, nichts anders, ab das, was die
«bris, ratwed«r da» 6nme xv etpitsefi, o^cr dit Muitmie
«of eine, gleietiitm rbylbmUck« Weite zu stimmen. Die IMügücIw
keit auf «lieie letzte Art zu wirken^ wird aber immer nur änfscrst
beschränkt »eyn, <la die Natur de« Gegenstandes hivr keine fort-
schreitende Reih«' (kfinffi steigenden oder fallenden Rhythmus),
sondern nur eine in sied seihst zurückkehrende erlaubt, und diese
noch dar.u auf Kininal frrgefjen ist. Ohne also auf die Krregung
lebhafter oder gar heftiger Km^findangen rechnen zn dürfen, muis
man sich hier allein an Harmenie and Lieblichlteit begniigen.
Wenn die I^antasie bei der KinwirKnng der Kunst auf dieselbe
gana in TbStigkeit geeetat werden soll, so mnfii immer sogieicli
. übjectiv nnd rabjeedT auf sie 'eingewirkt werden. Man mala ei-
nen Gegenstand vor ilir bilden und ihre Kraft stnnnien. Darum
sagten wir, dafs jede Kunst ihr Colorit habe, weil wir das Mit-
tel, wodurch jede dies letztere aasrichtet, mit Reinem scliickliche-
ren Namen zu benennen wufstHii, <la in der Tliat die Farbe es
am vollkommensten und am reinsten /u bewirken vernKirr in der
Musik ist dies Colorit eine gewisse »chwer zu bestimmende Be-
handlung der Töne; in der Bildhauerkunst, in welcher die Form
aonst so auMMsTilielalieh herrseht, scbeint et diejenige fiearbeitung
det Materials, durch welche der harte nnd todte Stein ISr daa
Ange Weichheit und Leben erhält. Dehn obgleidi dies nur durch
Form liervorgebracht werden kann, lo wiikt es doch nicht ^
Form, da auch daa Gefühl (auf das wir jedes Werk der Sculptur
selbst dann, wenn wir es blofs ansehen, doch immer beziehen) in
einer doppelten Verwandtschaft mit den intellectuellen and sinn-
lichen Kräften stellt. "VVie mächtig der Unterschied zwischen der
Musik und der ßihiliuuerkun&t in Absicht auf die Objectivitiit bei-
der ist, sieht man daran, dafs, da in der letzteren das, was in ihr
das Colorit aufmacht , nur allein durch Form bewirkt wird, da^e-
gen in der emteren aicb dasjenige, was eigentlich einen Gegen»
stand schildert, oder eine bestimmte Empfindung ausdrückt (and
also dem eotspricbt, was in der darstellenden Kunst dieFonn ist)
kaum noch nur« überhaupt von demjenigen unterscheiden tiUst,
was, ohne dies zu tliun, blofs die Phantasie beschäftigt oder daa
Obr ergötzt. Die Mahlerei stellt in diesem Punkt zwischen bei-
den in der Mitt^ ; denn in ihr ist Form un<\ Colocit am meisten
und lieinabe vollkommen von einander geschieden.
üocii mnls man bei dieser ganzen Materie nie vergessen, daf»
hier nur xum Behuf der L^ntersuchung getrennt wird , was in der
. Wirkllehkeit schlechterdings unzertrennlich verbunden ist.
Digiii^uu L>y CiOOQle
n
Thatigkeii der Einbildungskraft ohne einen bestimmten, ge-
fonnteii Gegenstand beschäftigt, und was sie selbst wie-
. derum fordert^ so oft sie sieh in emem solchen Zustand be-
findet. Wenn ihre ThfiHgkeH einmal rege ist, und sie doch
nicht, bildend, ein beslimiiitcs Objecl erzeugt, so kaiiri sie
nichts, als gleichsam ihre eigne Kraft immer wieder von
neuem hervorbringen; und ob sie gleich auch so immer ein
Etwas haben mufe, woran sie dieselbe übt, so wird dies»
als unbedeutend und immer wechselnd, verschwinden , und
nur der Grad und der iih^thmus ihrer eignen Thiitigkeit
sichtbar bleiben.
Däfs dieser Begi iff des Colorils in der That der rieh- *
lige ist, sehen wir, wenn wir ihn da auLsuchen, wo er ur-
sprünglich hingehorl, in der MalUerei. Die Farbe, wenn
sie nidtt bio£s die Form besser heraushebt (und wir reden
hier vom Colorit nur insofeni, als dasselbe sich allein und
für sich hervordrängt) kann der Phantasie keinen bestimm-
ten Gegenstand geben ; sie kann nur einzeln ihre Stimmung
determiniren, und mit mehreren in harmonischer oder dia»
harmomscher Folge, dieselbe verändern, und durch einen
gewisse Rhythmus hindurch fuhren. Sie gleicht hierin dem
Ton, nur dafs dieser durch seine innige Verbindung mit
unsrem Gemüth, ohne gerade bildend su wirken, doch eir
nen wirklichen Gegenstimd, die Empfindung, hervoihringt, •
was die blofse Farbe wenigstens immer nur sehr unvoll-
kommen zu thun im Stande ist.
In den x\rbeiten mittelmä(siger i^ldhler drängt sich das
Colorit blofs hervor, um die Sinne au ergötaen und das -
Auge SU blenden; aber es gäbe auch einen höheren Styl
lür die blofs aul das Colorit herechnele Maiiierei, die als-*
dann nach rhythmischen Gesetzen beiiandelt werden mülate,
und nocih weit mehr ist dies bei der Oichtkimst der Fall.
■ • • -
Digitized by Google
74
XXV-
Homer iak mdir naiv, Atstfil mdhv «enüineiiteK — Htsttltal det
«
Dafs Äriost auch einzelnen Zügen seiner SchUderungen
eine vom Gänzen unabhängige l¥ichtigkeit einräumt, und
dftTs er den Ton seines Gesanges vor der Form seines
SlofTs vorwalten läfst, dies beides komml darin zusammen,
dafis er, weniger ausschiiefsend mit seinem Gegenstände be-
sehaftigl, öfter in sich selbst niruckblickt Stott die Wir-
kung auf das Hers und das Gemülh seiner Zuhörer allein
am Ende dem Ganzen seines (jeiiiahldes zu überlassen,
wendet er sich selbst, noch wahrend seines Laufes, immer-
fort zu ihnen hin, und hat mehr den £ffect, den er auf sie
macht, als seinen Stoff vor Augen. Daher Ist* es auch sei-
nem Leser in den meisten Fällen beinah gleichgüllig, wel-
che Gestalt, welclie Keihe von Begebenheiten er ihm vor-
fahrt, sobald nur überhaupt dasselbe Leben und dieselbe
Bewegung bldbt, und im Einzelnen die Nuance des Tons
foigl, weiche sich an die vorige am leichtesten und natür-
lichsten anschlielst.
Wir finden daher hier den allgemeinen ünlerschied al-
ter und neuer Dichtkunst wieder; aus Homer hÜckt eme
naivere, aus Ariost eine mehr sentimentale Natur hervor.
Dentioch wird die Verschiedenheit beider Dichter durch
dies Merkmahl allein nicht erschöpft. Auch in der völlig
objectivett Gattung beschreibender Gedichte ist noch die
imnrittelbare Beriehung des Stoffs auf das Gemuth mögHch,
die sehr gut mit dem Namen der Sentimentalität bezeich-
net wird. Was also diese Verschiedenheit begiündet, ist
aliein die höhere Objecti vital.
Der' Dicl^r fafst einen Gegenstand auf; von ihm gtht
seine Begeisterung aus; er ist allein mit demselben beschal-
Digitized by
75
ligt, er strebl nach nichts andfe««, ab ihn m «u kcichnefi,
vne er in der Natur wirklich ist, oder wie er seyn mfi^,
wenn er zu ihr gehörte; «r kann nicht ailfhSren, bis der-
selbe vollendet ist, und ist fertig, sobald er den letzten Pin^
setstrieh daran gethon bat. Sein Zuhörer hat, wie er^ seine
Blicke ntr fest auf denselben geheftet; er interessirt sich
nur langsam und nach und nach für ihn ; aber mit jeden
Augenblick steigt die Wärme, mit der er ihn umfafst, bis
sie xuletal SU der höchsten Innigkeit anwäclist; er glaubt
hiofs auisef sieh und in ihm tu leben, und bemerkt «rst »i«
ielst mit frohem Erstaunen, dafs indefs nnd durch ihn in
ihm selbst eine uiiichlige VeriJnderunp vorE:e£;.ingen , sein
Geroiith bis in sein Innerstes erschüttert, erhöht und idea-
hsch umgestimmt ist Oder der .Dichter föhH seine Phan-
tasie in unruhiger Bewegung; seine Begeisterung geht von
dieser Reguni; ;ius; er sucht und sciiailt sich einen Gegen-
stand; indem er ihn ausbildet, folgt er dem Gange dieser
, innern Stimmung; er kann nicht aufhören, er mufs Stoff
auk Stoff eneugen, so lange diese fortdauert, und er kann
nicht fortfahren, sobald sie ihn verlassen hat. Sein Zuhö-
rer ist von dersieiben Begeisterung unl fortgerissen; eri st
überhaupt von einem rascheren und gleich anfangs leben-
digeren Feuer beseelt; diese Regung aber kann nicht durch
die Folge lündurch hnmer steigend wachsen, sie niuls sich
in cniem mannigfaltig wechselnden Tanze fortbewegen, und
endlich nach und nach aufhören; das Ende dieser Laufbahn
kann nicht mit einer so tiefen und überraschenden Rühp
rung beseichnet seyn, da das Gemuth nicht so plötzlich in
sich zurückkehrt, vielnielu immer von innen heraus auf diiD
Welt übergegangen ist.
Mit der höheren Objectivität ist eine strengere Ge»
selsmSfsigkett verbunden. Der Dichter, welcher sich
l>lofs an den Gegenstand hält, hat ein Geschäft zu voUen-
Digitized by Google
t
n
den; der, welcher nur seiner innern iStiftiüiung foJgt, bio^s
«D Spiel m durchlaufen. »Dieser wird durch eine innere,
gleichem unwiMköhrliche Nothwendigkeit bestiniiiit; jener
mufs seinen StolT so anordnen und behandeln, als halle ihn
der blolse Versland und die kalte Ueberlegung geformt
Oiee aber kann nicht anders als durch dasseihe Genie ge*
schehen, das ihn eneugl, und mafs seiner Einbildunge*
kraft diese Gesetzmäfsigkeit) durch welche sie ihren Idealen
die vollkommenste Natur -Aehnliohkeil giebt, so ursprüng-
lich .einyerleibi seyn, da& alle ihre Geburien sie von selbst
und unmittelbar an sich tragen. Durch diese strenge Ge*-
selxmärsigkeit nun wird der ietatere endlich tiefer und wohl*-
thätiger auf das Gemiilh und die Gesinnungen, so \vie der
erstere durch seine heitre und anmutbige Leichtigkeit auf
die Stimmung und das Temperament ;einwirken.
♦
1 »
Blüialii dieser VMaclmdeiiheit l»eadiieibeiidcr Gedickte auf die Wahl .
der Vemit.
Diese beiden Gattungen, von Gedichten sind so sehr
von einander geschieden, dafs jede ihren eignen Versbau
erfordertj und dies die eigenlliche Grenzlinie ist, wo in be-
schreibenden Gedichten der Reim und der Griechische
Vers gebraucht werden mufs. Denn der Reim giebt im*
mer ein Coloril, das' sich för sich allein' dem Auge vorwaU
tend aufdrangt, da hins:egen der Hexameter, so wie jedes
alte Silbenmaais, seinen noch reicheren und glänzenderen
Farbenscbleier immer nur als ein bescheidnes Gewand um
die Schönheit der Formen giefsL
Digitized by Google
TT
xxvu.
Zm w«loh<v jemf . I>eid«tt Gattuafva ntuwr Hiditisr geliörtf bevewt «r
dvrcU die Zeidmang seiner Figaren.
Es bedarf nicbt erat eines Beweises, wekshen von dle^
sen beiden Cbarakleren Herrmsn n und Dorelbes sn
sich trä^l.
Der Dichter hat es nie mit etwas andrem, als mit sei-
nem Gegenstände,, xu thun; sein Gang ist lebendig und
kr&ftig, aber, rahig, gleichfinnig und von immer schnellerer
steigender Bewegung gegen das Ende dctt Gedichts^, der
Leser lebt allein in der Begebenheit, die er vor sich sieht,
er isty wie der Dichter, klar and gleichförmig gestimmt,
aber «detit tief geruhrl, und von den höchsten Gefühlen
durchdrungen. Nicht seine Sinne, nicht seihe Leidenschaf-
ten sind rege^ aber sein Sinn ist beschäftigt, sein Uemüth
stiJi bewegt; er fühlt nicht sowohl das rasche Feuer, wel-
ches sonst die. Phantasie* anfacht, als er sich vielmehr der
lebendigen Klarheit bewufst ist, womit ein reiner und tiefer
Blick in das Leben und die Menschheil die Seele erhellt.
Seine Einbildungskraft hat durchaus frei und allein, mit al-
ler ihrer schöpferischen Kraft » und an ein§m Gegenstande,
also bildend, gewirkt.
Davon überzeugt man sich vorzüglich dann, wann man
die Mittel genauer untersucht, durch welche der Dichter
seine Gestalten dem Leser in die Seele pi^gt. Wir haben
schon im Vorigen an einem Beispiel gesehn, dafs er sie
nicht ängstlich beschreibt, sondern nur ihre Umrisse zeich»
net; aber selbst das ihut er nur selten, nur da, wo die
Veranlassung flm schlechterdings dazu nöthigt. Er kennt
ein andres, tiefer eingreifendes Mitlei sie an^föhren and
wichtig zu machen; ^e Kunst ncmKch, sie durch den Grund
herauszulieben, auf dem sie auftreten, die F^inbildungskraft
•
durch die gehörige ÖUiuinung zu nöthigeiii sie von selbst
und in derGröfse jbu erzeugen, die er ilmen- mitiheilen will.
Dadurch erhSll er ihre Umrisse^ ohne ihrer Beslhmiil«
heit zu schaden ) de?inoch immer grenzenlos und unend-
lich : sie wachsen in d<*i 1 hal iuunerfort vor der Phantasie,
SO wie aUntthlig die ei^no Stiinmung derseftben forteohpfi«
tend erhöht wird; dds Game knüpft sich.fesler sufMamieiif
wenn immer ein Theil den andren, und nicht jedesmal der
Dichter. jeden besonders zu bilden scheint; und die ganze
Wirkung wird, um so viel dichterischer und künttlerisohery
ab sie rcöiier uäd aeUwIlliätiger blofo durch die £inhildungi*
krall voUendei wird.
XXVIII.
yerc;l«ichung niiser» Dickten mit Homer in di^m Stuck. — Beitpiet
an Glnnktts und Diomedes Waffentauscli.
Dieselbe EigenLliümlichkeit epischer Schilderung finden
wir auch im Horner und überhaupt in den Alten wiedarc
Wenn die neueren Dichter alles einxeln ausnahlen, wenn
sie oft kleine und einzehi interessirende Züge auswählen,
wenn man bei ihnen überall BeschreiLiuiigen männlicher
und weiblicher Schönheit findet; so sind diese jenen durch-
. aus fremd. Aber dagegen verstehen sie ihren Figuren eine
andere GrÖfse, eine andre Würde, und wahrhaft koiessa«-
lische Umrisse durch die Art zu geben , wie sie ,dieseibea
erscheinen lassen, und wie sie durch dies £rscheinett auf
die Einbildungskrafi einwirken«
Welche einzelne Scene man etwa aus der Uiade und
Odyssee herausheben mag, so findet man diese Bemerkung
bestätigt. &Ian nehme z. B. Glaukus und Diomedes Waf*
fentaasch. Auf welchem Bodfcn tretep schon diese beMoi^
Figucen 4uf| von welchen Gegeosländen sind sie uqugebonl
Digitized by Google
Ein min i^flipfem angefüllies Scbiacblleld, das \vechs«ind*
G&fick beider Nationett, der twieCidie AntheU der Götter
an dem Ausgang des Kampfs, das SdiiekMl Trojas, dessen
kiiofliger Unlergang durch die ganze Anlage des Gedichts
vorherverkündigt 9 imd auch in diesem einzelnen Stück , in
dem Contrast der Charaktere des edleren, sanfteren > hei*
nahe schwermülhigen Lyciers und des wilderen und rau-
heren Argivers, und in dem Ton ihrer Reden unverkenn-
bar gezeichnet ist. Oai|n diese Charaktere selbst , echte .
und reine Heldennoturen , sloli und tapfer, sogar wUd und
grausam, aber einfach/ fest in einmal geschlossenen Ver-
bindungen, voll Ehrfurclil iVir ihre Väter, für die Gast-
freundschaft und die Götter, welche dieselbe beschützen.
Wie sie die Yerfainduqgen ihrer Väter enähitn, ist
man plötslich in alle ihre Empfindungen verseltt, weil diese
Empfindungen insgesamml nur rein menschliche sind; man
fühlt den muth^en Stolz des Jünglings, den sein Vater er-
mahnt hal, seines Heldengeschlecbts nicht unwürdig lu
seyn; man tfaeilt gern Diomedes Elhrfurchl für Gastge-
schenke, die seine Ahnherren ihm hinterlassen haben, und
für das Andenken eines Vaters, den sein Ileidenrui ihm,
noch eh* er ihn kannte, schon entrits. Bei der Geschichte
der beiden Stamme thut man einen tiefen Blick in das
Loos der Sterblichen und die Macht des Schicksals; Prö-
tus leichtgläubiger Argwohn, Beilerophons menschenscheue
Schwermulh, Tydeus und der Sieben Untergang vor Theben!
Von allen diesen Büdem auf einmal gerührt, wer b©»
gleitet sie nicht da, wenn sie nun, nach Handschlag und
* Waffentausch , sich wieder in das (ictLinimel der 6ciilachl
versenken, mit wehmütlüger Kührung? wer ist nicht von '
dem tiefen Gefiihi für die Gröfse und den ßdelmuth,* aber
zugleich für die Ohnmacht und Verblertdnng des Menschen
duiclidiuugen, durch die er mir als eiii leiciites Spiel weri^
Digitized by Google
80
in der Hand des übenniichtigan Schicksak ersclieiatl —
Welche Farben aber leiht diese SiimnMtDg, m weiches ehr«
würdige «HalbduiiiLel hüllt sie die beiden ffignren , die der
Dichter blofs daiiureli zu zeichnen versland, dais er sie auf
das Gemüth einwirken lieis^ noch ehe er sie eigenüich hin-
gestellt halle!
Unser Dichter Jiat kmen so grdlsen und glänienden
•Schauplatz, keine so reiche Anzahl von Nebenfiguren, durch
.welche die Mauptfigurea von selbst hervortrelen, keine Hei-
den und Heldengeschlechter, welche die Phantasie vea selbst,
und ohne dafs es dazu nur eines Winkes bedarf,* in die
Vergangenheil zuräckführen ; unbekannt, und von Unbe-
kannten abstammend, müssen die Personen, die er* uns xeigt,
aUein durch sich selbst gelten^ Wie hat er' es nun änge-
fiuigen, um ihnen den Adel und die Grofse su geben, ohne
welche keine tiefe dichterische Wirkung möglich ist?
Üer glückhche Sänger der Vorzeit konnte vor den
Sinnen und der Einbildtmgskraft einen, reichgeslickten, far-
bigen Teppich voM der mannigfaltigsten Gestalten in üppi-
gem Reichthum abrollen; er, wekher durch seine Zeit,
seine Sprache uiid seinen Stoff dieses Voraugs entbehrte,
mufsle seine MilLel mehr in dem Innern des Gemüths und
der Stimmung desselben aufsuchen: was jener in der Na-
tur und der Weil fand, mufste dieser unmittelbar m den
Mensclicn legen. .
Wo also die Figur auftritt, sie mit dem hohen Styl su
zeichnen, der die Seele zugleich erstaunt und fesselt; sie
mit entschiednen und kräftigen Zügen , ohne dafs eine Ab-
sicht erraLhcn werden kann, auf den Vordergrund des Gan-
zen hinzustellen^ den Leser durch auffallende Wirkungen,
die sie hervorgebracht hat, wie durch ein Licht, das, von
ihr auastralend, ihr Daseyn, noch ehe sie selbst erscheint,
schon verkündigt, auf sie vorzubereiten; sie selbst selten
Digitized by Google
■ - • 81
eu zeigen, und doch sogar abwesend ilire Ucgenwart im-
mer und ununlerbroclien wirksam zu erhallen; ihr BUdda-
ilarch immer wachsen zu lassen^ dafs die Höhe des Tons
und der Slinrniimg im Ganzen stuiimmt; und sie überhaupt
immer mehr in dem Widerschein ihres Wesens, als unmit-
telbar in diesem selbst, zu zeigen — war alles, was ihm
unter diesen Umständen übrig blieb, und dies hat er ao
Irefiich su benulsen verslanden, dafs sich der Leser null
dennoch der ganzen uatl vullcü \\ itkung erfreut.
XXIX.
Sciiilderaiig Herrniaiuis and Dorothoens.
Herrmann und Dorolhea sind beide durchaus so gehal-
ten, dafs keine dieser beiden Gestalten vor der andern her-
vortritt Wie sie in der Handlung, in der sie der Dichter
zeigt, Eins siftd ; wie ihre ganze Seele nur gegenwärtig mit
einander beschäftigt ist: so sind sie auch nur gleichsam als
ein einziges Individuum geschildert Ueberall erscheinen sie
nur immer in Beziehung auf den andren, überall sieht man
m dem einen audi den andren zugleich mit, und ihre bei-
derseitige Natur schinikt eben so fest und voilkoininen zu-
sammen, als ihre Herzen unzertrennlich verbunden sind.
Aber (denn auch darin ist die Ordnung der Natur so
•chSn beobachtet) Herrmann tritt überhaupt mehr, und von
Anf<Tng allein auf, wir lernen Dorotheen nur dnrcli Hiti ken-
nen, durch das ganze Gedicht erscheint sie iuuiier nur als
ihm bestimmt oder angehörend, und wenn sie am Ende ei-
nen Augenblick eine eigne Selbstständigkeit "gewuint, so ge-
schieht es nur, um durch diesen Muth und diese Kraft, der
weibliciien /Anhänglichkeit noch mehr Adel und Würde zu
geben. Darum 4ileiben wir hier nur bei Dorothea Scbii-
deruDg stehen. Herrmann, als die Hauptfigur des Gedichts,
IV.* 6
Digitized by Google
82
idchiiet Bich von selbsi; indeis werden wir Uoch bald se-
hen, dafs auch er seine eigenüiche Gröfse von der ßinbii-
dungskraft de» Leser» nur dadarch gewinnt, dafi wir seine
Gestalt in Dorolheens Wesen, wie in einem reineren ^^e-
diuni, wieder erblick.cn.
So tragen and heben beide Figuren sich immer nur
gegenseitig; und indem die Phantasie^ den fixen Punkt auf-
suchend, an dem das Ganse befestigt Ist, immer von der
einen zur andren hinüherscluvanken mufs, indem das Bild
beider, wie ein Licht zwischen zwei Spiegein, immerfort
von der einen in die andre zurückgeworfen wird, erhallen
sie immer schwellende uml unendliche Umrisse.-
XXX.
Kr«te KinfüArung Dorotlieeni dprch Hcmnanni Erzühlan|[; von ilir.
Was diesem ganzen Gölhischen Gedichl eine so
grofse Objectivilät giebt, und es so sehr der Gatlung von
Gedichten aneignet, von der wir hier reden, ist der feste
' und sichere Grund, welcher dem ganxen, so wie jedem ein-*
Keinen Theile, jeder Handlung und jeder Schilderung; wenn
die Metapher erlaubt scheint, gleichsam unlergebaul ist*
Wie der Werkmeister der Natur den feinsten und spre-
chendsten Zügen der menscIiUchen Gestalt einen feslon und
bestimmten Gliederbau unterlegt, und die Festigkeit und
Starke, die daraus hervorgehl, zu einem Haupteiemente der
Schönheit macht j so bereitet sein Schüler, der Dichter, der
fitnbildungskraft einen sichern und unerschütterlichen Bo*
denj von welchem aus sie, suversichllieh auftretend, einen
kühnen Aufilug nehmen kann. Nielil ;ilso blofs in der An-
lage des Ganzen sind alle Theile fest zusammengelügl, son^^
dem auch bet einzelnen Schilderungen, vorzüglich bei der
Zeichnung der Charaktere, sind gerade solche Elemente
Digitized by Google
ausgewühll, welche dem Gänsen Haltung, Kraft und Sicher^
heil geben.
Fast nirgends fällt tlies so lebhnfl ins Auge, nis bei
dem ersten Erscheinen DoroÜieens. (S. 29.) Ihr Bild ist
da mit so sichrer Meislerhand hingestellt, dafs es in dem
Gemülhe, wie festgewurzelt, haftet
Als ich nun meines Weges die neue Strafüe biiianftufar,
Fiel mir ein Wagen in« Auge, ron tncliHgen Bäumen gefuget,
Ton zwei Ocliien gezogen, den grofsten und stärksten des
Auslands;
Nebenher aber ging mit starken Schritten ein Mfidclien,
Lenkte mit langem StaUe die beiden gew<iitigeii Thiert*,
Trieb sie ao, und bielt sie zurück, sie leitete klüglicli.
Man glauht eine der hohen Gestallen zu sehen, die man
bisweilen auf den Werken der Alten , auf geschnillenen
Steinen, erblickl. Man fühlt sich betroffen, und hüll inne;
man hegreiA nidit, 'wodurch und womit dies gemacht ist
Der Dichter, hat blofs die einfache Handlung erzählt; aher
man kann sich nicht enthalten, dieser Erscheinung noch
einen Augenblick zuzusehen. Sie steht zu auffallend da.
Voir der Erzählung im vorigen Gesänge (S. 13.) her,
ist der Leser nöch von dem Zuge der Ausgewanderten er«
lullt; er sieht noch das verwirrte Durcheinandertreiben, die
unbesoiinene Eile, die gegen fremdes Unglück gleichgültige
Selbstsucht vor Augen. Aus dieser ungeschiedenen Menge
sondert mch nun eine einselne Gruppe ab: ein Wagen ist
zurückgehlieben, indefs die tibrigen schon in der Entfernung
vorauseilen, eine Wöchnerin, von Ochsen gezogen, die ein
Mädchen lenkt. Dies Mädchen (ritt allein einzeln auf, sie
allein ruhig, besonnen, hülfreich ; nun mufs alles, die Stärke
des festgefügten Wagens, die gewallige Grdfse der Thiere,
selbst das verwirrte Gedränge des Zuges ilu- Bild zu ver-
grölsern beitragen. Es ist schon so idealisch geworden, die
6\
Digiii^uü by Google
Phaniasie ist schon so ^vilitg, es in ganz fremde licgipnen
SU versetten, dafs wir vergessen ^ dafe der lange lenkende
iStab i|ichi mehr SiÜe unserer Zeit ist.
XXXI.
SeKHdernng der Jongfrao in ihrer Wirkung aal' Herrroann*
Nach dieser erslen Linliilii iiug isl der zw eite Moment
des Erscheinens der Jungfr.iii erst in der Stelle, die wir
im Vorigen genauer geprüft haben. Aber auch indefs ver-
läfst sie den Schauplatz nicht; Ton diesem ersten Augen-
blick an bleibt sie dem Leser gegenwärtig, und wirkt von
ihm in Herrinanns 8eele, in seinen Reden und Entsclilüssen
fort Ja, noch ehe sie der Dichter wirklich auftreten iiM,
erschien sie schon in der Umwan<fiung seiner Gestalt und
seines Wesens, welche die bei seinen RItem versammelten
Freunde gleich beim Hereintrelen an ihnl beiiioi ken. (S. 27.) ,
Die Schönheil des Moments, wo in der beginnenden
Reife des Jünglingsalters ein Gegenstand sich plötslich der
Seele bemeistert, weil in Einem Augenblick eine Leiden-
Schaft angcfaciil wird, die iVu das ganze übrige Leben forl-
dauem soll, wird durch diese Stelle und die ganze Schil-
derung der nun erst erwachenden Gefühle Hermianns ir
allem ihrem Reixe vor das GemQth des Lesers gebracht.
Die Veränderung, die er in seinem Wesen errährl, erinnert
an die wohlthUlige Kraft, mit der Homers Gölter und Göt-
tinnen ihren Lieblingshelden höhere Schönheit und über-
menschliche Gröfse verliehen, und vertritt die Stelle des
Wunderbaren, das in seiner wahren und antiken Gestalt in
einer Composilion, wie das gegenwiirlige Gedicht ist, iiei-
nen Platz finden konnte. Aber wenn es nun hier jenen .
überirdisch slralenden Glanz entbehren mufs, so fährt es
uns desto tiefer in uns selbst suriick. Wie viel wir auch^
4
85
m
sa£:t es uns, an uns bessern und tnodelu, so eraeugl sich
die . eigentliche Gesiall, die wir annehmen, doch allein und
uns unbewuTst, aus uns selbst; gerade die Gefölile, die uns
am nMcfaligsten beherrsehen, schiefsen wie Blitse aus un-
bekannten Tiefen unsers Ichs hervor, durchslralen unser
ganzes Wesen so lebendig, nnd heben es so ganz aus den
gewohnten Kreisen unsers Daseyns heraus, dafs wir durch'-
aus ais verand^rle Menschen erscheinen.
Darch eine so wundervolle Umwandhing Hernnanns
auf ihre nur erst dunkel geahndete ürsach, durch die krafl-
volien Worte, durch die sein Vater das Schicksal seines
Vaterlandes und das Glück seiner Familie ($• 22.) in einen
herüidien Wunsch vereinigt, auf ihn selbst vorbereitet, wie
tritt da Dorolhcens Gestalt doppelt bedeutend hervor!
Nachdem Uerrmann seine Erzählung geendigt hat, enl*
spinnt sich ein Gespräch zwischen ihm, seinen £ltem und
seinen Freunden. Die Handlung gehl fort: aem Vater macht
ihm Vorwürfe über sein zu blödes und stilles Betragen;
der besclieidene Sohn weicht den Vorwürfen aus, und ver-
läÜBt das Zimmer. Der Leser ist nun in das Interesse ge^
sogen; er sieht eine Begebenheil anfangen, die ihm durch
die darin verwebten Charaktere wichtig wird. Mit inniger
Theilnahme folgt er der Mutter, wie sie dem Sohne nach-
geht Sie findet ihn auf dem Hügel, der Grenze iiirer Be*- —
sitsungen, unter einem Baume sitzend» .
Dies ist wieder eine der Stellen, in welchen der Dich-
ter seine Kunst oiTenljart, durch die Stimmung der Einbil-
dungskraft des Lesers seinen Figuren Grölse und Charak-
ter zu geben. , Mit dem Kücken gegen die Mutter gekehrt,
' sitzt Herrmann, auf den Arm gestützt, und scheint in die
Gegend za schauen, jenseits nach dem Gebirge. Wie er
sich zur Mutter umwendet, sieht sie ihm Thränen im Auge.
^ überraschen wir ihn mitten in seinen einsamen 6elbst-
Digitized by Google
86
beirttchlüDgen, und schon der Orl, auf dem wir ihn antref-
fen, macht uns diesen Moment bedeutender. Am Ende des
laugen Weges, den wir, unruhig suchend, uiiL der MuUer
surückgelegi haben> auf einer Höhe, von der wir auf daa
Städtchen und die Wohnung hinabschauen, die wir ebeif
verlit iöLii, mitten in einem kraftig fluleuileii Kornfelde, steht
ein Bauiu^ dessen Alter sicii schon so weit in die vongen
Zeiten surückerstreckt, dafs die Hand unbekannt ist, die
ihn gepflantt. hat Unter ihm sitst Herrmann«
•Welchem Leser werden hier nicht Augenblicke seines
Lebens einfallen, wo er sich in ähnlichen Sliinmungen^ in
ähnlichen Lqgen befand; wer wird sich nicht erinnern, wie
aJsdann ein Gebirge, das sich am äufsersten Horixont hin-
aiehl, den Blick einladet, von Gipfel su Gipfd zu schwei-
fen, wie das bewegle llciz eine unwiderstehliche Sehnsucht
befölit, auch jenseits liinüberzuschauen, auch jenseits und
drüben xu seyn, als wäre eine andere und .bessere Well
durch diese Mauer von uns geschieden!
Aber es ist nur wenig, wenn der Dichter solche Sliiu-
niungen und Empündungen in uns weckt; seine hohe und
meisterhafte Kunst besteht darin, mitt^ aus ihnen . und
durch sie den Gegenstand in seiner lebendigen Wirklich-
k«t hervorgehn zu lassen ; und gerade dies hat der uasiige
hier eneichl. Statt dafs wir Herrwann verlassen, und uns
Eninnerimgen hingeben sollten, ist er es allein, der vor un<t
Sern Augen gegenwärtig ist; aber zugleich achwellen jene
Erinnerungen unsem Busen, erfüllen sie unser Jlerz; wir
sind uns ihrer nicht einzeln bewufsl, aber ihre Wirkung ist
in uns lebendig, und trägt sich auf den GegensUnd über.
So kommt es schlechterdings mir darauf an, welche
Richtung der Dichter unsrer Eüibildungskraft zuerst gege-
ben, welchen Ton er angestimmt hat. Isl diese Richtung
eiimial entschieden objectiv, geht sie gerade darauf hin, Gc-
87
slalten zu luulilen, nichl Gefühle zu erwecken, so mag er
unser Inneres erschütlern, rühren, aufregen, so stark und
mächtig es nur in seiner Kraft steht; ailes wirkt doch nur
dahin, die Well, die er uns zeichnet, lebendiger vor uns
hinzustellen, uns noch tiefer und mit noch mehr entschie-
dener Selbslvergessenheit in dieselbe zu versenken.
XXXIL ^
Die Wirkung des Mäilcliens auf den Jüngling ist nicht in einer unbe-
stiiniuten Grufse, sondern in dem bestimmten Uegrii)' der vollkonimnen
Angeniessenlieit beider Naturen gezeichnet.
Wenn wir hier einen Augenblick bei dein Kindruck
verweilten, den Herrmanns Schilderung macht, so entfern-
ten wir uns darum nicht von Dorolheen. Denn dieser Ein-
druck, die lieftige Bewegung, die sie in dem Herzen des
Jünglings hervorgebracht hat, und die furchtbaren Folgen,
die dies einen Augenblick auf die Huhe und das Glück ei-
ner Familie zu haben droht, die uns werth geworden ist,
sind zusammengenommen das kräftigste Mittel, ihr Wesen
und ihre Gestalt selbst (da beides hier immer Hand in Hand
geht) mächtig herauszuheben. Es wäre überflüssig, dies
einzeln auszuführen. Man erlaube mir nur auch hier, an
die im Vorigen gemachte Bemerkung zu erinnern, dafs der
Dichter, wie überall, so auch hier, um der höchsten und
poetischsten Wirkung gewifs zu seyn, nie das Glänzendste
und Kühnste, sondern immer das Kräftigste und Gehall-
vollste, ausgewählt hat
Herrmann ist auf einmal aus allen gewohnten Gleisen
seines Lebens herausgeworfen; das Erste, nach welchem
er fafst, als er den engen Kreis seines bisherigen Lebens
verlälsl, ist auch das Höchste : das Schicksal seines Vater-
landes, seiner rSalion, der Welt; es ist ihm zuwider, noch
SS
femer unlhätig zu seyn, er will wirken; er föhlt, dafii' es
¥ergeblich seyn wird, aber sein Leben soll auch vergebens
dahingehn.
Eine natürliche Wirkung der heftigen Leidenschaft.
Sobald das bisherige Leben einmal unsehmackhaft gewor-
den ist, kann eine kräftige Natur nichts andre«?; als das ge-
rade Gegentlieii wollen; sie darf nichl einmal ihrer Thä-
ligkeit einen andren^ als einen unglückücben £rfolg wün-
schen. Sich vergeblich aufaureiben, ist das Streben aller
Verzweiflung. Sogar der Selbstmörder, der den Faden sei-
nes Lebens in diesem Zustand abschneidet> thui es nicht,
um eines Daseyns los zu werden, dessen er müde ist, son<>
dem um Kräfte, die etwas wirken könnten, und di^ das
Schicksal nun einmal nichl nach seiner Weise wirken las-
sen will, nun auch absichtlich umsonst wegzuwerfen. Solche
Verzweiflung aber erregt bio^s die Unmöglichkeil, dasjenige
zu erreichen, was uns durchaus gemals ist. Sobald dies
nicht der Fall ist, giebl uns das Entbehren dessen, was wir
.umsonst zu besitzen wünschen, wohl eine andere Richtung,
aber schleudert uns nicht in das gerade Gegentheii hin.
Dies ist Ein PuqkL
Ein zweiter ist folgender. Herrmann geht mit seiner
Alutter zum Vater, dessen Eiuwilligung zur Verbindung mit
Dorolhcen zu suchen. Wie er die Worte ausgesprochen
hal:
die gebt mir, Vater; inein Hers hat
Rein und sicher gewählt; \ "
erkennt auch der Geisthche, dafs. diese Worte in einem
AugcnbHck gesagt sind, der besser, als alle Berathung über
das Leben und das. Geschick des Menschen, entscheidet.
Was wir nur mmschen, worüber wir räthschlagen , dessen
können wir uoeli entbehren. Was uns unenlhchiiich und
noth wendig ist, was unsre Natur unmittelbar fordert, das
89
spricht ein einziger Augenblick aus. Kin solclier isl jeUl
für Herrniann gekommen.
Aber bei ihm kann man (und dies ist der dritte Punkt)
noch sicherer seyn; was er' begehrt, das ist ihm gemäfs,
und das liäll er fest.
Wenn es uns gelungen ist, den Leser durch die bishe-
rigen Betrachtungen auf den rechten Standpunkt zu führeui
den Charakter dieses Gedichts treu und wahr aufzufassen;
so mufs derselbe bereits fühlen, dafs unser Dichter nie un-
bestimmt nach dem Grofsen, Starken, Erhabenen, sondern
immer nach dem Vollkommnen und Vollendelen strebt, dafs
er nicht auf die Eireichung eines hohen Grades, sondern
des Absoluten ausgehl. Dies beweist, mehr als eine andre,
die hier ausgehobene Stelle.
Ein anderer Dichter hätte sich begnügt, die Trefflich-
keit des Mädchens in der blofsen Stärke der Wirkung su
schildern, die es auf den Jüngling gemacht hat, und dies
Miltel wäre auf keine Weise verwerflich gewesen. Der
unsrigc thut zugleich weniger und mehr. Er scheint an-
fangs wenig darum bekümmert, den Eindruck zu mahlen,
den llerrmann erfahren hat; er läfst ihn in seiner Erzäh-
lung keinen Augenblick aus seinem ruhigen, einfachen, be-
schreibenden Ton herausgehen : aber er führt die Umstände
so, dafs er unwiderstehhch darlhul, dafs Dorothea ganz und
gar, und nur sie dem Wesen des JüngHngs angemessen
ist, dafs sie sein werden mufs, und dafs er aus seiner gan-
zen Nalur herausgehoben ist, wenn er sie nicht besitzt
Wie viele Vorlheile gewinnl er nun auf einmal ! Alles,
wodurch Herrmanns Charakter überhaupt geschilderl ist,
wirkt nun auf diesen einzigen Moment, und dieser wieder
darauf zurück. Dorolhea erscheint nicht blofs in einer un-
beslinnnleu Gröfse, in einer Wirkung, aus der sich der Ge-
genslnnd, der sie hervorgebracht hal, immer nur schwan-
M
kend erkennen iMfei; sie steht in den beslimmtcstcu Uin>
rissen d«i. Denn wir kennen llernnann, und sie ist d«is
Mädchen, das ein solcher Jüngling bedarf. Dadurch ist
sie xiigieich gerade in der Gattung von Trefflichkeit ge-
zeichnet, die am besten zu dem Geist des ganten Gedichts
pafst: als eine reine, krallige, sichre Natur, — als die zu-
verlässige Gattin Herrmanns. Mit wie starken und . leben-
digen Farben der Dichter die Leidenschaft Uemnanns ge-
mahlt hätte, so Wörde er (lie das erreicht haben, was er
jetzt erlangt; wenigstens liätLc er es nicht als epischer
Dichlcr erreicht. Denn wenn der lyrische das, was über
alle Wirklichkeit erhäben ist, als das letzte Ziel aller Kunst,
oft nur durch ein Aufsteigen zu immer höheren Graden in
der Unendhchkeil aufsuchen darf, so mufs der epische es
immer in der Totalität eines gesciilossenen Kreises zu lin-
den verstehn.
Aber nachdem der Dichter die Umrisse seiner beiden
Hauptfiguren so besliinml gezeichnet, sie uns so fest dn-*
geprägt, unser Herz so innig für sie erwärml hat, giebt er
auf einmal unsrer Einbildungskraft einen kühneren Schwung,
versetzt er den Gegenstand, der un», noch immer abwe«
send, so einzig beschäftigt, plötzlich wie in höhere Sphären. -
mein Vater, '
ruft Herrmann aus,
. sie ist nicht hergelaufen, das Mädclieii,
Keine, die durch da» Land auf Abeoteuer uuikerftciiweiff,
Und den Jüngling bestrickt, den unerfabrnen, mit Ränken*
Nein; da« wilde Geschick des allverderblichen Krieges»
Das die' Welt zerstört, und manches feste Gebäude
Schon aus dem firuiule nehohcn, hat auch die Anne vertrieben.
Streifen nicht herrliche Männer von ]ioher Geburt nun im
Elend ?
Hursten fliehen vermummt^ und Könige leben veri>annet.
Digitized by Coonlr^
91
Das Schicksal der Welt knüj)fet sich mm an das ihiige an,
und leiht ihr einen neuen befremdenden Glanz.
XXXIII.
Dorotlieens eignes Erscheinen.
Die Stelle, wo Dorothea zum erstenmal seihst auftritt,
und wo wir mit ihr unter den Ihngen verweilen, soll das
Bild, das wir uns schon von ihr gemacht haben, weder er-
höhen, noch vergröfsern ; dies ist jetzt noch nicht nöthig,
und bei dieser Veranlassung nicht mehr möglich; sie soll
uns nur damit vertraut machen, und es in uns befestigen.
Das Mädchen, das ^vir bisher blofs in dem Spiegel des
Eindrucks sahen, den es gem.icht hatte, gUch noch zu sehr
jenen zauberischen Schnltenbildern , die wie ails einer an-
dren Welt zu uns herüberstralen; sie soll jetzt zur Wirk-
lichkeil, ins Leben herabgeführl worden; wir sollen ihr
näher treten, ihre Schicksale kennen, sie liicht mehr blofs
mit dem bezauberten Blick der Liebe, sondern mit dem na-
türlichen Auge des blofsen Beobachters ansehen. Herr-
maun ist zurückgeblieben, und wir sind nur in der Gesell-
schaft seiner un])arllieiischcn Freunde.
Wir linden Dorolheen noch eben so gut und brav, als
vorher; aber der Zauber ist hinweggenommen, der sie bis
dahin, wie ein leiser Hauch, überkleidete. Ihre hülfreiche
Thäiigkeit, die erst etwas Heroisches halte, ist mehr zu
dienstbarer und gefälliger Geschäftigkeit geworden; sie er-
scheint als Weib und als Mädchen, da wir sie vorher gern
in Herrmanns Seele in dei* Sprache Homers gefragt hätten,
ob sie nicht der Götlimien eine sey, herabgekommen den
Menschen zu helfen, und ihr Herz zu versuchen? Dadurch
erhält ihr Bild bei uns eine ganz eigne Wahrheit; es ist
nun so, wie wir es immer im Leben wirklich antreffen.
92
Das Wesen bleibt immer uiul ^Uirchaus in allem seinem
Wirken und Thim dasselbe; aber es giebt Momenle, wo
es, von höherer Begeisterung darchsirait, etwas GöUliches
und Ueberirdisches annimmt. Wir glauben nunmehr dem
Geliebten, der zwar am meislen durch jene beseligenden
Augenblicke ungeslürler Einsamkeit entzückt wird, aber
nach ihnen auch gern seinem Mädchen in den gewöhnli-
chen Kreis ihres Lebens, in ihre häusliche Geschäftigkeit
folgt.
Der Dichter weib, dals der Mensch hnnier das Groüse,
Erhabene, üebenuenschliche sucht, aber dafs er, um es
festsuhaiten, es sich aneignen, es menschlich machen mufs;
darum fuhrt er ihn erst in kühnen Flügen dasu hin , und
läfsl ihm hernach Zeit, es unter veränderten Formen sich
näher lu bringen. Er wechselt die Töne, um aus seinem
Werke ein Ganzes zu machen, das dem wirklichen Leben
selbst gleich sey.
XXXIV.
firublnng des lieroiscbeii MnUii der Jungfrau* Ob dev Diditer gut
diat, gmde di«Mn Zng uui ihrem Leben henuasnheben?
Zwar ist es gerade hier, wo die Heldin unsres Ge-
dichts am meisten heroisch erscheint, wo wir durch die
Ersahlung des Richters ihrer Gemeine die kühne Entschlos-
senheit erfahren, mil <Jei sie sich und iine Gespielinnen ge-
gen die W ildheit zügelloser Krieger vertheidigie.
Allein wenn diese Stelle dazu bestimmt, wäre, das
Bild, das wir uns schon bis dahin von ihrem Mulh und
ihrer Stärke gemacht haben, noch beträchtlich zu vergrö-
fsem, so hätte sich der Dichter in seiner Berechnung be-
trogen. Er liat sie uns auf eine ganz andre, bei weitem
sinnlichere und poetischere Weise in die Einbildungskraft
Digitized by Google
• 93 -
einzuprägen verslnnden , als dafs eine einzelne Handlung,
und die wir überdies nur aus dem Munde eines Drillen
vernehmen, dazu noch viel hinzuzuselzen im Stande wäre.
Dennoch ist dieser Zug auf keine Weise müfsig. Es
mufste etwas da seyn , wodurch Dorothea auch gams und
allein für sich aus der Masse der übrigen Figuren heraus-
gehoben wurde; wir mufslen sie sehen vor der Haupt-
liandlung des Gedichts, vor ihrer Auswanderung, handeln
und wirken sehen. Ihre Vereinigung mit Herrmann hülle
nicht das Leben, die Fesligkeil und Schönheil vor der
Phantasie gewinnen können, wenn man nur Eine, nicht
beide Figuren, auch vorher und einzeln gesehen hätte; es
hätte nur H^rrmann, nicht Herrmann und Dorolhea, heifsen
dürfen. Es sind zwei verschiedene Elemenle, zwei ver-
schiedene Menschengallungen , zwei eigne Welten, die mit
einander in Verbindung treten sollen : die, in der Herrmann,
,und die, in der Dorolhea einheimisch ist. Uns in die letz-
tere zu versetzen, dienen alle Scenen unler der Gemeine;
und da Dorothea in diesen die Hauptrolle spielt, so mufste
auch ihr in derselben etwas eigenthümhch und besonders
angehören. Dazu hat der Dichter hauptsächhch drei Züge
gewählt, von denen der eine ihren Mulh, der andre, die
Pflege ihres allen Verwandten, ihre hülfreiche Güte zeigt,
und der dritte, ihre frühere Verlobung mit dem unglück-
lichen Beschützer der Freiheit, die an höhere Ideen, eine
andere Cullur und wichtigere Begebenheilen anschliefst,
und sie uns nun auch noch durch ein eignes schwärmeri-
sches Interesse, das sie uns einflöfsl, wichtiger macht.
So unläugbar es indefs auch nothwendig war, Doro-
iheen durch einen eigcnthümlichen Zug hier herauszuheben,
so ist es doch eine andere Frage, ob der Dichter hierin
den rechten gewählt hat? Wenigstens müssen wir offen-
herzig gestehen, dafs, so oft wir noch diese Stelle (S. 137.)
94
lasen, sie uns jetlosinai üeu glciclüüriuigen 6lrom zu un-
terbrechen schien, in dem sonst das ganze übrige Gedicht
hinfliefst. Es ist nicht, dafs diese Handlung^ auclt aufser-
dem dafs sie in den 13ogcbci)heilen unsrer Zeil wirklich .
gewesen isl, nichl auch die vollkouiiiienste poelische Wahr-
heil hätte; nicht 4^1^ eine falsche, und dem Geiste dieses
Gedichts gams und gar xuwiderlaufen.de Delicatease das
Blutvergiefsen durch die Hand eines Mädchens unerträglich
madile. Aber jener Eindruck ist einmal niclit wegzuliiug-
nen; es haben ihn mehrere Leser erfahren, und er scheint
daher nicht blofs subjecliv su seyn. Vielleicht lälst er sich
durch folgende zwei Grunde wenigstens bis auf emen ge-
wissen Grad erklären.
1. Die Einbildungskraft kann nichl anders, als sich das
Bild der Handlung vorstellen wollen, in der die Jungfrau
geseigt üvird. Sie tnufs sie, .den Säbel in der Hand, die
Feinde verl reibend, vor sich hinzeichnen. Zu diesem Bilde
aber von demjenigen, das sie bisher von ihr gehabt hat,
.übersugehen, und von da aus tu diesem, sorücksukehren,.
macht ihr , AI lihe; sie findet etwas Grelles, einen Sprung
darin. Und wenn dies wirklich der Fall ist, so hat auch
der Dichter gefehlt. Denn die dichterische und voi-züglich
die epische Wirkung beruhet gerade darauf, dafis man in
allen verschiednen Lagen und Stellungen derselben Figur
immer sie selbst klar wiedererkennt, dafs es wirklich nur
dieselbe Geslalt isl, die sich blofs verschiedentlich bewegt,
und dafs die Einbildungskraft mit vollkommen ungelünder-
ter Leiciitigkttt immer von jeder auf alle übergehen kamu
Dadurch allein erlangt sie wahrhaft unendliche Umrisse,
verbindet sie alles Wechselnde und Mannigfaltige in Ein
Bild, dafs sie, sich immer im ftlitlelpunkte erhaltend, von
da aus diese Uebergänge ^virklich veiaucht, und überall
«
Digitized by Goool
zwar besliiiiinl, al>cr leise, überall fesl, aber mit schon wie-
der Weiler gleilendem Fufse, auftritt.
i 2. Der weibliche Heroismus ist überhaupl, und beson-
ders in unserer Zeit, schwer und zart zu behandeln. Zwar
wäre es vielleicht möglich, auch noch jetzt eigentliche
Amazoncncharaklere mit dennoch rein bewahrter Weiblich-
keit zu zeichnen ; aber zu diesen gehört Dorothea nicht-
Dorothea kann einen Mord, selbst den eines iibermüthigen
Feindes, nie im mindesten aus freiem Entschlufs, immer
nur durch die Uufserste Noth getrieben, begehen, und dies
springl zu klar und auffallend in die Augen. Handhmgen
. aber, die nur die INoth bewirkt, in denen mehr der Drang
der Umstände, als die Energie des Charakters das thälige
Motiv ist, sind sehr wenig zu einer poetischen Behandlung
lauglich.
XXXV.
Dorotilcong Zusammenkunft mit Herrmann — erst am Brunnen, itann
auf dem Wege zu seinen Kitern.
Bis hierher hat der Dichter seine Hauplwirkung nur
vorbcreilel; jetzt heben erst seine höchsten und glänzend-
sten Momente an, jetzt auch kann erst Dorotheens (jestalt
in dem ganzen Reiz ihrer Schönheil erscheinen.
Dieser Punkt ist durch ein vollkommen neues und treff-
liches Glcichnifs auf eine bedeutende Weise bezeichnet.
Wie der Wandrer das Bild der sinkenden Sonne, noch nach
ihrem Verschwinden, vor seinen Augen schweben sieht, so
sieht Herrmann das Bild seiner Geliel^len, und wie er sich
umdreht, steht sie selbst vor ihm da.
Diese so natürliche, und doch so nahe ans Wunder-
bare grenzende Erscheinung versetzt den Leser auf einmal
in eine höhere, mehr phantastische Stimmung, die nun bis
96
ans Ende des Ge^ichU, nur iamier steigend und wediseind,
fortdauert. So wie er hier ihr Sctieinbild und ihre wahre
Gestalt dicht neben einander erblickt, so wird sie ihm nun
immerfort bald in der ruhigen Besonnenheil ^ in der thäli-
gen Gewandtheit, dje heiter und glücklich durchs Leben
führt, bald in der schwärinetischen GrÖfse, in der hohen
Begeisterung gezeigt, die über das Leben hinausgeht.
Der Ton, den der Dichter jetzt, da er noch reiner und
stärker, als bisher, auf die blofse Phantasie einwirken will,
zuerst anstimuii, isi der der Heiterkeit und Anniuth» Da*
durch erhält er sie leicht und künstlerisch bewegt, dadurch
macht er, dafs, wenn er zuletst kühner in die Saiten sei-
ner Leier eingreift, vollere und mächtigere Accorde an-
schlägt, sein Lied doch nur immer ein schönes Spiel der
Kunst bleibt, nie im drückenden Wahrheit wird.
Am Brunnen sehen wir das liebende Paar;
den ^rolüero Krug uud einen kieiueiu am Henkel
Tragend in jeglicJier Hand,
erscheint die Jungfrau; auf der Mauer des Quells sitzend,
sehen sie sich im Spiegel des Wassers , und grufsen sich
dreister und freundlicher in tliesem Bilde, ah ihre wakli-
chen Bücke es wagen. Welche Wahrheit und Lieblichkeit
in dieser Schilderung! welche schöne Bilder ruft diese Zu-
sammenkunft am Brunnen aus jener patriarchalischen Zeit
zurück, wo FÖrstentöchter selbst Wasser zu schöpfen ka-
men, und der Bund der Liebe und Lhe oft am rieseindeu
Quell geschlossen wurde!
In diesem Ton ist auch die ganze Unterredung gehal-
ten. Vorzüglich ersq^ieint immer das Mädchen leidbt, ge-
wandt und besonnen; sie kommt dem Jüngling immer ge-
fallig und freundlich zuvor; aber wo er, dessen Herz im- ,
mer von seinen Gefühlen schwer und geprefet ist, seine
Empfindungen reden lassen wilf, da schneidet sie ihm im- .
1»^
ttier, imd immer natürlich und gerade, ohne künstlich aiw-
»iwdcheD, auf wie laii;ie^ heitre und verständige Welse
den Weg dnu ab. Es ist Um tmmSgtidi« von Liebe «i
sprechen;
ihr Auge blickte nicht Liebe,
Aber heiieu Verstand, und gebot verständig zu reden.
WMm traffenda ScfaUdenuig der sefadneD htaM^uSi
das waibficfaen Qiarakien, mit wdeher die Weiber, durch
ihr ganaes Wesen idealischer und künstlerischer gestimmt,
die Liebe nur wie ein anmuthiges S|»iel behandeln, und an
dies Spiel dennoch relDar und wahrer ihr 'ganua Daseyn
hingeben, als der scfawerfiilligera Mann an den iaiarikhen
Emst seiner Gefühle.
Haben wir Dorotheen bis hierher rüstig und thätig,
mathYoU und entsditossem, MebÜeh und heiter gesdien^ so
tritt sie nun grofe und erhaben auf. Nicht dafs der Dich-
ter ihreni Bilde gerade neue Züge luiizulügte : aber er wciis
unsrer Einbildungskraft einen andren Schwtmg zu geben.
Der Tag neigt sich cum Abend» die Sonne geht unter» Ge-
vritterwolken hängen drohend vom Himmel herd>» und, wie
die Natur um sie her, werden auch die Gefühle der beiden
Liebenden düstrer und schwerer. Hier wachsen liure Ge-
stalten vor unsren Augen von Sfhritt au Schritt, ein schö-
ner Moment, eine grolse und manlerisdia Schildaiung Mgt
auf die andre : erst wie sie, entgegen der ttnkenden Sonne,
durch das hohe wankende Korn gehn; dann wie sie, unter
dem Baume sitzend, unter welchem Herrmann am Morgan
noch um seinie Yeririebne gewmt hatte» auf die Wohnung
seiner Eltern, auf das Fenster am Giebel hinabschauen;
endlich wie sie, ausgleitend auf den Stufen des Weinbergs,
ihm auf die Schulter sinkt, und er mit dem Arme die FaU
lande emporhäit
Jede dieser Schiiderungen ist über allen Ausdruck dich-
IV. 7
teriflch, und in allen xusammeu lebt eine so echt darslel-
lende Kunst» dafs aae den Gegenstand nkhi allein in allen
seinen Umrissen, sondern sogldch immer in der Gröfse und
der Farbe mahlen, welche die Stimmung der Einbiiduugs-
kraft in dem jedesmaligen Augenblick fordert. Alle drei
sind von den herrlichsten Naturbeschreibungen begleitet;
erst stralfc noch die Sonne hier und da aus dem Wolken*
Schleier, in den sie verhiffit ist, hervor, und vntü mit glü-
henden Blicken eine ahndungsvolle Beleuchtung über das
Feld; dann in dem Augenblick, wo sie ruhig unter dem
Biinbaum sitwn, ist es Nacht, aber der Mond glänat voll
vom Hhnmel herunter, mid in Massen geschieden liegen
Lichter, hell wie der Tag, und Schalten dunkeler Nachle;
endlich überblickt, auch dieser sie nur noch mit schwan-
kenden lachterny und lälst sie «iletit, vom Gewitier um-
hüUt, in völligem Dunkel
In diesem lelzlen Mouienl, wo die Gefüliie der beiden
Liebenden, die überhaupt im Menschen so gern und leicht
die Farbe des Tags und der Natur annehmen > den Sufser*
sIen Gipfel emicht haben; Hernnami mit qualvoller Unge-
duld der Entscheidung seines Schicksals und der Auflösung
der Verwirrung, die er angerichtet hat, entgegensieht j Do-
rothea durch die Stille ^r Natur um sie her, und das
freundliche Gesprach mit ^em JüngUng» den sie liebt, ihre
sdmsudhtsvfdisten Hoffirangen belebt iählt, kommt aOes zu-
gleich zusammen, auch das (jeunUli des Lesers aufs höchste
KU Spannen und in seinem Innersten su bewegen. Man
sieht nicht mehr Uemnann und Dorotheen allein, man er-
h&Ai in ihnen die männliche und weibliche Grdlse selbst,
in ihren vollsten Üeiüiiien, von den höchsten KriiAen ge-
lialten.
üigiiized by Google
91»
XXXVl.
Eintritt der beiden Liebenden in das Zimmer der Eltern. — DorotUeent
Benehmen bii snm Schlüsse det Gedicht». — Anmf der Muse.
So wie in dciu ietzlen Augenblick auf den Stufen des
Weinbergs das Dunkel der Nacht die beiden Liebenden
umgiebty fo liegt aueh über ihnn Gefiihlen seLbet me dumffe
Schwermiith verbreitet. Der Moment, in welchem sie, der
eigentüciien Entwicklung zueilend, in das Haus der Ellern
treten« nuila sie in ÜefatvoUer Klavbeü zeigen; und dieser
kemmt nun heran.
Eine solche Klarheit plötzlich um sie zu giefsen, macht
der Dichter eine Pause, und ändert den Ton seines Gesan-
ges. Dals der Eindruck jener ietsten Situation nicht an
drückend werde, dals er nicht ans jdem Gebiete der Kdkiat
und der Einbildungskrail herausgehe, ruft er die Musen,
diese Wesen der Phantasie, an; und der Stärke gewifs, uiit
der er sich des Zuhörers bemächügi hat, scheut er sieh
nicht» ihn selbst daran au erinnenii dals es nieht Wahrheit^
sondern nur ein Spielwerk der Kunst ist, was er ibor zeigt.
Hierauf läfst er ein Gespräch im Hause der EHem folgen,
und setzt an das Ende desselben eine herrliche Stelle über
den Werth und die Fülle des Lebens in der Natur — den
Ausdruck der schönen und menschlichen Geonnung, die in
aliea r^ei icnicri des Alters nur das aufsucht, was sie zu hö-
herem und vollerem Wirken vereinigen , wodurch sidi Le-
ben im Leben yoUenden kann.
. Bei diesen Worten betritt das Paar die Schwelle. Nun
drängt sich in der Einbildungskraft des Lesers auf Einmal
alles zusammen, sie in hchtvoller Gröfse hinzustellen; nun
scheint die Thüre zu klein, die hohen Gestalten einzuhis-
sen. Zi^eich aber sieht man sie so sehr fiir emander be»
stimmt und geschaffen, dals das Höchste, was der Dichter
7*
Digiii^uü üy Google
IM
Uber die Bilduog der Braut «i sagen weifs, nur das ist,
daft sio des ßrilntigaiiu Bildung vergleichimr sey.
In dieser Einfachheit liegt in der That etwas erstaun-
lich Erhabenes. SlalL uns durch eine andre Vergleichung
von den beiden Figuren, die uns allein beschäftigen sollen,
I« entfernen, drängt er uns mit Gewalt su ihnen Muück;
md indem er, wie die Nalttr aeUmt, den Mann lum Maft-
slabe annimmt , führt er uns gleich- au der wahrsten und
einfachslen Ansicht der Menschheil, und entfernt jede klein-
yehe VofsteUnng, welche eine verzärtelte Culttar uns ae
oft über das Verhältnila beidar Geschlediter an eiMHider
einAö[sl.
Aber weniger izrofs und erhaben durfle er uns auch
Dorotheen nicht darstellen, wenn der letzte Theil der Be-
gebenheil, welcher das ganae Gedicht beachlie&t, seine volle
Wirkung ausüben, wenn neben dem Adel und der Grobe
der Gesinnungen, welclie Dorothea ausspricht, und bei der
erschtHtecnden Nalurscene, die uns der Dichter zugleich
ac^äifert, dam rottenden Donner, den heiabschli^enden Re4
gangosaen, dem aaosenden Sturm, nicht das Mädchen selbst
und seine Gestalt vor unsrer Einbildungskraft verschwin-
den sollte*
XXXVII.
Itvne V«|(gl«icliiiag dieier Sohitdemag aiit dem im Voiigen Gesagte«.
Reine Objectiritit denelben so vie des g&men Gedichts.
Wer nach dieser Schilderung Dorotheens, der -wir mit
Flafs Schritt für Schritt gefolgt sind, ihr Bild in den ver-
schicdncn Momenten, die wir bezeichnet haben, zurückruft,
und sich dann an dasjenige erinnert, was wir diesem Ge-
dicht eigenthömJich nannten, der wird Mch nicht enthalten
können, unare Behauptung aufo punktlidiate und genaueste
wahr zu finden.
Digitized by Goo<?le
m
Der Diditor faal dlie G««tall des Mädchens wr^eads
eigentlieh beschrieben; er hat sie selbst rot uns hingeslellt
Er liat nie einzelne Theiie für sich lierausgehoben, soniiei n
immer nur auf die Schilderung des Ganzen huigearbeüel»
er hat nirgends ühecflässige Farben au%etrageny sondern
immer nur die .Umrisse der* Poemen geseidwet; er hal nie
gesucht, Viel und Mannigfaltiges , sondern immer nur Eins
nnd ein Ganzes, darzustellen. Dadurch hat er die Einbil-
dungskralt seines Lesers genölhigl, sich ganz in den Ge-
genstand stt versenke»! und ihr weder Freibeil nooh Zeit
gelassen, neh mit etwas andrem, oder mit sich selbet tu
beschäftigen; sie gezwungen, denselben durchaus rein und
allein aus sich selbst zu erzeugen.
Um dies Lelstere in ürellem Maise »i err^chet^ hat er
ihr den Grad und die Farbe ihrer Stimmung von Augen-
blick zu Augen!)iick vorgeschrieben, und doch dabei ver-
standen, wedjsr sich selbst je von seinem Stoff zu entfer-
nen> noch auch sie je von demselbmi ab in sich aurilcksik
ilihren« Denn etatt, wie der lyrische Dichter, da, wo er
Schilderungen braucht, zu thun pflegt, unmiltelbar Empfin-
dungen zu erregen, die aul die Schüdcrung selbst zurück-
wirken, stimmt er seinen Leser viehnehr immer nur durch
andere Bilder, immer durch Gestalten und Hondlungeo, die
er jenen an die Seite stellt, oder vor ihnen vorausgehn lÜlsl,
und indem er auf diese Weise durchaus objectiv bleibt, ver-
webt er alle einzelne Theiie seiner Composilion aufs le-
stesle in einander.
Die Kunst, wodurch er der Einlnldnngskraft seines
Lesers diese voUkommne Objectiviläl und (jcselzmäfsigkeit
einflölst, und doch eigentlich mehr sie zu stunmen, als sei-
nen Gegenstand äng&thch und Zug für Zug xu beschretbefi
beschäfligt ist, besteht blols darin, seine eigne su erwär-
men und zu begeistern. Sobald seine Natur dichterisch
las
genug ist, d. h. objectiv genug, um geinem Gegenstand,
auch dann noeh, wenn er ^ib gana aaa der Wirktiebkeil
heraushebt, die Form derselben xu erhalten ' (die Form , in
welcher allein er (Jurohaus sinnlich angeschaut werden kann);
gesetzmäfsig genug, um in der unruhigsLen ionern Be-
wegung doch noch den Bedtngungen getreu au hkihen,
welchen alles wirkKehe Daseyn unterwerfen iat,' und mäch-
tig genug, um in seine ei^iio Begeisterung auch andre mit
forlzureifsen — so entflamnU seine Eiitbiidungskraft (und
dies ist das unbegreittehe Geheimni£i der Kunst) von sdbst
die seines Zuhörers, nicht blofe überhaupt auch schöpfe*
risch, sondern es gerade aul dieselbe Weise zu seyn. In-
dem er ollen, die sich ihm nähern, denselben Zauber tmt-
theilt» der ihn selbst fesselt, hat er es eigentlich nur för
sieh und mit seinem Gegenstande lu thun, ihn nur aus sieh
zu erzeugen und auf sich wirken zu lassen.
Dadurch gelangt er zu der reinen und hohen Objecti-
Vität^ die wir nun stidieirweis beschrieben haben; daduceh
nlHhigt er unsre Einbildungskraft, nicbl bbls iibeihau|»t
bildend zu verfahren, nicht blofs überhaupt sinnliche Ge-
stalten hervorzurufen, sondern ununterbrochen fort aileiaaa
der Erzeugung des Einen Gegenstandes au arbeiten« der
ihn selbst begeistett, und sich mit ihm nur durdi die vol-
lendete Darstellung dieser Einen Form lu befriedigen.
XXXVIII.
, Schlt«bte Hinfalt aad naturliebe WabriMit tuiBrea Gedichts.
Die erste Eigenschaft, die wir bis jetzt vorzugsweise
an dem Göthischen Gedichte gewahr wurden, war
seine reine und vollendete Objeetivität; wir fügen nunmehr
eine zweite hinzu, seine sdillchte Einfalt und seine natür-
liclie Wahrheit.
Digitized by Google
103
Beide siiid gewissermafsen inil einander verwandt Die
erslere beruht auf einem rein beobachtenden und bestimmt
bildenden Sinn, auf der Fähigkeit, die Natur in aller ihrer
Wahrheit aufzufassen, und in der ganzen Bestimmtheit ih-
rer Formen, der ganzen Festigkeit ihres Zusammenhanges
wieder darzustellen. Einem solchen äu£sern Sinn mufs ein
ähnlicher innrer entsprechen. So wie jener sich in der äu-
fsern Natur vorzugsweise an ihrer Gesetzuiäfsigkeit und
ihrer ReaÜlät erfreut; so mufs dieser dieselben Eigenschaf-
ten in dem Innern des Geuiüths und dem Charakter der
Menschheit aufsuchen. Er kann daher nur bei ihren grö-
fsesten, einfachsten und wesentlichsten Formen verweilen.^
. Wer sich in dieser Stimmung befindet, wird überall
nur die Natur mahlen, nur sie in ilirem imiern Charakter
und ihrer äufsern Gestalt. Er wird daher auch den Men-
sehen am Hebsten von den Seiten betrachten, von weichen
er geradezu mit ihr übereinstimmt, lieber da, wo er als
Gattung erscheint, als da, wo er in einer entschiedenen Ei-
genthümlichkeit auftritt. Die Einfachlieit des Stoffs, den er
schildert, wird auf seine Schilderung selbst übergehen. Er
wird immer innerhalb des Tons ruliiger Darstellung blei-
ben; immer nur, indem er einen Theil an den andern an-
fügt, das Ganze hinzustellen bemüht seyn; nie mit seinem
Ausdruck hinler der Sache zurückbleiben, aber auch nie
mit demselben darüber hinausgehn. Er wird immer den
treffendsten und kräftigsten in seiner Macht haben ; nie aber
einen blofs kühnen oder glänzenden suchen. j
Das Gepräge einer solchen Einfachheil und Walirheil
nun trägt das gegenwärtige Gedicht m einem auffallenden
Grade an sich. Es ist überall nur die Sache, die wir vor
uns erblicken, und sie immer in ihrer wahren und nackten
GeslalL Aber noch mehr, als im Ton und der Sprache, falit
diese Einfachheit in den Gesinnungen und Charakteren auf.
104
£s ist kaum mögiicb, eki einidoes Beispiel füjr eine
Behauptung heraiu»tiheben> för die ^gentlich alles luglddi
spricht Allein wenn es deniM^eh eitles • Bdtpieles bedarf,
so erinnere man sich an die äcliildcrung der Mutter Herr-
manns. Unter allem > was in der Natur einfach genannt
werden lumn, ist kaum etwas andres, was diesen Namen ki
höherem Grade verdiente, als ^ Liebe einer Maller zu
ihrem Kinde. Aus der natürlichsten Verbindung entsprun-
gen, durch die natürlichsten Verhältnisse fortgepflanzt, auf
die naturlichsle Sorglidt tiir unmiUeibares Glück und un-<
mittelbare Zufriedenheit besdirankl, bielel sie, — so ehr-
würdig und schön sie auch in der Wirklichkeit erscheint —
der dichterischen Einbildungskraft kaum eine einzige Seite
dar» von weicher sie dieselbe durch eine hervorstechende
Eigenthümlichkeil auszeichnen könnte. Nur der Diehter, '
der seiner Stärke gewifs ist, die Natur biois als Na luv gel-
tend zu machen^ darf sich an die Schilderung eines Gefühls
wagen, das er nur, indem er es in seiner ganzen Grdise,
in seiner durchgängigen Wahrheil auffa&l, aus dem G^
wohnlichen heraus zu heben und dichterisch zu halten im
Stande ist. Dean unter allen andren ist keins, was so sehr,
als dies, entweder jede dichterische Behandlung verschmäht,
oder nur in dem reinsten und höchsten Sl^e der Kunsl
eine glfickfiehe Wirkung verspricht
Aber wie viel einfacher wird dieses Bild mütterlicher
Zärtlichkeit noch unter den Händen unseres Dichters! Er
schildert nicht den Zustand heftiger Leidenschaft, nicht die
qualvolle Furchl vor einem drohenden, oder den zerrei-
fsenden Schuierz über einen erlitlnen Verlust; auch bei
ihm ist das mütterliche Herz um das Glück des Sohnes
besorgl, aber diese Besorgni£i entspring! mehr aus der
AengsÜichkeil der Liebe, als aus der dringenden Lage der
Umstände, l^i zeigt uns nicht die Sorgfalt für die ersten
i^idui^cd by Google
4
16S
Jahre der Kindheit, filr den erst rtamnebden Säugliiig —
eine Lage, die durch die sarte Untchuld, die liehlidie An-
uuilh, die abhängige Hülflosigkeit dieses Alters einen ei-
genthümiichen Heiz gewinnt. £r schiiderl uns die Mutter
mit dem erwaehaeiien Sohn, aJao in VeriuUtaiBsen und £m*
t>lmdttngen, 4fie> um unsrem Henen wichiig au werden,
nichts als ihre einfache Wahrheit, ihre tiefe Innigkeit be-
sitzen. In dem Charakter dieser Mutter selbst hat er aUe
Einfalt einer eehönen- und reinen, aber aefalichten Natur
▼ereinigt; sie üherall sonst nur als die hOifreiehe Gattin,
die geschäftige Hausfrau, gezeichnet; ui)d dies Bild noch
durch die Züge verstärkt, die er von einei^ gewissen kin«
dischen Naivetät in ihrer früheren Jugend eraShlt.
Gerade aber durch diese Köhnheit, seinen Gegenstand
schlechterdings da aufzunehmen, wo er blofs Natur i^t, lühit
er ihn auf eine Stufe einfacher Erhabenheit, von der wir
sonst kaum einen Begriff haben. W^gstens erinnern wir
uns bei keinem .andren Dichter einer Schilderung einer
Mutter, die an Natur und Wahrheit, an Gröfse und Schön-
heit der Gesinnung mit dieser vergUchen werden dürlte.
Wie grols und edel irgend einer der in diesem Gedichte
aufgestellten Charaktere erscheinen ma^ so darf diese Mut-
ter keinem derselben weichen. Sie ist durdiaus gut, durch-
aus veislandig, durchaus zart und fein empfindend; nirgends
zeigt sie einen Mangel, nirgends einen Mifsklang. Ihr Cha-
rakter ist ganx idealiseh: denn nirgends wird man eine ein-
engende Schranke in demselben gewahr; und er ist au-
gleich ganz natürlich: denn sein Wesen bestellt blofs in
dem, was dem Menschen zugleich mit der Menschheit ein-
gepflanzt ist.
Darum ist die Liebe dieaer Mutter nicht blols stark
und innig, sondern zugleich auch so zart; darum ihr Sinn
so fein, die innersten Gefühle ihres Herruianns mitten aus
Digitized by Google
m
seiiien halb versleUten, halb verwirrten Worlen zu enträUi-
seln; darum ihre Schonung für jede Denk im csart so schöa;
ihr Sil» für jede fiigenthiimliehfceit in der Menschheit so
gro6 und menschlich. Zu der LihereUlSt, die sonsi nur
Philosopliic und iNachdenkeii ; zu der Feinheil, die nurmüh-
sam erworbene MenschenkennLnils verschaÜt^ gelangt sie
aliein auf dem Wege der ein»i|;en £mpfindupg> welcher sie
gern und ausschlie&lich angehört
Einer solchen Liebe der Mutter mufs eine gleiche Zäi L-
lichkeit des iSolines entsprechen. Diese hat uns auch der
Dichter geseicfanet; MÖr sehen seine starke Anhänglichkeit»
sein gro&es und xuveisichtliches Vertranc»; aber er scheut
sich fiogar nidht, uns hier in das kleinste Detail einzufüh-
ren, uns zu erzählen, dais z. B. der Sohn sich nie vom
Hause entfernte» ohne 8«ne Mutter vorher davon au un-*
terrichten. r
Dafii Ztige dieser Art nicht kleinfich, nicht gemein wer-
den, ist das Verdienst der Kunst, und hierin besteht ilne
Gröise. Zwar pflegt man das Einfache an sich groüs zu
nenwm. Aber ea ist dies nie von selbst, immer allein
dordi ^e Ansteht oder die Behandlung, immer nur dadurch,
dafs man es als iSalur, also in der Wahrheit, der Realität,
dem Zusammenhange darstellt, welche dieser eigen sind.
Wovon wir also auerst ausgingen, darauf alldn>konunt
alles an, überaU, im AeuCsem und Innern, in den sinnlichen
Formen und m den Veränderungen uiii>res üemiiths nur
die Natur aufzusuchen und darzustellen.
Dadurch nun, daia unser Dichter, immer hiermit be-
acfaaitigt, das menschliche Gemfith und seine Gesinnungen
so klar und offen darlegt, erlangt er eine Einfachheit und
Wahrheit, bringt er uns seinen Stoff mit einer Innigkeit
ans Herz, die nur ihm alldn angehört Cr greift in unsre
eigensten Gedanken und Empfindungen ein, und indem er
Digitized by
alle Falten unsres ilcrzens auldeckl, uud uns in den Kreis
imares gewobalicheii AiUagalftbens zu begUdien scheiiit, er-
bäU er sich immer auf der nothwendigen poStuchen UHlie.
Nur seilen hat em andrer unter den Neuem so sehr die
strenge Wahrheit und die schhchte Einfalt der Natur mit
der vollkoai mengten Begeiaieruog der Kunst gepaart, und
nie ^ könnte man sagen — ^ igt einer in einem so durch-
aus prosaischen Gange in so hohem Grade poetitch
gewesen.
Wir bleiben schlechterdings in demselben Kreise^ in
welchem wir einmal an lehen gewohnt sind ; aber wir wer-
den mit diesem gansen Kreise auf eine ungewohnte Hohe
eihobcii: die W irküchkciL in und um- uns IcideL kaum eine
Veränderung in ihrer Beschafleniieit^ aber sie ist gar nicht
mehr Wirkliehkot,. sie ist nur. reines Erzeiignils der ^ dkh-
teriadben Einbildungskraft.
XXXIX.
Die Yerbindang reiaer Obj^cävität mit emCiichcr Walubeit aadit «Ues
Gedicht den Werken 6n Alten ihnlich.
Die Voliendeie Darstellung der Menschheit durch die
Einbiklungakralt kann nicht anders, aU mü Hülfe der bei-
de« Eigenschaften .gefiogen, die wir bis jelit helraditet ha-
ben, nicht ohne einen ruhig bildenden Sinn und eine ge-
wisse Anhänglichkeit an die einfache Wahrheit der Natur.
Auf diesen beiden Stöcken beruht daber vorsöglich aller
Diese glückliche Dichteranlage nun, dieser echte Kunst-
sinn, der sich, wo er seihst ist, auch auf Andre iorterzeugt,
war keinem Volk in so hohem Grade,- als den GnecheOi
eigenihfimlich. Er ist es, der sidi-in ihren Werken, vor-
sftglich durch Totalität und Ebenmaafs, auisert. Wer den
Digitized by Google
106
ApoU betrachtel oder den Homer btti, fühlt sich, wie er
auch vorher hätte geatiiiiint ityn mdgeiiy ttt demselben an-
gefeuert; die Ehiheit ednes imiem Wesens in diesen Au-
genblicken, und die Einheil des Werks, d^ vor seinen Au-
gen dasteht, schmelzen gleichsam in Eins zusammen, und
wachsen^ indem sie sich über die ganie Natur, so wie wir
dieselbe alsdann ansehen, verbreiten, ni etwm tlnentf*
chem an.
Das undurchdringliche Geheimnifs der Kunst, man
möchte sagen, die Technik, wodurch die Alten diese Wir*
kung so Wege brachten, lafel sich freilidi nicht mit Wor-
ten beschreiben; aber sie beruht doch giöistenlheils auf ei-
ner dreifachen Eigen Ihiunlichkeit ihrer Künstlermelhode :
1. aul der natürlichen Zusammenfugung alier Theile
Bum Gänsen, in der, wie in der organischen Schdpfang
selbst, jeder aus dem andern frei und doch nolhwendig
hervorgeht ; "
2. auf der Grd&e und Reinheit der, Elemente, aus
welcher sie ihre Formen susammensetsten; und endlich
3. auf einer gewissen kühnen Manier, mit der sie nie
kleinlich und ängstlich dem Auge malüten, sondern viel-
mehr die Phantasie nur mit Begeisterong und Kraft aus-
rt&steten, den hloh angelegten Umrils selbst au volienaen*
Die E%ibildungskrafl war so mächtig in ihnen, so nnt
ihrer ganzen Natur in Eiiis verschmolzen, dafs, wenn sie
sich bei uns so oft durch die Heftigkeit der Begeisterung
und dn gewissermalsen gewaltsames Feuer ankündigt , sie
bei ihnen mit allen den Eigenschaften verscfawistert war,
welche den Menschen weise und ruhig durch das Leben
führen, mit dem streng organisirenden Verstände, dem ru-
hig aulhehmenden Bück und dem schdnen Gleichgewichl
aller Neigungen und Gemathskräfte.
Da£s dieser Geist, mehr als in irgend emem aadreii
Digitized by
IM
neueren- Gedicht, in dem gegenwärtigen herrscht, ttaben
wir im Vorigen bcwiesmi. Schon ^e Btieke, die wir bis-
iier aul «niebe Thoile desselben geworlen haben , reiohsn
hin, die Einheit des Plans, die reine und volle Natur, die
aus allen dann handeinJen Charakteren und dem Geiste
des Ganzen spricht, und die Festigkeit der Zeichnung, in
^ der so oft dn einadnes Beiwort auf einmal ein gamesBild
au voUenden genug ist, im Allgemeinen au letgen. Dia
sichere Kraft, die zugleich auf einem ruhig beobachtenden
Sinn und einem überlegt anordnenden Verstände beruht,
und die innige Wärmey die nur dann da iaty wum sieh das
ganxe Herz gerührt fuUt» sind äberaü gkkh sichtbar und
wirksam.
Wie Homer und die Alten, wirkt unser Dichter nur
durch das» was er in seinem Werk wirklich ist, durch die
Gestalt und das Wesen, in welchem er nch ruhig und an-
spruchslos vor den Zuschauer hinstellt; nicht aber wie die
neueren, und besonderä jene oben näher betrachteten, mehr
romantischen, als epischen Dichter» durch das, was er in
siditbarer Beaiehung auf ihn> unmittelbar ihut, singt und
beschreibt
XL.
Yeitduedenheit aiuves Gedidits tob des Werken der Allen. —
Mangel mi »iaaliehem Reiththoia.
Wenn wir so eben von einer gewissen Aehnlichkeil
dieses GölhiscKen Gedichts mit den Werken der Al-
ten redeten, so ist es unmöglich, nur irgend lange bei <Jei -
selben zu verweilen, ohne noch stärker an den mächtigen
Contrast erinnert au werden, in welchem es mit denselben
steht Zwar ist es unläugbar in einem hohen und edit
antiken Style gedichtet; allein dies hindert nicht, dafs es
Digitized by Google
110
nicht sowohl in der Behandlung de^ Mafls, als seibsl in
der Art der Darstelluag den Charakter unserer Zeit auf
eine gfeij^ onverkeimbare Weiie an sich trägt Vieknelir
finden wir, wenn wir genauer in dieäe Vergleichung ein-
dringen, stall einer Mofsen ISachahmung des Alleiiliums,
eine überrascliend schöne Vereinigung der wesenllichslcn
Voixüge der alten Kunst mü den Fortschritten und Verfei-
nerungen neuerer Zeiten.
Den ersten Unlerschied treffen wir in der Art der
Darstellung und dem Tone des Vortrags, an.
Die Alten leichnen last durchaus nur Gestalten, Be-
wegung und Handlung ; ihre ganse Kunst Iii leben^g, mMi-
nigfallig und sinnlich. Die Uegebcnheiten, welche sie schil-
dern, haben immer etwas Grofses und Glänzeiides; sie rei-
Isen durdi das Heroische in den Unternehmungen und die
Wichtigkdl des Erislgs su enthusiastischer Bewundening
mit sich forU Der Glanz, worin sie schon dadLii ch erschei-
nen, wird noch durch die beständige Mitwirkung überir-
discher Mächte, erhöht. Menschen und Götter sind auC dem»
seihen Schauplatz mit einander vermischt; der natürliche
Lauf der Ereignisse wird alle Augenblicke durch überra-
schende NVundcr unterbrochen; und als wäre der Olymp
selbst noch nicht grols und mächtig genug, so schwebt noch
über Menschen und Göttern das furchtbare Schicksal» des-
sen Aussprüchen beide gehorchen müssoi.
Die Personen, die sie aufführen, (heilen nicht allein
groüsentheils zugleich denselben Glanz, sind Heroen , die
zwischen dem Olymp und der Sterblichkeit in der Mitte
stehen, sondern sie sind auch meistentheik nur nach ihren
äulsern Gestalten, ihren Handlungen, iluen licden indivi-
duaüsirl» nicht, wie so oft bei den neueren Dichtern, nach
ihren innem Charakterformeu und Gesinnungen. Dadurch
besitst s. B. Homer eine so grolse Menge von Figuren»
Ui
ohoe gerade eine gleich groise Anzahl heslimmt imterechie-
dcner Gluiniktere aidiNisteUoii. Was diese ieUteren selbtt
betrifll» 80 sekluien die Alten entweder nur sehr stark und
wesentlich von emander nnterscliiedene, nur die Hauptse»»
ten der Menschheit, oder, wo sie in feinere Nuancen ein*
gehn, unterscheiden sie dieselben wieder nur nach der äu<^
fseren Bildung. So findet man s. B,, wenn man die Reihe
ideallfldier Formen in den Werken ihrer Bildhauer duroh-
geht, die Hauplßguren, einen Apoll und llacchiis, eine Ve-
nus und Diana, selbst noch einen Jupiter und Neptun durch
die wesentlichsteD und aofialkndsteo Charaklennge vod
einander gesondert; aber vergideht man hernach diejeni«
gen, welche näher zusammen gehören^ z. B. die Helden-
statuen, so kennt man wohl ihre Züge wieder, aber ihren
Chsrakter würde man vergeblich in hinlänglicher Bestimmt»
heit einsehi ansugeben Tersudien. Indefii werden wir auch
zu diesem Versuche durch sie nichi eingebulen; nur ihre
Züge sollen zu unsrer Einbildungskraft, mchl ihr Ausdruck
gerade bu unsrem Geiste sprechen.
Könnte indels den Allen auch so noch etwas an ahm-
lichem Glanz und Reiehthum mangeln, so wäre ihre Sprache
allein meiir als hinlänglich, es zu ersetzen* 80 mahlerisch
ist dieselbe in allen ihren Ausdrücken» so voll und üppig
in dem Flufe ihrer Perioden, so wohlklingend in ihren rhytb*
mischen Verhallnissen.
Alles dies zusammengenommen giebt der alten Kunst
ein Leben und eine Fülle, eine sinnliche und einfache Grüüse,
eine so helle und glänaende Beleuchtung, dais ihr hierin
die neuere niemals gleich su kommen vermag, wenn aie
uns auch vielleicht dafür durch einen reicheren Gehalt für
den Versland und die EnipHndung, eine feinere geistige
lodividnaÜtät und durch Töne, die unmittelbarer in unser
Inneres eingreifen, entschädigen sollte.
Digitized by Google
112
Zwar kennen wir einige neuere Dichter^ und unter
diesen slehi wiederum Ariosl an der SpiUe, welche in der
Minnigfaitigkeit ihrer Figuren und der Bewegung ihrer
Handlung vielleicht mit Recht mit den Alten wetteifern
können. Allein in ihnen wird diese lebendige Sinnlichkeit
durch das Feuer geweckt» von welchem ihre Empfindung
entflammt ist. Sie sind mehr eigenm&cfatige Sdiöpfer einer
bunten und gestalt^irmofaen Feenwelt, als treue MaUer ei-
ner reichen Natur. Es fehlt ihnen selbst an dem ruhig
Inldenden Sinn, ihren Werken an der reinen Objectivität,
an der innem Nothwendigkeü der Formen.
Um den Vortug dieser Objectivität, dieser Bestimmt-
heil und lichtvollen Klarheit der Schildenmgen nun kann
unser Dichter mit jedem andren streiten^ mit jedem hält
er in diesem Punkt die Vergieichung aus; Aber stellen
wir ihn unmittelbar demjenigen zur Seite , an den seine
Gattung und sein Ton sonst am nächsten erinnert, dem
Homer, so enlbeln i er freilich jenes heiler straienden Glan-
ses, jener unaufhörlich strömenden Fülle ¥on Leben und
Bewegung.
Er hat nicht Götter und Heroen, er hat nur Menschen
hinzustellen j er hat keine Handlung, die das Glück von
Nationen^ von' versdiiedenen Völkerstämmen» da« Schicksal
der gansen bekannten Welt entscheidet, an der Himmel und
Erde zugleich Theil nehmen, und über die der Olymp selbst
sich in Parteien spaltet; was in seinem Stoff groüs und
weltverändernd ist» sind Begebenheiten, das, worin er
Würde und Erhabenheit legen kann, Gesinnungen. Zwi-
schen beiden steht eine Handlung mitten inne, und seine
Kunst muis nur suchen, von dem Glänze der ersteren der-
selben wa . borgen, und die Gröfse der letiteiren (damit sie
lebendig und objectiv erscheinen) in derselben ausiupriigen*
Nicht so>yohl also in der Welt, als in dem Inneren des
Digitized by Googl
113
Menschen mufs er seine Slärke finden, und da dadurch unsre
ganze Slimmung eine andre Richtung erhält, so tritt auch
nun das Schicksal, dieser übermenschliche Gegenstand,
ohne den keine dichterische Wirkung möglich ist, in ver-
änderter Gestalt auf. Wenn dasselbe bei den Alten aus
einer unsichtbaren Höhe herab mit seinen Schlägen Men-
schen und Götter überrascht, so gleicht es hier mehr einer
Macht, die aus dem Innern der Menschheit, aber aus ihren
nie ergründeten Tiefen, entspringt, und flöfst uns einen um
so geheimnifsvolleren Schauder ein, als wir es näher mit
uns verwandt fühlen.
In den Personen, welche der Dichter uns darstellt,
herrscht zwar ßestimmlheil der Zeichnung und Mannigfal-
tigkeit der Gestalten. Aber nicht allein dafs jede einzelne
sich in ein anspruchloseres und bescheidneres Gewand hül-
len mufs, so kann er auch überhaupt nicht nur keine grofse
Anzahl derselben in Handlung setzen, sondern, indem er
auf Reichthum der Figuren Verzicht thun mufs, auch nur
eine schöne Stufenfolge von Charakteren schildern.
Seine Sprache endlich ist zwar durchaus dichterisch
und ausdrucksvoll, und wo der Gegenstand es verlangt,
auch grofs und kühn; aber der Reichthum und die Pracht
ihrer älteren Schwestern bleibt ihr darum nicht weniger ^*
fremd.
Vermag er indefs nicht, den Alten gleich, durch sinn-
lichen Reichthum zu glänzen, so hat er es in seiner Ge-
walt, desto mehr durch einfache Wahrheit zu gelten; kann ^
er die Sinne nicht gleich mächtig reizen, so kann er seine
Dichtung desto liefer in unsre Empfindung verweben, und
wie viel er durch diesen Vorzug wiedergewinnt, werden
wir gleich sehen, wenn wir nur erst noch jenen wenigstens
scheinbaren Mangel in einem einzelnen Beispiel näher be-
trachtet haben. Dann wird sich zugleich unfehlbar zeigen,
IV. 8 •
by Google
114
wie diew leiztere gerade durch jene höhere Vortrefllich-
keit nur nodi aichihArer henrortreten imils.
XLI.
Oieifr Afottgel an aiMütebrai Reiditliaiii seigt sieh anfiiiQMul in der
Behandlang dei Wonderhann.^
Seinen gröfsesten und sinnlichsten Glanz erhält der
•
«piiohe Dichter dureh die Einmischung des Wunderba-
ren. Er kann Ansre Einbildungskraft nidit lebendiger rüh-
ren, als duith diese plötzlichen Ereignisse, die, ohne von
Menschen gewirkt zu seyn, ihre Handlungen auf einmal
nnteibrechen, gerade in dem Augenblick der Entscheidung
den einen parteiisch begünstigen, und den andren danieder-
schlagen. Zwar hat man erinnert, dafs diese Dazwischen-
kunfl auTserordentlicher Mächte die eigne Kraft der llelJeii
verdunkelt AUeinr wenn sie dadurch an menschlicher GröliBe
verlieren, so werden sie dafür in Olympischen GJam ge-
kleidet, und es giebt offenbar em gewisses Glück, das der
Stimmung, welche der Diciiter bewirken will, bei weitem
günstiger ist, als das wahre und innre Verdienst
- Auch unser Dichter hat sich* dies Wunderbare m ei-
gen gemacht Zwar konnte es nicht gebrauchen, um
seinem SiofT dadurch Würde und Grolse zu geben. Aber
er konnte es nicht entbehren, weil der Mensch, dessen
Schilderung sein Geschäft ist, nicht ohne dasselbe seyn
kann, weil er der Empfodung, die es hervorbringt, so sehr
bedarf, dafs sie bei jedem, mitten in dem ejnfachsten Le-
benskreise, nur seltner oder öfter zurückkehrt.
Das Leben wäre von der langweiligsten Einförmigkeit,
wenn, sich- immer in einer voraussusehenden Reihe Bege-
henheit aus Ikgohenheit entwickelte und wenn vorher nicht
berechnete, plötzliche Zufalle diese einförmige Kette nicht
DigHized by Google
115
unlerbräelten. Diirch diese Zulalle nun, dadurch, dals ein
grofser Theil der Thäügkeil unsrer Seele in seinem Detail
aufser dem Kreis unsres ßewufsUeyus liegt, dafs Gedanken
und Empfindungen I wie aus unbekannten Tiefen, hervor-
sdneCsen,- daftf femer eben ditfse, uns unbewufsben Vorstel-
lungen gleichsam mit d#n ßegebenheiten im Bunde stehen,
unsren Mienen, Reden und Handlungen Modificationen ge-
ben, die, ohne dafs wir es bemerken, andere Folgen nikch
sieh stehen, so dafs wir nun dn Zusammentreffen in den
Whricnngen wahrnehmen, ohne sugleieh eine Verbindung in
den Ursachen zu erblicken — durch dies alles zusammen-
genommen entstehen die Ueberraschungen, die wir, je nach-
dem unsere Phantasie - anders und anders gestimmt ist, mehr
-oder weniger suin Wunderbaren ausmahlen. -
Dies hat unser Dichter zu benutzen verslanden, und
wenn nun bei anderen neueren Dichtem das Wunderbare
infimer kalt und unnatürlich is^ . weil es sieh auf Kräfte be-
'lieht, die uns fabelhafi oder kindisdi erscheinen, so hat er
es unmittelbar aus uns selbst geschüjifl, und ihm dadurch
nichts von seiner überrascheilden Wirkung benommen. Al-
lein freilich verliert es dadurch an der Grdlse und dem
Glans, den es sonst vor der- Phantarie besitst, und bleibt
seiner eigenllichcn Natur nur noch in seinem ursprüngli-
chen Begriff, in dem des Grundlosen, treu. Auch kann
er es nur bei' kldneren Vorfällen, weniger^ bedeutenden
Wentoigen seiner ErxShdung gebrauchen. Die grolsen und
wahrhaft wunderbaren Begebenheiten, die er aufführt , darf
er so wenig als Wunder darstellen, dafs sie vielmehr durch-
aus' nur als die unvermeidliche Nothwendigkeit des Schick*-
säls erscheinen müasen.
Wir haben schon im Vorigen zwei Stellen berührt, wo
das eben Gesagte sehr sichtbar ist, die Umwandlung, die
d^ Geisthcfae in Hemnanns Wesen bemerkt, und die plöts-
8»
Digitized by Google
116
liehe EfscfaeittUDg Dorokfaeens am BruniHm. Aber es iai
noch eine dritte (S. 194.)» nodi mehr in den Faden der
Erxählüng verwebte übrig: die, wo Dorothea auf den Stu-
fen des Weinbergs ausgleitet, und die üble Vorbedeutung^
die sie dnr4us. sieht, durch die Venviming bei ihrem Ein-
tritt ins Haus erföUl wird. Wie wir es in läglidiea Le^
ben so oft selbst empfinden, so sehen wir es hier vor Au-
gen. Wenn die Gefüliie aufs höchste steigen, wenn der
Attgenbiici^ der Entscheidiing wichtiger Ereignisse da ist^
so ▼erwirren sich unsre Gedanken; was wir vomelmieny
mifsräth uns, alle widrigen Umstände -scheinen 'auf einmal
Eusammenzutrefifen, weil wir alle ungeschickt behandein;
und da wir dies selbst bemerken, und schon trübe gestiamit
sind, so üehen Wir mig^nsUge AhndmigeD daraus,, die dann
auch noth wendig eintreffen müssen. - Aber gerade, wie es
im Leben geschieht, dafs alle, auch die kleinsten ZuTäUc,
Sich dann so zusammenschieben, dafs jeder einzehie Schritt
gern netUrlick ist, und ger nicht mehr wunderber endieint,
gerade so hat es auch der IMcfater gemahlt Doch fies zu
entwickeln, wüide uns zu ^veil führen, und jeder Leser
mufs es, sobald er die Stelle noch. einmal überliest, von
selbst aufs lebendigste föhlen.
Was die Alfen also auiserhslb der Grensen der Erde
im Oiymp aufsuchen, das ist unser Dichter genö^higt^ um
es dem Alitagskreise der Begebenheiten su entiieken, in
die gleich verbor^pen Tiden unsies Geqiuths^ ni versenken.
Indefs irerliert es durch dSe kjQttstlerische ßehandhmg, durcii
die Leichligkeit der Darstellung, durch die Vergleichung,
die wir so natürlich z. ß. zwischen einer solchen Vorbe-
deutung und den Weissagungen im Homer und de^ Alten
anstellen, Ton dem feierlichen Emst der Wirklichkeit, und
gewinnt eine gewisse iiebliche und zierliche Anmuth.
117
XLII.
]>«r Cirtomthied dictes Gedichts von den Werken der Atten «iffeabMrt
■teil audi in einem ibn «gentbamliclien Vermiß
Wer Herr mann und ]>orothea m Stunden liest,
in wekfaen flein Hen der Wirkung de« Dichieis offen ieC»
der miife unUiogbar erkennen » daft darin noch ei« anderer
(ieist, als in den Werken der Al^ herrscht. Er wird den*
selben mcht |;erade grdfser und besser, aber verschieden,
. iiod, nul> in einer andern Ari^ gleich, trefflich finden; er
wird sich yen ihm nichl mächtiger an.geMgen9 aber inniger
dnrcKdrangen lÖMen.
Wenn er den geringeren sinnlichen Reichthum, von
dem wir im Vorigen redeten, iiichi als einen störenden
Mangel empfindet» so wird er daran erkennen, dafii der Dich-
ter Bich auf einem andern Gebiet, als die Alten, befindet,
dafe er (so viel dies nemlich die allgemeine Cjleicliheil des
Dichlerberufs erlaubt) von anderen Punkten ausgeht, und
einem andern Ziele nachstrebl^ und dafis er eben dadurch
auch ilm nothwendig in eine- andere Sphäre veraettl.
Und dies ist in der Tluit auch der Fall. Wenn tliö
Alten mehr die Natur in ihrer sinnlichen Pracht und Gröfse
mahlen, ao legt er mehr das innre der Menschh^t dar.
Beide Gegenstände haben eine unwidersprechfiche Grdfre,
der ersteie ist aufserdein dem Wesen der Kunst mehr an-
gemessen-, aber wenn dieselbe auch in dem letzleren iiire
' gaiwe Schönheit erhält, so besitst dies für uns, die wir
mehr itt.Ge^hfceii und Empfindungen, ab in Anschauungen
und Handlungen leben, vielleicht einen noch eigenlhumli*
cheren Reiz.
Was unser Gemülh beständig beschäftigt, den Gedan-
Iben und das Gefühl, finden wir hier auf euie wunderbar
greise Weise behandelt und ausgebildet. Ueber die wich*
Digitized by Google
118
tigslen menschlichen Verhältnisse hüien wir enlgcgtnge-
setate Meinupgen mit einander audgl^ehen; das Erhaben-
lAi», was über die Begebeaheiteii unserer Zeit gededil wer-
den kann, finden wir in semer ganzen anfachen Grdfse und
volikonuuen dichleiiscli auügedrückl; unser Geist schwingt
flft^h Ml einer Höhe der Gedanken, die, man muls ea offen-
henig geat^eoy den AUeo schlediterdiogs freaid war. £a
ist nicht, da& wir sie je in dem Gehalle gediegener Wda-
heil übertreffen , je die lelzteii ilüsullate besser und fester
lusammenknüpfea kö&ntcn» abe^ e» ist nur, da£» sie den
Gedanktn» der- doeh auch ao einer voHkommen künatkri-
adien Behandlung fähig ist, nie rein und liir sich verfolgen,
und daher auch unserer 6eelü niclu den intellectuellen
Schwung miUutheiieu vermögen, von wokhem diea immer
begteilel ist.
Auf eine ähnliche Weise veidtält es sieh mit der Eo»-
pfindung. Wenn wir llerrmüim uiul Doiuthca auf ilnem
Wege £ur Woiuiung der Eitern begleiten; wie innig gehen
wir da ia ihre Gefühle ein» wie durchdringen wir sie bis
auf die innersten. Falten ihres Herzens , und wie lief fuhrt
uns dies in unsra eigne Brust, in die ganze Mensciiheil zu-
rück! iSieuiand kommt den Alten la der Wahrheit und
Stärke gleich, mit der sie Gefühle und Leidenachaftea achii'-
dem. Aber wieder weil sie sich auch in dies Gebiet -nichl
so einsam einschliefsen , weil sie die Empfindung mehr im
Ganj&en und in ihren Aeufserungen zeich^ea^ ala im Ein-
«elnen, und für sich. entwickeln, so versetaeu sie uns akbt
in . die sarle, leise, verwundbare Stimmung, deren wir uns
hier nicht erwehren kOrnien.
Dadurch sind zugleich alle Charaktere, nicht s^war in
Rücksicht auf die natürliche Kr^ und Schönheit, aber in
Rücksicht auf eine gewisse fanere Bildung, um dne Stufe
höher gestellt So einfach und edil antik B. DoroUiea
Oiqitized by
m
geschiJdert ist, so besitzt das Alterthutn dennoch keine weib-
liche Gestail, die ihr an iimerer Zartheit gleich käme.
äeliMt ia HeffoiaiiD ist elWM, wofür die -Uekieii der Ak«i
keinen Sinn haben wurden; und Wenn die Mutter adiöner
und gröfiser gehalten ist, als wir es in irgend einem andern
alten oder neueren Dichter finden, wodurch ist dies ge>
;schehe%ju«^s^.44d«urQh,»id«l& ihr ein larlerer und ^oek gieie^
€«miABglpM^^*W inlergdegt jai? . >
, fijii^k'«ski4^arum <#eiftielAf«^ zu beliaupienv dafs die-
iser uiodeiiie CharakUi^ an sich genommen, einen \ or/,ug
'wü^xdem «äliken beii^f^nd necJi mehr, dais diee >« Aa^
tflMV|$p>4eiMd^i^i^B^^ der Fall wäre;.-j Aber,
vdavdeiMclben geiiw&>iiwilv.fieine bessere iind ledtftigcre,
Wold aber eine höhere und feinere uienschhchc iSatur aui-
Tgestsllt wird , und 7^ ypgfeinpriwng auf- dem Wege -M«^»
dtn ^^ Schicksal nnsrer AusbiUui^ vorgescichnel hal, so
.▼erdient er, wenn er nur (wiHrauff es iminer sueret anh-
komuiL) die Ansprüche der KuiisL voilkammen hefriedigt,
eine eigenthüuiiiche SieUe, und würde mit Hecht sogar eine
votsüfjjliclMre verlangen, wenn es ihm nicht dabei augieich
an andren Voniigen m angelt e ,
XLin;
Erläuterung des Vorigen durch einige 'Beispiele.
Um gewiis zu seyn, dafs wir unserem DicIiLlm- niclil
etwas Fremdes untersclüeben, seine rein antike Dichtung
nicht blois mit modernem Sinne betrachten, wollen wir,sur.
BestaUgung nnsrer Behauptung^ noch ein Paar «inaehie
.Stellen aus dem Ganzen herausbeben.
Wir haben im Vorigen gesehen, daüs der Unterschied
des antiken und modernen Charakters, von dem wir hier
reden, vonüglidi darin besliht, dals in diesem lelktefen
Digitized by Google
130
4as Feld der Betrachtung und der Empündung mehr abge-
tMidert bearbeilet wird, wodurch denn naiüiücfa die hier-
«uf geriehleten' Klüfte eoie Köliere un4 mehr mi^gMie
ThStigkeil erlangen. Dadurch aber wird zugleidi der in-
nere Mensch von der äufsern Wirkiichkcil geUennt, es wird
swischen beiden eine Grem« gesogen, so da(is es mm auch
|enB«ta derselben ein eignea und neuea Gebiel giebL
Beide nun , die über das Leben und die onintltaUiare
Wirklichkeit hinausgehende Belrachtung und Empündung,
waion in dem gegenwärtigen Gedichte schwer und zart au
beliaiidehL Der Slolf aowohl, «la die Penenea deaaeUMpi
aind gana und gar aus der bioften und wahren Nalar ge-
nommen, es sind reine und kraftvolle, aber iinmer und ganz
- kl der äuisern Wirklichkeit lebende Charaktere; was zur
«gwitichen Cullur gehüri, durfte nur in gewiaaeni Grade
darin Pkto finden; auch hStte allea, waa darauf hinausge-
gangen wäre, den iMenschen in einer Art von üegensalz
nut der Natur zu zeigen, gegen das Wesen der epischen
Diehtang veratolaeny die gerade diese^ beiden Gegenalinde
harmoniaeh lu verknöpfen beatämmi ist, nie, wie die lyri-
sche, plötzlich abbrechen darf, sondern alle aufgeregten Be-
wegungen wieder beruhigen, alle angeschlagenen Milskiange
auflösen mnfs. Wo sich also der Dichter in dieser Gat-
tung sum Idealischen erhebt» da mufs er es immer snr
iVirldichk^t curückführen, und dadurch verknüpft er die
innere IdeaHlät zugleich mit der äulseren Wahrheit
£8 giebt vielleicht keine riärendere und erhabnere Stelle»
kerne» aus welcher die.Erfohrung aller Jahrhunderte und
die Eigenthfimlichkeit unserer Zeit deutlicher spricht, als
die Worte, weiche der Dichter dem ungKicklichen irüherea
Verlobt^ Dorotfaeens über die weltersehiittemden Bewe-
gungen» von denen wir in diesen letaten Jahren Augenseu-
gen SeweaeD rind» (^r ^ ) »M'^ ^
Digitized by Google
121
„sich einmal/' sagt er; „keine Form, wie heilig sie sey,
„k«iD fiand, wie fesl FraandiclMilk oder Liebe et- geknttpft
^be, ist nMlir dauerhaft. Damm selae Überall
„den beweglichen Fufs auf; darum schätze das Leben nicht
„höher, als ein anderes Gut, und alle (niter sind trüglicb.**
Wekbe natiiitiche und rübrende Betrachtung! die aber firel-
ück nur dem gelauig aeyn kamiy der mebr i» Ideeiii ab
itt dar Wirklichkeit lebt, deiy erhaben über die Freuden des
Lebens und die Güter der Welt, sein Glück niclil auf die
Dauer des eralerai und an denGenu£i der ktsteren knüpft^
und leicbt bereit, das, was er beaals, l&r elwaa Neuea auf*
angeben, jenea mit minder rüstigem Nuthe bewahrt und
vertheidigt. Wer wird läugnen, dafs dies eine schöne und
erhabene Gesinnung iai? aber wer ajuch erkennt nicht| data
eben dieae jene fiirchteiliebe Bewegung theUa out berroT"
gebracht, tbeUa onterhdten und forlgelaitel bat?
Wie schön niiimiL Herrmann dies auf, wie rein läisi
er alles daran fahren, was seiner kraftvollen Natur nieht
gamiia iat» und bült aicb allein an daa £ine feat, woduich
der Mensch aieh diehl an die Wirkliehkeit anaehllefaen,
seine Foidcrungen mit den Fügungen deä 6clucks<ils ver-
einigen kann!
Der BfeDfcb, -
sagt er,
• ' der lur ichwiinkendeD Zeit noch schwankend
gesinnt ist,
Der vermehret das Ueliei, und breitet ea weiter und weiter;
Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich«
„Nicht also mit Kummer zu bewahren, und mit Sorge zu
„genielsen geziemt sich, sondern mit ^Iiith und Jüraft zu
„▼ertheidigen» waa man beaitst." Wie treffiieh paart aich
nun in ihm und Derotheen dieser männliche Muth mil |e-
ner sanfteren, aber gleich hohen Gesinnung, die jedes Glück
m
dankbar ergreift, aber keineni vertraut, und andre und bes-
sere Güter kenut, als deren BeaUz trügiich, und deren Dar
aeya vergänglich iaii.
YoD dan aantimeiitalcii Stelkn hcäiaii wir nur itwtf
aus, über die unstreitig jeder Leser mit uns einig seyn
wird, daü» sie in einem alten Diditer keinen Platz geto-
den hätten« . . ^
Die etate tal die, wo Hecrmenn in dem GeaprSche mit
awner Mütter (S. 89.) die Einsamkeit und die Leere schU-
derty 4lie sein Herz oft, von tSehnsuchi geprel&l^ em^tiiudeL
Aber, acli ! nicht das Sparen allein, um spät zu geniefsen,
Macht das Glück, es macht nicht das Glück der Hauie beim
Haiifea,
Nicht der Acker am Acker, so sch^a sich die Guter auch
^cUiefiwi.
Denn der Vater irird alt, und mit fln akero die Sohas^
Ohne die Freude des Tags, und mit der Sorge liir morgen,
isagt mir, und schaut hinab, wie herrlich liegen die schöoen
Reichen Gebreite nicht da, und uutea Weinbei:g und Garten,
Dort die ScbauDeD und Ställe« die ichooe Aethe der Guter!
. Aber seh' idi dann dort das Hinterhaus, wo an deia Giebel
, Sich das. Fenster uns zeigt von meinem Stäbchen im Dache;
Denk' ich die 'Zeiten zurftck, wie manche Nacht ich dea Mond
schon
Dort erwartet, und schon so manchen Morgen die Sonne,
. Wenn der gesunde Schlaf mir nur wenige Stunden genügte :
Ach ! da hommt mir m einsam vor, wie die Kammer, der üo£
und
. Garten, das herrliche Feld, das ubeir dieHägel sich hinstreckt;
Alles liegt so öde vor mir —
Aber dafs man nicht Empfindungen, vermulhe , welche dem
^hne der Natur fremd sind, nicht aus d^ Charakter der
Fersen und dea Gedichts herausgehe^ so achMdem die un-
mitl«HMir hierauf folgenden Worte:
Digiii^uü üy Google
123
— ich entbehre der Gattin,
äiif mmäi , gmue £iii£fiGlih«ii und Natüiüclikeit scum
Wiitiflelies. Sie raid-tifli so auidniebvoUer, ab flie, ver-
bunden iml tieui Vorhergehemlen , die Empfindungen scJiil-
dem, die £r niit einem VerhäiLoüs verknüpft, dessen Ent-
behren Uion jeden Genofii «nd sein ganiee Leben unsebmaek-
haft macbty und ida iie eein. Jiöberee^ larteM» idcafisehe*
res Wesen in Vergieichung mit seinem Väter seigen, der,
iß, 8. 40. 46.) eine Irohe, gutmülhige und thätige, aber ge-
webttlicheiüe Natur, in dem A^genbliek^ da er das Mädchen
•ah> das ihm gefiel, den CttteeUullf es su bteitaeb &firte,
und denselb^ mit munterem Sehen auch^sogleidi ausM»-
lÜhren begann.
Diese schwennüthige Stinunung einer uneriuUten, nch
selbsl nichl. mht^ ventiMliehan «Sefansaeht war den Allen,
und besonders den Grieehenr^ fremd. BfA ihnen, m ihrer
mehr sinnlichen und gemeCsenden Natur, in ihrem freieren
und leichteren Leben, . entstand immer die Begierde nur
sug^eich mifc dem Gegenstande, oder föhrte denselben docii
in glüdJiehem -Bunde immer unmittelbar mit heihei, und
wenn es vielleicht davon Ausnahmen gab, so konnten sie
4eoi Dichter nicht vorschweben, der, immer nur hell und
ireondlicfa beleuchtete - und grolseHlaasen im Auge, nur auf
die Natur und die Wel^ nie emseiBg in sieh surüek bückte.
Dafs iii uns Gedanken imd Eiiiplmdungen sich uüiuhiger
drängen, da£s unsre äuisere Lage uns öiter Hindernisse und
Arbeit entgegensetzt, als uns leichten und frohen Genula
gfebt, und uns Sfter mit strengem • Emst in uns surtl'ek«
scheucht, dies richtet zwischen unsrem Gemüth und der
W elt eine oit uniibersiejgliche und undurchdringliche Scheide*
wand aut
Die zweite. Steile, die wir anfülfaren wollten, ist von
ganz anderer Natur. Sie i6l mchl den Alien überhaupt^
124
nur ihren frühesten Mui>lern freuid, und mülsie, wenn der
Dicker sie wohl so fest 4em Genen ebverisibi Inlle, mi
der GsMaog der spi elenden yililt werden. Wir mU
ncn hier den Augenblick, wo die beiden Liebenden sicli in
dem Spiegel des Brunnens zuwinken, den der Dichter <se-
g^r iweiinai» niohi oluw eine gewissemiafiMn absidiÜielM
Symmelrte, beim Anfange und am Ende ihres Oes(NrSehs
beiiulzt hat. (S: 165. 171.)
Dieser Einfall, ein Medium dazwischen zu schieben, in
welchem, sieh, die Blicke des JflngKngs und des MildchjHis
dreister, als in der. Wirklichkeil, .begegnen, beruhl sehen
auf etwas Aehnlichem mit dem, was wir so eben ausführ-
ten, auf einer gewissen Schüchternheit, einer Ungewifsheit
des Gehngens; es ist sehen etwas, das aus der btefiMn Nt^
lur fainausgehl, und eine eigne Stimnmng der EinbÜdungs-
kraft voraussetzt Die späteren Griechen und liömer, z. 6.
Ovid, behandeln Sailen dieser Art, die in ihnen sogar häufig
voikoinmen, anC eine gewissermalsen tändehide Weise, hiefr
ab »erlicbe Jülder, als gaföUige Spiele der Phantasie; Un-
ser Dichter aber hat diesen Moment so gut aus der Em-
pfindung der beiden Personen hervorgeiien lassen, und ihn
SO glücklich motivirt, dals er ihm dadurch einen viel- gre-
iseren Gehalt, und eine viel wichtigere Wirkung verschafft.
Allan Stellen dieser Art kdnnten nicht anders, als <fie
Einheit des Ganzen stören, wenn nicht dies selbst eine
solche eben beschriebene fUchtmig hätte. Diese Richtung
aber ist. durchaus unverkennbar. Wie wir im Verigen ifie
Schilderung Derotheens vom Ai^ge bis snm Ende des
Gedichts verfolgten, stie£sen wir eigentlich nur immer auf
andre und andre Entwicklungen ihres Charakters; und so
ist es Überali nichts anders, als das innere und geistige
Wesen der versehiednen Penonen, das ttberall, nur immer
lebendig und immer sinnlich gestallet, vor uns da steht.
Digitized by Google
m
£s sind nicht so sehr ihre Hanillungen, an und für sieSi
geiMinifin, «s sind melir ihre Ckoraklere^ ilie» aber iammt
Utk in (£eMii HMidliaigen) um »neheiH ms auf & vaiw
schiednen Formen der Menschheit überhaupt, auf das^ was
sie unterscheidet, und wieder zu einem Ganzen zusammen-
•otiliefiit» aber kniner mit der reiven TJiätigkeit unsrer Ein«
büdungikrafi» immer voHkonmien kfimlloriicfa and bildend
gestimmt, überföhrt.
Wenn sich daher unser Dichter der vollkommenen Ob-
jjecÜYÜät der AHen, der gansen Bestinmiilicil ihrer Formen
bemeistert hat, so kleidet, ler in dies Gewand einen Gehai^
weteher ihnen so wenig eigen ist, dafe sie tu» nidit eininal
veraniasseoi denselben bei ihnen zu suchen.
xuv.
Reicher Gshatt dies«* Gedichts loir den Geist lud die Enpfindaiig. —
BidentbSjiilicbe BehMidlnng deitelben.
Je- mehr wir imftre inlelleeliiellen Krifte aof ^e Be-
trachtung und Bearbeitung der Welt auTser uns anwenden,
je mehr wir tmsre geistige I^atur auf sie übertngen, desto
mdir vervielflltigen 'wir «nsre fienehungen auf dieselbe.
Pie GegenslSnde um uns her endieinen uns nur ab das,
was unser Versland in ihnen unterscheidet; selbst unsre
tSione bedürfen erst seiner Leitung, mit der Erweiterung
unsrer £änncht wüchst daher anch das Gelnet denelben;
ip der Thal ist die Nalnr mit jedem Jahrhundert reieher
an Individuen für uns geworden, und wenn der Ungebil-
deie in einer ganzen Menge von Objecten nur eine einför*
mige und ungeschiedene Masse erUiekty so «Mmisiieidet
der kennbiffsveUe Beobachter in einem einzigen Punkt nodi
eine ganze Welt von Erscheinungen.
Digitized by Google
m
So wie diese Thätigkeit unsrer geisügen Kräfte das
annliehe Gebiet ier Natur erweitert, eben so bereichert
mt innerludb imsres GemüllM die Messe uiisrer Gedanken
und EmpfindunjGfen. Auch liior steht es in unserer Will-
kühr, die Manoigiaitigkeit der Verhältnisse bis ins Unend-*
Jiehe Ibii xu vermehren; wir dfirfen nur auch* hier immer
das Zusammengesetate in seine Destafndlheile aufMfoen, nur
auch hier das Einzelne immer in andre und andre Verbin-
dungen bringen. Was in der Walur und vor unsren Sin-
nen eiiOfach erfeoheint» können- vür dureh den Gedanken
leilegen, und Ittr daa Resultat, das 'wir anf diesem, blöfe
intellectuellen Wege erhallen, dennoch wieder unsre Em-
piiiidung erwärmen, da diese sich eben so leicht auf un-
sinnliche, als auf sinnliche Gegenstände beaeht, Mit der
Empfindung kann sich die Einbildungskraft verbinden', und
so können wir uns durch die Hülfe von beiden eine eigene
Welt schaffen, die, durchaus unabhängig von der Wirklich-
keit und den Sinnen, doch eben so, als jene, auf uns ein-
wirkt, durchaus nur unsre eigne Schöpfung ist, aber den-
noch für uns die vollkommne Realität der Natur besttct
Wir geben diesem ganzen Verfahren unsres Verstan-
des den Namen der Verfeiiierung, und dies ist in der
That auch der passendste^ den wir demselben beilegen kann-
ten. Denn es bestisht wirklich darin, dafs das Einfoche ge-
spalten, das Grobe verfeinert wird; es ist ferner, da wir
alle unsre natilriichen Bedürteisse aiueh ohne dasselbe be«
Ifiedigen kömileny gleichsam em Luxus unsrer^ Natur, aber
ein solcher, so dem wir i^ht aU<»n nothwendig durch dii^
Organisation imsres Geistes gezwungen sind, sondern olu^e
den wir auch nie die höchsten findzwecke der Menschheit
Sil erftUen im Stande wären.
Diese Verfehierung hat mit den frähslen Z^Üen der
Menschheit angefangen, sie ist immer noth wendig zugleich
Diqitized by Google
mit dem Begriffe derselben gegeben : aber es ist Ein Funkt
kl derselben» der^sidi so merklich darin imler8dieidet>'dafe
er allein venngsweise diesen* Namen an aldi trägt.
Der Mensch kann nemKdi entweder in harmoniscdetri
Bunde mit der Natur fortgehen, seinen Geist luit ihrer Beob-
achtung, seine fiinbUdungBkFafi mit ihren Formen beschXf-
i\gen)>*iii^ittt ^&af§i^j^^ richten, die sie
ihm darbietet, die Befriedigune seiner Neigune^en ganz und
allein in iiu finden; oder er kann sich einsamer in sein Ge»
mttth:yi9ri^^ abgesonderter besehäf-
Iwalefe fift Aii dldigi ft iffl ft M mM 'ädi efeeni Slois nähren,
den er allein aus sich selbst nimmt, seiner Enipündung ei-
gen geschailene Gegenstände ben. Natürlich werden als-
dann seine Neigungen auch nicht selten auf etwas gerich-
tet /fil^,^WMr''yififr Belnedigung darbie-
tet, und'^€*t**%tlr^'^Ä6gar iliittc ein Ziel verfolgen kön-
nen, was ihm in üir zu erreichen unmöglich ist. Diese
Absonderung unsres Wesens und der Natur ist eine aatur«
lidHr Fo%9 d«i'%Mlteirf9häiiglM# onsies Gttstes, welche^
difj^'^HäfllftiullwIrFÖi'ii^R^^NMi^llif^ aHem an-den^ Tei*
nen Gcdiinken halt, Afiei sie wiid zugleich manchmal durch
zufällige, nicht inmier günstige Umstände veranlalsL £iHe
minder helle, freundliche, glückliche Slwimung lumn uns
gleichsam geswungen -in -uns solbst vertchliefoen, und dieee
beiden Gründe wirken nothwendig ziisamtnen , sobald die
Menschheit ihr erstes Jünglingsalter verlaisL Aus diesem
Zustande nuh entspringt die Empfindung 'und die Sthnnung,
die man, im Gegensata der nBiTen,'d)e -sentimevtale
nennt, und hier ist es, wo der Charakter der Alten und
. Neueren von einander abweicht.
Diese Trennung konnte nicht anders, ala * auch auf die
Kunst einen etttsdiiedenen ESinfluls ai]s$ib«i; sie mubte ei-
nen modernen Charakter annehmen, wenn sie von modern
Digitized by Google
128
gebildeten Individuen bearbeitet wurde. Auch wäre es ein
nMenehiagwider Gedanke,, wenn die Folge -eo vieler und
thfttenreielier JeMmnderle uns tnehlt lenteriaaeen faStte^
wodurch auch wir an uDfirem Theile die Kunst zu berei-
chern im Stande wären.
Wenn daher in imsrein Gedichte ein eigentfadniBdiery
und in seiner GatUmg niehl minder If efiKeher Gelet, als der
ist, welchen wir in den Alten wahrnehmen, widtet, so ist
dies eben jene höhere und ieinere Sentimentalität , jener
reichere GelMtk für den Versland und die EmpGndnngy der
uns £tt einem freieren Schwünge der GedenJoen he geirtert
und unato GeföM leiser und earter bewegi. Dies ist der
moderne Charakter, den es deothch und unverkennbar an
der Stirn trägt
Dieser Chacakfter isl unserm Dichter so sa^gentbömiieh^
daft w ihn in allen seinen Werken wiedererkennen; aber
er weifs ihn auf eine so grofse und wunderbare Weise zu
bell an dein, ihn wiederum so dicht an den der Alten ^mau-
aehüefiMn, dafii er ea WBfjpa kenntet ^ aogar eineni echt
antiken Siel( aeiner Iphigenie, aufiradrücken/ohne dafs wir
darin einen störenden Mifsklang vernehmen. Und diese Be-
handlung ist es, die hier noch einige Erörterung verdient
Daa £rale| was bei der Verfeinennig dea Gedankens
und der Empfindung au Idden Geiahr lauft, isl die natdr*
liehe Wahrheit und die schlichte EiniüiL Doch sind es
gerade diese beiden Eigeaachaften , welche Göthe in ei-
nem unverkennbmi Grade an aich trägt Wie hat er et
nun angefangen y lurei eo veraeiMeniii%e Dinge eo eng
mit einander zu verknüpfen?
Was wir mit Hecht Verfeinerung nennen, kann an sich
ntchl der Natur widersprechen^ nichia iat ao natürlich , als
was rein menachlidi iat, und' es ist der Menschheit wesent-
lich eingepflanzt, sich vo;i der hbls smnlichen Ansicht der
Digitized by Google
129
Dinge zu einer höheren zu erlieben. Wenn es der Verfei-
nenmg also an NaUir zu mangeln scheint, so ist « wir^
V«l wir in ihr nidii gleich die RMÜtal wahinehmeD, 4»
uns «n dieser ins Auge flIIU, weÜ ihr nicht geradeia ein
sinnlicher Gegenstand entspricht, weil sie mehr das Werk
der Energie einzelner menachiicher Kräfte, vielleicht nur in
ftin n ^lnwi StimnuniflMi. de der nensdiliehen Netur über»
henpt icheiiily und weil wir nichl eogkidi ebeehen, wie
der Weg, auf den sie tiihrl, mit dem allgemeinen Wege
der Natur und der Menschheit zusamtnentreite» zu dem-
flfllhen Ziele eeLancen It*»»^ ii£e'konMBk diner nur ^mmäL
«Qk ihr dieee RealiUit ni veruhlffign» m iwirhftffh nbrnW
nur als eine höhere und wahrhaft verfeinerte, aufzustellen.
Wir halben im Vorigen (XX^VIU-) gesehen, dafs unser
Dichter einta rein beobachtenden und beetinunt bildenden
Sinn heeitat; wir haben gefunden, dafii anem solchen iu^
dem ein ähnlicher innerer entspredien muh, der diesdbe
Wahrheit und Festigkeit in dem innem Charakter suchl^
welche jener in der äulseren Natur wahcnimmt Daüs der*
selbe nun difMen Sinn mil jener Veifeineningi jjmer hohen
Sentlnentalitill ydlhindet, darauf beruht eeine Eigenihfini-
liehkeit; darauf das GeheimnlTs, dafs er um einen echt mo-
dernen Charakter., zeigt, ohne dafs wir darum in ünn dae
eehöne GqNräge antiker fiplaehhsit und Wahrheil vmn«MiL
Zwar acliemk in dieser Verbindung auf den ersten An»
blick etwas Widersprecheudes zu liegen. Jener Sinn sucht
die groDscn und hellen Mafisen der Natur, also im Men-
schen, was der Gattung, der gymien Menschheit angehöit.
Diese sentimentale Stimnumg sIeigt in die duhkefai Tiefen,
des Gemüths hinab, verweilt innerhalb der engen Grenzen
eines kleinen Gebiets, und sogar vorzugsweise bei dem,
was nur Einxdnen eigen i^t Aber c< konunfc mr darauf
an, dici letatere ffc& gen^g au hehapdelnj un diesen Wi«
IV. / 9
Digitized by Google
1^
dmprach sogleich wieder aufsuheben, und dies ii^l es, was
inuem Dichter Vor anderen auszeichnet
Wo er den Zustand des GemOihs' darlegt (und eigenl^
lieh ist er ül»t l all damit beschäftigt), wo er auch den un-
gewöhnlichsten und leideoscliafllichslen schildeii, verfährt
er dennoch, gerade wie bei der Beechreibmig der dulsem
Natur, immer mhig und bildend, und fdgt alle einseinen
Theile des (lanzcn fest in ein^mder. Fr I ifst die Indivi-
dualität, die er darstellt , aus allen Kräften der «Seele zu-
h«rvemhMi> verwebt sie m alle Gedanken, alle Em-
^pUndungen, l&w^AMilerungen des Charakters, zeigt densel-
ben Charakter in Verbindung mit .indem ; luid führt ihn*
unsrer Einbildungskraft so in seinem ganzen 6eyn und \Ve-
den vor, data wir ihn nicht bloTs ia einem ehnelnen Au-
genblicki einer einzelnen' Stimmung j* eondetn io erblieken;
wie er tiberhampt immer ist, »eine Ent^vicklung^n verfolgen,
senie Fortschritte beurtheilen können. Er läfst nicht nach,
genau und vollkommen zu erforschen, wie eine ungewöhn-
Mib fiigenthömlichkeil, die sich ihm auf seinem- Weg« dich-
ttiiadier Erfindung darinetei; m cmem* ■ meiisehMchen Gemö<*
the als reine Wahrheil bU üiend fortdauern, wie sie sich «u
den übrigen oothwendigen und rein menschlichen Empfiu*
dmigeii verhalt«»^ wie siek an andfre EigenihfimlHcfakeitett
anfddieften , wie dur<ih die Verbindung mit ihnen -imd ihr
eignes natürliches Fortschreiten umgestaUeii kann, und er
ruht nicht eher, als bi» auch wir dies in seiner Darstellung
denttck wieder - erkenne». £r bleibt daher nie^iiiaehi bei
ihr iteben, sondern erweitert sie* auf eine nn€toiliehe Fliehe,
und stellt sich immer in den Mittelpunkt, in dem sich doch
^diich alles, was nur irgend menschlich heifsen kann, nolh-
weodig mit einander Tereifligen muüs. Dadurch wird sie
IN», wie ung^Ohnlleh sie -auch an sich- aeyn möchte, m
seiner S^Mderung wirklich zur Natur, erscheint weder als
131
die Fruciit einer au^enbiickliclicn Uebcrspanniuig der Ein-
biiduDgskraft, könstileki iUMr§tftri«biieil Empindung,
noch ab die Folge einoB S ci wwm get des Gciilee m mer
Hohe, auf der er sich nicht zu haHen Tcrmag; sondern als
das wahre Resultat aller GeuiüÜiskraite in ihrem reinen
Zusammeowirken.
£a kommt nur darauf an,- recht menschlich geatynrnt
KU seyn, um das Äufserordentlichste und das Einfaehste in
deiiseibeii Kreis einzuschliefsen. Nur für den, vvelclieni es,
■wie bei den Alten noihwendig nocli der Fall aeyn mulate,
an HwchthuM und ManugMigkaiit der iniiem Erfahrung
fehlt, Uegea gewisee Bichtimgen, welche die Empfindung
manchnnal nimmt, aufsei den Schranken der nalüriiclien
Wahrheit; nur der, welchem es, wie so oft uns Neuerei^
an jener hohen £inlachheit des £»innea mangelly weUs jenes
aefaieii« Execheinungen keinen allgemein veratändlichen Aua^
druck zu geben. Darum ist unaer Dichter in einem höhe-
ren Grade y als irgend ein andrer, wahrhaft meuschiich
m-noMien^ weil kern anderer noch sugieieb ia sa minnjg*
fkdligan, liohea.imd ung««rUinlicheiiy und dooh a» en^obei»
Tönen lu «naram Heraen apncii.
Wer einzelne ßeispiele für diese, nur ihm angehörende
ESgeMthümhghkftitr veciangl, der erinnere ai^b» in welphem
vadier'.nttkaksimliii. Sim er .den Umgang, mit 4et Nyitnv
gescIiildeTt, weUen neuen Charakter -«r der liebe, wel(j|ff
Tiefe Lind Zarlheil der Weiblichkeil gegeben; wie er das
Gdicmimis verstanden hat, in VVerlliers Charakter die Uü^
gtow&fanliehate iStörkOr-imd ftvaharkeit dea Gefühls^ eine so
saline und. sehwarmerisohe JUebs^ sie das ]Lf ben selbst
ihren EmpHndungen aufopfert, mit dem natürlichsten und
einfachsten Sinn, mit der treueaten und naivsten Anhäng-
lichkeit 4a die Schönbeifc der Nabir und die bannUaen Freu-
den des kindischen Alters zu paaren. ^ •
9*
Digitized by Google
13?
In keinem allen Dichter wird man diese liohe, feine
vnd klealiflcke Sentisiept^likiik» ki keinem neuem ^ verbun-
den mit dieMO Yantig«ii, dim scUicbte Natur , dica^ ein«
lache Wahrheit, dieae iMialicfae Innigkeit antielüeii.
XLV.
Kigenthuinliclikeit anaret Geilichte- in der Veibindnttg di«iei iniihrb&ft
moderneii Gehalts mit jener echt antiken Faroi.
Wir haben nunmehr die einaeiaen- Eigensoliallan des
Gedichts entwickelt, von dessen Wirkung wir Rechenschad
SU geben versuchen. Wir haben gefunden, dafs es ia der
rein objectiven DarsteUung den Werken der AUan giaich
kommt,, dafo ea in dieae Feim Men för dcii Goiat und die
Empfindung so reiehefn G^ialt kleidet, als wir* ihn nur b^
neueren Dichtem anzutreffen gewohnt sind, dais es aber
daii8eU»en dennoch wieder durehaoa zu der einfachen und
nataHidien Waliriieit der AMen lortkkMrt Wir kfandicit
jetat nnr diese einaeinen Bestaodtlieile mit eiaMHider zwar-
binden , um den ganzen Charakicr desselben voUkommen
darzustellen.
Jeder epiache, oder auch nur ühMhaofit beaehrdbaa^a
Dichter mCifef e aieh die rein kfinalieriBehe Form au ei|^
machen, die wir im Anfange dieses Aufsatzes so auslühr-
lich geschildert haben; jeder neuere müisLe streben, nnaern
Geist und unser Hera auf die Weise au beaehittgeu » bh&
den Ideen und Empfindungen wa niliren , die unaerer Zeil^
den Erfahrungen, die wir gesammelt, den ForUchritten, die
wir gemacht haben, angemessen sind. Aber in der Art,
wie unser Dichter beides thnt^ Üegt aueh, mittea in Aeaer
atlgemainen IVefllidikeit sein individueller und unlemdMt-
dender Charakter.
t8S
Zuerst ist er ganz und allein wahrer Künstler. Seioe
Poerie »1 rein dftnteUendy «ie kt motk mehr ab ate
ist voHkommen episch; sie Meibt dem aUgemeiiiefi Befriffe
der Kunst, einen Gegenslund durch die EinhildungskrafL zu
erzeugen, immer voUkomnien nah; sie i^i mit dem Style
der bildend«!! eng versekwistcri^ und beuiitst «ägieicb alle
ihr selbst doreb Bewcgutig und Ausdruck cigentiuiaibcbc
Vorzüge. Die Gedanken und Emplindun^cii, weiche siu
schildert, sind nur die 6eeie seiner Gestalten, dienen nur>
ihnen Leben und Sprache einznbaucbe«.
Indctti wir ab(sr nur diesen Gestalten Mimsebfn glau-
ben, und überall .Bewegung und Umrisse vor uns erblicken,
^ werden wir dennocli eigentlich nur von ihrem Innern gei-
stigen Wesen gieiifart; wh: fühlen unsren Busen lebbafler,
ab bei einem andren Dichter bewegly dringen tiefer in uo-
aer inneres ein; werden rmer und menschlicher gestimmt.
Jene Gestalten scheinen uns jetzt nur der zarige bildete
Körper der 5eele, die so lebendig aus ihnen hervorstralt.
Dadurch dafs' Gestalt und Charakter in ihnen immer
se genau filr einamler passen, dab bald jener nur um die-
ses, htild dieser nur um jenes willen da zu stehen scheint,
sehen wir bei ihnen immer den ganzen Menschen in seiner
natMiclMii Wahrheit & nimmt ilm in ssiner besten und
hichstwi EigenthAmMcfakal auf, und giebt dann dicBett
Stoff das sichtbarste Gepräge der Kuii^L, da er ilm durch
ein doppeltes Verfahren den Werken der Aden ähnlich
rnacbti einmal indem er ihn zu der eiBfachea Wahrheit der
Natur Mriicklilhtli und dann, ludernder ihm jene rein dar-
stallende Olyeelivüiit ndtHieat.
Wer den Wertlier, den Götz und dies Gedicht
lebendig in der Seele ge^^wärtig hat, der wird die Wabr-
heit des eben Gesagten von selbst empinden. Aber um
sich au überseugen, dab man nicht blob unentwickelte Ge-
Oiqitized by Google
134
liiUe, sondern klare und sichere Resultate aus dem Sta-
imm des Dlehters mitgebracht hat, kt e» nothwaadig, ea
nodi amnal in bestimirte und ekifache Resollale bumih*
menznfassen. Löst man daher das, was wir ihm hier ei-
geiiihümlich nennen, und wodurch er die Wirkung hervor-
facingt, in der gewöhnlich alle Leaer mit einaflder übcreia-
kommen, in seine ffleniente auf, so atflfrt man vorzüglich
aui iolgctide diei rutikte: ■ ' "
1. Er ist nicht biois ckirebaus objectiv und echt künst-
lerisch, sondern auch im genaueaton Verstände immer bii**
dend und episob, was- er anehnel» iai ^Sesildi und Bewe-
gung; ist sinnlich anschaulich; ein reines Erzieugniis deit
bildenden Phantasie.
2, Sein Stoff, jdaa, was sieh- in otMian Sebüderangeii
eigentÜch daratelll, - was ana ifanen> wie aus dbwra faIncBi
Schleier, immer hervorbii^l, was wir unmeiwbrt, 'abetr me
anders, als in sinnhclier Gestalt und in lebendiger Bewe*
gung sehen, ist die innere Menschheit, die Masse rm 6^
danken und Gefühlen, au denen daa Gomfitk gelaagt^wenn
es in aeinon voUen KjrMften sieh 'Solhsl und die ^fartur ao-
fser sich umfafst; die Menschheit in ihrer höchsten Vollen-
dung und ihrer einfachsten Wahrheit
3b Die hohe Wirkung, die einerseila dnrch Gehabt
den der Dichter in seinen Stoff legt; andin^rseits durck dad
Dichterische der Darstellung entsteht, wird noch dadurch
verstärkt, daüs für die letztere nichts mehr gellian ist, als
die Tollkdmmene Objectiviiät erfordojrty liingends .aber -ein
tiherilüssiges. Ooloril aufgetragen i8t> woSiorch imn Atoilsi
die Formen reiner und bestimmter hervortreten, tlieils der
Slofl' selbst emen um so tieferen und rührenderen li^indruck
macht, als er nackler und einfacher encheint
Verliert nun unser Dichter, wie . wir in einem der vo-
rigen. Abschnüte (XL.) gesdgl haben, auf der einen Seite
133
gegea die W erke der Alten an sinnlichem KeicliLhum, 99
erlangt er dies auf der andren in gieicitew Grade, und zwar
dnccb eitle &Uhoheit wiedefi ^urch die er auf euuial aUe«
aufitugebeoi scheint* . Demi nichU ^obt auf den enteil An-
blick aller Kunst so grofee Gefahr, als die schlichte Wahr-
heit, die so leicht zu dem blofs Prosaischen herunlersinkt,
als di$ iiinigkeit, die zu tief in uns herahsusteigen, ku sehr
in unser; wiricJiehe« Gefühl ^einnigrsifen scheint^ um |ifih
von da su einem idealischeiv and künstlerischen
zu erheben. Gerade hier aber zeigt sich die öluike des
Dichters» und das ger^phie Yertraueu zu seiner Kraft. Nicht
indem er seiner. Stimmung einen heftigen nnd^leidenschafU
Ddien Schwung giebt, sondern indem er seinem Gegen-
slaiide dadarcli, dalrf er alles in ihm zusaaunenfafst, eine
unendliche Ausdehnung ertlieilt, hebt er ihn aus der Wirk-
lichkeit empor; nicht dadurch, daDs er ihn von der Matur
^Ifemti sondern dadurch, da(s er Ihn ganz in^ ihr, aber sie
«elbst mit ihm in ihrer wahren und ursprtinghchen Gestalt
auffa&t, erhält ^r ilin iime;rha|b des Gebiets der Einbilr
duf^pluraft.
XLin. .
Vaterländischer Cliarakter nnsres Dichters, in seiner Vcraleiclmiig nüt
den alten und den neueren Dichtern andrer ISationei]^ gezeigt.
m
Um die besondre Stelle kennen zu ^rnen, die wir selbst
eiiiuehnien, haben wir inuiicr zugleich auf zwei Punkte zu
.sehen: auf da^ Aiierthum und das Ausland. Es sey uns
4irlaiibl^ audb .unsem Dichter , noch einen Ainenbück in die-
.ser doppelten Begehung zu: betrachten. . -
Er verweilt, wie wir gesehen haben, nicht nur vor-
zugsweise bei der Schilderung des inneren Menschen, des
Gemülhs in seinen Gedanken und Empfindungen; sondern
9
Digitized by Google
136
er zeigt es uns auch so, wie es etwas Andres und Höhe-
res begehrt, als dessen Befriedigung unmittelbar in der Na-
tur aufser uns liegt, etwas Idealisches, das über die äuCsre
Thäligkeit und den äufsren Genufs des Lebens hinausgeht;
wie es endlich überhaupt ein iimres Daseyn in sich selbst
dem äufsren in der Welt entgegensetzt, in jenem oft etwas
verfolgt, was diesem fremd ist, und nicht gleich dort das-
jenige aufgiebl, was hier zu erreichen unmöglich ist. Da-
durch unterscheidet er sich von den Alten, die den Men-
schen immer mehr in der Begleitung der Natur, als im
Gegensatz mit derselben darstellen, und dies hat er mit den
meisten neueren Dichtern gemein.
Aber die inneren Regungen des Geistes und des Her-
zens sind sehr verschiedener Töne fähig, und unter diesen
zeichnen sich vorzüglich zwei aus, die gleichsam zwei Ex-
treme bilden — der hohe und starke, und der stille und
sanft gehaltene. Der Gedanke gewinnt eine andre Gestalt,
wenn er aus dem blofsen, von keiner äufsern Erfahrung
unterstützten Nachdenken hervorgeht, oder durch die Phan-
iasie geformt, als glänzende Sentenz auftritt, und wenn er
in einfacher Wahrheit eine Menge von Erfahrungen zusam-
menfafst, und daraus gediegene Weisheit zieht. Das Herz
fühlt andre Regungen, wenn es von heftigen Leidenschaf-
ten durchslürmt, und wenn es, nachdem es alles, was es
nuf von der Natur zu erfassen vermag, in seinen Kreis ge-
zogen hat, von lauter mächtigen und unendlichen, aber im-
mer mit einander zusammenstimmenden Gefühlen harmo-
nisch durchdrungen, still aber tief bewegt ist. Diese letz-
tere Stimmung ist es, in der uns Gothe immer das Ge-
müth schildert; und wenn er Leidenschaften hervorruft, so
erheben sie sich, gleich Wellen auf dem unendlichen Meere,
auf einem so zubereiteten Grunde, und lagern sich wieder
auf die klare, nirgends umgrenzte, in allen ihren Punkten
Digitize..
leicbt bewegiiehe Fläche. Dadurch unterscheidet er sich
von den neueren Dichtern andrer Nationen, die
4iireliatiB mehr Leidensdiaft, als Seele maUeiiy mehr Hef«
tlgkeit und Feuer, ab Imiigkeit und Wüme beniaeii, mid
dadurch tritt er wieder dem schonen Ghnchgewtchl, der
atiUeii Harmonie der Alten Bäher,
0ieaer zwiefache GegioiaaU ynlkaitt, man fcami ea mH
«tober Freude Mwupten, adfieii Devtacben Charabler.
Denn eine siclitbare Neigung zur abgesonderten Beschäfti-
gung des Geistes und des Herzens, und ein stärkerer Hang
Bach Wabiiieit «i4 Imagheii in beiden, ala, naeh in di*
Augen fallendem Glam und leidenaehafUicher HeiügkeiC,
sind Hauptzüge der Eigenthümlichkeit unsrer Nation, weiche
ihre besten philosophischen und dichterischen Producte un-
veikennbar an awli tirag^ und durch die» wemi das Genie
daa KQuallara hinauknmmt, amne Weike xugleidi einen
reichhaltigeren Stoff und eine grOfsere imtere Fealigkait
eriADgen.
Wenn wir indefr bier diesem Ge di ch t und der neneren
PaMe nbcdhaopt elwaa maalrabcn, ivua iie w dar IM»-,
ren au sa et chn et; ao iil dwa Im Venug, der dae Wesen
der f^unst angeht. In diesem bleiben die Allen immer die
Meister, und werden me auch nnr erreicht, viel weniger
4iberliiilfan werden. Daa • eigenlUhniebe Yerdienat, von
dem wir hier reden, ist nur, die Balm Mffnel an hdben,
den ganzen Heichthum an Gedanken und Einpiindungsge-
hali der neueren Zeit in das echt künstlerische Gewand zu
kleideD^ daa man aonat nur bei ihnen antrüu
Digitized by Google
188
XVLII.
Kipfl'ffa dec- gesdüldeiten Ki^entliümlidikeU de» («edicllti^aiif die
ToUlwwkung deuelbeii.
■
Auf Darstellung, auf DarsleüUQg durch die Einbildungs-
kraft, auf Darstellung det ganzen Menaehan in seiner äu-
bm Gcalalt und seinetti inBm W«8en, gtkL uutm Dkk«
ter ans, und diesen Zweck erreiehl er* m einen bewvn*
dernswürdigen Grade. Er ist nie bemüht, unsre Phantasie
abaiehtlich weder zu ergötzen, nock zu fijpaaaeiiy neck ükec-
kaupt aa£ dieae oder jene .Weiee n .bewngen; er bat ein
.wakrea rnid eigenüiebee; ein grofiMS und imermefefiebM
Geschäft, das alle äeinc Kräfte, seine ganze Energie an sich
reifst — die Menschheit und die Natur, die seinem kiinst-
lerifichen Blieb €»iäiai nickt anders» als dnfcbans diokteiisck
l*efonnl etockeint» aiick uns wieder in.deraelkan Gestallt
zu zeigen. r
Dadurch weckt er zuerst und hauptsächlich unsern bü»
4endiea ßma; wir sucken und finden ükeraii- Festigkeit,
Or^nngy ZuseHunenhang; wur acknfistt'iais eine duMhaas
übereinstimmende, durchaus organisirte Natur; die aufsem
Formeti, die wir vor uns erblicken, iiaben voükommne An-
iM^hauUchkeit, die innem durebgMigige Wakrkeii; überall
erkebt aick die Begeisterung unarir Enbikhnigskrall und
nnsers Gefiikls von einem fest, eubereitelefl Grunde« Nia*
gends ist etwas Verwirrtes oder Ueberspanntsa ; alles ist
.voHkommen klar und natürlich.
Aber es ist auck nock mekr. Die Usnptwirkung^ je-
des Kunstwerks beruht auf der Verbindung sdner Gestalt
mit seinem Charakter. Gerade darin liegt am meisten das-
jenige, was sicli niemals aussprechen oder erklären läfst»
weil es allein von dem einfachen Gedanken abhängt, den
der Künstler auf eine unbegreiClicke Weise sdnem Werk
139
«infwägi, mid dadurch zugleicii au£ uns hmüliertragt. Oaüi
itom in maswM G«dichi die Maan und kmcrfa Fwruftf«
* eng auf ehfAnder patsen, dals-Äe äch gerade gegenaea-
tig nur bekltidcn und erfüIJen, dadurch wird der Charak-
ter desselben iii dein reinsten und voUsteo iSiune, reiner
als bei andern, medemeo, imd voUer ab bei den alten Dieb»
ile»i£&!i4ifjitfMieit, Walirheil wd Nalar. Dm meiiwik-
liche Gemüth ist darin in einer gewissen Nacktheit dar-
geiegl^>wadurpb- es auf eine innigere und rührendere
Weiie auf ina einwirkt^ als wir es bei irgend einem, ai^
.deren Dicbter eilahren,
♦
XLVIII.
Resultate. — Allgemeiner Ciuxrakter ufisii's.DitvUtcis.
Wir sind jetat bei dem SSide angelaii^ dlis wir durch
die bisherigen Betrachiungen zu erreichen slrcbteu; wir
•hahen den Cliarakter des Göihischeft Gedioiitfi nreJU-
.affiadig geaoinlderl, und die Steile angegebeo» die. ee in
■RüdLAebt auf die Kmwt übedkiupl, und in Vengieiflihung
mit andern Gedichten ähnlicher Art, beliüiiptel. Wir wer-
fen jetzt neck einmal einen flüchtigen Blick auf den Weg,
den wir «mckgeiegt- haben. .
Zweierlfli VorzCige eind es, dereb deren. iniii|^ Ver-
binduiig die IManiei uiisres Dichters ihre uül<iugbare Ei-
genlhümlicbkeit erhält:
1* die £infaehbeit» nüt der er immer biefa bei dem-
janlgen eieben an bleiben ecbeini, waa« die- Kunst scÜIedb-
terdings und nothwendig leisten mufs, sobald sie nur über-
haupt Kunst zu heifsen verdienen soll;
2. die Stärke der Wirkung, die er dadnreb henror-
'bringl, daia er seiner Peesie ab viel Gehalt unditeele giebl,
ala nur innnec einer sinnlichen Darstellung fähig ist.
Digiii^uü by Google
140
Seinen Stoff zu einem reinen Erzeugnifs der dichteri-
scheo, und zwar der bildenden Einbildungskraft zu machen,
kl fem ganses und emxigea Beatveben. Daher die feile
Zoaaimiieiifugung aller Tliefle nim Garnen; die GrtMba md
Einfachheit der Züge; die objective, rein darstellende Ma-
nier, und eben daher der [\langel alles fremden Schmucks,
aller niefat untnllelbar durch die Sache aelbal hewifklen
Erhehungy alles öberflflsngen Colerite.
Kr nimmt aber seinen Stoff immer so , wie er einen
tiberwiegend grofsen Gehalt für den tuneru Smn liut und
doch augleich für den äulaem voilkenanen gülig ist Von
dem Menschen und der Matnr mahll er die Seele, aher sie
immer gestaltet und lebendig. Daher seine Senümentaü-
tat, das mehr sanfte als glänzende Licht seiner Gemählde,
ihre grdfeere Wirkung auf den Geist und das Heis.
Durch beides, dadurch» dafr er die Natur da «olmniml,
wo ihr Zusammenhang am festesten, die Verwandtschaft
ihrer Elemente am sichtbarsten ist (in ihrer geistigen Ge-
atalt) und dati er sie dam ganz objectiv behandelt, wird
er im eminenteo Verslande fafldteid, im eaainentien Ver-
atande nach Bestimratheit der Umrisse, Einheit des GanMs
und Ebenmaafä der Theile strebend. Denn er geht mit
aller seiner Kraft blofs darauf aus, die Formen eines gro-
Isen Ideals auibustellea, eines Ideals , das dem Geist der
Mensehhdt und der Natur (der im Grunde nur Eiper und
ebenderselbe ist) gleich sey.
Von den Mustern des Alterthums unterscheidet er sich
durch einen gering ercn Gehalt fiir die Sinne und die Phan»
tasie, aber durch einen vielfacheren und fsineren fär den
Geist und die Liiii)findung; und wenn er dies mehr oder
weniger mit allen neueren Dichtern gemein hat, so zeich«
net er sich von diesen wieder dadurch ans, dalii er in die>
ser Verschiedenheit selbst durch Objectivilät, Hamumie und
141
Totaliläl, die sich in dem Leser durcli Ruhe «akiiiidigty ^
4ciB Alten uofjMm näher kamni^ ahi ui^end enwr von jenea
Üiß SeHe tdnce Chmkien» veo welchar aus dnpMhe
zum Fehlerhaften ausarten kann, und wirklich vieUeioht
manchmal darein verlaüt, ist die Einfachheit seiner Mit^
lei Was man. ihm daher vielleicht hie und da verwerfen
k^le, .ist Afaagel. an VieMMhheit der Handhing und Be-
wegung, Blannigfaltigkeit der Gestalleny FiiUe uadAhwedw-
lung der Diction und des Wohlklangs, mit Einem Wort
Mangel an sinnUcheiu Reichthum; was ilm aber auch
hier wieder charakteviairt) ist daia dies nie lum Maogel aock
an sinnüclwr JndividualitSt ausschll^ Denn der Be-
stimmtheit der Umrisse und der Stetigkeit der Bewegung
fehlt nie aucli nur das Mindeste.
Wenn er in der Reinheit der Formell und dem SeeUsi-
Vellen des Ausdrui^^ eine auffidlende Aehnficfakeh mil Rar
plia ei darsLcllt, so eiinnert er an ihn auch durch ein manch-,
iuai jdürikig scheinendes Pokuit.
XLIX.
>
Reditfertignng des bei der Zeichmwg dieses Charsklan geiriUiIteii
Ganges.
Um diesen Charakter unsers Dichters so kurz und be-
stimmt, als es unsre Absicht war, zeichnen, und diese Schii-
denmg zugleich rechtfertigen in können, gkuihten wir den
langeii Weg eipfchlagen «i müssen» dea mk nnnmehr
fttckgelegt hahen. Da whr auf demselben vorsüghch swei
Dinge zu erörtern hatten, den einfachen Kunstsinn und den
hohen inteücctueilen und sentimentalen Gehalt des Dichters^
so widmeten wir naliirltch dem jBrstefen» als dem Wesenl-
liehslen, mersi und a^i sjHsfilhriichsten unflBs Sergialtr
Digitized by Google
143
Wir gingen daher von dem Wesen aller Kunst übep-* •
haapl aus, und da dies In mdits andrem besieht, als in der
Aufittsttng'der Aufgabe: das Wfatiiclie in ein Bild eu ▼er*
wandeln; so siichlen wir diejenige dichterische Melhode
auf, welche die Einbildungskraft am entschieden*
sten ndthigt, ein gewisses und awar in allen sei-
nen Formen beslimmtes Bild frei und r-ein' aus
sich selbst zu eizcugen.
Zu diesem Behuf schränkten wir die verschiedene Mög«
lidikeil, dieser Forderung Genüge su leisten, nach und- nadi
ein, und setzten:
1. den echt künstlerischen Siyi, welcher die Ein-
bildungskraft wirklich productiv macht, und nach Ideahlat
und Totalität strebt, dem Aflerstyle entgegen, /wekher ent«
tireder nicht reift Uels auf* sie, oder nicht stark genug auf
dieselbe einwirkt, und nur zu gefallen .eder zu glänzen be-
müht ist; (IL — XXII.)
% denjenigen dichterischen,' der, da er gana md
Gestalt und Bewegung, mithin auf Objectivität hinausgeht,
sicli nah an das Wesen der bild^den Künste anscfaliefet,
demjenigen, welcher mehr die ausschliefslichen Vorzüge der
redenden, (die unmittelbare Darstellung des Gedankens und
der Empfindung) geltend macht; (XÜL — XIX.)
3.^ denjenigen epischen, der, indem er den Leeer mü
seinem GegensUiüde gleichsam allein läfst, und die Erinne-
rung an den Dichtei* entfernt, und indem er das Bild mehr
aus der Phantasie des Zuhttrer» rm aeibei ' h«nFOVl»ete
macht, als es ihr vormahll*, den höehstan Grad der €Ni|bo-'
tivitat erreicht, — demjenigen, der durch die enlgegenge^
setzte Methode dieselbe mehr überhaupt zu Bildern, als zu
Einem besümmten, mehr frei «nd lebendig, al»gese>imifsig
stimmt, (XX. - XXXVII.) ...
Nachdem wir darauf bei jedem dieser drei Punkte mit
Digitized by Google
143
Beispielen bewiesen halten, welcher dieser Style dem ge*
genwärtigen Gedicht eigen ist, und hierin, so wie in der
einfachen Wahrheit des Vortrags ( XXX VHF. — XXXIX.)
seine Aehnliciikeit den Werken der Alten gezeigt hat-
ten; -80 konnten wir nnnmehr von d^r Art sanes SioS»,
von der' Eigenifafinifichkeit reden, durch die es sich wieder
von jenen unielvcheidel (XL. — XLVII.) und dattifc die
Schilderung seines individuellen Charakters vollenden.
, ■ - ■ ' * ■
FlOebtigfV BttQk tirf dair Ic^rUlAiift öm -OlfinUeffi unten Didifaii'
ubecbaupt zu dem besondem dieses GedidiU. .
' Vielleicht aber scheint es, als hätten wir uns' in dem
Vorigen zu viel mit dem Rdnslier überhaupt, und mehr als'
mit 'seinem neuesten vorliegenden Werke, beschäftigt. Wenn
dieser Vorwurf gegründet ist, so zeigt er nur, wie rein sich
die ganze Individualität desselben gerade in diesem seinem
Werke spiegelt - Und dies ist in der That der Fall Kein
andres der Gölhischen Cit dichte stellt den ganzen InbegriflT
seines Dichlerchnraklers so sichtbar dar, obgleich einzelne
Seiten desselben in andern natürlich, und gerade darum,'
weit es die früheren waren; stärker und glänzehder erschei-
nen. Allein wenn jenes Ganze selbst auftreten sollte, niufste
es sich durch die Zeit und mannigfaltige Uebung sammeln'
und reinigen, und die Stimmung, welche dies Product her- '
vorzubringen vermochle , ' mulste erst durch Erfahrung und
Reife vorbereitet werden. ' Difes föhlt mari sehr deutlich, *
sobald man sich diese Stiniinung auch nur einiger Malseu
vorzustellen versuefaL
Denn wenn es je einen Mann gab, dem <he Nätur eiki'
oflhes Auge verliehen hatte, ailes, was ihn umgicbt, rein*
und klar und gleichsam mit dem Bück des Nalurforsciiers
Digrtized by Google
144
aufzunehmen, der in allen Gegenständen des Nachdenkens
und der Empfindung nur Wahrheit und gediegenen Gehalt
schätzt, und vor dem kein Kunstwerk, dem nicht verstän-
dige und regelmiifsige Anordnung, kein Raisonnement, dem
nicht geprüfte Beobachtung, keine Handlung besteht, der
nicht consequente Maximen zum Grunde liegen; wenn die-
ser Mann dann durch sein ganzes Wesen zum Dichter be-
stinmit, und sein ganzer Charakter so durchaus mit dieser
Bestimmung Eins geworden ist, dafs seine Dichtung selbst
überall das Gepräge jener Grundsätze und Gesinnungen an
der Stirn trägt ; wenn derselbe endlich eine Reihe von Jah-
ren durchlebt hat, wenn er, mit dem classischen Geiste der
Alten vertraut, und von dem besten der Neueren durch-
drungen, zugleich so individuell gebildet ist, dafs er nur
unter seiner Nation und in seiner Zeit emporkommen konnte,
dafs alles Fremde, was er sich aneignet, danach sich um--
gestaltet, und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache
darzustellen vermag, in jeder andern aber, und zwar gerade
für seine Eigenthümlichkeit, schlechterdings unübersetzbar
bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner
Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in
eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee^
vollkommen auszuführen — dann mufste, und nur so konnte
ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen. Denn so
unzertrennbar vereint ist der so eben geschilderte Charak-^
ter darin ausgedrückt, dafs es nicht möglich ist, einen ein-
zelnen Zug davon allein herauszuheben : so innig verknüpft
es den einfachen Sinn des Alterthums mit der fortschrei-
tenden Cultur neuerer Zeit; und so durchaus scheint es
aus einem Geiste geflossen, der in der ganzen Individuali-
tät der wirklichen Verhältnisse, die ihn umgeben, alle Haupt-
formen menschlichen Daseyns rein und wahr in sich auf-
, Google
146l
fMUHiiimii, lnl| and tm dem bIcIi wietowii illt> wie mm
EäMDi BillellHmkt, aUateti laneii.
Auch konnte ein solches Product nur aus der Reife ei-
nes erfahruDgsreichen Lebens hervorgehn; was so geschil-
dert iaty mufe mü eignen Augen gesdin seyn, and was hier-
bei venOgEch fiewnndeniDg eiregt, ist, mit dieeer Reife
zugleich diese jugendliche Frische der Phantasie, dies Le-
ben in der Darstellung, diese Zartheit und Lieblichkeit in
dar SchildeniDg von Empfiadungieft gepaart anautreffen.
Zwieiaclie BeurtUeilung eines kuostwerius.
Von der swieiacben Art derBeurthefiliing, weldier man
jedes Kunstwerk unterwerfen sollte, haben wir imnmehr Uie
nne vollendet j es bleibt uns jetzt noch die andre übrig.
Jedes KunstweriL nemlieh kann, wie der Künstler selbst^
der es hevrelrbtingt, ab ein dgnes bdMdanm angesehen
werden. Es ist ein lebendiges Ganzes, es hat eine eigne
innere Kraft, ein Lebensprincip, durch welches es eine be-
stmimte Wirkung äufoert So haben wir Herr mann und
Dorothea bis hierher betrachtet Ohne ans noch in die
Erörterung seiner einzelnen Theile einzulassen, ohne es
festgesetzten Kegeln anzupassen, haben wir blofs die Wir-
kung gesc^deri, die es henrorbringt, die Ursachen dersel-
ben aufgesucht, und dadurch nur seme Natur im Allgeme^
nen, ihrem Grade nnd ihrer Gattung nach, bestimmt.
Aber au£ser dieser seiner innem Natur gehört jedes
Gedicht audi nochj seiner äufeem Beschaffenheit nach, su
einer besondem Gattung von Kunstwerken^ und hat in die-
ser Hmsieht besondren Forderungen Genüge tu leisten, be-
sondre Regein zu befolgen. Mit diesen Regeln haben wir
didier das unsrige noch jetxt zu vergleichen. Denn nur
IV. 10
Digitized by Google
14«
beides zusammengenommen, sein innrer Charakter und seine
aaSsre Kegelmädugkeii» beBÜoinil die VortnPkUieü de»-
wlbeit.
Die ei slere Art der Beurtheilung kann man bei KunsU
werken, in eiaetn vorzüglicheren 6iane dieses Worts ^ die
äatkeiische Qeimii» de «e den ej^pratiithea KuMl-Olia*
rakter ihres Gegenstasdea, aeulett echi kteUerisdien Wertiv
sein Verhäitnifs Eum Ideale bestimmt; die leletere die tech*
nische^ da sie denselben niciii uut einem Ideal, das nie
gant erreichl werden kann» sondern mit Regehi und Ge->
seilen yergleiciit, die sträng und vollkommen erf&lU wer-
den müssen.
Dafs man beide zu seilen mit einander verbindet, ist
grofiienllieUs «n einer gewissen äslhelisohen Eiivieiligkeii
^uld. Denn die mechanischen IfJi^s iMche hur fi^r
Regeln Sinn haben, vernachlässigen hmner den ursprüng-
lichen Gehalt an Originalität und Kraft, und die heftigen
und regellosen setzen sich heatänd^ über die .^thwendigi^
Achtuiig der Teohn^ hina«i8.
LH.
Bpiscb« Diebtang. — UnbestiniinUieit des gewöhnlichen Begrilb .
* dmelben«
Da^ Herrmann undj^orothea überhaupt genom-
men »ir; Gattung der c|iisdien Gedichte gehörig ist so o€*
fenbar, dafii wir es «udb schon doreb.das gmiso hiilierig«
Ruiäonnement hindurch stillschweigend vorausgesetst haben*
Niemand kann abläu|pien, dafs es die Darstellung einer
ilsQdhii^ und swar die duief Handlung von Atem Anfange
bis zu iJirem Ende ist. Aber von einem epischen Gediehl
bis zur eigentlichen Epopee ist noch heinah eben so wett«
als von einem blois irai^sclien |4ir Iragödiei und wir k<Mn*
Digitized by Google
147
men daher 'erat jetst lu der genaueren Untersuehiing, in
wie fern es auch diesen letzloren slolzeren Namen verdient?
Was äslhetische Beurlheiiungen in der Thal schwierig
machl^ ist der Mangel ToUsUindigen, gar nicht (daa
wäre cu viel veilangt) allgemeingültigen, al»er nur eonse-
quenlen, und mit den gerechten Ansprüchen eines echlen
Kunstsinns zusammenstimmenden Aesthetik, auf deren Ge-
seUe man sich mit wenigen Worten beziehen könnte. So
lange man eine solche eiitbehrt, befindet man sich immer
in der unangenehmen Verlegenheit, die einzelne ßeurlhei-
lung durch die Entwicklung theoretischer Grundsätze un-
ierbrechen zu miiasen, und so müssen auch Wir hier der
Theorie de« epischen Gedichts elae eigne Toilaufige
Erörterung widmen. Um uns aber durch diese Abschwei-
fung nicht zu weit von unsrem Gegenstand zu entfernen,
werden wir uns begnügen , bio& den Begriff desselben iv
h^tinmien/ und aus demselben nur sdne höciisien an4
daraus iiaiächst herfliefsenden Gesetee abiuleiten.
Fast bei keiner andern Diclitungsart ist man so sehr
tan ^ne genügende Definition verlegen, als bei der epi-
schen. Die nannigialligen Gattungen en&hlender und be*
«efaieibender Oedkhte sind so nahe mit einander vcf wandf^
und scheinen sich durch so wenig wesentliche Merkmale
von einander au unterscheiden , dafs es schwer ist , dasje-
nige zm bestimmen, was die eigentliohe Epopee charakle*
risiil Diese Sdiwierigiosit wichst noch dädufeh, da6 die
vorhandenen Miisler dieser Dichiungsart genau genommen
so wenig mit einander gemein haben, und höchstens blols
dkoMy dads sie tnsgesammt Erzählungen von Handliingen
sind; kaum aber nur darin, dafe jedes derselben nach nur
die Darstellung einer einzigen wiire, mit einander überein-
kommen. Man hat daher von jeher andre und andre, und
netsteniheils bJola minder wesenthche Nebenbegrüe» wie
10*
148
s. fi. die Mitwirkung der Götter, den Gebrauch des Wun-
derbaren, die Nolhwendigkeit heroischer Personen, die sehr
unbeslimmte Vorstellung der Grölse und Wichligkeil der
Handlung u. s. L der Deünition mit beigemischt, und da«
gegen nicht genug dasjenige herausgehoben^ worin eigent-
lich das Wesen der Epopee besteht, und woraus die wich-
tigsten Gesetze dieser Dichtungsarl herflieiseu.
f _ *
LIU.
Method« der Alileitaig der TenditodtBen DkshtiiHgMvtea.
Aber diese Unbestimuilheit,. die wir so. eben rügten,
war auch auf dem Wege, den man bisher immer emschlug^
nicht leicht su vermeiden. Man blieb nendkh immer nur
bei dem Objecle, bei dem Producte des Dichters stehen,
und wir haben schon im Vorigen bemerkt, und mit einigen
Beispielen bewiesen, dad man bei ästhetischen Untmuchun-
gen sich vielineiir an die Sümmungr seines Geistes und an
die Natur der Einbildungskraft wenden niufs.
Besonders aber sollte man sicli . bei verschiednen Gat-
tungen von Gedichten oder Dichternaturen sehlechterdingii
i^cfat begnügen, die Erldarungen derselben aus wiildiclwn
vorhandencu Mustern zu beweisen. Diese Musler selbst
müssen ja erst nach ihnen geprüft und beurtheilt werden.
Sie können den Titel, ihrer Rechtmälaigkeit, als eigne
Gattungen uberhaiifity und al» diese so und so bestimmte
insbesondre, aus nichts andrem, als aus der Natur der Ein-
bildungskraft und der versclüedenen Rlogüchkeit dichteri-
scher Wirkungen ableiten. Denn nor in so lam es der all-
gemeinen Besdiaffenheit untrer Phantasie nach eine dich-
terische Stimmung giebt, die von allen andren wesentlich
verschieden ist, kann derselben eine eigne Gattung entspre«*
eben, sey es eine eigne Dichtungsart, oder eine eigne DidH
ui^u\^cö by Googl
14t
1
ter^In^vidttalüftt» je nachdem jetw Stiuimung ein ver*
wtkMBM, oder nur ^nie (aubioctiv) vcracJaediie Beluuidfauig
4mmAm Objecto vetioigt.
Dies also ist die Quelle, zu welcher man immer zu-
rückkehren mufs. Der Eintheiluiigsgrund alier wesenUich
veviofaiediien DicfatangsarteD ist allein S/t Natur der dicb-
leriacJien EmlMlduBgskraft und des allgemeinen Ztulendea
der Seele, den sie in jeder einzelnen bearbeitet. Die Un-
tersuchung dieser beiden Stücke, für sich und in ihrer Ver«
iMndnng, giebt den Charakter jeder woelnen Diefaliingparly.
die sttbjeclive Stimmung, ana der sie enlatebt, imd
die sie wiederum hervorbringt, und aus dieaer lafsi sich
cUe obj ec U V e D efini tiott -ahieiiten.
UV.
Allgemeiner Charakter der Epopee. — Aus welcUcr Stimmung der
Seele da« Bedürfhifs zur epischen Dichtung herflie£st?
Wenden ivir diese eben beschriebene Methode auf un-
seni üegeiJiüLand an, so sind die Hauplbestandtheile der
Wirkung, weiche der epische Dichter hervorbringt, leben-
dige sinnliche Tbätigkeit^ fortreüseades Interesse «n der:
Entwicklung der dargestellten Begebenheit, uneigennafzigo-
Kulie^ und ein weiter und grofser üeberblick über diu Na-
tur und die i^ienschheit, und ihr gegenseitiges YerhaitoiliB
gegen einander. . •
Daher verlangt man objecüv eine wichtige «md meik-
würdige Handlung, welche eine Masse von Individuen in
grolse Bewegung setzt, heroische Personen und Tiieiinahme
höherer Naturen» .wodurch der EinbüdungskraA der nölhi^
Schwung ertfaeilt wird, und einen gewissen Umfang
Plans, innerhalb dessen man duicii eine gewisse I^Ienge
von Objecto geführt wird» Dm Uharaktenstische der e^
Digitized by Google
IM
scheu Dichtung scheint also darin m liegen, ckis sie uns
iknm Gcynatand auf das lebend^gsie und sinnlielHte 4ir*
stellt, dafs sie . durch denselben unsem Büek grofre «|yd-
weile Anssiefaten er9ffiiet| und uns in eiMr leldken Höhe
über denselben erhält, in der wir nur iheilnehmende Beob-.
achter sind, ihn seUisi aber immer als etwas Fremdet a»-
Iser uns ansehen*
Alles dies nun iriflft in derjenigen SliauBung KusaamieD,
in welcher sich unser Geiiiülh in dem Zustande ruhiger
aber lebendiger Bescbauuog befindet-, dieser Zustand ist es,
daker, 4er .in dem epischen GedkU seine Befriedigung
such«, und wir dürfen leiglich nni Recht bi^en , durch die
genauere Untersuchung des&elben unscrm Ziele näher zu
kommen.
LV.
Zustand allgemeiner Bescliaunnp: cnt^<>p;('ngesetzt dem Zustande einer
bestimiuteii Kmpündung. ,
Ei -gi^ offenbar in dem menschlichen Gemüllie zwei
Zustände, welche sowohl in iiiicksicht auf ihren Gegen*
stand, 4ÜS in RüoksiGht auf die Yeräodcnii^en, £e «e in
UM heryoihiittgen, unter allen am weiteste» von einander
verschieden sind, und alle übrigen, deren dasselbe fähig ist,
wie unter zwei greise Classen wisammenordnen: den Zu-
stand allgemeiner Beschauung, und den -«einer he«*,
stimmten Empfindung.
.In dem einen herrscht das Object, in dem andern das
SubjecL Jener, in seiner grölsestcn Vollkommenheit ge-
nommen,, entsteht durch .die Verbindung der .talsern Sinne
mft Unstern Intelkctueiien Vermogei», das mit ihne» darin
fihereukommt, dafs es sieh von. dem Gegenstände vollkom-
men, scharf und deutlich absondert» und diesen leUteren
Digitized by Google
151
blofs in Heziehufig auf ihn selbst, und ohne alle eigennützige
Ahmekk auf eigenen Gebraneh oder Genula helraciilet IKe-»
•er entspringt aiift der veriNUidetten Tb&tigkek des Geffthk
und des Begehruni;sveimü£;ens, und alle Objecle werden
in demselben auf das eigne Bedürfnifs oder die eigne Nei«^
gang belogen. Jener teilet sich in Aüekaicbl auf den
Gegenstand dnreh ümUmg und TotatitiÜ, in Rftdosiehl auf
die innere Stinimnn^ dmc Ii liulit^ aus ; wer sich m dem-
selben beiindet, sucht in der Menge der Objccte durch Be-
seiriNlnktin^ttdniF.Y«in«i»« lUiid^^ di»^«rilletii«* dM^iadnidueUo
Faeii eines jed^ inülweii yBriH*»J^'g'NiMfc"»W«*»*"8V^w
iliiiu iic/icliuiii^cii Wechselwirkung, in ihrem Seyn und
Wesen iiberhaupl \V irkiichkei V und durvli die i' esii::koit
ihm I jygrtwei(iybi¥iiiliindttiyin^Pih<§eieiii 4»edingtgrKo|jb.
wendigkeil. Die Empfindung Itingegon, die inuner tod den
bestimmten Yerhällnifs ihres Zwecks zu ihrer Begierde aus-
geht, flieht alle Beschrünkung, kennt nur Einen Ge|;eustaQd,
wMtaa «ttes andre weichen muk, strebt naeh «nsepliger
Bnifiedigung, kbt in der M«g|iefakeH» und anohfe bM
Wirklichkeit.
In dem Zustande der Beschauung hegt von selbst im-
nwr olwas AUfaneinea und MenMaehea» da vnaro inftettec^
tnelle Natur, die nio räf etwas andres lunaingebcin kann^
darin hauptsächlich tbiftig isL Die Eia^ßmimg behält aueh
dann noch, weua sie durch die praktische Vernunft oder
die Einhiidunfflkraft nu voMkommner Reinheit gelÜntert ia^
wenigstens die Form ibres nt^prtinflyfheo Gbamktenk' Denn
die Beaiebnng auf das SnbjeOt Ueibt darin »^unlor jeghcher
Umwandlung, immer dieselbe. ' '
Wenn daber die Kunst diese beiden Zustünde dichte*
iiseb benntseiii will» so bat sie in jedem iweierlei xu ver-
tilgen ; b dem ersimn: das pros a i s c he Detail der Ton Phan*
tasie entblöfsten Beobachtung und die Trockenheit der in*
Digitized by G<.jv.' vic
m
UilltiUM Um Ansicht; in dem leUlew. die eigemuilaige
BeneliiiBg; auf den wiridiolMii BcäU, und die daravA «It-
stehende Besebrinkuiig des Geganrtiitdfti MHMt J M im
mufs sie die lebendige Sinnlichkeit , diesem die id e alis che
Lcichtigl^t der PhanUae cinhauch/RB.
LVI.
Besondere Scbilderang jenes allgemeiii betcbaoefldea ZüttMdes,
Wem wir den Znttand der fieselMNamg als tmuk iie-
sondren vor demjenigen allgemeinen, in wckhem um libelv*
haupt die Kenntnifs der Natur aulser uns beschäftigt , her-
aushebt»!; so ist es, wett er mtk durch awei nur ibes
genlliiuiiliehe Merfcmaliie Yen allen fifanlidieii mlefaeheidcl
durch die glekslimfithige Stimmung der 8^Ie, nntwet"
eher dieselbe, allein durch das allgemeine Interesse des
Objeets gdeilet» ihre beobachtende Aufmerksamkeit gl^ehr
m&Gag auf alle Pmkte verUiailt» .mid dmch 4iai Vwamg
der Ansicht, da wir alsdann jeden Gegenstand, und jede
Masse von Gegenständen, und so nach und nach das Ganze
bis ztt ieinen äuiaersten Giemen verfolgen. Daher ist er
eb«i so sehr von dem Zustande dfer Untersadnnigy in- daia
wir immer anf einen einsdnen bestimmten Ponki lesgefan,
und mehr in eine Tiefe eindringen, als uns über eine Fläche
verbreiten, als von demjenigen Terscliiedsn> wo wir die
Natur, durch einen Zulill oder einen besltqsniten Zwe^
geführt, mir Aeilweise erforschen.
hl allen djiesen Modificationen sind unsere Sinne auf
versckiedne Weise gesttnunt^ und dies nnlerseheidet sehen
der gew^hnÜdie Sprachgebmueh durch «dir bMleutendi
Ausdrücke. Denn wer gern in der Natur lehtj sie mit kla-
rem, ruhigem und heitrem Auge überschaut, auf Formen,
li4nheit.uad UaraMMiie acfalet» dem sehreiben wir Lebendig*
. ij.i^cd by
153
keit des Sinns; dem emsigen Untersucher, der sich seinen
Weg abnehllieh «114 metho^sch vorher Tmekfaiiei wni
46b Lücken uasfer KenntnÜt auf eine gewissermaafren ay**
slemaiische Weise ausfüllt, einen scharfen und ein«
dringenden Blick; demjenigen endlich, der den sinnli-
Geoiifii^ oder wentg^tens die VorateUmg deaseUMii in
der Flwntane fiebt, oder neh an dem Sfh}, der Bewegung,
der Mannigfalligkeit erfreut, welche immer die Beschäfti-
gnng der Sinnlichkeit begleiten, Feuer der Sinne
iadem wir una Itterliei mehr die Materie, ak die Form der
sinnlichen Objeete, oder doch üe WhrkuDg aller sinnliGlMl
Thätigkeit fH>eriuiupt auf die Empfindung denken. In der
That mahlt auch in Naturen^ zu deren Charakter einer die^
acr Zustände wesentlich gehört, schon der Ausdruck 4/im
Auges diese Yeiechiedenheit auf dne, ihren Beseicfanungen
sehr analoge Wdae ; wie jeder sich leicht überzeugen wird,
der sich auch nur Einmal den nihigen, klaren, männlich
festen und prüfenden Bück des blöken Beobachters mit
ilem scharfen, durchdringenden; unruhig suchenden des ei*
gentfichen Forschers, und beide mit dem feurigen, glSnsen-
den und bewegliehen des sinnlichen Menschen verglichen
itt habeil erinnert*
ParteiJosigkeitund Allgemeinheit smd daher die
Merkmahle, weiche jmen Zustand der Beaehauung Tor al«
Jen andern, üim ahnhchen charakterisiren ; und durch beide
erhebt er sich zu den höchsten und besten, in weldien der
Mensch sich befinden kann. Denn da unsre Thfiligkeit in
demselben wedeir auf an BedMnft, noch auf eine emsefaie
Absicht bezogen wird, so ist sie von aller Bedingung, die
nicht unmittelbar in ihr selbst läge, frei, eine reine Anwen*
dung aller derjenigen unsrer Kräfte, weiche der Objectivi-
tü, d. b. der Vorstdfung äu&rer Gegenstände, fähig sind,
aul das Ganze der Nalur.
Digitized by Google
154
Auf diese Weise bcsiimml, kann tlieseibe eigeiUlich
uicbl mehr, als zwei verschiedene Gegenstände habe», die
pbysitche und dw mondiMhe W«U| ^ JNfttur und ät^
MenfdifaeHl; und aaf beide «ngewaMlt, briagl iie Emk W»-
senschaflen, die Nalurbeschruibuiii; und die Geschichte 2U
Ötaude. Denn der Geschichtschreiber, der sehr wohl von
dem GeeofaiGlitsfociclier und dem bloieen £nihier gcecfaehe-
uut ßegebenheiten tu unlerKheideii iet, nrafii^ gerade wi»
wir es in jeiiern Zustande schildeilen, das Ganze seines
SiQSiB überseilen, alle Verbindungen desselben auisudbeB,
wmierforl luiparieüsch vop ibm lUelelifty «nd §at eUe omni»
nigfaltigen meiisefalkiieii Empfindungen und . Lagen Ittui
haben, um jede, die er vor sich erblickt, in ihrer £igeu-
tbüudichkeit 2U verstehen.
r *
Lvn.
Y«rbimiung des Zustandes allgemeiner Bescliauung mit der Thätigkeit
der dicht^rkclieji Kiubildungskraft — finUt^Uiuig des eyj^i^cbeji
Gedichts.
Wenn nun die dichterisch gestimmte Einbildungskraft
einen solchen, so wesentlich von allen anderen unlerschie*
ienmUf so bestimmt charaklerisirtan ZustamI in der ßeele .
vorfindet, so kann sie nicht andiersi ab venneben, diesem
in ihrem Gebiet eme entsprechende boini zu scbaffenj und
dieser Versuch ist es, durch welchen dars epische Ge«
dicbt entsieht - Denn wir dürfisn uns nur vorsteUen^- wns
die Ktinsl aus diesem Zustande, wenn sie sieh desselbtB
ganz Utk] einzig bcmeisterl, machen kann, um sogleich auf
aUe wesentliche Destandtlieiie der Epopee zn kommen.
Objectivitäty Farteiiosigkeit und Umfang der Ansicht
wafen die Hauptmerkmahle jener beschaueniden Stimmung
unsres Gemülhs. 80 lange dasselbe es aber biois mit wirk»
Digitized by Google
ttS
Utimn Gegenständen zu thun hat; fühlt es immer einen
rtwufmihon 4m «ima in RikUdil anC mime i»-
teH0clnrikiil dal» er ni« alfe Seilm mims OI|ecls Obtr^
sehen, nie alle Verbindungen tlaran auffinden, es nie als
«D nur durch sich selbst bestehendas, von aUm wdreu
«••bhängigea Gankts betraditan kann — Aen wadxm m
RflaUiebl auf die SiimlielikaH — Mb wallt aUcin die Beatn
achtung iimnuiloii Lücken liifst, welche nur der Versland
durch Schlüsse ausfüUea kann, sondern dals auch die Ver*
bindvig des Gammi immer mar auf einem Zusammeiüiaaf
Bach Begnfien, niehi auf akmliciier Blnlieil beraht
Diesen beiden Mängeln hilft die dichterische Einbil-
dungskraft auF einmal ab, indem sie den Gegenstand, ika
ai^eich dar .Wirkliefakcifc und dem Befps^ eoieieheod, a«
einem idcafieeke» Gaaaeti macht Da mm niehts mehr
übrig blcilicn kann, was nicht durcliüus sinnlich wäre, und
nichts m^r, was nicht, als Theil des Ganzen, mit aUem
Ueheigen in Verbmdmig alände: a6 findei jene beeehaaende '
GemaihestomuDg nirgends so sehr, ab in #ir, ihre vett^
kommnc und genügende Befriedigung.
Die höchste Objectivität fordert die lebendigste tSinn-
liahkeit» «id jene Allgemeinheit der üebersieht ist mwvltg^
lidi, ^Rnenn man^ skli nicfal au einer gewissen HMie üher
seineu (jegtnsland erhebt, und ihn von da aus gleichsam
beherrscht. Daher sind die beiden Hauplbcslandliieiie in
dem Begriff der Epepee: Handlung und ßraühtung.
Nur wo Handlung is^ ist aAeb Laben nnd Bewegung, und
durcli Erzählung, dadurch dafs der, auf welchen eiiigcw ii kt
werden soll, nur Zuhörer, nicht Zuschauer ist, wird der
Gegenstand unmitteUiar vor - den Sinnr und den Verstand
gebraeht), wni- kann die Empfindung nuraret, wenn er durch
dies Gebiet hindurchgegangen isl, berühren.
Der Begrill der Handlung ist dem e|iischen Gcdichi
i^yi u-cd by Google
156
80 wesentlich, dals wir noch einen Augenblick bei demsel«
hen verweilen müssen. Er ist auf der einen Seite dem ei«
Bet bioltcn Zutlandes» «til der audtm dem einer Begi»»
benheil entgegengesetet Die blelse Beschreiliiuig eiaee
Gegenstandes hat immer etwas Kaltes und Einförmiges; da
bei üir der Stoil ohoc alle Bewegung ist, so kann sie diese
mar durch die Beheadiang eriialAea. . Aber ^ hktimSM
#egung afiein iti- neck- bei wMfen mdA hinrniiihiii^i'Wti
das hüclisle L ben und die höchste Sinnlichkeit gefordert
'wird, da muls man eine bestimmte Ki'aft in Thatigkeil er-
bJicken; da imifs Sirebea aa«^ einem beelianvli^^^
verbandea teya^niae anec^lir 4eB gelingiiniUiii iij||li>fc|
schlagenden Erfolg im Voraus besorgt macht. Dies ist es,
was dem Begriii der Begebeiiheit mapgeU. Schon der un>^
persfokehe Auedruck des Begebene kCndigt aam ittelba r
einen Vorfafl an, der niebl durdi Eine, wenigsteae aiebft
durch eine bekannte Ursache, sondern mehr durch Zufall,
durch das Zusammenkooimen vieler, einzeln nicht bemerk-
barer Umstände bewirkt worden isl. Nicht allein nun dafi»
die £rtahluDg eiaes aolefaea EreignisBes nicht das Lebaa»
die sinnliche Bewegung der Erzählung einer wirklichen
Handlung besitzen kann; so ist sie auch nicht, wie diese,
tbna gleich diditerischea Eiakleidung fSHu^ Um die Ein«
Mt henreriabringea, welche der Kunst allMnal dgen iet,
mufs in dem Stoff selbst schon eine gewisse Anlage be-
findlich seyn, für sich ein abgesondertes Ganzes zu bilden;
weugptena, muis derselbe eine beslimmie Kraft in skk ent»
ballen, deren Richluagen der-Dicbler verfeigea kann.
Daher kommt es, dais der Komnn, der immer Bege-
benheiten darstellt, ob er gleich in Absicht seines Umfange
und der Verknüpfung seiaer Theile xum-Ganaea eine un-
verkennbare Aehaliohfcttt imt dem^ epischen Gedidit an sich
tragt, dennoch so wesentlich von demselben verschieden
Digitized by Goo<?Ie
m
IbI, ialK 4« «if Mchsten ^ufe alfer HwmtiUBAm
FoMe sieht, c£» von ilini Aocii miauigviiuMihl isly ob er mir
iiberlinupl ein wahres Gedicht und cia reines Kunstwerk
genannt werden kann Wenigstens wird man nicht lait
li>e4oiiki> et» mk dei»NW4«entlkiMp^ Bedingung jedoi,^
diclib, mit einer rhythmischen Einkleiduns^, schlechterdings
«Hirei^äglich ist, und eiii Komd^.in V«r^xei];^;.^g%-
- ^ WeNefc kfe ßm^ghutr^wif^mHMh Jff wtff o ft i ff di^tsgy»-
pee zu verfehlen, als wenn man die Nolhwendigkeit der
Handlung in ihr ablöugnel, und üu statt derselben ßfl§e-
bosheiiflii Hfttenehieiieii will
Wie mm «bor dieee Hamiking und die EriaUoiig der-
selben so individualisirt, dals sie die Epopee vor allen übri-
gen Gattungen erzählender Gedichte in ihrer Eigenthümlich-
kmi beaeidmen, ist die Natur jener beschauendea
Stimmung des Gemütha. md der dichte riaehen
Einbildungskraft, und die Weehaelwirkung, in
welche beide hier mit einander treten. Diese drei »^iück^
haben wir daher noeh besoodara au uoteiauehen.
Lvm.
Eigenschaften des Zustandes allgemeiner Bescliauang.
Wenn der Kilnatler die.inmre Harmenae die Gemütha
nicht durch liGMdinge atilren wiU, ae darf er smen Ge-
genstand auf keine andre, als auf eine, der Stimmung, auf
die er überhaupt hinarbeitet, analoge Weise behandehi»
Dfeae mm iat hei dem epiachen Gedieh! der Zualand Jcbh
rer, ruhiger, aber ahmlicher BelaadituBg. Je aimilicher die«
selbe ist (und davon liängt dodi ihr künstlerischer Werth
al^ desto mehr mufa. sie Leben; Bewcgwig wA HaflMfamg
Digitized by Gu..- .
15»
«adwii; aber indtem flie anTfler sidi TlMgfcdt m sdieii
veriangt, kann rie k«me andere lordem, als die,'welciie in
üir, zugleich neben ihr selbst, ohne sie zu zerstören, beste-
hen könnte. Es miifs daher eine solche seyn, die entwe-
der Aber die ihr im Wege liegenden Hindernsae den Sieg
wkä^ oder sich wenigstens, wenn sie audi nnleiliegly nielill
in allem ihrem Beginnen gehemmt, sondern nur eine andre
Rtditung zu nehmen genöthigt fühlt. Der Kampf, in wei-
diem der episdie Diehter den Menaehen mH dem Sdaek^
sei seigt, und ohne den es me eine greise ainnlielie Bewe-
gung giebl, mufs sich in Sieg, oder in Frieden und Veh-
söhnung, nicht in Niederlage und Verzweiflung endigen.
Denn sonst wird die Ruhe aufgehoben, weiche die erste
Bedingung jenes refai besehauMiden Zntandes ist; des ogne
Gemülh niiiHiiL einen überwiegenden AnÜieil, wir steigen
von der Höiie herab, die uns über unserm Gegenstand er-
halten sdlte^ imd mischen uns sdbst ab Theihiehmer im-
ter ^ Inndehiden PerseeMm.
Allein wenn der epische Dichter sieh hüten mufs, jene
Kuhe zu zerslüreu, so mufs er sich noch mehr in Acht
nehmen, sie gar mcht in Gefahr nn bringen. Denn gerade
fieselbe energisch su maehen, aus der Verbindung dersel-
ben mit lebendiger ThStsgkeit mSmifichen Muth hervorgefan
zu lassen, ist er vorzugsweise vor allen andren bestimmt.
Was wir vorhin sagten, braucht er daher nur im Gänsen
tu emiefaen; im fiiiuehien kann er seme Leser erschüt*
ieni, wie stark und nidi er will an den Abgrund der Fnreht
und des Entsetzens fähren; vielmehr, je besser er dies zu
thuA venteht, desto stärker ist seine letzte endliche Wir-
kung. '6eine Kunst, das Geoaiith au beruhigen^ mufii ei-
gentKch die seyn, es mannigfaltig genug m erSchottern,
es von einer Bewegung zur andern zu fahren, eine Km-
pfadimc duroh die andre su modüiciren, und so jede ein-
üigiiized by
IM
■eine m bkdM, mcU dea Gemitfa» aiissfibüeÜBtich m iio«>
Aus der Totalität sdner Darstellung muls die RbIm»
er bewirkt, hervorgehn, und tliese Tolalilal ist also das
zweii« Ecfofdernifs seiner GalloDg. Wir haben schon im
Am6m%9 dieser littite gaseben, di^ jeder Didiler über*
hm^ motixwm^g koner, sohaid er nur rein and aUein anf
die Einbildungskraft einwirkt, eine gc\v)sse Tolalitiit erreicht,
indem er uns nemiich seine Gegenstände in eine Weit lüu-
ftbMrlfäg^aB weidnr« sie daa fiaaeitiga ind AusecUiettehe
«erHerssy das sie in der WidcKeUieifc eoWeUt AUein der
epische Dichter braiicIiL diese Eigeiiscliaft noch in einem
andren vUod engeren Sinn. Er muis uosera Blick wirklich
an vvA nrnfiMsead- «d aUgenkni^ als nar iaiaser awgtiaih
nuKiisn, ün imner aof die gao^ l^ag^ der MenacIdMit in
der ISalur richten. Indefs kommt es auch bei ihm nicht
darauf an, wie groik gerade der ^^ejs von Gegeusländen
9Bf, den er imManft, aebald.ar nur die fiitomung htt-
vmMrn^ A wir aben Waehriebdi Jiabett: die Stinttnauag^
in der wir für alle Objecte offen sind, für alle Sinn haben,
und durch ein überwiegendes und aÜ^jemeioes Interesse zur
i>ioisea Betrachtung binyangen werden^- Denn in dieser
Winwnng faeirsciitö von seliiat die Kcafte, wafaho ihubiIp
telbar für sich Totalität mit sieh führen. . > '
LtX.
Bigemchaftea dw ^^ickteDielieB Biakildiuiapkfliil ia BMiehniig asf .
jenen Znstaad.
Dm diditerisciie fiinfattdua^iknia liat dem SM den
ap iwi icn IKehler», an ihn in aeiner gann» Slirke wiilM
an lassen, swei Eigenschaften mitzutheilen: Sinnlichkeit
und Einheit. Beide, werden in denjenigen Mpdifitfatianfini
Digrtized by Google
MO
die sie zu episclier Siaalidikeii und epischer Einheit ma-
chen, durch den aUgemeinen Gdet dieeer Diefaf — ger». be-
atinint
Dieser besieht darin, dem Zuhörer die Weit kl ihrem
ganzen Zuaaminenhange vor die Augen zu legen, in ihm
•Ueiii aeine hee chimo fe n iürüle hcmclieDd lu firiwiHin,
iKeeelhtm aber lu der höchsten Stitrfce und lu , velHrnmme
ner Harmonie anzuspannen, und dies alles endlich allein
durch die EinbÜdungskrait aussuükhren. Er hat daher nur
Gealalt and Bewegnng an aueben, darf akk nieht «mm!
begnügen, nur lÜa eine oder dia andre» B a ndan i om^b laa^
mer beide mit einander vereint, lauter bewegte Gestallen
aufsteilen , mula immer allein für das Auge und den Sinn
§en HM iSpiel aiabl, dncb ibra Wirkung «unarjaMniHaMpl*
eindruck unterordnen.
Aber das Auge wiU nicht blofe durch bestimmte For*
■Mn» dnrab aarglakig gewridmala Unuisia f^f% ^eleila^
aa will aneh balebl wefdea. fir nnifr dabar dBa Tknekan-
heit einer blofsen Zeichnung vermeiden, Licht und Schat-
ten, Farben, mit Einem Wort Colorit suchen, aber diea
Calatii wieder nnr der Kigmthwnbfihkcit aaner GaUung
gamtta gabranchan. Dar Sinn» wann er apiieb gaeHwimt
ist, lebt in der freien, heitren Natur; der epische Dichter
kann also nie genug Licht, genug Sonne, nie eine hiniäng-
bebe FüUa von Gestalten, nie genug lebendige Bewegung
darealban» nie g<»iug reiche und mannigfaltige Farbangaboag
erlangen. Aber mitten in diesem üppigsten Reichthum mufii
nicht nur überhaupt die Form, sondern in ihm selbst auch
dmcl^ängige Uacmonia banaoban; ein Tani nnila den an-
dern rniUem; kamar mak aicb ecbraiand bervordiingan ;
die Sinne müssen ergötzt, aber nicht in verwirrendem Tan*
mel mit fortgerissen werden. Der e^iaciie Dichter hat da-
Digitized by Google
161
her «Um Buate mA Sdamtde, «ttm Greifte imd Contmti»
rMde m venaeideB.
Aliein dies, wovon wir bis jetzt redeten, sind nur erst
die einzelnen Züge zu seinem Gemähide; die groise Kunst
besieht darin, dies Gemähide selbst sosenuiieintuetMQ.
ifiedb« ladefr • btanclieii wir nefal weiter nt ▼erweHen.
IMeee Kunst ist eben das, wenril wir uns in dem ersten
Theil dieses Aufsatzes so auäfiilirlicli beschUAigt haben, die
reine Objectivität, die den Gegenstand in seiner ganxen
baldigen Gestalt vor «ne binetelit Wir haben gesehen,
dali - dieselbe verzüglich, dordi die nmartertroehene Stetig-
keit der Umrisse bewirkt wird, und das Gesetz dieser Ste-
tigkeit ist daher dem epischen Dichter ^mehr als irgend ei-
nem andern vorgeschrieben.
* Der blofe'ond ruhig beschauende Sinn ist nie, da er
nie von einer einzelnen Absiclil, noch einer einzelnen Em-
pfindung 'ausgeht, auf Einen Gegenstand ausschliefsend ge-
heftet; er schweift immer auf andre, immer auf alles ttber,
was er zugleich vor sich erblickt^ sucht immer eine Menge
von Objecten, oder, wenn er in seiner besten Stimmung
ist, immer ein Ganzes derselben. Das Weri^ des epischen
Didileffs muls daher^ indem es bestimmt ist» auf die ganne
Natur eine freie Aussicht so öfinen,- eine Men^e von Ob»
jectcn, eine Mannigfaltigkeit einzelner Gruppen umfassen,
und in diesen mufs nun jede Gestalt in ihren einzelnen
Theilen, jede Gru^e in ihren einzelnen Gestalten, endlich
das Ganse in seinen einzehen Gmj^pen dureh ntrgends uih
terbrochene Umrisse eine eimigeFerm bilden. Aber diese
Stetigkeit wird auch noch aufserdem durch die erforder-
liche Bewegmig nothweodig* Denn jede Unterbrechung
deraelben würde eben so gut inn^ StiHstsid in dieser, alt
eine LSehe in der Gestalt seyn.
Jedes epische Gedicht mufs daher am Knde eine voll-
IV. 11
Digrtized by Google
162
kommene Einheil aufslellen ; und da dies keine Einheit nach
Begriffen (wie in der Naturbescfarmbung und Geachicfaie)
seyn dacf, «o tuak es «n» Einlbeil der GfilaU und der
Handlung seyn. Es darf daher nicht mehr als Eine Han-
dlung, und muis diese als ein sinnliches, durch sich aliein
volliUiBdig«09 von «ufiwr aieb BBabhüngigfs Ganses
Mbttdemi.
Wie Siek dBe epische Einheit noeh h^onders ym der
Einheit andrer Dichlungsarteu unterscheidet, ilies können
wir bequemer in der Folge entwickela, als hier, wo wir
ea noch niebl avwoU mü den GeaelaeQ» ab nur mii da«
Begriff das apiadien Gadidita au Uiun haban.
LX.
In der Vprfiindnng: <!<'» Zitstandes allfremeiner Besclianung und <\er
HichtPriscIiPn l.inhildunj^skraft treten der Form nach gleicliartige Ei-
genschaften iJ>it tinunüer in Wechseiwirknng. — Eintlu£g, weldien
di<», auf die epische Stimmung ausübt.
Wenn, wie wir im Vorigen gezeigt haben, jede eigne
Dichtungsart dadurch entsteht, dafs sich in dem niensch-
liehen Geoiölh dne eigne Stiatnming vorfiodeii deraa aiek
Hör die dichtarisehe Einbildungskraft au ihrem Gebraiidie
bedient (obgleich in dem Augenblick, wo dies geschieht,
immer sie es ist, weldie dieselbe hervorruft), so kann das
ToUe Wesen derselben nioht anders, als durdi die Ver-
bindung dieaar beiden filemanta nditbar wavden.
■
Wir hoben jetzt in Rücksicht auf £e Epopee beide:
die beschauende Stimmung des Gemülha und die auf sie
beaogona Einbildungskraft, «naaln uAlaraudil; Die erakam
Beidmete sieh düreh ObjecaviUU, durdi Telalilai und dui^
Einheit, die aber freilieh ehie fimheit nadi Begriffen war,
aus; die letztere trug im Ganzen denselben Charakter an
Digitized by Google
m
«ch, Mdi ^MÜMUit, «ttch Totalität, auch Einheit, Dtir
aber eine annlidiey un^ nur aUe diese fii|peiMcliafleii, d«
sie es nicht mit der, inuiwr m mek beteliiäiiklen und uns
nie ganz irersländlichen Wuküehkcit zu Üiua hat« in' grö-
isercr Vollkommenheit und Reinheit.
Da ^ako die EiafailduBgsknili him mte Stiiiiwig da»
Gonfilks -bearMlel, itt thrar eigiien Natur tchon von oallMl
nahe kommt, so ist es nalürJich , <icirs alle jene Eieenschaf-
len in doppelter Stärke auflretea müssen; aber das Wicb-
ttgpte ist dabei dasy was gerade aus dem Umstände selbst
entspringt, dafs sie sich an einm, ihr selbst der Form
nach ähnlichen Stoff versucht. Da von dieser Seite
ganz und gar kein Mifsklang entstehen kann, so hat si^
indem sie ihre Fotm gellend macht» keine Schwierigkeit xu
bekämpfen, keinen Streit lu sehlichten, keinen Widersprudi
aufzulüsen. Es iiauSs also von allen Seilen Ruhe her-
vorgehn:
1) ans dec Parteüeeigkeit, welche jeder ble£i betraeh*
tettden Stunranng eigen ist-,
2) aus der Idealität und der Einheit der Kunst;
' . ^ endlich aus der Anwendung der Jiunst auf jene
iSlimmungy ab einen ihr ähiMiehen Stofl.
Aber in Rücksiefat der Materie ist diese Aehalichkeit
nicht in gleichem Grade vorhattden, da die heschauende
•Stifouiung vermöge des darin zugleich herrschenden intel«
kcfcneUen VermSfens nieht durchaus sinnlieb, und durah
ibre Uola abjeolive ParlaUoaigkett und AUgemdnheiC ga»
wisser Ma&en kalt und troeken ist. Die Eünlnklungskraft
muia demseiljen also von ihrer 6mnhchkeil und ihrem Feuer
Isihan, und sich daher zu einer Kraft stimmen, wekhe niciit
dar rüilageQ ynd fnnshlbareii glaiabt, mit dar HindaniiaBe
MtSrnpft, aovdtrn der waUtbäligan und üppigen, mit der
Ii*
Digitized by Google
IM
naies Dasejn hervorgebracht» oder schon vorhaadaM gOr
BiSrkt'aiid gotUOirt wird.
Die Tolie imd ruhige Krafk isi woldie 4m Le-
ben erhält und erhöht. Denn sie kann nicht aus Armath
erschöpft, und niclit durch Widerstand aufgerieben werden.
Keinem andren Dichlor kann man daher mit fteoht ip viel
Lehen suichreihen, alt dem epischen; und wo finde mmi
auch wohl ein hölieres, regeres, sinnlicheres, als in der
lEas und Odyssee?
LXL
Weitere 8cbild«rang einer rein epischen Stimmung.
So wie del* epische Dichter von dem httehalan Loben
beeeeh isi, so mahH er auch eigentlich die ganie Dauer
<!esselbcn, da hingegen der lyrische (um unter diesem Na-
men alles zusammenzufassen, was jenem entgegensteht) nur
eiDzelne Zustände sohiidert Denn er allein' bringjt eine
Stimmung hervor, weiche durch das ganze Leben fort"
dauern kann.
Wie wir es in unsrer eignen Erfalirung wirklich, aber
nur dann antreffen, wann wir eine längere Zeit in miave
: Erinnerung suruckrufen, so giebt es murer Empfindung
immer neue ModiHcationcii, lüfst dieselben durch die leise-
sten Uebergänge aufeinander folgen, und versteht die Kunst,
uns die ganse Tonleiter des Gefühls von Saite cu Smio
dmrchzuführen, abstechende Töne- durch Zwischenldne m
mildern, erschütternde allmälig vorzubci eilen und ruhig ver-
hallen £u lassen. Sowohl objectiv in seinem Gegenstande,
als aubjecliv in unsrer Einbildungskraft und Empfindmig
bringt er eine oteligo mid iinunterhiodien auaammenhäii-
gende Folge hervor. Wenn der lyrische und tragische
Dichter (welche in so fern in Eine Classe gehören) uns
Digitized by Google
oft slofeweise führen > lUMt uns zulelzt piöUÜeh 4iBf eiii«r
•tetteB Hdhe verlai86n; «o jarehlägft «r 4^ gamanKreisr«
lauf, sowohl objedhran det Lebens, alg den «iljedivcii
der Empfindung:, mil uns. Denn er wüi nicht durch Einen
plötzlichen und enUcheidenden 5treich Rührung und £r-
BobiMeniag, aondoni dureh EkeamA und TntaÜlftl de«
GaiiMn Efhebong und Ruhe bewirken. Wes- dso dlie Le-
ben als eine 1 oli;e , und eine Folge mannigfaltiger Ereig-
nisse, als em Ganzes charakterisirt, dies findet man iu ihm
ToUsfeändig» aber in einer • einsigen Handlung dargestellt^
wieder.
Line entschiedene lüchtung zur epischen Dichtkunst
kann daher niemand, als demjenigen eigen seyn, der lieber
in der äuüsem Wirklichkeit, ak abgesondert und surückge-
lOgm in «eh lebt, der eieh mehr mit dem wirklichen sinn-
Hchen Daseyn der Dinge, als mil dem abgezogenen Ge-
danken und der von aller untnitlelbaren sinnlichen Gültig-
k»i e n t b lößten Empfindung beschädigt; und wiederum« wer
hierzu «neu entschiedeneh Hang hat, und damit dichteri-
sches Genie verbindet, dessen Hichtung konn nicht anders,
als gleichfcdis entschieden episch genannt werden. Dadurch
begreift, man noch besser, wie sich in dem epischen Ge-
bebt auf einmal alles vereinigt, woraus die klarste Objec-
trrität, die lebendigste Sinnlichkeit, der tliäligste Math, die
gröfsesle Fülle der Kraft, die allgeiueinsle Harmonie her-
vorgeht, und wie sich diese Gattung nothwendig ^auf den
tJmlsng der Welt und die Dauer des ganxen Lebena. aus-
dehnt Denn die auf Einen bestimmten Punkt gerichtete
Empfindung (um die Natur der epischen Slinimung an der-
jenigen, die ihr geradezu entgegengesetzt ist, zu^ aeigen) ist
immer ein Zustand der Spannung und Anstrengung, der
aiebt andein^ als nur Momente lang wäu-en kann.
Wenn man das epische Gedicht seines dichterischen
Digitized by Google
IM
Gewandes entkleidet, so bleibt dasjenige übhg, was die
GcfdiMite in ihrer f^eistvolbten Behandlapg, md die N*>
lurbeechreibttng in ihrer grSlsteii AUgenicinlieit gewülut —
ein vollkommner üeberbiick über die Menschheit und die
Natur in ihrer Verbindung. Der wesentliche Lnlerschied
liegt nur in dem> wes ein reines . Werk der EinUldongs*-
kmft ist, darin nemlich, dafe der Dichter, um sü ^nem so
allgeaiciiicn Ueberbück zu führen, lüchl, wie jene, wirklich
der ganzen Vollständigkeit der Objecte bedarf, sondern ei»»
nen subjectiven Weg kennt, aach ▼ermiUelst eines einiigeii'
Objecis gerade dasselbe und in der That noch mehr lo lei»
slen, da er das Gcmülh in eine gleichsam unendliche Stim-
mung versetat, in der sie über jede, möglicherweise gege-
bne Anzahl von Objecten hinausgeht Unter allen Dieh^
t»m steht daher der episdie auf dem hödisten Standpunet,
und geniefst der weitesten Aussicht , und jmler allen Dich*
tungsarten ist die epische am meisten fähig, den Menschen
mit dem Leben au vemShnen, und ihn für das Lel>en taug-..
Üch' Btt machen.
Zugleich aber kommt keine andre Dichtungsart dem
einfachsten und remslen begriff der Kunst, der bildüchea
Darstellung der Natur> so nahe, und verbindet damit so
vollkommen auch den eigenthunüichen Vorsug der DichW
honst, die Schilderung der Folge der Erscheinungen und
der Innern iSalur der Gegenstände. Mehr als irgend eine
andre giebt sie augleieh der. Musik Gestalt, und den bil-
deaden Künsten Bewegung und Sprache.
Aber «Sese Bewegung ist isuner nur in dem €regen-
stande, sie reiist nicht auch zugleich den Dichter und den
Leser mit sieh fort. Daher ist die Stimmung in betdea
immer mehr verweilend, mehr bildend; da hingegen der
lyrische Dichter noch in einem bttchstäblicheren Sinn, ala
in welchem Pindar diese Worte braucht, von sich aus-
Digitized by Google
UT
Kern Mdoer bift idi!
Nkht riiWc logenid neui Wirk
«nf welteftden Fulsgoirtell;
Bdii! nrft vollen Segeln,
«tf eilendem Nachen
wallet mein Lied dahin I
Denn in der That folgt er selbst dem Wirbel der Empfin»
dung, tien er schildert, und eill, statt bei einzelnen zu ver-
weilen, iaimer von ,6ild zu Bild, von Emptindung zu Km»
p&uiiing fort Der epische Biditer hält «liee, das, woresi
er echon vorüberge gangen ist, und das, woiu er eben erst
gelangt, zugleich iesl, und vereiijii;t es in Ein Gianzes, der
lyrische bewahrt das, was er hiüler sich zurücklafst, nur
noch -in der Wirkwig aiif> die es aiif daü iimäohai Fol*-
gende «uaübi
LAU.
* I
DeiuütioB der Epope«.
\\u glauben jetzt die Stimmung, aus welcher die Epo-
pee entsteht, und die sie hervorbringt, hinlänglich geschil-
dert SU haben; es bJeibl uns jeUt nur noch übrig, daraus
eme objective Definition derselben ausamnienxusetzen. ^
Aber darin gerade liegt eine nicht geringe Schwierig-
keit Zwar ist es oifenbar, da£s die Epopee die dichteri-
sche Darstellung einer Handlung durch £nählung ist, auch
könnte man noch leicht die Bestimmung hinsufilgen, dalis
die Handlung als ein «innliches, liir steh selbst bestehendes,
von aliem aulser sich unabliangiges Ganzes gesciiildert seyn
mufo, wenn dies nicht von selbst achon in den Worten:
diehterisehe Darstellung, enthalten ¥rMre.
Aber immer fehlt noeh gerade dasjenige darin, was die
epische Stimmung eigenlhümlich charakterisirt, das rein
Digitized by Google
168
DarsteUende, die TolafilSty die Frdhdt von dem Ueberge-
wicht einer einzelnen, alleinherrschenderi Ein])lindiing. Alle
diese Eigenschaften sind au£s höchste nur dunkel in dem
einiigeii Ausdruck: Ersählung^ «ithallen; und seUiat wemi
man sich damit begnügen wollle, to ist daa epische Ge-
dicht dadurch wohl von der Idylle und der Tragödie, noch
gar nicht aber von allen übrigen poetischen fj^nählungea
abgeMndert
Jenen ^genllieh epischen C%arakler durdi objective
nähere Bestimmungen der epischen Haiidlunc: und der epi-
schen Erziihiung auszudrücken, scheint unmögiicL Denn
die lelatere hai ia diesor Hinsicht nicht, was sich einselii
ida eine objective Eigenschaft angeben fiefse; und bei der
crsteren kommt es nicht sowohl aui die Art ( dn wir baid
seilen werden, dais man jede, sogar mnc entschieden tragi*
ache, benutaen kann), als allein auf die Behandlung an. Es
bleibt also nichts übrig, ab die eigenUiümliche aubjective
Wirkung eben so in die Deiinition des epischen Gedichts
mit aufzunehmen, als man dieselbe in der Deiinilion der
Tragödie in der Erregung der Furcht und des Mitleids
adion lange zu sehen gewohnt isL
Hiernach könnte man daher das epische Gedicht als
eine solche dichterische Darstellung einer Hand-
lung durch Eraählung definuren^ welche (nicht be-
stimmt^ einseitig eine gewisse Empfindung zu erregen) un*
ser Gemüth in denZustand der lebendigsten und
allgemeinsten sinnlichen Betrachtung versetzt
Denn mm braucht van nur diesen Zustand genau in
entwickeln, um, sogleich lu allen jenen wesentlichen Eigan-
schaften der Epopee: der reinen Objectivität, der lebendi-
gen Sinnlichkeit, der vollkommenen Totalität, und der Ab-
wesenheit aller soIcJier Parteilichkeit^ welche die Freiheit
4er Ansicht verhinderte^ von selbal an- gelangen.
Digrtized by Google
IM
• Dkl Uaupimerkmahle in dieser DefiDiüou siod, wie man
kiebi gewahr ¥fird, dar Bagiiff der Uandluog und der
Ersihlung. VorzOglicli ist der ielitere iviclitig^ vm welr
chem auch die ganze Gattung ihren Namen erhallen hat
Streng genommen häUe man aus diesem zugleich ihr gan-
«ea. WeacD ableiten kdmien. , Denn wat nur enählt wird,
das- wird schon dadurch yon sdbat in eine gewisae Feme
gestellt; das kann daher nicht so unmittelbar auf ^e Em«*
plindung einwirken; das wird mehr in das Gebiet des Ver-
standes und der blolsen Betrachtung gesogen; das sieh!
man daher nni gröberer Unparteilichkat, mii mehr Ruhe
an ; da\m kann man endlich, da es ein abgesondertes Gan-
ges für sich ausmaclil, mehr Verbindung, mehr Totalität
aiitochen. AUein es hätte wilikührlich scheinen können,
ao viel aus einem ainsigen Begriff absulatan» und auf alle
FSUe war es methodischer, auf allgemeine Quelle aller
ästhetischen Wildungen , ;ui{ die Natur des Gemülhs und
der Einbildungskraft, zurückzugehen.
Lvm.
Üntenchied zwiacben der Kpopee und der TiagÖdie.
Unter den ülirigen Diditungsarten giebt es vorsüglich
drei, welche leichl mit der Ep<^e verwechseli werden köiH
nen: die Tragödie, die mit derselben im Begriff der
Handlung, die Idylle, die damit im Begriff der Krzäh-
Iung> und die ganxe übrige Classe erxählender, aber
nicht epischer Gelohte, die in beiden mit ihr xusammen*
kommen.
Die Tragödie hat man, wenigstens eine lange Zeit
hindurchi für so nahe mit ihr verwandt gehalten , dafe man
sie zum Theil sogar eine nur unmittelbar in Handlung ge*
seizlc Lpopee genannt hat; und so lange man gewohnt
Digitized by Google
170
war^ alle ästhetischen GrundsuUe allem aus den Mustern
der Allen sa entwickeln, konnte e» diMtr Meimiag mekt
an Anhängern fehlen. Denn bei den Griechen «ntftaad die
Tiagüdie nicht allein in der That aus dem Epos, sondern
sie blieb auch in ihrer höchsten Vollkommenheit noch im-
mer .in hohem Grade episch, so "wie die dichterische Stirn*
mung der Alten sieh überhaupt auf eine sehr flberwiegende
Weise zu dieser Seite hinneigt. Untersucht man aber da*
Wesen der Tragödie zugleich tiefer und allgemeiner, und
sieht man vorsüglich auf die Forderungen, welche dieselbe
an die Natur und die Stimmung des Dichters macht; so
überzeugt man sich leicht, dafs nirgends sonst BWei sich
übrigens ähnliche DichUutgsailen so weit auseinandergehen,
und sich so geradezu enlgegengesetst sind, dals das Wesen
der einen nie sichtbarer, als durch eine Vergleichung mit
der andern ins Auge fallt Diese Hoffnung, ein noch hel-
leres Licht über die Natur der Epopee zu verbreiten, ist
es, die uns einladet, hier noch bei der Tragödie einen Au-
genblick SU verweilen.
üeber den Begriff der Tragödie ist man ungleich frü-
her, als über den der Epopee, einig gewesen. Dafs die
tragische Handlung auf eine einzige Katastrophe hingeht,
da£i diese Katastrophe den Menschen im Kampf mit dem
Schicksale zeigt, und in dem Zuschauer Furcht und Ifit-
leid zu erregen bestimmt ist, sind fast allgemein angenom-
mene Merknijihle desselben. Offenbar war indels der be-
griif der Tragödie auch leichter tu entdecken, als der de«
epischen Gedichts, da jener sich hur auf die Stimmung des
Gemülhs zu einer einzelnen Eniplmdung, dieser aiü^ einen
ganzen allgemeinen Zustand desselben gründet
Denn darin liegt gerade der grodse und mächtige Un-
terschied , dafs die Tragi^die auf Einen Punkt y^rsammelt,
was der epische Dichter auf eine unendliche Fläche aus-
" 'itized by
17i
UmU. ßekb kommen im Begriff der Handlung, und foig«
licli der 0b|6ctivilät, beid« in d«a aligeoieiiieii Fonfenrngtn
d«r Ktmit mit einander ülberein ; um abo » ihren Restdta«
ten 80 weil auseinanderzugehen , müssen sie in der ur-
sprünglichen GemüUisstiiuniung versclüeden scyn, weiche
die fiinbiidniigaknift nur dichleiiscfa bearbeiUt* und g^erede
de iat es auch in der Thal, wa ^hre oonliMtir«nde Indin-
dualität allein anzutreffen isl.
Dem epischen Gedicht haben wir den Zustand der
sinnlichen Betrachtung, also einen objectiveui ruhi-
gen und mehr intelleclaellen, augeeignel. Indels ist ea na«
türlich, tiais tlaiuia in dnj sein Zustand die Empfindung nicht
schweigt; dflTs sie vielmehr in ihrer grüfseslen Energie zu-
gleieh mit rege wird. Und wie. sollte sie es nicht? da s»
gvelae und uns so nahe liegende Gegenslände, ab dai Schick-
sal und die Menscliheil, alsdann vor uns da stehn, und
H^Qh unser Blick so erhellt und gestärkt ist, dafs er sie
in ihrer reinsten und eigenthümlichsten Gestalt durchschaut
Wir haben dies im Vorigen nicht besonders herausgehoben,
weil es nch in der That von selbst Tersleht; diesen An-
theii der Empfindung an der Wirkung des epischen Ge«
dichte nicht besonders mit in Anschlag gebracht weil er ia
einer schon ursprünglich sinniichen, und noch datu alleia
durdi die Hand der Kunst suberdteten Stimmung unmög-
lich fehlen kann. Aber jelzl da der Tragödie die Em-
pfindung gewisser Mafsen, als ein ihr ausschlieüdich an-
gehörendes Gebiet angewiesen werden soll, ist es notb«
wendig dies genauer auseinandersusetEen. Alierdmgs wvd
also duicli den epischen Dichter die Eiiipfimlung erregt, er
hürie auf JJichter zu seyn, wenn er nicht sogar seine Haupi-
wttkuog darauf hinrichlen wollte; allein was durch ihn in
Bewegung kommt, ist der ganse empfindende Mensch, nicht
eine eni^elne Empiiudung; es ist ferner keine, die wir auf
Digitized by Cvjv.' v-c
172
Ufifiern gegenwarligen augenblicklichen Zustand, vielmehr
eioe^ die wir, da ne dureh einen, in eine giawiBse Feme
gestellten Gegenstand enregt wird, aligemeiner auf nnsre
ganze Lage, unser ganzes Daseyn beziehen ; es isl endlich
noch weniger eine, die unmittelbar durdi die Gegenwart
des Objeds geweckt wird, es ist immer eine dritte Person^
der Enillder, noeh iwischen diesem wid uns-, und so gekl
auch alles in uns erst durc h unser intelleclucUes Vermögen
hindurch, ehe es unser Gefühl zu berühren im Stande ist
Dieser Unterschied ist überaus fühlbar, wenn wir die
Erwartung vergleichen, welche die Losung des forchftareii
iütthseis, woran Ocdipus Schicksal hängt, und welche der
Kampf Hektors und Achills in uns erregt. Wie migleich
ängstlicher und qualvoller ist jene, wie vielmehr blofii ruh-,
rend und wehmütfaig diese! In beiden Ffilien ist misie
Furcht, unser Mitleid gleich stark. Aber der Ton dieser
£mplindung ist anders, da in jenem der Ausgang noch nicht
entschieden ist, noch er selbst, in diesem nur seine £raäh-
Inng erwartet wird, er selbst aber längst da gewesen ist
Hat der Dichter in diesen beiden Fällen diese Verschieden-
heit wohl zu benutzen verstanden; so belinden wir uns in
den ersteren in der vollkommensten Ungewüsheit, selbst
dann, wann der Erfolg uns schon vorher bekannt war, und
empfinden in dem letzteren, auch noch völlig unbekannt
mit der Begebenheit, nur die sanfte Schwermuth, in die
ans eme traurige Vergangenheit versenkt, wenn, die £rin^
nemng aie wieder surückruft.
Diese verschiedene Einwirkung erklart sich natürlich
aus der verschiedenen Form beider Dichtungsarten, dafs
die eine uns aum Zuschauer ihres Gegenstandes macht, die
andre ihn uns nur, wie aus einer beträchtlichen Feme,
durch Ueberlieferung auföhrt. Aber dafe gerade diese For-
men ihnen beiden nothwendig und wescnliich sind, dies ist
tfl^ wiui ihren Charakter besiimmt. Denn in der Tluii la»>
§m sich alle Rigenachaften der Tragödie am leichteateo
aua dem Begriff der lebendigen Gegenwart, in die ne
ihren Stoff v ersetzt, abl* Hen, so wie sich aus dem derEr-
aählung alle diejenigen entwickeln lassen, weiche daa
qiiacfae Gedidkl von ihr unleracheiden. Da alier nichl
gleich gut auch seine übrigen Eigenlhilmlichkeiton darauf
herHiefsen, so WcU' es besser, eine aiidre Methode des Rai-
■sonnemcnto» als diese» su erwählen.
r
LJILIV.
Die Tragödie erregt eine bestimmte Kmpfirulung, and iüt daher lyrisch.
Der ZmUnd einer beetimmten Empfindung itt abe
derjenige, auf welchen der tragische Dichter hinarbeitet,
und die Tragödie ist in so lern nur eine besondre, aber
Bogieich die höchste* Gattung der lyrischen Poesie"); eine
*) Es wild befremdend scheinen, die Tragödie hier so diclit an die
lynsdie Poesie aagesckloasen za sehen. Allein man erisBere sich,
ilafs ich fon ihr Itier nur im Gegensats gegen die epische ledi^
nnd dals der Weig meiner Untemuchvng mich gerade aof den
Pnnfct fahrt, in weldieni der Untencbied zwischen bdden am
schärfsten ins Auge fallt. Ich habe nemlidi die Dkhtangsarten
nicht sowohl nach ihrer äiifsern Form, als nach der Stfaumnng
unt<'rscIii< <U n , die sie in dem Dichter voraussetzen und in dem
Leser hervorhringeii. Nim ist der einfachste Unterscliied zwischen
der Kpopre niu\ Tragödie unstreitig: die vergangene und die
gegen w ärtijje Zeit. Jene erlaubt Klarheit, Freiheit, Gleich-
gültigkeit; diese bringt Erwartung, Ungeduld, pathologisches In-
tensae herfor. Daher drängt dio letatere das Gen&fh in ak&
aelhst zur&ck, da die Bpopee den Menschen viehndii in die Klai^
heit der Gestalten heranafuhrt. Dadnrdi nun eignet sich die Tra*
gddie offenbar der lyrischen Gattong an. üebilgena aber lit äe,
als die Daiatellong einer Handlung, elken so sehr als daa Epos
nnd Yollkommen plastisch. Die Hauptgesetze derselben werden
sogar nur a\)8 ihrer plastischen Natur hergeleitet werden 1^önnpn;
aber da sie alle darch den lyrischen Zweck, die Erregung derKov»
174
betondhre, weil sie eine gewisse einzelne Empfindung ku
erregen streU; fie httehste, weil sie dieie Wirkung dvtftk
einen äufseren Gegenetand, toeh <Ue Danrteli«mg eiver
HandluDg, erreicht
Da die Empfindung überhaupt in jeder dichterischen
Stimmang so stark und so allgemein ala niSglick wirksam
seyn mufs; so kfilt man den Untersdried der beiden Oe-
mülhszustände, welche den epischen und tragischen Di( liter
bilden, am besten daran fest^ dafs in jenem mehr das Ob-»
je et, in diesem zugleicb stärker das Subject herrscht.
In jenem suchen ^r Gegenstände, und verknüpfen ne so
•
einem Ganzen; obgleich dies Ganze nothwendig Eindrücke
in uns zurückläfst, so heften wir uns weniger an ihnen, als
«n ihrer Ursache, fest In diesem baaiehen wir, was wir
sehen, unmittelbar auf unsre Empfindung, «ne Neigung,
eine Leidensthnft wird rege, und sie bestimmt nun allein
den Antboii, den wir an der Begobenlicil nehmen, die sich
vor unsem Augen abrollt Daher geht- in der Tragödie al-
les auf einen einsigen entscheidenden Punkt, gleiehsam auf
eine Spitze, hin: der Gaiii^ ist nicht hlofs ununterbrochen,
sondern rasch, die Entsciieidung ist plöUlich und abgebro-
m II ■ ».
pfiMdvngr. modificirt seyn müssen, so irwdon die Getetke der
sehen Poesie gar keine Anwendung auf sie fuidea; da sie hinge-
gen mit den Gesetzen der lyrischen Diclitunfr in (hircligang^igcr
Uebereinstimnuing stehen müssen. So lange man dalu r hlofs epi-
sche und lyrische Poesie unterscheidet, mufs die riagudie wiik^
, lieh mehr der letzteren, als der erstertn beigeicäldt werderi. Ln-
sti^itig aber vSie'es besser» alle Poesie in plastische and ly-
riBcKe, «od die eistcfe uried^r in. epiecbe «nd drämatieche
(unter der icb hioh die Im^ehe Tentdie, da die Kemedie
eine gann eigne Brörternng fordert) abautiieilen« Abdann wirden
■He Gesetz« der plaatiachen Dielitang zwar angteieb i&r die Tra>
gödie gtlten{ ab«r wum würde bestimoit fiiblen, wie mit dem Be«
griff der ppfrenwärtigen Handlung unmittelbar auch der Begriff der
Empfindung und nntitwendige Rücksicht auf die allgemein lyri-*
sehen Uesetoe gegeben ist«.
Digitizod by C<.jv.' .ic
176
cheii, da iungegeu in der Epopee alles gleidtsam in sidi
«urödkkehrly immer dnen geacbloMeii»! Kreis durchläuft.
In der Tragödie hemeht inuiier Eine Art des Cha»
raklers, clei' ücsiiiiiimg, lier Ilandiungsweise ; wenn meK-
rere auftreten, so erscheinen sie im Kampf, jede will ihr
Reciit in dem Gemüthe des Zusdiauers allein bebaupten^
und die lassen es am Ende auf Sieg oder Niederlage an-
kommen. In der Epopee erhebt ihr mannigfaltiges Entge-
genwirken den Zuhörer über sie alie^ statt ihn zum Theil-
nehmer an einer einseinen Partei su machen, and ihn selbst
in den Kampf mit herab»ieiehen. In der Epopee werden
ferner nach einander alle Arten der Empfindung en cgL, das
Lächerliche und das Tragische, das Sanfte und das Erha- .
hmOf das Furchtbare und das Liebliche, alles steht harmo-
nisdi neben einand^, und wir umCssien und bewahren aW
ks tugleich, d. h. t^ser Gemfith befindet sich in ein«r
Lage, in welcher es keinem dieser Lindrücke gana ange-
hört, sondern eigentlich nur für alle Sinn hat, allen oflea
sMit. Die Tragödie hat, wenn sie vollkommen ist, den»
soiben Umfang der Töne, aber jeder föUt onsre Seele in
dem Augenblick, wo er erschallt , ganz un<J ungetlieilt ; sie
wirken nicht nebeu, sie wirken nach eioaDder, das Resultat
ist kein Ganzes, worin aUe diese Elemenle sv^leich vor-
handen sind, es ist etwas Neues, bewirkt dureh eine Rdht
durch sie successiv hervorgebrachter iModificationen,
Die Epope« b^chäftigt zwar zugleich uusre ^inne und
unsre Empfindung; aber da sie uns überhaupt nur lur Be-
schauung und Betrachtung einladet, so lafet sie uns in ver^
weilender und ruhiger Mufse. Die Tragödie reifst uns in
ihren Gegenstand mit fort, zwingt uns zur Theiinahme an
ihrer Haoittwig selbst. I>ie erster» nährt und bciekfeert
daher unser Vermögen, unser Wesen im Gänsen; die Jejksi*
tere stählt vorzüghch die Fähigkeit, dies Vermögen aurei-
* -
Digitized by Google
m
nen einzelnen Punkt zu richten, unsre Krafl zum Entschlufe
und Sur That. Die Epopee führt uns in die Welt hinaas,
in eine freie heitre und eonnichte Natur; die Tregödie drängt
uns in uns seibel zurück, und mit denudben Schwert, mü
dem sie ihren Knoten zerhaut, trennt sie auch uns auf ei-
nen Augenblick von der Wirklichkeit und dem Leben , das
sie uns überhaupt weniger su Meben^ als mit Mulh su eni-
bduren iehrt.
LXV.
Worin bdde lÜchtuiigsarCen mit «iiAttder nbereiiikmnnenY aad woiia
•ie Ton einftiider abweicben?
Will man ouninehr den Unter:: clii cd beider Dichtungs-
arten ^ nachdem man sich desseiben im Aligemeinen nach
der Erfahrung und dem wirldicfaen Eindruck versichert hat,
auf durchaus bestimmte Begriffe zunickführen, so nuils man
zuerst auf die Entstehung jeder Dichtungsart, darauf nem-
üchj dalB die dichterische EanbiidungdLraft einen Zustand
bearbeitet, den sie in dem Gemfitfae schon vorfindet,
rückgehn, und hernach gcuau ditsjcuigc al>süiuleiii, was
beide^ sowolii in der ihnen zum Grunde liegenden Ötitu-
mung, als in ihren ietaten Resultaten» mit einander gemm
haben. Denn nicht darauf, * dafs die eine einseitiger oder
weniger vermögend wäre, sondern nur darauf, dals bei bei-
den in dem gleichen Umfang und der gleichen Wirkung
dieselben Bestandtheile anders gemischt sind» beruhet ihr
Unterschied.
Mit einander gemein nun haben beide:
1. dafo, wenn die Sluumung, aus^ der sie hervorgehn,
▼ollkommen seyn soll» in derselben der ganze Mensch» sein
empfindendes Wesen eben so wohl» als sein betraohteodes»
thätig seyn muis;
Digitized by Google
m
2. Mb e» dieselbe ^hhüdnogakraft» dieselbe Kanal isl^
welche beide bildet^ und deren Gepräge sie gleich stark an
sicii tragen soUen.
Verschieden aber sind sie hingegen dadurch:
1. ' dalky obgleich beide alle ' unsre KiSfte in Bewegung
setzen, ^ese doch bei jeder in andrem VerhültniTs ond anf
andre Weise gemischt sind, jeder also ein verschiedner Ge-
müthszusland, der Epopee der der Besdiauung, in dem das
Objeciy der Tragödie ein in einer bestimmten Empfin-
dung determinifter, in dem das Subject herrscblj tum
Grunde liegt;
2. dafs diese beiden^ so wie sie an sich verschieden sind,
eben so lidi auch verschieden lu der Natur der Kunsl
▼erhalten I und'ddier, von ihr bearbeitet , wieder verschie»
dene Resultate geben.
J>er Zustand der blofsen Betrachtung führt nothwendig
Ruhe» und (in so fem als unser Verstand darin eine be-
deutende Rolle spielt) ein Streben nach ToiaBtSt mit sich;
aber er Uilst unser Gefühl sehr unbeschäftigt; unsre Sinne
selbst wirken nicht lebendig, unter ihnen vorzüglich nur
der kälteste, das Auge» mit.
In dem Zustande der Empiitidung haben wir unmittel-
bar Einen Gegenstand im Auge, und befinden uns noth-
wendig in einer gewissen Spannung und Unruhe; aber der
game sinnliche Theil unsres Wesens ist m steriler und le-
bendiger Mitwirkung.
Wenn nun iäe EinbildungskrafI diese beiden Zustände
in dichterische Stimmungen umwandeln will, so hat sie dem
ersteren ihre Sinnlichkeit, dem letzteren ihre Ideali-
tät au leihen.
Denn der erstere ist ihr der Form nach Üfanlidi, der
Materie nach aber unähnlich; sie mufs ihn daher mit neuer
Kraft ausrüsten; aber die Ruhe und Totahtäi, die sie im*
IV, 12
Digrtized by Google
m
uer mit si«li fuiul^ gelieii doj^^li sUik uud fiUUiiar da-
rauf hervor.
Beide aber soU aie auch in dem andern, der, gerade
umgekehrt, in der Materie ihr ühnlich) aber in der Form
ihr entgegengesetzt ist, geltend machen. Hier braucht sie
alao eine andre Art der Kraft» eine aolche» weiche aus yn-
derapreebenden EUementen telbat, eiwaa Neuea ta acbaffen
vermag.
Hierbei müssen also auch durchaus andre Resultate
entstehen.
Um neben der unabänderlichen Einseiligkek der Em-
pfindung nicht ihre Anforderungen an Totalität aufzuge-
ben, muis sie, st^tt eine unendliche Fläche vor uns auszu-
breiten , einen einaehien Punkt so gleichsam achwimgera»
dafs in ihm allein alles enthalten sey; statt iden Menschen
mid die Weit eigentlich darzustellen, einen solchen Zustand
der Empiuiduiig hervorbringen, iu welchen der volle Ein-
4lrttck ven beiden überg^angen ist, und aus dem das innigpa
Gefiihl fiir beid^ gleich leicht und voU auaatrömen kann.
Um bei der unruhigen Anspannung, die mit der Em-
pfindung immer verbunden ist, noch die ihr eigenthümliche
Ruhe tu behaupten, muis sie den verwegnen Schritt wa-
gen, den Menadien und £e Welt, die aie nicht mehr s|i
aehliehten und «u versdhuen v im Stande ist, durch einen
kühnen Streich auf einmal von einander zu treimen, und
dem ersteren dadurch seine Ruhe wiederxugehen, dafs aie
ihn, alle, seine Kraft -in ihm seibat versammcM/ unabhän-
gig und aelbstthatig macht.
Da nemlich hier in dem ursprüogüchen Zustande des
Gemütlis, und in dem, welchen die Kunst herrschend mao
eben wÜl, nichts wie bat dem epischen Dichter, von selbst
Harmonie vorhanden ist, so k^nen beide nur durch die
Lösung des Widerspruchs verbunden werden, in dem sie
179
stehen, und in der Slimmung, die hierdurch bewu'kt wird,
bleibt immer etwas Gewaltsames und Heftiges übrig. Dies
aber wird in dem Grade gemildert werden, in welchem der
Dichter mehr seine Natur, als jenen ursprünglichen Zustand,
die Heftigkeit der Leidenschaft, heraushebt ; und wie sehr es
ihm hierin gelingen kann, lehrt uns das Beispiel der Alten.
LXVI. ^
Warum die Werke der Alten vorzugsweise eine so groCse Rohe
hervorbringen? <
■ r
Ein scharfsinniger und geistvoller Kritiker hat bemerkt,
dafs die Werke der Alten eine hohe und würdige Ruhe
hervorbringen, da uns die der Neuern hingegen in einer
unruhigen Spannung lassen; und diese Bemerkung ist, wenn
sie sich auch nicht so durchgängig beslätigt finden sollte,
da man wohl Sophokles Oedipus gegen das Erstere, und
Götlie's Iphigenia gegen das Letztere anführen könnte, im
Ganzen gewifs äufserst wahr.
Die Allen bringen allerdings mehr Harmonie und Ruhe
hervor: ^
1. weil sie durchaus mehr episch, als lyrisch sind;
2. weil sie die reine Natur der Kunst vollkommner dar-
stellen ; -
3. weil sie sich diese Arbeit weniger, als die Neueren,
durch einen an Gedanken - und Empfindungs - Gehalt zu
reichen Stoff erschweren. ^ - *
Lxvn.
Unterschied zwischen der Epopee und der Idylle. — Charakter der
letzteren in Rücksicht auf die Stimmung, aus der sie lierfliefst.
Noch weniger als die Tragödie, ist die Idylle bisher
von der Epopee durch sichre und zugleich wesentliche
12*
16«
Merkmahle tnlersehiedeii worden. Die erttere konnle^ da
sie eine ihr allein eigenthOn^ehe^Form hal, wenigstens nie
mit derselben verwechselt werden; die Grenzen der iris-
ieren hingegen scheinen mit denen des epischen Gedichts
wenigstens in einielnen Fällen w ia einander wa laufen^
dafs man niehi sowohl fragen darf, wie? als vielmehr ob
beide nur überhaupt so wesentlich von einander verschie-
den sind, dafs sie in l^einerlei Ausdehnuns^ (die man ihnen
beiden I und swar innerhalb ihres Begriffes, stt geben im
Stande ist) mit einander susammentreffen? Um dies ge-
hörig zu untersuchen, wollen wir von dem gewöhnlichen
Begriff beider Dichtungsarten ausgehen, und sehen, wohin
uns die genauere Entwicklung desselben (Uhren wird.
Unter dem Namen der Idylle pflegt man den ganzen
Tlieil der Poesie zusammenzufassen, welcher mefir ein häus-
liches Familienleben, als eine Existenz in gröfseren Ver-
hältnissen, mehr ruhige ab unternehmende Charaktere, mehr
sanfte und friedliche Gesinnungen/ als heftige Aufwallungen
und Leidenschaften schildert, und vorzugsweise bei der
Freude an der Natur und in dem engen, aber lieblichen
Kreise unsehuldiger Sitten und einfacher Tugenden ver-
weilt. Wo also diese Einfalt und Unschuld herrscht, da-
hin versetzt uns der Idyllendichler, in das Erstiingsaller der
Menschheit, in die Well der Hirten und Pflüger. Mit der
£popee hingegen verbinden wir vor allem nur den Begriff
der Darstellung einer Handlung, und verbannen jene em-»
fache Unschuld so wenig aus derselben, dafs sogar einige
der lieblichsten und anmuthigsten Id^ llenscenen in epischen
Gedichten enthalten sind , wie s. B. die Hochseit der Kin-*
der Menelaos in der Odyssee, und die Ankunft Eminias
bei der Hirtenfamilie im Tasso.
Die einzigen Unterschiede, die sich hiemach festsetzen
liefsen, wäreu also blofs die, dab die Idylle wenigstens nio
181
wen heroischen Stol^ oder herokwii» Charaktere aufnimoM»
und ilafii sie nidit, wie dw £popQ«| juidiwesdig Uandkaf;
Imittcht. AUein aueh von dem epwdleii Gedidit isl eBw«--
nigstens noch nicht ausgemacht (und wir werden diesen
Punkt gleich in der oige berühreu), oh es eolhwendig ei-
nen litroiadien Stoff dareieüeti mui»; und die Idylle kenn
durcbans vell Hendlung seyn, ohne daram Weniger IdyÜe
zu bleiben. Um daher auf völlig bestimmte Gieiizeii zu
kommen, muis maa eioeo aadren und mehr -methodischen
Weg einschkigcii.
Des Anediucks der Idylle beiyent man sich nidit hiolsy
um eine eigne Diciilungsart zu bezeicJmen, man ge-
braucht ihn auch, um damit eine gewisse Gesinnung» eine
Empfind ungs weise amudeulen. Man redet von Idyllen»
•ÜBunungen,. IdyUennaturetL Die Eigcntkfinüichkcü der
Idylle mufs sich daher auf eine innere besondre Eigenthüm-
hohkeit des Gemuths beziehen, scy es nun eine vorüber-
gdiende, eder eine bleibende^ die aich dem Charakter aeih#t
b^igennseht liat Dadmch also unterodieidei sie aich luerst
von der Epopee, dafo sie immer ans einer eimehien imd
einseitigen y die letztere hingegen aus der allgemeinsten
Stimnanig des Geistes ent^ringt ; und gerade in demselben
Vobäbnisse siebt sie auch «ur TragiMie. Denn die Tra-
gödie erhält, wenigstens in ihrer höchsten Vollkommenheil»
gleichfalls der Seele die Freiheit, sich gleich lebendig nacli
allen Seiten hin zu bewegen^ weckt alle Kräfte im Men-
schen sugleich/ob. sie schon ihr Verhältmfs sn einander
anders, als der e|MScfae Dichter bestimmt Die Idylle bin*
gegen schneidet willkührlich einen Theil der Welt ab, uiu
sich allein in den übrigen einzuachlielfien, hemmt wilikühr-
bch Eine iUdäiuig uosrer Kräfie, wn allein in der andepn
ihre Befiaedigmig zu finden. -
Wo wir dies im Leben wirklich auireÜeii, da er^clit^ail
Digrtized by Google
m
es uns aig eM Üeschränkung , obgleich ^ da sie gerade die
JMticbtle anwalhiifte Seite der MmMkkml, ihn Vep^
wmdtedhaft nni der Netitr) herrerlreten mmkk, allemal ab
eine solche, die lmh gewisses rührendes Vergnügen gewährt.
Die Kunst aber tilgt auch das selbst, was «Inrnn Beschrän-
Inmg B|l^ noch ans,- indem aie diee £iii»chiie£Beii in eiMB
enget es Kreie nielil blofii aus freiem Willen, eendem aap
der innersten Natur selbst hervoriielicii l.ilst, aus einer In-
nigkeit und Naivetät der Ernpüudung, die sonst aiebi ua*
gestört ausströmen könnte.
D^nn offenliar sind in dem moraHschen Menschen svrei
verschiedene Naturen sichtbar, eine, die mit seinem physi-
schen Daseyn geradezu übereinstimait^ und eine, die sich
xuersl von demselben losmacht^ mn rmcher und gebildeter
teu inrÖeksnkehreB. Vermöge der ersteren ist er gjneli-
»am im dem Boden ieslgewurzelt, der ihn erzeugt hat, und
gehört selbst als ein Glied zur physischen Natur, nur dafs
er nicht ans Noth an sie gefesselt, sendem freiivälig durdi
Liebe n>l ihr verbunden ist Die Idylle nun behandelt nie
mehr als die erstere, so wie sie immer nur aus einer ihr
angehörenden Stimmung entspringt Sie hat daher einen
«gcran Kreis^ in den sie aber dannn nicfat weniger GebaH
Ar däa Oebt and die Empfindung, nicht weniger Seele «m
kgen vermag.
Outtikter der Idjtl» 1a ftiuksidit auf 4«n Ckigenitaaa, d«a sie
tchililert
Diesem Untemcfalede in der Wirkung/ weiche beide
Dichtungsarien hei^orbringen , entspricht xngleich ein ana-
loger in ihren Objecleni oder wenigstens ui der Behandlung
derselben;
Digrtized by Google
183
Das Nalur-i^aseyn des Menschen kann sich niclit durch
eimekKe Handlungen , sondern nur dureh den ganzen Kreit
d«r gefwfibnlMlMi TMligkeil, dinreh die gMiM Ali dM
bens beweben. Der PMiiff^r, der Hirt, der füHe Befwolner
einer friediichen Hülle übeiliaupl, kann nur seilen ( und
d«iio geht er achon immer aus diesem Kreise heraus) auf
OMefaie -bedeiileiide Unteraehimingen 8lo6en; was ihn Im-
g etc h net', ist nidit, dab er heute* dieses iNler jenes gelhan
hat, sondern dafs er es morgen wiederlioU, dafs er so eu
leben und zu handeln gewohnt ist; man kann nicht von
ihn eKjUüen, man mufii ihn beschreiben. Das Object der
Idylle ist daher immer ein Zustand, das der Epo[vee eine
Handlung des Menschen; jene ist innner nur hescli rei-
ben d, diese durchaus erzählend.
Daher ist alles, was nur dureh gewalteaoie Untenisli-
mtangen «i Stande kommt, so wie alles, was aus dem ge*
Wülinlichen Kreise der Existenz und des Ivcbens heraus-
geht, Krieg und Blutvergielseu, jede heitige LeidcuschaH,
die unruhige Thäiigkeü der Wilsbeg^rde, ja der gtnne
Fevsdnmgsgeist fiherlMupt, wieldier der Kennlnifii der
gensliiiide manclimal ihr Daseyn aufzuopfern bereit ist, der
Idyllenstimmung suiwid«'.. Wie soille der ^iensch, dessen
geniee Wesen in der reinsten Harmonie mit sich selbst,
sdnen Brildem und der Natur besteht, aneh nur des Geh
dankens an eigenmächtige Zerstörung fähig seyn? wie sollte
er, der alles, dessen er bedarf, m der Nähe um sich herum
findet, unruhig in eine weite Feme sdiweifen? was könnte
er endlich noch bedürfen, au&er dem ruhigen Daseyn, dem
Genufs und der Freude am Leben, und dem stillen Be*
Wtt&tseyn eines schuldlosen und unbefleckten Gewissens,
aufeer dem GlüdL überhaupt, welches die Natur und sein
eignes Gemuth ihm von selbst und üreiwälig datbielen?
Wie die Natur selbst, mufii sein Daseyn in ununlerbroche*
Digitized by Google
184
ner Regelmäfsigkeit liinfliefsen , wie die Jahrszeiten selbst,
uuiuen alle Periodea seines Lebens sich von selbst die
«IM «ua 4«r Mdeni mimMa, und wie grafii der Reidi»
tküBi laid die üannigfalti^eil Gedenken und Einpin»
düngen sey, die er in diesem einfachen Kreise zu bewah-
ren weifs, go mxiis doch darin die Haiinonie das Ueberge-
wicht iMheoplen, die sich nie in «ner einzelnett Aeufiwrusig
leigt, sondern deren Gepräge inraier nur den genneii Le-
hen, dem aanzen Daseyn aufgedrückt ist.
Der idyilendichter schildert dalier immer, seiner I^atur
nach, nur Eine Seile der Menaehheü, und sobald er uns
kl den Standpunkt eteUl, von dem wir anch die andre gleieh
klar übersehen, geht er aus seinem Gebiet her.aus, und je
nachdem er mehr einen ruhigen und allgemeinen lieber«
blick« oder durch die Yergieichnng beider eine bestinunte
Eni|ilindung erregt, in daa der Epopee, 4>der das der Satyr«
über. Denn diese beiden Gallungen, die Idylle und die
Satyre, die auf den ersten Anblick einander gerade entge«
geogeaetat acheinen, aipd auf gewisse Weise nahe mit. ein*
ander irerwandt; und gerade in Satjrrcndidileni findet tnnn
die rührendsten und schönsten Stellen über die Kcinheit
und Unschuld des einfachen Naturlebens, die sonst allein
der Idylle eiganihümlich sind. Beide, die ddjftte aowohl
als die Salyre, schildern daa Verhältnils unsna Wesens lur
Natur, (nur dafs die erstere beide in Harmonie, die letztere
in Widerspruch zeigt) und beide schiidem diesYerhält^
nüi» fiir die Empfindung.
Denn der Idyllandichter steht (und dies bildet wiede»
rum einen mächtigen Unterschied zwischen ihm und dem
epischen) ofienbar dem lyrischen näher. Da er Einer Seile
der Menschheit einen paiteüacben Vonng vor der an-
dm aithcUt, so erregt er dadutdi mehr die Empfindung,
als er daa uitallecliieHe Vennftgen in Thätigkeit setzt, das.
185
immer aiigeaiem uiid uuparlheüsch, immer auch ein Gan-
zes ufioiaisti «
LXIX.
Unlencbled cwischen der Hpopee und andeni enihleaden, mbcr nidit
epii^n GedidiCen*
Je melir wir tüe Epopee von ^ojenlgen IHcbtungsar-
ten^ absondern, welche mit ihr in gewiesen- Punkten fiber-
einkommen, desto reiner erhalten wir ihren eignen Begriff,
desto klarer springt ihre Bestimmung ins Auge, dsfi Gemülh
in dem Zustandet sinnlieher Betrachlungi und iwar in ^
nem Solchen «i befriedigen, in welofaem diese Betrachtung
sich das weiteste Feld gewählt hat, und die dichterische Ein-
bildungskraft ihren Gegenstand auf das sinnlichste darstelil.
Die Tiagddie vnd Idylle unterscheiden sich yon ihr
der Gattung nach , indem ne auf eine beslinmile Empfi»-
dung hinaibcilen ; andre gkiclifalls erzählende Dichtungs-
arten Üieils eben dadurch, theils nur gleichsam dem Grade
nach durch ihren geringeren Umfang und ihre geringer«
diditefis^ Individualität Bei diesen leteteren müssen wir
um so mehr nocli einen Augenblick stehen bleiben, als wir
seihst von einem Gedichte zu reden haben, das sich von
der grolsea- und heroischen Epopee lu sichtbar «itfeml^
um nidit von Vielen dieser eben genannten Gattung bloÜMr
Erzählungen beit;esclirieljeii zu werden.
Diese Gattung nun ist ihrer Natur nach so grols, und
umfiMsi M> venchiedene Arten von Gedieht^, dafo es schwer
istt dieselben unter Eänen allgemeinen Begriff au bringen.
Allein da die meisten derselben, wie z. Ii. die Ballade, Ro-
manze,. Legende, die bU>rse Erzählung u. s. f. so himmel-
waü von der Epopee verschiedm sind^ dals sie- auf keine
Weise damü verwechseH werden kdn&en; so brauchen wir
Digitized by Google
IM
hier nur hm Eum Art dersel^ gtektn ui b lt ib tn » im .
der uns die Alten venäglicli einige Muster hmterlaMeD Imh
ben, und die man bald Fragmente aus grdiaeren epiidien
Gedichten, bald kleine Epopeen selbst nennt, wie z. B. ei-
nige Theokrilische Stücke, llero und Leander, und andre
mehr* Diese kommen in der Versart, in dem Ten der Er-
sSblung, in der Behandlung überhaupt so sehr mit eimsel-
nen Stellen der eigentlich epischen Gedichte überein, dafs
sie sich, wenn nieht einige unter ihnen wirkliche Bruch-
stücke verloren gegangener £popeefi «sind, mir, wie wir
eben sagten, durch ihren geringeren Umfang davon su un-
terscheiden scheiiiüii. Da sich indefs auch für die eigent-
liche Epopee kein absolutes Mais der Lange oder der Gröise
überhaupt bestimmen läOit, so mufii diesem Untenokiede
noch etwas Wesentlicheres sum Grunde liegen.
Wir haben im Vorigen epische Gedicht niil der
Geschichle verglichen; wir haben zu hnden geglaubt, dafs
der Zustand des Gemüths, in welchem es ein Bedüifnüs
der Geseiiichte $m eigentlichsten und höchsten Sinne die-
ses Worls) empfindet, clcaijüiiigcn ähnlich l^I, in weichem
mit Hülfe der Einbildungskraft und der Kunst die Epopee
entsteht. Wie sich nun dlie Geschicble (welche ihren Sieff
immer als em Gances behandelt) von der blofsen histori*
sehen Erzählung (welche sich begnügt, die Begebenheiten
als eine bioise Keihe darzustellen) unterscheidet, so unter-
scheidet sich die Epopee von dem • bleüs historischen Ge-
dieht I^es klstere, das der ersten und hdehsten Bedin-
gun<!j jedes Kunstwerks, ein in sicli vollendetes, unabhün-
giges Ganze su seyn, widerspricht, konnte sich nicht über
die Kmdlieit der Poi»sie hinaus etbalten, und hat i^adiher
immer nur in den Zeiten des Verfaiis des •Gesehmacka
nige seltne Anhänger gefunden. Iis steht ungelatu auf der
gleichen Stufe mit denjenigen Gedichten ^ die mau phdoso-
Digitizod by C<.jv.' .ic
1§7
pliische oder wissetiftchaftiiche nennen kasii, wie wir s. &
»eclB einige Fragmente aas den Werken alter PlnlMopheii
bentaen, und die sieh eben so wesentlich ifwi- der cHdakti-
sehen, einer Gattung, deren Wesen bis jeUL üücIi fast gar
nicht erörtert ist, unterscheiden.
So lange jene hisioriacfaen Gedichte noch das reine
Werk der Natar, nicht das Product emea ausgearteten Ge-
schmacks waren, so lange besafsen sie einen eii;nün ixciz
und eine eigne Schönheit. Dies sehen wir noch jetzt an
Uesiodus Theogonie und seinem Schild des Herkules, i£e
man, obgleich ihr Inhalt eigentlidi mythisch ist, schweriieh
zu einer andern (laltung rechnen kann , da sie sich weder
der allgemeinen, noch der dichterischen Behandlung des
Stoffs naeh, au dem Range der Epopee erheben. Vongiei*
eher Art waren vermuthlich eine nicht geinnge Ansahl von
leren gegangener Gediclite, und namentlich dasjenige ^ wel-
ches die iiuckkunli der griechischen Heiden aus Troja
beeohneb.
Um mon dem kislorischen Gedichte cur Epopee ttber-^
EUgehen, bedm ile es vieileichl nur eines freundhcheren Him<*
meis, einer glücklicheren Organisation^ eines heileren Blicks,
eines mehr durch die Natur begünstigten Dicfatergenies, und
viefleicht war nur dies der Unterschied twisehen dem glück«
liehen Sohne loniciis und dem Bewohner des traurigen
Askra, das, „im Winter beschwerlich und be-
acKwerlieh im Sommer/' dem Genius der Kunst kei-
nen gleich freien Auflhig verstatlete. Nur das epische Ge-
dicht stellt sich auf eine Höhe, von welcher herab es sei-
nen Gegenstand zugleich übersieht und beherrscht; nur der
epische Dichter fafst aUed, was die Weit und die ftlensch-
holt enthält, mit Einem Blicke zusammen ; nur- er beschäf-
tigt nicht blofs die WifsbcgienJe, sondern die nachdenkende
Betrachtung; nur er weckt daher die Thätigkeit der Kräfte,
Digitized by Google
im
durch die wir über den Üreis der Wirklichkeit hioausgeheu«
film darum abw, weil er^ auch 9chon ohiia auf Miua küntU
leriflche Bettinunung wa Mien, «ine weitere Sfdiare wlUla
erfüllt er auch jene liestimmung besser, und stellt auch in
kimsüerischer Hiosichl eiu grölseres und mehr voiiendetea
Games aul
LXX.
Diese Gftttuiig beschreil»eailer Gedidito hat eiaea beschranfctene
Zweck, mle die Bpopee, and steht ihr in dichteascher
VoUewInng nadi.
\yer blofs erzälüt, hat mehr oder weniger nur die Ab-
•ichty eine fiegebenheü- vor die Augen au ateHen; er "ver-
bindet damit allen&Ua noch die andre, entweder eine Lehre
einzuschärfen, und dann nähert sich die Erzaldung der Fa-
bel, oder eine bestimmte £mphodung zu erregen, und dann
iat sie mehr iyiisch. Aber er geht auf nicht» AUgemcinei^
auf nicfata, was dem Menschen irgend das Ganse semer
Lage und seiner Bestimmung vor die Seele führen könnte, -
am allerwenigsten darauf lüoauSi auf eine dichteiiaehe Weise
den Zustand reiner Betrachtung au. wecken.
Dies nun finden wir auch in allen den Gedichtoi, von
denen wir eben sprachen, bcslatigt. In Hero und Lean-
der wird die Geschichte zweier Liebenden erzählt, die
Kühnheit, mit welcher der Geliebte die Gefahren der Nacht
und des Meeres verachtet, um su dem Gegenstand seiner
Liebe zu gelangen, die Giausauikeit des Schicksals, das ihn
den \V eüea zur Beute giebt. So viel Grolses und Sch öne »
aneh in diesem Stoffe .liegt, so erregt er schon unsre fim»
pindung zu stark, um un» die Buhe su erlauben, welcher
unser Geist immer bedarf, wenn er sich zu der Höhe der
Betrachtung schwingen» wenn er einen voUkommnen aüge-
18»
meinen Uebeiiilick gewhiiien mH. Bfai Midier Sieff kann
nicht anders als auf eine spielende, kalte, blois zierliche,
und daher immer kleinliche Manier, ^vie der griechische
Dickter es wirklieh gethan hat, oder erhaben und rührend^
und also wdirhaft tragiscii, behandelt werden. In dem er*
steren Falle liat er iiichl iVic Nalur und die Wahrheil, in
dem letzteren nicht die Ruhe, und mithin in keinem von
beiden die 6H)fse und den UmCang des epiaehen Gedieht^
Noch weniger aber dürfen aich mit diesem die kleineren
l^rziililuiigen messen, die man nur gleichsam Bruchslücke
nennen kann, und die oft weniger den Namen epischer, als
blofa historischer Fragmente verdienen* Sie schiidem ein-
'veloe Handlungen, x, B. Herkules LSwenkampf, oder eine
andre ähnliche Begebenheit, sie stellen dieselben als ein-
zelne Gemahlde auf, versetzen uns zwar ganz und leben-
dig in* ihre Gegenwart, aber halten uns auch in diesem
langen Kreise gleichsam gefangen, ohne uns darüber himMts
auf einen höhern Standpunkt zu führen.
Indefs erfordert die gerechte Beurth eilung dieser ein-
zelnen Stücke eine nicht geringe Vorsicht Da die Einheit
der Epopee, wie wir gleich noch näher sehen werden, von
der Art ist, dafs dieselbe eben so wohl aus einzelnen, vor-
her für sich bestehenden Tiieilen zusammengesetzt, als auf
einmal als ein Ganses gebildet werden kann; «da es mehir
. als wahrsdieinlich ist, dafs selbst die vorsägliGhsten epi-
schen Gedichte, die wir besitzen, die Homerischen, auf diese
Weise entstanden sind : so kann der epische Charakter je-
ner einzelnen Stücke gro&entheils erst doroh ihre Zusam*
mensetsung entspringen, oder wenigstens {^wfls erst in ihr
vollkommen riehtbar werden. Zwar mds der geübte Tact
des Kenners auch schon in dem einzelnen Theil, ja in we-
nigen Versen, diese TaugEchkeil, ein Glied in der Organi*
sation dnes epischen Ganzen abzugeben, zu benrtheften im
Digitized by Google
IM
6iande seyo, und wo sie so deuUich ms Auge fällt, wie
I, B. ia d«a gHUMren Uomerischea HyviM«, da wird
nie» auch von dam minder ErfafanieDy verkannt werdan; Je
schwächer sie sich hingegen ankündigt, deslo mehr giiA
natürlicli diese Krilik ins Feine und Ungewisse,
Bei eolelieii nicht apifichan Enähkoigan ist niiii —
und dicü ükhrt nw aaf den sweilan Untereeliied da wolW i i
von der Epopee — der Dichter in dem Augenblick, da
ame Pbanlasie sie hervorbringt , nicht von der hohen Be-
gdst^ruiig hingeriaean» welelie^ die gama Seele nnt eicli
erhebend, ihr nicht mehr erlaubt, bei einaelnan Geeüdtea
stehen zu bleiben, sondern ihr erst, wenn sie das Ganze
mit ihrem Sinn und ihrer Empfindung umfafst, eiue eoar-
giache Ruhe gewährt Wo der Dichter wirkte ist ee tm^
mer die Einbilduiigskraft, die alleia gesehäftig ist, welche
die Stimmung seiner Seele hervorruft, die ihr selbst analog
ist, che ihn höher hinaufführt, oder auf einer aiedrigeraa
Stufe verweilen läfst Wenn wir im Vorigen bei Geiegeiir
Mt der Methode dar Ableihing tSkr IHebtnngBaiten den
Zustand der Seele im Allgemeinen von derjenigen Modifi-
catioA absonderten, welche ihm die Einbildungskraft und die
Kunst giebt; so darf nHui sich darum nieht vorstelien, dala
dieselbe diesen Zustand sdhon vorfand und nur beaibeitete.
Vieluielir ist sie es allein, welche ihn hervorbringt, aber
freilich darin der individuellen INatur des Gemüths folgte
die eben dadurch auch die ihrige isi
^Kam eraählendas Gedicht, das, wie wir im Vorigen
sagten, unter der Epopee steht, wird daher die hohe dich-
terisclie Schönheit besitzen, welche dieser immer eigen isl^
kains in diesem Varstande ein voUkomflsnes, in siefa -ga»
sehlossenes Gänse bilden. Zwar wird ihm die Eänhait
nicht fehlen tUufen, welche jedes Kunstwerk erst zu einem
achten Froduct der Einhiiduogskraft macht; aber es wird
IH
nidii eine m vo%ii49le> «o sorgfiiUig «uifilHliete, in albn
ihm Thfliien organlsirie Gruppe darsteUeiiy es wird nicbt
ia dem reineu mid hohen objecliven Sinne gearbeitet seyn,
weil es^ .oicht aus einer so reinen und hohen objectiven
Stimmung enispnngt»
Zwiflehen dieser ginien Gattung eruhlmiiler Gedidite
und der £popee ist daher ein fester und bestiinmler Unter-
schied. Sie sollen das Gemüth blols belehren, rühren, er-
gdtsen^ oder beaduüügcn; aber sie sind weder hertiaunt
noch fähig» es ia den Zustand hoher und reiner siMÜcher
Deirachtung zu versetzen, welcher allein das Werti d^s
epischen Dichters seyn kann»
m ■
LXXI.
Einwurf gegen die Anwendung des Bcgriirs der Epopee anf du
gegenwärtige Gedicht*
Wir heben nunmehr den Begriff des ep^M^eii Gedadht$
luBlänglich entwiciwlty um mm audi die Frage, in wie fern
Herr mann und Dorothea dieser Gattung beigezählt
werden darf, auf eine genügende Wei(»e an beantworte
Vietteioht aber ist uns^ indafe wir bisher nur die MaiecMi»
itcB Btt dieser Untersuchung voraubereiten beschäftigt wa*
ren, das Urlheil der Leser bereits vorausgeeilt; viell^iicht
haben sie schon entschieden, was uns erst eine genamro
Prüfung zu verdienen schi^
,,Herrmann und Doro^thea lu der Zidii der Epe-
peen rechnen, heifsl es der lliade und Odyssee, dem
verlornen Paradiese und Klo.patocks Messlaj», den
lleisterwerJcen Tasso^s und Ariosta 9ß. die 3^ slelhm»
Wie darf die Erzählung der Sehicksale zweier Liebenden
uiil der Darsleiiung von Handlungen verglichen werden^
die einen Xheil des Mensfthw^escbiechts seihst in Oewe«
IM
gong teteten^ dk schon ab merkwürdige £pocheii in der
Gefldnchle unmr Tfaeiinahme und untrer Bewunderung
gewifs sind, und dem epischen .Sanger selbst durch das
Gepräge des Heroismus, das sie an sich tragen, schon ei^
nen poiStiscfa xnbereiteten Boden darbieten^ aof den er mk
2uveraefal «nftreten kann? Was kennen die Begebenliei-
ten zweier Unbekannten so Grofses und Bedeutendes ent-
halten, das sie der hohen Begeisterung werlh macht, mit
welcher der epische Singer > mehr als jeder andere Plcb-
ter,' schon in dem Augenblick, da er seme Stimme erhebt,
der allgemeinen Aufmerksamkeil gewifs ist, des slolzen
Vertrauens, mit dem er, mehr als jeder andre, sein Lied
der Welt und der Nachwell weiht? Warum dies Gedieht
aus der Classe herausheben, in die es seiner Natur nach
gehört, aus der Mittelgattung zwischen der Epopee und
Idylle, welche mit der letzleren die Aelmlichkeit des Stois
md der Charaktere, mit der ersleren die miunlerbrochene
ErsShimig einer einsigen Handlung gemeb hat? Oder
heifst es nicht in der TIkiI, die Aesthelik, welche dem Sinn
eines jeden ofien stehen sollte, in das Gebiet eioer dunkeln
Melqihysik hinüberuehen , wenn man die venclnedenea
Diefalungsarten ihrer Sulsem, in die Augen fallenden Merk-
mahle beraubt, die, wenn sie sich auch vor der philoso-
phischen Prüfung nicht als allgemein geltend bewähren
^äten, doch wenigstens s^ gnl^ ffir den praktischen Ge-
brauch sur Unterscheidung dienen? heifirt es nicht ihre
äufsre und lebendige Gestalt verdunkeln, um ein gewisses
inneres schwer zu erkennendes Wesen tiefer zu erforschen?"
£ine solche oder eine ähnliche Sprache dürfte ein gfo»
fror Theil unsrer Leser iltfiren, und diese Einwürfe, die auf
einmal die ganze Untersuchung über eine Frage abschnei-
den würden^ die sich hiernach auf den ersten Anblick von
selbsl enlscheide^ sind su wichtige um sie mit StiUschwen
Digitized b
1«S
gen sa Bber^hen* Sie ▼erzenen vielmehr in mehr ab Et«
ner Hinncht eine strenge und ausfilhriiche Prüfung, d» es
eben so wenig gleichg^ültific ist, blofs um leicht erkennbare
Merkmahle zu bekommen^ unwesenlliche in die Definition
der Diehimigftarlen mtfinmehmen, als ein 6e£cht> das sich
gerade dnreh i&ne trefliche innere Organisalion ausaeieli»
nely SU einer blolsen Millelgaltung herabzuwürdigen.
LXXII.
- 4
Bfeantwortnng di«f«i Binwarfr. — Bagziff da« BimMtmu
MuTs die Epopee nothwendig einen heroischen Stoff be-
faandefai? und an welchen eichren und untrüglichen Kemn
leichen IXlst mch dn* selcher von jedem andern unterscHei«
den? ' — dies sind, sieht man leicht, die beiden Fragen, auf
wel^e allein alles hinauslauft Denn der Maogel heroi-
scher CharakleFe mid Handlungen ist das Einzige^ wodurch
sich H^rrmann und Dorothea sichtbar von den inni-
gen Epopeen unterscheidet.
Der Ausdruck des Heroischen ist ohne hinzugefügte
nShere Beslimmmig mehr ab £iner Deutong föhig; er kann
theils mehr- auf die dnnKdie Grdfi^, th^ mehr 'auf die
innere Erhabenheit bezogen werden; er läfst ferner ver-
schiedene Grada zu. Allgemein kann man den Heroiß-
mus auf erschöpfende Weise durch • diejenige innere
Stimmung deliniren, m welcher, was sonst allein das Ge*
scliält des reinen Willens ist, durch die Einbildungskraft,
aber nach eben den Gesetzen ausgeführt wird, nach wel-
chen auch jener gehandelt haben würde. Er unterscheidet
sich alsdann von der heröischen Schwärmerei dadurch, dafii
in dieser die Einbildungskraft nicht gesetzmafsig, sondern
wilikührlich verfährt. Je nachdem nun dieselbe mehr auf
die änfoeren, oder auf den innern 8inn bezogen ist; je nach*
IV. 13
Digitized by Google
IM
«
dem sie mehv das Sinnliche, üroise und Glänzende , odei:
4as Clrbaheae. «idtt^ entoiekt jene doppelte Act de&Uerok*
musy die» wie überhaupt , so aueh-fOc den didutarischan
Gebrauch sehr veiscliitden ist.
' Der moralische iieroiaiiMis liegt ganz in der Gesin-
ma^ er hat aeioea eigvuNi inneren . Werth, iiod iat vim alr
lern, «ifaer der Binpfindungy auf der er eatapringt, «nah-
hängig; er versetzt uns in eine ernslc, aber tiefe Rührung,
und führt uns in uns selbst und unser Geuiüth zurück.
Der sinnliche Heroismus hat keinen, bestimmten moraU-
schen Werth (ur sich selbst; was er hervorbringt, ist im-
mer giofs und glänzend, aber nicht immer auch gut und
nützlich; er hängt dalier oft von ZufäUigkciten ab, uudkanu
sich manchmal auf einen blois blendenden Scl)ein>.auf wirk-
liche Vorurtlieile gründen; er versetat uns in einen gewia-.
ßen sinnlichen Schwung, weclvt alle Kräfte in uns, die dazu
mit\virken können, und umgiebt. uns mit allen den Gegen-
atiuideni mit welcbena wir, sey es mit Recht oder mit Uo-
recht, den Begriff des Greifen, des .GÜinaepden; jdes Feiw^
iiciieti vciLinden,
Jene ersiere Galtiipg ist immer uothvvendjg in der Tra-
gödie in Handlung ge8eta^ in der bärgerlichei^ Mwohit afn
in der eigenltich Woisch. geoanntea; in dieser kommt nur
auch die zweite zugleich hinzu. Diese letzteie aber ist es,
die wir, aUein oder zugleich mit der ei:8leren, in aiteu be-
kannten Epopeen anti^c^en} nnd in mases» Dichter ^rad»
vernassen.
Lxxm.
GewölmUoher Begiilf «1er grofst^n Kpoi>ee. — Seiner Unbeatiuuntkeit
angeaclitet, liegt ihm Wahrheit zum Griinde.
Bei Diiigeu, die mehr durch Zui iil, als nach Grund-
sätzen entstanden sind, cnUerut wau ml\ immer von deoi
»
Qmg fio tUßdt, wen man fimm in ^ B«griff einifiltf ; ml
90 mM mich- wir hier, gerade da w dem Weeen der Bpe^
pee, so wie es uns die Erfahrung giebt; nahe LI« ihen ^voll-
leHy wieder davon abgekommen. . Denn die Anhänger des
gewöbnÜchea äskbeikche» Systeina wütdeA mil dem dten
aufgeeCeliton Begriff des eiimlichen .HeMiemus, ala cme
Merkmahls der^Epopee, noch eben so sehr, als vielleichl
mit unsrer ganzen bisherigen Entwicklung, unzuhieden seyo.
Die Metma^dcbeDy an welchen ei e das epieofae Gedielit wie*
dererkennen, haben, wemi sie aueh weniger besUmmt ae^
seilten, in der That das Verdienst, klarer und iiandgreihi-
eher zu seyn.
&e verbrngcn eine Handiimg, die aua d» GeicMrte
enllehnt ny, eine grofte innere Wickligkeit und- einen be-*
trächtUchen äufsern Umfang habe, feiner Voifalle, welche
viel sinnhche Bewegung mit sich führen, starke und man«
nigfalüge Leidenachalten in ThiUigMi ^aetaeo, mithin fibeiu
liMtpt emen Stoff > bei dem weniger Individuen, ala Nati«»*^
nen und die Menachb^ überhaupt, interossirt sind, wodurch
die handelnden Hauptpersonen natürlich zu Üünigen und
Fürsten, überhaupt air aeichen - werden müssen, die auf daa
Jßduekaal andrer einen nifichi%en Einfiola auallbc»; aie veru
kmgen an6erdem -(wenn auch wenis^er einstimmig) tiie Mit-
wirkung höherer Wesen, die Eiunuschung der Fabel und
des Wunderbaren^ und endiidi waa, wie wir gieidi ntt-
her aeigen werden, nicht weniger hierher gehört — die
Ankündigung des Gegenstandes und den Anruf der den Ge-
aang beschützenden Gottheit in dem Eingange des Gedichts«
Alle diese Eigenschaften^ die leiste allein ausgenom-
men, sind indela gewissermaisen unbestimmt, und einige
unter denaelben tragen unläugbar das Gepräge des LMwe-
seni liehen und Zufälligen an sich. Der aus der Geschichte
entlehnte blo& kann mehr oisr mnder bekannt seytk, in
Digitized by Google
IM
Aem leliteren Kali nähert er sich eineai bloi's von dem
XMcliter erfundenen; die Wichtigkeil and Grdüie der Uan*
dtimg, die sinnUehe Bewegung ihrer eimelnen Theile ist
durchaus relativ; die Einmischung der Fabel und des Wun-
der|>aren kann doch nicht anders, als durch die Siinunuiig^
uMen, die «e benrorbriogly durch die höliere Feterlicbketty
dorch die greisere Ehrfurcht, die sie in der Seele des Le-
sers weckl, und es hängt also von der Zeil, in welcher,
von den Menschen, zu welchen man redet, ab,, wie viel
•der wenig dadurch eoU bewirkt werden können.
Dieser UnbesÜmmtheit ungeachtel, ist indefe die Wich-
ti^keil aller dieser Stücke zusammengenommen nicht zu
läugnen; es gieht der Seele ollenbar einen höheren Schwung,
wenn sie sich euch sinnüch gro£M Massen vor ihren Angm
bewegen sieht, wenn der Dichter sie auf einen groite nftd
weiten Schauplatz führt, wenn er ihr zugleich den blenden-
den Glanz des Olymps und die fmchtbaren Tiefen des. Ere-
bns aufschlielsl; es simml sie su einer höhenn Begeistniiy,
als wenn das, was er ihr vevfilhrt, blofii ans unsrem cignev
Kreise, ans unsieiu laglicheu und gewölirilicheii Leben ge-
nommen ist. Es macht zugleich auch eine reinere kiinslie-
fische Wirkung; denn gerade weil das,' was näher mit uns
verwandt^ist, auch noch tiefer in imser He» eingreift, so
läfst es die Einbildungskraft weniger frei, so drückt es sie
nieder und sieht sie Imrab.
LXXIV. ,
Beweis des Clesagten dorch ein Beispiel »QS 4er niade-
Es kann schwerlich je eine grjjlsere und mehr epische
Situation gedacht werden, als die ist, mit welcher der drei-
zeliote Gesang der iiias anhebt.
Digiiii.uü üy
Zeus sHeI auf dem Gipfel des Ida. Er lial eben den
Wafferiglaek ^ Kampf bei dem Lager der Grieehen eine
andre Richtung gegeben, Hektorn und den Troern Ruhe
verliehen. Jetzt wendet er sein Angesicht von diesen blu-
tigen Scenen Mnweg, lAid bBckl auf die Iriediiclieii Vdi-
kerschaflen der TKrakier und Hippomoigen, die, sehuMiee
und gerecht, nur von MiJch leben, und jede Gewaitthälig-
keil scheuen. Wie ist es möglich, so grofee und erhaben«
G^enstande in dasselbe Bild rasammenadfasseiiy ohne sehen
seinen Stoff so glüeklich gewählt sa haben, dafs man s«-
gleicli Völkerschaften, die um das Sciiicksai der W eil käm-
pfen, Nationen, die ein friedliches und schuldloses Hirten-
leben fahren, und einen Gott der Götter darin antritt, der
von'^dem Gipfel eines Berges beide Sberscbatit, bdde rick-
let und beherrscht, aber lieber und williger bei dem An-
blick des Friedens^ als auf dem Schauplatz der Ehrauohl
und des Mordes TorweilL
' Derselbe Gedanke, die beiden Extreme der nusisekli-
chen Natur, die heftige und unruiugc Thäligkeit, mit wei-
ter der Mensch immer nach etwa» Nenem und Höheren
strebt, und die stüle Genfigsamkeil', mit der er sich immer
nur in demselben Kreise hemmdrefat, ttnd mir diesen mü
Segen und Gedeihen zu erfüllen strebt, unmittelbar neben
einander aufzustellen, und sich seli>st und den Leser su^
gleich Bu der Höhe su erheben, bdde in ihre» Verbindwh-
gen, ond mit ihnen, da die eine oder die andre alle» ent-
halten miiis , ^vas Menschen zu denken und zu empfinden
im Stande sind, die ganze Welt zu überschauen — .lieia
sich gewils auf sehr verschiedene Weise ausführen, und -
muls sogar gewissermaalsen in dem Plan jedes epischen
Dichlers liegen; aber nie war es möglich, ihn auf eine mehr
sinnliche, prachtige, erhabene, und in jedem Verstände epi^
sehe Weise dariustelleo.
m
LXXV.
leiier anb«atiMite Begpff dw Ep9fw» wird .beillml, mMÜA mw Um
auf den des 'ÖeioiBcheii smiickfMlirt.
ist dafafr uullugbar g«wi£r: die Sphäre» woraus der
Sloff^ die IhndluDg, die Personen der Epopee gefiomoHm
sind, ist für die Wirkung auf den Leaer auf keine Weite
gleichgüilig.
Aber wenn dies nicb( auf einen iuib«atiininten Begriff
Ton kiele relativer Gröfee der fiegi^nkeii und Manniglal«
tigkeit der Be^vegung hinauslaufen, oder der Dichter nidit
gezwungen seyn ^il, blofs und allein die vorhandenen Mur
sfcer naehauahmen» and achiechteränga dieaeiben ft&Uei, ne
mügen nun jeUt noch dieselbe Krafl* der Wirkung bepiisen
•der nicht, zu gebrauchen; wenn es möglich seyn soli, dem
Merkmal des Heroischen, das hier der Epopee beigelegt
wirdi dnen bestimmten Begriff uatenttsofaieben> welehen
jeder Dichter auf verseliiedene Wei^e und durch mannig-
faHige Mittel Genüge leisten kann: so mufe man sich nicht
au solclie einzelne Eigenschaften des 8ioäs, sondcm an
die Sümorang halten» welahe er hervorbrin^ aolt^ und
dann wird man nothwendig an dem ainnlidMU Heroisnuis
gelangen, den wir im Vorigen genauer bestimmt haben« • »
Und in der That ist es dieser Heroismus, zu welchen^
die «niachsten und höchsten Muster der Epopee, die Iliaa
und" Odyssee, begeistern; man fiUiU sich in ein ehrwürdi»
ges Heldenalter zurück versetzt, mau sieht die Erde und
den Olymp zugleich in Bewegung, der gröiscstc Theü des
MenschengeacfalechtSy die .verschiedensten Völkerstänune ge-
hen dem Blick vorüber» man sieht lauter grolae, lauter hell
beleuchtete, lauter so sinnlich gcbildele Massen, dafs sie
wieder auch in der Phantasie nur (ieslaiten, nur Bewe-
gung, nur sinnliche Objecto erregen; man empfindet es leb-
i^idui^cd by Google
>
IM
hoft, 4$h ikr Siuificv gagMubt Hai» ▼<» dem wieliüg«ton
Ercignifii ecdner ZeH erfölll sa 8«yn, und dictm auCdie
allgenicinsle TlieilnAhine rcehncn , mit dem gerechlesien
Ötoize uuiUcteii zu dürfen.
LXXVI. .
Ankuntygur^ des Gegeutandes und Anraf der JUwe In d»r Kpo^etv
Nicfals diaraklerkirt 4ea qiisdiea SBiigtr 60 tehr» ab
4ie Gewifiilietl, inü der er auftritt; und in dieser Rueknckt
^chörl, wenn man einmal blofs von der giofscn und heroi-
schen Epopce spricht, die Aukiiadigung des Gegenslaudes
imd der Anruf der Milse toi Eingänge des Gediehis gar
nicht so sekr sii den unwesentlichen Erfordembsen dersel-
ben, als es viellciclil scltenieii küiiiile.
Ni^t blofe dais der Dichter die Aufmerksamkeit des
l^eseie stftricer erregt ^ je feierlicher es beginnt, .und dals
diese Znversiciit' selbst seinen Sängerberuf bewShrl, so ntuili
er auch von selbst, crfüllL von einer grofscn, folgenreichen,
alJgeniein bekannten Begebenheit, und ia der Stimmung der
Embüdungsknifty in der sie alles ins Grobe, ins Giünsende,
ins reieh*i9innKehe malt, und lauter Gegenstände um steh
versammelt, die dicker ßehandliing fähig sind, auf vi-
nen solchen Eingang gerathen. £r mufs nicht genug eilen
können, das aussnsprechen, wovon er selbst überströmt^
und ehe er iüe ' einseinen Theile seines - Gemahldes beson-
ders schildert, wenigstens zuerst nur mit ikn llan|>liimris-
sen das Ganze iiin^ustellen. Millen miter dieser Füüe von
Gegenständen, und in dem Drange seiner Empfindung mufs
er Beistand and Hülle, aber er kann sie nur bei der Geil-
heit suchen, mit der er wirklich in dicsctn Au^cuhlickc na-
her verwandt ist, da er, wie sie, über der Welt und der
Mensc hheit, über der Vorzeit und der Gegenwart sehwebt
Digitized by Google
Auchjund alle eigeoUich sogenannlen epischön Dicklar
Iderin dem B«i9piel Hooiers geifolgi; und wie nalie diMor
EingMig mit der individueUMi SÜwnuiiig des Singe»
eammenhängt, sieht man besonders deullich an Ariost.
Da er in der That nicht sowohl durch eiae eipzehie Haiid«
, luDg oder Begebenheit begeistert war» aondeFn- eieli nw
mehr von dem Feuer belebt fühlte, in das die Phnetaiie
versetct wird, wenn sich ihr eine zahlreiche IMoiige i ^wi-
iiigfailiger Gruppen, ein weites und reichbesUetes Feld zeigt,
.^^aie.dunchlaufeii ^nn; ao kündigt er bei weitem nicAit
ao .aehr seinen ägeiitUchen Stoff, als vielmehr die manniig^
falligen Gegenstände an, die sich in dem gan/.eii Utiifaiige
f^einer Gesänge finden \Y^den, und gesteht schon dadurdi
3rQ|t/>aeibst zu, dals er vor allem nur diurcb (HtfwugWtjlM^
und Abwe^slmig su i^teressiren vermag. . ^ n^ülur mm.
^nser Dichter befindet sich in einem nocli cindcrn Fall.
Sein Stoff ist von der Art, da£s er ihm .mit Sicherheit die
Theilnahme jedes gefühlvollen Xesers . versprieht, ab^ er
* ti%t diese nicht unmittelbar an der Stirii, man mufs erst
tiefer in ihn eingehn, um mit ihm vertraut zu werden ^ ihn
erst kennen lernen , um ihn lieb zu gewinnen. Nach und
nach also mid schrittweise mu& der Dichter den Leser in
sein Interesse verweben, einfach und. anspruchlos beginnen,
.um sich am -Schlosse desto gewisser des vollen Siegs zu
erfreuen. Selbst der Anruf an die Muse konnte ihm daher
weder eine holdere Kraft au erlangen, noch die, welche er
besitzt, a« bewähren dienen; er konnte ihn, wie wir im Vo*
rigen gesehn haben, nur dazu brauchen, seinen Stoff inner-
lialb des Gebietes der Kunst in dem AugeubÜck zu erhal-
ten, da er in das der Wirklichkeit überaugehen droht, seine
physische Wirkung zu schwach«»,, um seine Jatbetiaeitt
XU erhöhen.
Indeis bringt er doch auch bei Um uniäugbar zugieidi
SM
1
noch ww Mrfre whI dem episciien GeiMil nMhr eigen*
Üifiiiiiiche Wirkung hervor. Dadurch dafe er die Handlang
einen x\ugenl)hck in ihren ununterbrochenen Fortschritten
auhäity dals der Dichter an dieser Stelle in wenige Worte
■nsan teMunl ifa t» -«wae^«*»» WflhnE geleiatet hat, nnd waaünn
nndi; ^ hemmgm ^Mft-IM»^ bildet flieh, der Stoff des
dichU vor uiisrer l.iiibildiiugskraft sinnlicher als ein Gan*
zes, das einem bL-.>[jtiiniieu Zi^le zueilt. Dadurch, dals er
cj niil nA ii ^ B n li iehn ane r u i w i i i^und 1^ lüräile aannneln mnfe,
ddb 'e<r>niw<n?fB Biata fcdng ^än«ibedflrfen glaubt, am nun Ziel
zn p^elnimeii, erscheiiil sein Geschalt uns bedeutender, die
Bewegung, in der er sich belindet, gröiiBer und lebendiger. «
Selbst die VorsteUmi^ der Mme, iram wir uns nucb not«
diesem Namen nicht mehr jene ehrwürdige Gottheit ies
Alterlhums denken, wenn wir es auch klar empfinden, dafs
«ch der Dichter blols an seine eigne Begeisterung wendet^
«md 'dieser nur jene sinnKohe Einkleidung leiht, trägt don-
noch dara bei, den dichteiriacheo Sehwnng unsrer Stirn,
mung zu erhöhen. Denn erkennen wir gleich nicht mehr
die Ehrfurcht erweckende GrÖfse einer Bewohnerin des
Ofymps in ihr, so bleibt sie uns doch immer -,die holde und
heblicbe Tochter der Phantaiie«
LXXYU.
Zwiefache Gattung der E^opee.
♦
Dals also zwischen allen übrigen bisher bekannten epi-
adm Gedicbtai und unsrem gegenwärtigen in der Thal
ein wichtiger Unterschied Vorhanden ist, dals d^raelbe in
dem heroischen Charakter liegt, welcher jenen eii^cn ist,
und diesem fehlt, und dais . dieser Charakter allerdings da*
an beiträgi, dw dlgentlich epische Wirkung su modi£ciien
Digitized by Google
UnteraudttiBg.
Dttidi dwte aber wird der bisher feitgcselBle' ßegrißf
der Epopee keinesweges umgesloüäen. Dieseui ist schlech-
terdings (icnüge geleisiei, sobald unser GemüUi aul eiae
diditenselie Weise ia dMi Zuslaad kbeiidiger und iJüg^
ttdner ttnidicfaar Betrachtung versetil ist Niemand viM
leugnen köuneo, dafs dies eben so wolil durch einen bür-
gerlichen, als einen Iieroischeu 6tali, durch eine erdiciileley
i|ls durdt eine aUgemein bduuinte und wckhietoos«^ Be«
^ebenhttl, durch fireignisae, die nur dnige wenige Perst»»
nen belrefTeii, als ilurch solche, die ganze Nationen in Be--
wegung setzen, geschehen kann^ wenn es auch in dem el-
iMaFaiie kiciiter ^jeÜngen sollte^ aJs in dem andern. . Wei-
dito Ge^matand er audi «ir Bearbeitung wäbll, eo tank
der Dichter immer von ihm aus aui ciaca allgemeinen Sland-
pmikt führen können ; wenn ikm auch sein. Stoff wenig sinn*
lieben fieiehthum darinetei, mxufM er ihm doek innler G»*
slali und Bewegung, alse sinaliohes Leben, ndttheüea köa»
nen. Alsdaiia abur hat er scia Geschäft vollendet, und die
epische Wirkung ist unläugbar vorhaoUen. Verbindet man
mit der Epopee Nebenbegriffe .ven dem Uiiifaii|;e. des Ger-
ichts, und der Grofse der Handlung, mischt man unwe-
sentliche Dinge, wie die Fabel und das Wunderbare hinein,
80 ist das allein der Fehler der Kiilik. Alle diese Forde-
rungen fliefsen nicht aus dem Wesen des epischen Gedichts,
sie sind bla(s von den vorhandenen Mustern, welche un-
möglich allen künftigen Er^veiterungen Grenzen voisclirei-
hen können, hergenoDunen, und sind endlich nicht einmal
ab mid liir sidi lest und sicher bestimmt.
Indels fessen sich ^eselben demioch^ auf elwas Be-
stimmtes zurückführen; sie koiiuneii alle darin überein, dals
der StoU der £popec ins Glänzende» siunlich -bleiche beai^
Digrtized by Google
MS
bdlet wetdm mabi %faA swlich«! einm Gedidit, m w«l*
diem dies geschehen isl, und^einein ttidrai, in dem, wie
%, B. in dem iinsrigen, eine gröfsere Einfachheit, und ein
geringerer sinnlicher Beichlhum herrscht, ist ein anverkeno»
hmx \ ^ t fetu chW » T tWena* M iAoh weh Uoehi Itt^ jen^
Atrfwdeiiittgtti ^ tiliw i i 2MüelHMifMi»eD, und es soKUr mit
Recht liicherlicli zu machen, wenn man nur ivouige und
IleldeBynund diese in einem feierlichen und Bfujefitttwchfii
A^l^ :mt^^i4m ^ M ia üp ia ty.deedPiditeBi sehen will» $• •
fcWi t «es»?4eülpaf '«i^>»ert ger gewifs, dals, wenn der Didfr-
Icr sich mit lauter sinnlich j^rorseii CiegenslUnden umgieUt,
er aucii iinsrg J^diaiiildimgBkrifcft >»ieiüen höheren und sinn*
licheren SdmMgi^iiitiMtk^r^iAMsk ^ eieh «kht ülnr
den ge \y 8iii i< ahtof i& »i i l f WMiie Lehmas erhebt. Sobald man
sich an diese verscliiedone Sliaunung der Phantasie hält,
und nicht . igfii-adiS auf diesfi^ j^odeiß) jene BeschaÜenheit des
$l9iei|<d#g^, M»f/wi^^ imt ^Stoben Untendned imdev
im, wie wiciiüg es isi, heidc lüchl mit eumuaer zu ver-
^iie«to»lHh m t)K i,
Giage diesef^ Unterschied .dan Begaff des episehea
Gedieh(s inoht weiter an, beträte er hlofs die Wiikuog das*
seihen üherhaupt, nicht gerade seine epische insbesondre,
so wäre es minder noLhwendig, denselben herauszuheben.
^ Aber wenn die Epopee airf der einen Seite nie gamig lie-
ben, Bewegimg and sinnKdien Glans erhalAan kMm, und
auf der andern den allgemeinsten UebcrWick, die tiefste
Ersieht in die gcsammte Natur verlangt ^ so müssM awei
Alten dar fiearbattmig^ Ton weUian die- eine- v tn w ig»w e8ee
den ersteren, die endie weniger «BeaeiH nbmr danmi (weil
in der That die inneren Formen immer reiner hervortreteiip
je einfacher die äulsem hcliandeit sind) vielleidit nor noch
veUkommner den ielstercn Endiweok eneidil, auch swei
Digitized by Google
eigne (jatiungen ^mlben tttden, iiti4 die miere muis ao*-
gar, da sie das eftische Gedicbl noch aichtbarer, ab dn
Maximum der darslellenden Kunst zeigt, in dieser Hinsicht
einen Vorsug verdieneo. Wenigstens müssen wir uns sehr
Hillen, dieäelbe au vemachiäaaigen, oder, gar germgfUfichiU
zen, da der Charakter imarer Zeit schon darauf hinausgeht,
überall den heroischen Glanz wegzuwischen, mit dem wir
4ie Geachiehte der Vorweil so zauberisch überkleidet se-
ilen, und aueh unare £unai akh ofienbar hinneigt, von je-
ner sinnHehen Hdhe der Einlnidmigakrafi ( die me oft nur
darum zu verschmähen scheint, weil sie dieselbe nicht zu
-erreichen vermag) zu einer Wahrheit und Natur herabzu-
ainken, die kaum noch kdnsllensch heifim darf.
Wenn wir daher audi unaam Begriff derEpopee selbal
nicht umzuändern brauchen, so müssen wir doch zwei we-
aenlMeh verschiedene Gattungen derselben unterscheiden,
von .disnen wir taur die eine, gwade weil es- au Mustern
derselben feMte-, noch nicht »gehörig zu ' nennen im Stande
waren. So wie es ein bürgerliches 1 rauersjiiel im Gegen-
aais des heroischen giebt, eben so und noch mehr, da dte-
acr mehr snwliche Miwung der Phantasie, nvie wir gese-
hen, haben, in der That den Begriff der £popee naher an«
geht, als den Bejs^riff der Tragödie, müssen wir auch eine
ähnücbe Art der Epopee annehmen; und eine spldie ist
Uerrmann^nd DorotheiL
Dieae beiden Gattungen nun kommen in dem wesent-
lichen ßegriff des epischen Gedichts schlechterdings mit
.einander überein, gehen b«de von der DarsteUung einer
einaefaiei^ Handhmg aus, aeigen beide den Menschen und
4ie Welt in ihrer Verbindung,- und versetsen beide daa Oe*
mfith in den Zustand der sinnhchsten, aber allgemeinsten
Betrachtung, sind aber in der Art, wie sie diese Wirkung
erretefa^, von einander' veraehieden.
Digitized by Gopgle
805
Die heroische £pof»ee jiemlich wählt iluen (iegcn-
rtMd- afk, «dafe er .eine mSglichsl glüineDde Aulfieaseite het»
■ad lafc vonitgsw«lse beschäftigt, die9e ni sekliittp; bm
naUt ins dnnfich- Reiche, GUnsende, Pr^htige, sie vm^
setzt (um sie noch hesUmoiter zu charaktcnsircn) die Ein-
bildungskraft in eine Stimmungy wo dieaeibe aieb
der lehifaafteaieti -Mitwirkung der äafaarii' Sinn^e
erfreut. ObjecÜv^ wird ne sieb dncx^ einen $m der Ge-
schichte enllelmten, allgemein bekannten Stoti (denn sciiwer-
äieh dürfte je ein erdichteter ilaren Fordefungeiv genügen),
durch ttne gröfeere Menge, solcher Begebeoheken^ die ninr
daa Öffendtehe Leben der Vdlker unter einionder, als a«}-
eher, welche eine ruhige und gewöhnliche Privaicxistenz
darbietet, darch eine feierHche Ankihidigung ihres Gegen-
Standes, (die ihr unentbehrlich scheint) überhaupt aber durch
den Bimchthum und den Glans der Sdiilderungen und des
Vortrags auszeichnen.
Die bürgerliche £popee (denn, so unangenehm und
unpasaend auch dicaer Auadrock ist, so finden 'wir doch
Uncn, weldier den Begriff nur gleich gut erföUle) fuhrl
zu einem gleich allgemeinen Ueberbiicic über das 6chicii-
sai und die Menschheit, und besitzt dieselbe simtiche Indi^
vidnalitat, dieaeibe jkünstlerisehe Vottendang. Daa cinaige^
was dnr mangelt, Üt nur auch ■^'derselbe- simAche Rcicb«
thum. Aber sie entschädigt daiür durch emen groiseren
Gehalt an Gedanken und Empfindungen, und setzt dahn
die fiinbildttiigskraft in nähere Verhiaidungr naii
dem blofs biidenden Silin, mit dem Geist und dess
Gefiihl. Denn das vefgifst man gewöhnlich, dafs es au-*
fser dem Gebiete der i^iminüchiweit noch das Gebiet der Em-»
pfinduayii und GenmuBipen 4|;iebt, wekbes dem 0iebler
eben so gut eu Gebote st<iht, und gerade auch in hohem
ürade gemacht lüt, j^ne epische Vyirkuog hervorzubrmgea,
sobald er nur verstehl, es in der nolhwendigen Aligemeiii^
heit SU im^asfen. Indem mr alto ifliier GedkU ÜmtK
Gattung zoacfareibeDy räumen vm iSim dtdocdi nnmiltelbiir
eine liolic und ciuciithümliche Schönheit ein, eine innere
Trefflichkeit, die jenen höheren Gkns, jene reichere Prachl
wtnigiten« nirgends mit Bedouem xu vermnian ecUnUt.
Wir s n g t cn im Vmgeliy da£i da» epuche Gedieh!, mefa
als jede audre Dichlungsarl , den (bestallen, die sonst aus»
achhelsend der bildenden Kunai augehören, Bewegung
«ad SpracJie mütheUl. Wenn mm dife hecoisdie Epopan
Mmen dne raacliere, mehr nat sieh foftreifeeiide, vicifoei»!«
ije\vei;ung leiht; so giebt ihnen die unsrige eine reiciiere,
tieler eindringende und seelenvollere Sprache.
Bigenthumliche GrölÄe Aeä Gegcnttandes nnsres Gedichli. '
' Des Beweiaea, dafe-Herrmann and Dorothea mebl
der heroischen Epopee beigezählt ^\^e^(Jen daii, werden uns
unsre Leser leicht überheben. Es liegt von se(bst am Tage,
und ist-iMcii mehr durch • da^enige idar, was war bei der
aMgemeinen Prufong des Geialea, in weldieilt es gedusUel
ist, über seinen geringeren sinnlichen Reichihum, und sei-
nen überwiegend größeren Gehalt für den Geist und die
finpfindiuig faaagt- haben. Eb iai uaveflmnbar^ dafii, ad
Min. bUdend tß aadi den Shm und die Rnibilibitykraft ba*
schaftigt, es doch diese lelzlerc und die Sinne nicht in den
lebhaften Schwung versetzt, in welchem uns z. B. l:lomer
doreh den Gian» und den Beichtham aeiner- DiebUingaa
nul aieli larlreiiiL Aber deato nMiger vnvA es aeyn, ei*
nige Wolle über die Gföl^e und Wichligkeii des Gegea-
ataades, den es darsteUti liiaauaiiiugeny und es gegen, den
üigitized by
m
Varwurf zu reUen, dafs es nur die unbedeulcndeo Schick«
a4e HanoMttiiia und .Dovoiheins AChüderL
Es ist aaUirlidi) dafe dim GrSÜie mdA lA enl«i Ai^
genblick in die Augen fallen kann, dafa sie sogar eben des-
wegen, weil sich ilir Jbild erst nach uud nach vor unseriil
Geiste ^tsteUei, «üie eigen nodi&drie fUnpfindung kervor-
biingL Es ist gan» etw^ anders^ mit der Ankündigung ^
nes schon vorher bekannten Gegenstandes , oder uut der
&aeke. selbst an^ulieben; ganz etwas anders, als epischer
Sänger, als lebendiges Organ des Ru£i und der Geschiclile^
oder als einladier EniUiier, als hb&er Diditer an&otreko*
In dem ersteren, Fall erhebt »ich die E^nbUdvngskraft des
Lesers auf den bloisen ioii_, den sie anstimmen hört, wird^
nach ohne daCi der Gegenetand seihet wirk^ ven den Feuer
nii ergriffen, das den Dichter begeistert; in dem letateiw
muCs erst der Geist und das Hera den Stoff selbst umfas-
sen, che das Interesse daran sich ihr ganz inilzutlteileu ver-
miß r^atürlieh mufs also dort das Gelüld einer glanxen»
4eren, mehr phantastischen, aber eben so natürlich hier das
einer gehaltvolleren und innigeren Grölse entstehen. Und
so linden wir es auch in der That Die ersten Verse des
Dichters wecken hlefs Neugierde und Theihiahme in uns,
abnr bei den letsten Gesangen smd wir. vnn dem Hitehsten
• und Besten dofdulningen , -was ^vir je in unaem glücklich^
Sien Moiueuteu daclxteu oder eiu[)iandeii.
I>as gröüseste GeheknniCs besonders des epischen Diiob;
IMS bestellt in der ÜLiinsly den Beuden minbereiten» an£ wnU
ehem seine Figuren ertcheinett« ihnen den {fintergrund «9
geben, vor dem aie bei vortreten sollen. Diese Kunst liat
unser DiditeF auf. eine ausnehmende Weise verstandsn.
Dis-Femenen seines Gedichts sind nUsin sein .W^i sin
Üben keinen andern Wertl^ keine andere Wichtigkeit, als
die er ihnen uutgetheiit hat, aha die lie^benheiten« din
u\^u\^cö by Google
40119
Zeilumstände, in die er ihre Schicksale verwebt, das, was
er eigentlich durch sie darstellt, was, indeTs wir sie sehen»
in ihrer Oestidt, in ihren Handlöngen auf uhs einwirkt, das
hat für sich, und unabhängig von seiner Bearbeitung^ am
grofses, ein aUgemeines, ein hinreißendes Interesse. - ^
Gkich in dem ersten Gesänge veigen sieh w xwai
bedeutende» sichtbar von eiMinder gescyadener-^hnippen^;
im Vordergründe einige einzelne (^hnrakter^, Menschen, die
Gleichheit des Wohuorts, der Bescliafligung, der Gesinnung
gen in einen engen Kreis mit «»ander verbindei^ düpiil
der Feme ein Zug von Ausgewanderten, diHrelt'Jkieg
bürgerliche Unruhen aus ihrer Heiiii.ith vcrliieben. Oleich
hier also steht die Menschheil und das iSciücksal vor uns
da, jene in reinen, festen > ideahsehen und sugleioh durch-
aus mdividueUen Formen, dieses in emer Staaten erschuf
lemden, wirklichen und historischen Begebenheit. Die Ruhe
einer FamiÜe contrasiirt gegen die Bewegung eines Volks^
das Glück Einzehier gegen den Unteraehmungsgeist A^eter.
H&uplÜienia des GedickU.
Mit diesem Contraat ist zugleich das Haupttbema des
ganzen Gedichts aufgegeben. Wie ist inteiiecitieiies , mo-
raiisches und politisehes Fortschreiten mit Zufriedenheit ua4
Ruhe? wie dasjenige, wonach die Menschheit^ als nach ei-
nem allgemeinen Zide, streben soH, mit der natfiiticheii
Individi^aÜtät eines jeden? wie das Betragen Einzelner mit
dem Strom der Zeit und der Ereignisse? wie endÜch über-
kwgjfi das, wns der Mensch seihst in sicfa schaffen und wtk^
wandefai iumn; nrit demjenigen, was, au&er den Greäaen
seiner Macht, mit ihm selbst und um ihn her vorgeht, so
vereinbar, dafs jedes wohilhäiig auf das andre lurück, und
KW
hai^ SU Mierar i^gemekiier Vottkomnieiiheit xasammen*^
wirkt? • -
Diese Fragen sind in den Gesprächen des Wirlhs mit
Minen beiden Freunden, in dem Streite der l)eideu JLilern
Uber die Unsnfned^nheil des Valers mit dem Beiragen des
SbhiWy m der entacMossenen Aeufsening Herrmanns über
den thätigen Antheil an der allgemeinen Gefahr^ endlich in
der Gegeneinanderstellung seiner Meinung und der des Irü-
hmn Veiiobten Dorolhecns. über die Zeitumstände ober*
Haa^y um «tir dieser vorsüglkhaten Stollea sb gedei*keii9
nach einander aufgeworfen, oder beantwortet
Die Antwort selbst ist zugleich die richtigste für die
lihilosophische' Prüfung, die genügend$le fär das praktische
-Lebeii; imd-di^ tatt^hsle su dem ^hterisdien Gebraueh.
Atte jene Dinge, zeigt uns der Dichter, sind vereinbar durdi
die Beibehaltung und Ausbildung unsres natürlichen und
judiividueUen Charakters, dadurch dals man seinen geraden
und gesunden Sinn mit festem Muth gegen alle äulseren .
Slttrme belimiptet, ihn jedem höheren «id besseren Ein«
druck offen erhält, aber jedem Geist der Verwhmng und
Unruhe mit Macht widersteht. Alsdann bewahrt das Men-
schengescfaleellt seine reine Natur, aber bildet sie aus ; alsdann
Mgt jeder- setner 'Eigenifaümliehkeit/'aber aus der allgemei*
nen Verschiedenheit geht Einheit im Ganzen hervor; als-
dann erhalten die äu&ern Ereignisse und Zerrüttungen die
TfaMi|^mt der KeI^ abw der Mensefa foiml darum
ifaibt weiriger dw W«Ü nadi steh selbst; alsdami wSehsly
niitlen unter den grüfsesten Slürmcn, ununterbrochen, und
nur mit dem Wechsel größerer oder geringerer Ruhe und
^babMaabäkf ^ at^emeine VoifremHiaiheily und einer
iBcfal vetMitlkhcii GeMratton folgt immer eine noch bes-
sere nach. ^
Dies nun, die Menschheit selbst in ihren, zugleich durch
iv; U
Digitized by Google
ihre innre Kraft und die auisere Btn\ e gung bewirkten Fori«
schritten» hat unser Dichter unerer JSinbiMangBkraft ^tatm^
stellen verslamdeli. Er hat diesem Stoff dedvitih naehr dioli-
lerische Idealität gegeben, Jais er zu den Cliar-akleren Inii-
ter rein menschliche, durcli keine .Cuilur^^HMnÄrielte, und
doch der CttUnr nicht ver^chtessepft We(wren^ wi i h t t >» fli iei
pen Hauptpersonen eher soi§ar etwas H^fofisehe^^ ^^^ieiM^
das an Homers Helden erinnert, beigemischt hat; dadurch
mehr sinnliches Leben, dals er die wichtigsten und gröl&e-
sfen Begebenheit^p in, seine Uandiang.iMiei«siehl; dadifrah
endlich mehr IndividuakUit, dafs er die ganaft^Fifsnlliiwi
lichkeit uiisres vaterländischen Cliaraklers und unsrer Zeil
mit auitreten lalst. Es ist ein Deutsches GcuBcUecht» im^
am Schluls unsres Jahrhunderts» jdas er -uns schiUerl. .
• i ' -
LXXX. .
Gröfse in den darin aulgefiUirten Charakteren und Begebenheiten, x
. In den Charakteren ist gerade inulier dasjenige hmmam^
gehoben, was poelisch und praklisch die groisesLe Wirkung
thut ; es herrscht immer darin eine doppelte Art der lätücke»
einnud die jorsprüngiicbe der Natur» und dam.^et veldh^
aus dem ZusaouneAwirken aller VersehiedeiMli EigMrth%ir>'
lichkeiten entspringL Denn durchaus wallet die mensehf
liehe Empiindung darin . dafs nichts gut ist, was nicht
naturlich ipt^ <4ais j41^..N*Mli|lidM init.eioa«der ja dur^^
gängiger Hsmonie -siebt, und dUb ■nr aun der reineii' Kraft
der verschit;4enen hidiv^dueu die voUe der Menschheit herr
y<M[gel>t,
Die. Charaktere . der Hauptperseneii aiiid wirfcüob Sit
sieh selbst van der Art*, dafr aie aicb allen; was nur .au
sich gut ist, anschliefsen, und init allem eine wohlthätige
Wechselwirkung, .unteiii4itea köm^;. eimge andre, denen
an
ämn EifflMciia> aieü ao •igen isl^ lieUcn dies noch in
•M heileres Ueht ateUea, fmd wo des Gcepiüch (das fast
immer diese Materie behandelt) den moralischen Werlh und
die Gesinnungen der Menschen beriüirl, da wird immer nur
besviessBy dafe weiui alch Leben im Leben vollenden soil,
NelMdie; BieU Meidrfitkt und das Mannigfaltige meht
einf5rai»^geiiiftcht werden muüs. Von scheinbaren Fehlem
unsrer iSalttr aus, wird in diesen Gesprächen iaimer gezeigt,
wie sie ntir^; Ver Mi i oi i iyi |yi a ; sind , siebt süoi Bessefenimd
•HoherenTnttnerMeiG^.^Miende Neigungen werden firewid-
•ttek faHl entaiider^'nusgegliehen, und die Menschlieit wird
so selu in iiacui üaiii&cii uitifarst, dafs es nur wenig be**
4letitetMle ..«i^ÜHrem Bilde geben wird, die hier nicht
berläti^'^siiiMat J^<tmkii6k^j allgemrinsten und schKn»
•sten ist sie^in defiStelle geschildert, wo (S. 100.) der thii-
lige und rasilose l iiisei;]er des Meers und der Erde mit
dem. süUen und rulügea Bürger verglichen wird. ' ;
t öo^ iMvrfiehiKaiaoF int deofc- ganpen Gedicht der sehdae
Geist rdeSt-^Bilfigk^iMwelldi« Dinge nur von der S«le
aufnimmt, von der sie <;ut uiiii tirhebeiid scheinen; so wer-
4ea,.wir^'. auf eine walirhaü epische Weise , aui den alige-
gemeinen S^endpunkl gel^t, wtx den wir alles» und aUss
mit gleich greÜMni, parteilosem Intmsse ansehn , und io
sciüebt sich, ohne dafs wir es selbst bemerken, das unge-
heure Bild der gaosen Menschheit den wepigen Personen
«iler> die wir vor on» handsind erbticken.
Weniger nihiif und befriedigend» aber gleich grofs und
Iträftig, ist das Bild der Begebenheilen. Die merkwürdigste,
die vieileiicht die ganae Geschichte aufweist, die französische
Bevohitien^ isi von Ihren dr^ grdfoesten Seiten, von dem
edein FMheüs ^Enlhusiasmas^ der ihren Anlang beseiehnete,
von dem Kriege mit dem Auslände, und von der Auswan-
derung einer so safalreichen Menge von Familien gezeigt.
Digitized by Google
^12
Gerade ^ese drei sind es aiidi, weiche sieh dem Infcmle
der Leser an meisten empfehlto 'müssen: die erüe dwck
den Anlheil, den nolhwendig ihre Ideen und Empfindungen
daran nehmen; die zweite durch die Wichtigkeit, die sie
für ihr Vaterland und ihre eigne Existenz hat; die leirte
endßch durch das rührende- Bild, durch wekbeft der Dieb-
ler sü viele von ihnen an dasjenige erinnert, 1^ seHtol
theils gesehn, theiis erfahren haben.
Ailein das, was' diese Begebenh^ten aiieiil imd Ufr-
mittelbar für sieh enthahen» «iA noch bei weitem nidii
alles; es ist vieinnehr noch wenig, blofo das verwirrte
Gedränge des Zui;es, blofs das mannigfaltige Elend der
Flüchtlinge» die Gräuel und das Verderben -des Kriegs vdr
sich tu erblicken; die Hauplwirkang enlsleht erst darefc
die Vergleich ung dieser Zeit mit der Vergangenheit oMe^^
Jahrhunderte, durch den unsirliern und ahndungsvollen Blick
in die Zukunft „Unsre Zeit, heiüst es, veii^eicht sich den
seltensten Zeiten; in der heiligen uiid in der genaemen'Ge-
schichte findet sich nichts, was ihr Hhniich wäre; wer in
diesen Tagen gelebt hat, hat schon Jahre gelebt; so dran-
gen sich alle Geschichten. Die Verhähmsse der Geseli«
nthaSt sind so umgekehrt, die Stülsen, auf denen eines je^
den sicheres Daseyn ruhte, so umgestürzt worden, daft
einzelne Menschen, mitten in unsem gebildeten und ciilli-
Irrten Staaten, ganie Schaaren ohne Heimath und Wohn»
ort herumfuhren, und dadurdt 'an jene frUhesten Zeiten er-
ftmiem, wo ganxe Nationen durdi Wüd^ und Irren her-
umwanderten. Und wo ist das Ende dieses Unheils zu se-
hen? Man täusche sich nicht mit betrüglicher Hoffiiungl
— getost tiad die Bande der Welt: wer Juidplet sie vieder.
Als attcia aur d£r Netb, die Mhsla^ die ans befiicstelit?"
$0 stellt uns der Dichter zugleich die hSchste Unruhe, die
ävifserste Zerrüttung, eine wahrhaft rettungslose Venweif-
Digitized by Google
2ia
kmf^ abear ndben dmdbtn «ncli mdmniko Gegcnmillci»
litste QiwUe 6m Trustes, und der Hoffimng dar. Weiui
die Bande d«r Welt tieb lösen^ so sind wir es, die sie wie>
der zu knüpfen vermögen. Hienn schiieist sich das ganze
Oedklit sttsaMflifeii» darin ▼eroinifeii sich aiie «nielneii Em*
drücke» dia.es auf uns gaoi^t kaL Aua deai Untergang
und der Zerstörung sehen wir neaes Leben, aus der Yer*
wiming der Völker das Glück und die forlschreiiende Ver*
edhiag einer FamUie hervorgehn.
Hemnann und Dorothea «ind es, die .uns von Anfang
an -allein hescKäftigen, aUefin nnsre ganie Anfmerksaiiikeil
erschöpfen. Wie reich und erhaben jene Bilder mensch-
licher Charaktere, wie groXs und hinreifsend diese iSchilde-
rungen der Zeit halten seyn mdgeiii sie hätten diesen tie»
ien und bleibenden Eindfuck in uns nicht hervorbringen
können, weim wir sie nicht immer nur in tiiesen beiden
Figuren gesehen, wenn sie nicht immer nur dazu beige-
fnigen .hätte%. diese vottständig anasumakien. UttwilÜg hät-
ten wir Vdlloer «nd Zeiten verlassen, und waren. nur ni
den Empfindungen und' dem Schicksal der beiden Lieben-
den zurückgekehrt, die sich eiiunai allein unsres ganzen
Aeiaens; ikisres.ungetheÜien Inieresaes bemächkigi .hatten.
Um beide bUdan sieh ,ifon d«m Anfinge des Gedichts
an zwei verschiedenartige Gruppen. Dorothea gehört -an
demjenigen iheil .unsrer Nation, der durch den Umgang
mit nnsern mehr verfeinerten Nochbam eine höhere Gultiir
nnd mehr äulsre Bildung erhalten, und durch eben dies«
Nachbarflobaft andi an den neueren philosophischen Ideen
mehr Autlieii genommen hat; sie befindet sich zugleich in
dnm ^Stande höherer Spannung, in weichen jede aulser-
.ofdentÜdie Bagebanhait die Scale « immer versetst; diese
Stimmimg wird noch ^rch ihre erste unglückliche Liebe
und die schwermüthige Erinnerung daran vermehrt; und
Digitized by Google
dies alles EusammengeaoinaMiii und m eiacat weiblichen
Chmkler nü tttnander ▼ ewchm oimi » Mdil M «in«*
fBinerctty bidiereii, idealMieveii WoMiiy ab H mw i MHi
zu einem Wesen, mit dem wir noch herzlicher und inniger
syoipalhifiiren. Dagegen läCst Uerrmanns C hat akter nichU
m nijiiailiclMr Stifke und Uilürliiilier finfecUMifc wraia»
seil, und beide ▼ereinigi geben tarn dae • MendSgste BiU
einer fortschreitenden Veredlung uns res Geschlechts. Denn
ihre Aehnlichkeit ist so voUkommen, daik sie sich auf daa
innigste an einandec aaschüeliMn kftnntn^. und äwa beider-
seitige VerscliiedeBheit gerade ven der Att, dalii> jndcr .van
dem andern, was liuii äelbsl manuell, empfängt.
, ' LXXXL
lUtiitUt des^GMnen. — > Bigenttidier Stoff dea G«dicktSi
Ein iurchlbareefireignüsy daa ganserVjiAkendiailen aiw
ihrer Heimath verlreibl^ führt also einb ackere «nd eir
lere Natur in eine entfernte, noch nainder cidtivirte Ger
gend; es fuhrt sie gerade der Familie, dqm Jünglinge su,
der sie zu veratcfaen^ nu fiMten^na hal; es yminigiJieide,
■ttt einander, nnd indem es vnaiifhaltMin in sesolein Laufe
weiter forteilt, lä&t es den Samen eines neaen Geadileshli^
einer schöneren und besseren Menschheit zurück« Niehl
der Zufall, mcfafc ein blindes Voriiängnilsy nein! die woM-
ihatige Hend eines Gotlea, die wadMame Sorgfalt des Ge-
nitts imsres Geschlechts scheint diese wunderbare V^rket«
tuiig v on Umstanden geleitet zu haben ; und wenn der Dich-
ter der Mitwirkung höherer Mächte im Eina^jbon enthet^
ren mufate» eo fiihrt er Une dietelbe «nf die adMIe und
rfthrendtte Weiae durdt dai Gaaie aeinar 0ichtwig in daa
Gemüth zurück.
Digitized by
I
215
i
^ Wer erinnert sich nun nicht hierbei der frühesten Zei-
ten unsrer Geschichte, wo wohllhütige Fflanzvölker in weit
entfernte Länder Menschlichkeit und Gesetzesliebe und die
ersten Keime der Wissenschaft und Kunst hinübertrugen?
und der späteren, wo einzelne Königstöchter, von dein Zau-
ber sanfter Weiblichkeit und der Macht der Liebe unter-
stützt, barbarischen Völkern die milden Gesinnungen einer
menschlicheren Rehgion einflöfstcn? wem scheint das Bild,
das ihm der Dichter darstellt, nicht darum noch erheben-
der, als jene, weil der Stamm, der hier noch veredelt wer-
den soll, schon selbst so gesunde und trefi'liche Früchte
trägt? wer rettet sich nicht gern und mit einer gewissen
stillen Andacht aus den Gräueln der Jahre, die wir durch-
lebt haben, zu Scenen dieser Art hin, die ihm allein nur
noch zuzurufen scheinen, dafs sich nicht darum alles be-
wegt und umkehrt, um alles auf einmal in derselben Ver-
wirrung zu begraben, sondern um die Welt und die Mensch-
heil neu und besser zu gestalten? « .oj;
'i'.i^. Vorzüglich hat unser Dichter der bildenden Kraft des
weiblichen Geschlechts ein schönes und rührendes Denk-
mahl gesetzl. Denn wenn Herrmann sanfter und mensch-
licher, vielseitiger und empfänglicher ist, als sein Valer,
können wir darin den wohlthätigen EinfluTs des stillen und
einfachen Wesens seiner liebenden Mutter auf seine Natur
verkennen? wenn er schon in dem Augenblick, in dem wir
ihn zuerst handeln sehen, einen höheren und edleren En-
thusiasmus gewonnen hat, ist es nicht Dorotheens Geslalt,
die ihn dazu entflammt? und sehen wir nicht deutUch an
der Macht, welche sie auf alle ausübt, die sich ihr nähern,
die schönere Bildung, die sich von ihr aus auf ihre Famiüe,
auf die ganze Gemeine, die ganze Gegend verbreiten wird?
Auch hierin bleibt der Dichter der Natur unverbrüch-
lich treu. Das weibliche Gesclüecht übt den entscheidend-
et«
* tktu EinÜuls in dem Kreise derFainüie <ius; nun aber iu|i£i
aller poliluchen- Cultur moralisdie Cl|BralUM4iiMiNigvniB|
Gruo^e liegen, und tu jeder Vottkemmeiaheit dee Ckuuk^
tere kann der Keim nur im Schoofs des FamiUenlebens
aufblühen. Auch ist die weibliche Nalur uneqdU€ah<.iiiehr
geschickt tu verbessern, ehne sugfteich m serai6re&; M
besitzt eine sanftere und doeh 8täHLere;.<3ie9iiii4li|fb|Mtti
Gemülher, ist dem Neuen mehr offen und dem Allen vf^
luger feind, beiiandeit dies weniger gewaltsam, uüd ergiüift
jenes begieriger. Sie fühlt su tief, dais ihr selbst alles
fremd bleibl, was sieh 'nicht dnrduua mit ihm Gedimkeli
und Empfindungen Terwebt, und will daher 'Wieh der .Wall
und der Menschheil nichts Aelmliches aufdrängen.
Die fortschreitende Veredlung unsres Geschlechts, ge^ .
leitet durch die Fügung des Scfoicksalsy machtr nW, in ei«
ner einceben Begebenheit dargestellt, den Stnff unsreaGe*
dichts aus. Sieht man denselben nunmehr von dieser Seile,
m, so wird man ihm gewifs weder Gröfse, noch Umfange
noch endlich epische Taugtidikeit .abaprechen könaan« Nur
liegt die Gröfse desselben freilidi nicht: soi wie bei -der
heroischen Ej)Opee, in der Begebenheit selbst, sondern in
dem, was sich in ihr darstellt. Wer dies verkennt, oder
wer auf der andern Seite nicht yoUkonunen lfifaU|;dai8i.dte»
selbe dennoch durchaus hfinstlerisch, objectiv und . episch
behandelt ist, der wird lEnmer entweder dem allgemeinen,
4)der dem künstlerischen, und in beiden Fällen dem epir
sehen Werth des Gedichts ni nahe treien.
Lxxxn.
Gesetz der Epo^ee. — Gesetz der böclialen Sinnlidikeit.
Das Hatqitresultat des Begriffs der £popee läuft dar-
auf hinaus, dais dieselbe unter allen Dichtungsarten die am
Digitized by Google
SIT
meisten objeclive genannt werden kann. Denn keine
andre ttrobl 8« säur nw die äufeie Wirklichkeit im 6e-
gemais der hm cm VerSnderuDgen des GeoiQths, keine ei-
nen so grofsen Theil derselben, keine endlich diesen Stoff'
in so lebendiger und sinnlicher Klarheit darzustellen. Alle
liittei^, ^Iche überiieupt dasu hm^9ti, Ofajecüviiäl'Xii^e^
fätdern, mi deber venugstveiee das £igeDtliik»'det epi-
schen Dichters, und alle Gesetze, die er als verbindend an-
efkeaaen soll, müssen dahin zusammenkotuuien. Einzeln
kto€tf»> uh ib d itiMHuiu . de» drei hauptsäcklidiste» ^Be-
ilMidtlietlen der Definition der Epopee ahleiMn;.
• Begriff der dichterischen Erzählung einer Ihindlung; aus
ihrer Bestimmung^ das Gemüth in den Zustand sinnlicher
Selrachftiinj zu ▼efietten; nnd in dieser Bethusbliiiig^i»^
nig ak mögfieh die 'Menschheit mit der Wät so' verlniiiiiS^
(en; und dieser Ableitung zufolge, dürfte es vielleicht nicht
unbequem seyn, sie unter iolgende Üenennungen. zusam-
mettkufasseB.
1. Das Gesets der höchsten Sinnlichkeit Dies
ist überhaupt ein allgemeines Gesetz aller Kunst und der >
darstellenden insbesondre. Aber von dem epischen Dich«
<er wird die BddJgung desselben mit doppeltem Rechte
•gefordert^ da er es mit lauter anisem, also' rein' airaiiichcii
Dingen zu thun hat, und auch. das Gemüth in eine, auf
diese gerichtete Öümmung versetzen s<$lL £r mufs daher
nicht aUdn blofs Gestalten nnd Bewegung^ sondern von
beiden «neb eine beträcfatücfa grolse Masse atifffibrwi; mufii
ein Colerit wihlen, das unnuttelbair licbi ntid Klätbeil ahn
kundigt; einen Ton annehmen, der uns rreuudiich aus uns
herauszugehen einladet, und ans zu einem hohen and wei-
len Scbwiinge der Phantasie erhebt^ Gedanken anregen,
welche uns in die grofsen VerfiSltrasse der Menschheit zu
der Welt eine liefe Einsicht gewähren ; Empiindungen au-
ftiiauneii, die uns harmonisch mit der Natur verbindou; lUMi
geineii Stoff übemtt no^ durab d«n ReichUiiMi m4 4«
SiiinUchkeil seines Vorlrsgs, seitter DielUKi' wd wmm
Rhythmus beleben.
Voi zugsweise ist die höchsU ^uuUchkeit ein Eigen-'
Ihun* d«r beroischon £^pe^, die eiM0 so f^Mtmtm^^
Moxiiniiin des epischeii' Gedichts , als dieses seNwl ein He*
xiimim aller darstellenden Kunst überhaupt genannt werden
kaim. Daher gehören unter dieses Gesetz die gewöhnüchen
Regeln von der Gröise der Haodimig, der-£iiiinisehiiiig des
Wttndei4>areti, der Milwirkung der Gdtter, der Ankündigung
des Gesanges, unil des Anrufs der Muse. Da die entge-
gengesetzte Art der Epopee sich gerade hierin von der he-
rsiseken unkersiclieidet, -so muia «le siclr sehr hüten, ninhl
dnrch eine tu wenig sinnliche Behendhuig gar unt» dem
Epischen udei dem Dichterischen überhttujjl z.u hleibeu. . .
• ■ • • : •
LXXXllL
Getets durchgingiger Stetigkeit
2. Das Gesetz durchgüngigerSteligkeit. Dies
M blels eine doppelte Anwendung des vonSgen auC denBer
griff der ^Handlung und der Gestalt, deren feHkufonde
nien mau ;i!s Be^vegungeu der Umrisse betrachten kann,
la jdkser letzteren Bedeutung hat der epische Dichter dies
Gesets mtl dem Mahier and Bildner, in ^er efeteren ei-
genlfieh. not keiner andern Kunst gemeni. fi&wnr seigt die
Musik und auf eine noch sinnlichere Weise der Tanz aller-
dings auch eine selche Stetigkeit der Bewegung, und ho»
Bondet« in dem iebfteren ist es der hesaubemdslsft
SdiSnheiten, y^enn in emem mrinndB ■ unterhfoobenen Fuyk
iüiiner Gestalt aus Gestalt, Bewegung aus Bewegung, Ge-
uiählde aus Gemähide entspringt. Bei i^ideu ist dies in-
*
üigiiized by
»1»
Ml mar •teOenWcMe der Fall-, üire eigentliebe Staligke^
besteht d«rin, dafe rieh aier, auch unterhrodiener, eueh
pldtslich abspringender Wechsel im Eimsen irar In Et*
Dem l^liileipunkle vereinige. Denn beide drücken Emplin-
dangen ans, die, ob sie gleich immer aus derselben Stirn-
iMMig heli^^ sdhei denrnek
Mithin der NMliff*'irieM- iniiiiep ^e so stetige Reüte bil*
d«n. Eö ist aläo genüge wenn auch die Kunst sie nur in
dfiü^m Miildpi>ud&|o»' verknüpft.
w ispeini ie|iiiiliBi>l>ilii<w ViwW #0 Beobachtmig einer voH*
IlMiilMMn^idteftl^llittiO^sitft^^dMi^ Weiso dofch den
Begriff der Handlang und den der Erzählung zur Pflicht
Für den tragischen, der seine Handlung unmittelbar dar«-
atelll, hat dies Gesetz eine hei weitem andre Bedoolmig«
Errscfattdert das wirkliche Leben mit allen den Lücken, den
Unterbrechungen, den Ueberraschungen , die wir in jeder
Begebenheit wahrnehmen, von der wir unmitleibare Augen-
seugen sind; die aber der epische Dichter, wie der Ge-
s eWc h tsohrsihor, nothwendig ausfiält und überarbeitet, in-
dem er das Ganze in Eine r^rz.älilung verknüpft. Die
Jdandlung mufs also ununterbrochen fortgelm; kein Um-
Stand darf ahsiehtiieh hiBgesteih sehemen) unabhängig ivm
dem Zweck, an dem er f^raudit ist-, mnls er adion ßbr
sich seibsl aU eine nolhwendige Fol^e aus dem Vorigen
heiflisfiMn; der.. Zusammenhang des Plans mufs so fest und
«• iani§ seyn,- dafii der iLiOser selbst ihn nichl anders hiUa
«Dtwiefcehiy so übereinalimmeiid mit den physisehen .nud
moralischen Gesetzen der Natur, dafs die Begebenheit in
der Thal mchl anders halte fortlaufen können; nur die er-
ÜO ' Anlage, auf die sieh das- Uebngo gründet, ist der Wül-
bühr das Diditafs unterworüen, alles Folgende beatunmt
sich ledigheh von selbst durch einander.
Dies ist die sinnhche ob^ecüve 6teligkeit der Handlung
Difliüzed by Google
und des PUm, Aber im die eubiecltv^ im deai GemiUbe
des Leeen lienronBubriogeii, welehe. eigenlKeh liuu
fordert wird, mofe der epische Dichter noch melir thun.
Ueberau neinlich, wo er eine Mannigfaltigkeit von Besliuir.
nMUigen in den Charakieren, Gesinnungen» KatpfinjUiiiipi
itowendet, waak er sie gerade eben so diunch tmendÜdli ^imm
alfanafalige Abshifungen von einander trennen, allfen grellen
Contrast vermeiden, und in ihrer Verschiedenheit selbst im?
mer nur den Reichthum und den Umfang der GiMMf^Alli
stelien» xu der sie alle g^iaeiftschalÜichHBfihnpetMh rifimm
darin besteht £e wahre Stetigkeil - eineif f^ m^^hm *
dern, dafs durch die Verschiedenheit der einzelnen nur die
Einheit noch klarer wird, die sie aUe in eine ausanuneiH
hiingeiide Keile Terbindel.
Lxxxnr.
Gesetz der Einheit.
•
3. Das Gesete der Einheit» Die allgemeine Na>f
tur der bildenden Kunst, von welcher er das höchste Mu~
«ter aufstellen soll, und sein besonderer Zweck fordern voa
4em epischen Dichter mehr, als von ii^nd einem .aaden^
eme vellkooinene Einhcil in der Behandlung seints, SlilEiw
Aber wenn ihm diese zur uneriälsiichen Pflicht gemacht
wirdy 80 ist sie nicht sowohl eine solche, wislche die ein*
aellien Theile auf eine schnei dende Weise jsh^ einem eina»-
'gen PuidEle hinfahrt, als eiiie solche, welche sie Bürgin Em
Ganzes zusaaiinenfafst. Die erstere ist viel mehr auscbUe-
£wiid nur der Tragödie eigen. ^.
Die Empfindung nemlieh, deren £rregmig der liaii|llr<'
aweek des tragischen Dichters ist, kennt nurEmen Gegen-
stand, und auf diesen Begriff wahrhall numerischer Einheit
wendet nun der Dichter den müderen und iiöheren des Kunst-
Digitized by Googl(
221
ganzen an. Der belrachtende Sinn hingegen, der in der
Epopee dichterisch bearbeitet wird, nimmt viehnehr immer
vieles zugleich auf, und verknüpft es nur in so fern, als er
es aus demselben Standpunkte ansieht. Der tragische Dich-
ter slrebt also nach einer Einheit, die in der Erfahrung
wirklich vorhanden ist; er eilt in der That Einem Punkte
Mi;r dadurch wird sein Gang rasch* und heftig, und sein
Plan zieht sich, indem er alles abschneiden mufs, was ihn
ableiten würde, mehr in die Enge zusammen, als er sich
in die Breite ausdehnt. Die Einheit des epischen Dichters
hingegen liegt mehr in seiner Absicht, als in der Sache
selbst; er hat daher gröfsere und eine bis auf einen gewis-
sen Grad unbestimmte Freiheit mehr in seinen Plan aufzu-
nehmen, es hängt wirklich (und auch in so fem ist die An-
kündigung kein unwesenllicher Punkt) grofsentheils davon
.ab, was und wie viel er gleich anfangs zu leisten verspricht,
tvn Der Schiufs seines Gedichts ist nicht nothwendig ein
wirkliches Ende, über das hinaus sich nun nichts mehr hin-
zufügen liefse; es ist genug, wenn nur alle einzelnen Theile
des Ganzen darin auf eine befriedigende Weise zusammen-
kommen, und es hangt sehr häufig nur von dem Dichter
.ab, ihn in einen blofsen Ruliepunkt zu verwandeln, sobald
CS ihm nemlich gefällt, den Faden der Erzählung noch wei-
ter fortzuspiiinen.
Doch kann er seinen Plan nicht nach Willkühr ins
Unbeslimmte hin ausdehnen. Die Grenze ist auch hier
scharf geschnitten ; er darf nemlich nicht weiter gehen , als
bis dahin, wo sein Stoß" aufliören würde, eine Handlung
zu seyn, und in eine wirkliche Begebenheit, d. h. in ei-
nen solchen Inbegriff von Ereignissen ausartete, in welchem
nicht mehr die Wirksamkeit einer Handlung, oder wenigstens
nicht mehr die einer einzigen, sichtbar bhebe. ^
LXXXY.
t • • ••
GneU dea GtcjcbgevicbCi.
Die drei^bis jetzt entwickelten Gesetze flietsen alle aus
dem Begriff der Darslettimg einer Handlang her; «ie smd
rni Garnen eben so gut der Tragödie eigen, ond nehmen
nur durch den episciwn Gelir.nich eigne Bestimmungen an.
Die folgenden entspringen mehr aus der eigenthümlichen
Natur der Epopee, den belrachlenden Sinn unsree Oemtttha^
und iwar denselben in «einer höchsten AtlgemeiiiheHy wa
beschäftigen. In dieser Hinsicht zeigt sich uns zuerst:
4. das Gesetz des Gleichgewichts. Von dem
Gleichgewichle, In weldiend der.episehe Dichter aMe ein-
«ehien Elemente seiner Tdtalwirkiing eAM, hfingt die Rohe
ab, die er in dem Leser bewirken solL Ohne dasselbe
würde zugleich die epische Sinnlichkeit, Stetigkeit Und Eint-
hal leiden« Man kann es als den Charakter der Natur,
mit welcher der epische Dichter uns harmomsdi stiomiC,
ansehen, dafs sie, den ausschliefsüchen Ansprüchen EinzeK
Her feind, sogar gegen den nolhwendigen Untergang Ein-
zelner gleichgüttig, nur mit unermüdfieher Sorgfalt iber
das Daseyn des Garnen wacht Auch er abo 4arf nur ak>
lein darauf sein Augenmerk richten, und die WichligkeH
cum Ganzen seines Plans ist der einzige Maafsslab, nach
li^lchem er den Raum abmessen darf, den er den einiel-
neu Theilen anweisen kann.
Aber vor allem hat er dafür zu sergeft, dafe Mch keine
Empündung ausschlieisend, oder auch nur mit auffallendem
UebergewicM, unsrer Seele bemeistre. Daher würde z. B«
ein eigenlltch tragischer Stoff emer wahrhaft epischen
handlung grofse Schwierigkeiten in den Weg seilen-, d«
neben der Herrschaft, welche die Gefühle der Furcht und
des Mitleids über uns ausüben, leicht nicht noch etwas and-
223
rmr eibporkoiiiiitctt kaiuv Auch ifi «in Miieher von epi-
«dMD DkhCern ft»! nie beltandell worden; denn dt» Tnt»
gische der Messiade s. B. IM flüh wenigelens am Ende in
6ieg und Triumph auf.
kidefe darf num darum dennoch auch einen solchen
Stoff mdil> gans und gar auf dem Gebiete der Epopee vor-
boimen; Bei keiner Pichtung^rt kommt ea eigentlich auf
das Object, bei allen nur auf die Art an, wie dasselbe bear-
heilei wird» Selbst die vollkommenate Tragödie» nm so-
gleich daa nuMlendato B^nspiel xu wählen, Helae sieh audk
-on einer dttrehons glücklichen und gelingenden Begeben-
heit ausfuhren. Die höchsten und heftigsten Bewegungen
der Freude, Bewunderung und Entzücken» und einer eben
ao grsOben Maoht tther die Seele i&h%, und nehmen im
Gänsen denselben heftigen und beacfiletmtgten Gang, als
die liüclislcn licwegungen der Trauer untl Jes Schmerzes;
und wenn ein Dichter glücklich genug wäre, einen 8totf zu
$nden» in welchem der gelingende Erfolg» der daa Ende
krönte, einen Sterblichen auf einmal au einem beinahe gött-
lichen Wohlthäter seines Geschlechts erhöbe , in deai der,
welchem diese Auszeichnung zu Theil. würde, ein Charak*
ttr wih«^ der «it der kraftvoUilen Enevgie and dem edol»
üen JßnthusSaamas das reimte und emfadiste GoiKhl dor
l iiwvii digkt it zu einer so hohen Bestiuuimng verbände, und
in dem endlich die Wendung , durch welche das Schickaftl-
diea volkAdele, Weht. pIMieh mid «beifosohosd einlril^
so könnte er gerade eben die GefSUe der unruhi||fen An«
spamuiiig, der (juaiv ollen üngewifsheit, und der höchsten
und heftigsten Uüiuting bei der ii4iiwick(ung in uns her-
▼oibnngen» die uns jelat bei eigenliiob tragischen Steffen
so möehtig ergreifen. Wir würden uns aneh« voivhialnBil
wenn der Dichter geschickt genug wäre, diejenige Leiden-
aohaft, in weiter üngewüaheit» Quai und Entzücken am
Digitized by Google
m
engpUn mil einander verbuodea ^kid, die sweifelnde und
•adtich beglü^te Ia«be, so groüi «i btbMjAehi, daüi da-
durch sein GegensUnd (den tf schlecfatoirdifigs nur dmch
seine Erhabenheit retten kann) nicht verkleinert würde —
dann wurden Wir uns ebea so auf em&i Augenblick von
der Natur abg^scbiiiiten, uod auf unsra eigne. SellietatäB-
digkeit beschränkt eiii|»findeD, als bei der eigentiicheii Tttr
gödie. Denn das Gefühl eines unverdienten und über-
Mifawengiichen Glücks schlagt die 6eeie nut nicht geringe-
rer GewaL^ ak die Groffl«. des Sduneries^ iiMer«
Die Behandlung ähnlicher Stoffe, nur mehr ins siuK
üch-Grofse, als ins moralisch - Ei liabene, mehr phantastisch
als pragmatisch bearbeitet , giebt, um dies im Vorbeigehen
au bemerken, den höchsten und voUI|oiamenslcn Begriff dnr
Cfnsten und leierlichen Oper.
• ■»
^ ' ■ LXXXYI. • ■
Geaets der TotaUtät
•
5. Das Gesetz der Totalität. So wenig ein ästhe-«
tiscbes .Gaset» dem Diehter. bestimmen kann, weiches Ob^
jeet er m wählea hat, eben so wenig kann es ihm vor-f
schreiben, wie viele deraelben er in smnen Pkn .«ufoehaM
soü. Er hat seine Pflicht erfüllt, sobald er nur das Gemülh
deS' Lesers in der- Freiheit erhält, ^in der es an keinen ^or
■einen Gegenstand 9 niehl einmat ^n «ine einaeliie Classn
dei:ielbeii, gebunden ist IHese Freyieil Isl^ «ine Mdhuren-^
dige Folge des Gleichgewichts z-wüschen den verschiednen
ani^spinltett Empfindungen; sie ist zugleich die nothwen-
dige Bedingung au der erforderUchen Sinnliclikeit und Ine-
bendigkeit uiwrer Ansicht -
Es ist ein schöner Vortug der Kunst, mis von den in-
neren und äufeera, J^easein in lösen, durch die wir uns im
Digiti:^'-"-! \-v
224
wüpklidieit Leben so^ oft gehemmt filhlen; es ist ein noch
edlerer, dals sie uns an der Slelle derselben eine gleich
strenge, aber freie Geselzauirsigkeit einflöfst Diesen Vor-
tag kann sich der episebe Diehler YOtxugsweise va eigen
machen, un4 daau iMent ihm gerade am meisten die Tota-
lität, die Alleemcmheil des UeberbJicks, zu dt m er sich er-
hebt. Je höher wir uns. über uasrem Gegenstand befinden,
um ihn in seinem Ganaen ku übersehen, - desto ifreier erhal*
ten wir uns von seiner jflerrsohaft, aber desto ininger durch-
dringt uns das Gefühl seines Zusammeniiaiiges und seiner
GeseUmäfsigkeit; und in keiner Verbindung ist die £inbii-
dtingsknift so sieher, ideatisch, d. h. mitten in ihrer Frei-
heil ges e tamiii a g an bleiben, als in der VerUndurig mil
dam besehawenden Sinn und dem organisirenden Verstände.
Der Epopee indefs kann es aucii an der Menge der
Objecte nicht fehlen; keine Metbode ist so fruchtbar, ala
die der höchsten ObjectiiMt: dem um eine Gestail her^
aosauheben,' braucht man andre, die ihr zur Seite stehen,
um eine Bewegung zu schildern, die, welche vor ihr vor-
hergehn und auf sie folgen. Den grüDiesten Aeudithttoi
derselben wird man indela freilich nur bei der hermachen
anlixAeiL
«
Lxxxvn.
OtSil« 9iapMilM«r WaMiMt.
6. Das Gesetz pragmatischer Wahrheit. Man
kann die poetische Wahrheit überhaupt durch die Ueber-
einsümmung mit der Natur, als einem Object der Einbä«
dongsktaft, ün GegensaU gegen die hialorische, als die
üebereinstimmung mit derselben, als einem Object der Beob-
achtung, deÜniren. Historisch wahr ist, was in keinem Wi-
derspruch mit der Wirkfiehkeit, poetisch, was m keinem
15
Digrtized by Google
m
Witovpvach mit deo 6efl«lMn der Binbildutigikrilft «Utlft *).
Die EinbilduQgskraft überUUsfr «Idi nun entweder Uofe der
Willkühr ihres eignen Spiels, das sie nur künstlerisch aus-
führt» oder sie folgt den innern Gesetzea des menschlichen
Genoths^ oder den äuisem der NeMir. Je aa^lidem iie
eine dieser drei Richtungen wählt, wird die poetische Wahr«
heil zu einer blofsen Wahrheit der Phantasie, oder
itt einer ideaiischen, oder pragmatischen.
Die erstere ist unter eilen Dichtungaarten blols im
Mähfchen brauchlMr, bei welchen £e Phantasie agentlich
blofs mit ihrer eignen Kraft und an dem leichtesten Stoff
spielt^ alles, wonach bei einem so wilikührlichen Verfahren
noch gefragt wird, ist blels^ ob die fiiobiidungskraft diese
Ziftge in eine stetige Rdhe» in Ein Bild nisammena'ufassea
im Stande ist. Die idealische Wahrheit ist vorEugsweise
ein £i£exUiium des lyrischen Dichters und der Tragödie.
Sie luflomt alles ale voUgüliig. auf, was nur, nach der all*
gemeinen Besehaflenbeit des Gemitths, nach den allgemei-
nen. Gesetzen der Veränderungen desselben in ihm denk-
bar ist, es möcbU sich jaun ührigens noch so weit von der
I - - ' - »
*) In so fern die Wahrheit überhaupt die durch den Yentand «r-
ktnnta Utfbereiiiitiinmung eines Begrifft oder Sttset mit teiiiMi
Gegenstand iat, kann es eben so Tiel Arten der Wshdiei^ alt der
Gegenstände geben. Nnn nntenieheiden -wir Ton diesen tmiiglieli
Tier in Absicht ihrer intenectneilen Beinadlang sehr Ton wnander ab-
ireiehende Gattungen : T. wirklieke; <datfl Idealische, wid mar
solche, die entweder 2. ein Werk der reinen Abstraction, meta-
physisrlif unA niatht' matische, oder 3, der KinbiMungrskraft
sind, poetische; < iidlich 4. solche, die, an sich Idealisc!) , auf
wirkliche bezogen weiden, em p i ris c h>phil08 op hisc b e. Hier-
aus entatehen nun auch vier Gattungen der Wahrheit; 1. und 2.
.die historische und poetische; 3. die speculative (ineta-^
phyrisdie oder aiatiieinattsdie); 4. die philosophische (pbTsi-
sehe oder mi»mliscbe ) , die aieht auf der Uehereinstimmsuig ;uit
«iner besooderli Krfahmng, wohl «her mit der Rrfaltmng in Gnn-
' bemhl* '
Digrtized by Google
Natur entfernen, in der Erfahriuig noch so teilen geliaiden
werden. Die strengere pragmatische hingegen ▼erwirl
alles, was lüchi innerhalb des gewöhnlichen Laufs der Na-
tur liegt, und schHcfst sich genau an die Gesetze dersel«
ben, sowohl die pbysisehen als die moraliscfaen, iii so loni
«ie mit jenen -l^bereinstimmen, an. Sie fordert gerades« daa
rSaliuijclie, und wenn sie auch das Aufserordentliche und
Ungewöhnliche nichl ausschliefiBt^ so mufs es doch immer
vollkommen auch mü dem Natur^nge im Ganaea, nut
Gattungsbegriff der Mensddieit überevnslimmen, wenn es
sich gleich darüber erhebt; die ideaiische weist Jagegen
, auch das nichl zurück, was diesem letzteren wirklich wi-
derspricht, und schlechterdings nnr als Ausnahme in den
Individuen angetroffen wird; und die blofse Wahr heil
der Phantasie, die fast zu dem geraden Gegenlheil von
dem wird, was man getueinlun Wahrheit nennt, übertritt
sü^gar noch diese Sehranken. Die Grenseo deat idealischen
und pragmatischen Wahrheit müssen natürBeh, auf einielne
Fälle angewendet, sehr ult ziisammenzulaüfcn scheinen, mart
wird sie indefs nie verkennen, sobald man sich erinnerf,
daiii alles das blofo .idealische. Wahrheit haben kann, worauf
ein Gemuth std&l, das sich, abgesondert von dem LebeA
in der äulsetn Wirklichkeil, in seinen Ideen und seinen
Empfindungen verlieft, und der äufeern Geschäftigkeit und
der leben^Ggen Heiterkeit eine innere Thätigkeit und einen
blofii sentimentalen Genufe unlersciiieht,* da hüigegen ' in
. dem, welcher sich überall an die Natur aufser ihm an-
•chlielsty in ihr allein lebt, webt und geniefsl, nichts vorge-
hen kann, was nioht die höchste und m die ^gen fatten<bte
pragmatische Wahrheit besS&e. ,
* Dies aber ist das Gebiet des epischen Oiehters. Seine
Kunst geht aus der Fülle des Lebens hervor, und führt
eben so aneh dstoi «wück. . Er flieht daher alle gleiefasam
Digitizod by G<.jv.' .ic
fibtnaifiug» Verlaincraiig io Gedanke* miii Rmpfimlimgiiin,
«Ue Tcrwickeheti und adiwcir su ergfOndeiideii Chartktm
und Empfindungen; was damit verwandt ist, kommt ihm
unnalürlich und kleinlich zugleich vor. Er braucht groDsa
mnd helle Maeten^ und GegeosÜnde jener Art vertrage*
im semuclile Licht nieht» das er über eeineB Gegenetand
äuszugiefaen gewohnt ist. Er will aulserordenlliche Men»
•eben mahlen, aber doch nur solche, die es durch den Grad
ihrer Krafty .durch die Reiikb^i ihree Wesens, meht gleich-
«am durch eine seltne Organisaiien sind; Im Gänsen rsoSen
sie mit aliem, was nur überall das iM enschlichste und iN'a-
(ürlichste ist, in dem voJlkommenslen Einklänge stehen;
was elr darsteUl, muls der bleise g^dsunde und gerade Siaä
ditrehalis su lassen und- sich anzueignen im Stande seyn.
Dies auch allfein ist der reinen objecliveu DarsteUuug fähig,
von der er sich niemals entfernt
Desseniingeachtet kann er mdefe nicht Weniger auch
einen Ge|;ettstand, der nah. an das blofe Idealische grenit»
aus jener gleichsam fremden Well in seine I )ic}itung hin-
überführen j und wir haben im ersten Theiie dieser Ab-
handlung gesehn, dals die Eigenthiuniichkeit der neueren
Pofisite, und besenders die uneera Dichinnr* groleemheili
hieMttif benihi Nur mufs er alsdann nicht versäumen, da«^
gegen das Gemiilh seines Lesers vollkommen pragmatisch
au stimmeo, und dadurch wied^ den MiWang aufantösen^
dien senst ein solchte G sge na la nd in dieser Gailling noH^
wen£g bewhrken rnüftte. Ist er aber hierin glöcklich, sd
erhöhl er den Reiz seiner Dichtung, da er ihre Greosen
erweiterly «bae ihrem Charakter zu schadisn« D^m wenn
es eine Hauptregel % den. Dichlor ist, din Reinheit der
SÜmmung, Wefehe jeder IHehtoigsart eigenthümlich ange>
hörl, in ihrer höchsten Vollkommenheit zu bewahren i so
jpi es .«ii»e nicht minder wichlige, die Gegnnstiinde, weAebt»
. ij . ..cd by Google
jtde lieh nMttriicfaer Wmm «ueigoel, m»- n«i a»ög|i«^
Btt vervicttUtiigeii, UDd gegen dnander aiiiwtaiMiilietiv
Die herdiclie EiMOf>ee ISttft weniger Gefalwv gegen dies
Ge&eU zu verslofsen, als die ihr enlgegengeselzle. Ab^r
je genauer auch diese 9$ beobachtet, je mehr sie hoheni
nod loinen Gharektergehalt «jgieieli mil dieser qafcürlidm
, EMieblieit lu verbrndcfi weifs, je mehr tie originelle la4ir*
vidualilat in einer Dichliingsart geltend macht die immefii
seihst m den Individuen , nur die Q»tUmg ta zeigen ^treh^
deete gröfiier ist ihre Wirkung»
Denn der Menech ist nie sehUner» «b wenn «r eid»
dasjenige, was er aussciilielshch durch seine eigne Kraft
gebildet bat, dergestalt aneignet, idaüs es in ihm als eme
aUgeweine fiigensehefit-der ganzen Meneebheii erscbeini»
Lxxxvin.
i
Plaii des GedicliU. — Gang der Handlung,
Dies sind die vorzüglichsiini Geselae der episcKen Qiehi«
kuiist Sie sind alle eigentlich nur verschiedene Ausdrücke-
der lebendigsten Objectivitäl; Anwendungen des allgemei-
Ben Begnfie der Epofee auf die onaelnen Forderftn|psn,
welche an den Dichter eigehnn. Daher Heben sie sioh
vielleicht auch noch uaLer andre Benennungen bringen;
nna scluen es iodels die aligemeine Üebersicht am meisten
•u erieidiieni» Merai diese Kegeln, festauaelzeni welche der
Dichter hei .allen einsetnen Thailen seuea Verfahrtna beob-,
achten muis, und dann diese Letzteren selb^ft dorehzugehen.
Mit diesem letzten Geschäft wollen wir nunmehr noch diese,
mir vielleidil m anaäihrttfihe Benrlheilnng beSchlNsen, und
den Plan, die Charakie.re und den Vortrag untres
Gedichts nach den eben aufgestellten Gesetzen mit wenigen
Worten priiÜen. Zugleich wird m& dies Gelegenheit geben,
Digitized by Google
2M
noch diejenigen einzelnen Bemerkungen einzustretMn^ di#
in dem- bisherigeQ Gange keinen Plate finden konnlen.
Der Plan unarea Gedidito ▼ereinigt die i Wiebche
Sch<)nheit in sicli , dafs alle einzelnen Theile vollkommea
fest und doch durchaus zwanglos verbunden sind. Ni^
mand wird in einer Composition too ao kleineni Umian^ft
die polypenartige Eneugung einea Tlicib aua dem andern
erwarten, die jedem für sich noch eine eigne Selbstständig*^
keit einräumt, welche die lUade zu einem so grossen , und
Arioata raaenden Roland (denn auch hierin ateht nur der
Italifimsche Sänger dem Grieäiischen nahe) an einem ao
reichen unrl maniiigltilligeii Ganzen macht. Dagegen drangt
aich auch nichl> wie man wohl sonst der modernen Dicht-
fcunat Schuld gegeben hat^ daa Einzelne auf eine harle^
nnd mehr dem Veratande angemeaaene, als der Phantasie
gefällige Weise in Eine Spitze zusammen. Vielmehr gehl
jedes folgende Glied in der Kette von Umständen frei und
willig aua dem vorhergebenden hervor, und doch iat daa
Ganse eine atetige, überall «uaammenhängende Folge von
Begebenheiten. Indeni es vom Anfange aus au einer ge-
wissen Milte aufsteigt, und sich von da wieder bis zum
Ende hinabaenkt» bUdei ea einen kleinen, Jiber durchaus ge*
achlesaeneiil lind in allen seinen Punkten erfüllten Kreia.
In dem Ende selbst schliefsen sich alle Theile, die der
Dichter vorher einzeln gezeigt hat, vollkommen zusammen;
alle vorher aufgeregten Empfindungen finden darin ihre ge-
nügende Befriedigung. Herrmanna Wnnaeh Dorotheen ati: '
besitzen ist erfüllt; die Naiuren, die tiir ( inander bestimmt
aehienen, haben sich gefunden, und beginnen nun ein neues
und achdnerea Leben. Indefa bleibl es doch immer, nadi
wahrhaft epiaeher Weise, mehr ein Sohlufa dea Dichteva,
als ein Ende der Handlung selbst. Wenn auch das Mld-
chen ein|;e willigt hat, wenn die Cilern ihre ZusMuin^ung
Digitized by Google
m
gegeben haben; so konule lo der Wirkiichkeil doch noch
mehr als £m Hkidermfe unenvarlel dazwischen Ireleit» und
4ie rnkfiche- Veibindiing» die noch nidil geachehen tsl,
aufschieben. Wäre es möglich, diesen Stoff als Tragödie
Ml behandeln, so würde sogar erst hier der Knoten ge«*
aekürsi werden , erat hier . die Uandümg angehen müssen.
$Q mächtig alier iat.die Stimmung, in welche der Dichler
unser Gemüth versetzl , so ganz hat er dasselbe in seiner *
Gewalt, daüs, wenn wir alsdann mit Gewifsheil plötzliche
Schwierigkeiten erwarten würden, wir hier die eigenthch€
VoUehnng der Verbindung aelbat nur als eine nothwen-*
dige Folge ansehen, die der Dichler blofs darum nicht mit
In seinen Plan aufnimmt, weil sie sich nunmehr nalürUch
W9m aelbst Tersteht.
Bei einem Stoff, wie ihn unser Dichter wählte, mufate
BOtliwendig dn grofser Theil seines Gedichts in Gesprächen
bestehen ; eine gewisse Armuth an Handlung kann ihm bei
emni solchen Gegenstande nicht als Fehler voigeworfen
werden; «Wohl aber muis man ihm den Reichthum an Be-
wegung mm Verdienst anrechnen, den er sich auch hier
noch zu verschaffen gewufst hat Wenn man von dein
Dichter nicht mehr verlangen kann, als dafs er atis seinem
Stoff ällee dlas Leben, alle die sinnliche Mannig<igkeil zielie, '
deren derselbe föhig ist, so hat der unsrige diese Pflicht
im genausten Verslande erfüllt. Wir wollen hier nicht an-
fithreu, wie gut er das Gedränge und die Verwirrung des
Zugiee» das £Iend des Kriegs, die merkwürdige Begeben-^
keit, die iliA veranlafste, tu benutzen verstanden hat; diese
Dinge waren vielleicht zu grofs und zu sehr in die Augen
lallend, um stillschweigend bei ihuea vorüberzugehen. Aber
' wk aniehaulick hat er aiich da9 geschildert, was allein das
Werk seiner Ginbildungskraft ist; wie macht er uns mit
dem Hause, den Besitzungen, dem Wohnort, denSchicksa-
Digiiizixi by CüOgle
len der Familie HerrmanoB bekannt 1 Wie lebendig wird
nun alles um uns her, da wir mit der Mutter den weiten
Hof, den wohl bofillaiistea Garten und Weinberge das imda«»
bare Feld durcbttrichen liabca» aiw ibrem Mundil den lorolh»
terlidien Brand des Städtchens, aus den Gesprächen des
Vaters die aiimähiige Aufnahme desselben erfahren, da wk
die Familie bis a i den Ahlilierm hin neniian!
In der Thal werden luir wenige audb unter . ^en. flAv
• deren Gedichten, so viele und so grofse sinnliche Gegen*
stände autslelieti; das eiiutge, was mau Y^missen kann,
ist bloÜB, dads es nicht möglich war« anfh nor alle badsiir
tenden un^er denselben augleich ki Handlung su Mkul
Aber dies lindert nicht sowohl die Stärke, als nur die Art
der \\ iikung; es macht nicht, dafs wir weniger, nur dala
wir mit andren Aug^ sehen. Dadurch ist das Feld des
Dichters nicht verengt, nur sein Ton varandari wudsn.
Wo derselbe mdefo nun wirklich Handlung darges teilt
hat, da geht sie auch ununlerbiociieii fort, steht sie yihb
ersten Gesänge an keinen Aug^faJick stille* ^ 8^ oft wit
' auch .blols Zuhörer der .Unterredung^ der a«%efuhvlaA
Penonen sind> so vertreten dieselben doch nie die StelJe
der Handlung, sondern sind immer vollkommen an ilneiu
Platz. Statt also da£s ihre häufige Wiederi|»abr ei» Fehler
des Plans wäre« ist sie nur eine unvermcidlicfaa Fdga den
einmal gewählten Stoffs. Sie dienen noch aufserdem Une
gewisse Weile zu bewirken, den Gang der Handlung bald
an^uiialien, bald lu beachleumgep« Denn,.nir^nds bawcfl
sich dieselbe weder su rasch fdr die Zeit, dfie ihr gegeben
ist, noch au langsam fi|r die begierige Aufmerksamkeit des
Lesers.
Was aber diesem Gange vqrsügUoh iieiobtigk«it und
Natürlichkeit giebt, ist die Menge .der ciaaefecn Momenti^
in welche sie yertheilt ist, und deren man in diesem kleir
m
ntn Umfange, ohne nur irgend zu seht einzuschneiden, ge<*
vnk gegen Hundert sählen köantew Wie wichtig dieser
Unsluid isly hewviBl -ubs Homvr, dar vorsfiglick dadordi
die «ngdbtiire tndividiialiläi^ die schöne Bewegung, dat
rege Leben erhält , dafs er alle Augenblicke abselzl, und
daüs immer Motmeut auf Moment iolgl, &o dais der kürz««
ate Geiaog» wem man ihn am Ende in aliem. aenem Dt4
Uaif naeb' allen den Punkten übersieht, wo man, eioeii An«»
genblick verweilend, von einem UmsLande zum andern
überging, in der Ermnerung eme beträchtliche Länge er-
bitte dadurch die Natur miebabmt^ umI dia Phantasia gicieb-
aam tilu8cbl> die wirkKehe Zeil selbst mit darcMaufcn su
haben. Je mehr die Kelle der Begebenheilcn gegliedert
ist , desto weniger sclieiuen die einseinen Glieder au& dar
naUkäbrlicfaaik Anlage das Diahkera, desto nothwendig^r aua
^ einander aeHnt au entstehen, nad dealo geaeimieidiger wird
das Ganze. Dadurch vorÄÜglicli uiilei&ciieidel sich der
lÜcbjter der Natur von dem. Dichter der Schule, und selbst
elme ma£ den Zuwache an sehen, den er dadoidi an Leinb*
iigheil und Freifaeit gewinnt, iat ea sehen in Abeidit dei^ r
blorsen Form des KorUchrcileiiö der Handlung der Einbil-
dungskraft gelalhger, sie, gleich emem kicht bewegten
Sl»mc^ in ianter kleinen, aanH gebrechenen nnd dnoh iaoi^
mer aloligen Wetten hinflielMB su «ehe».
Kellt dichtenfche Krlinduiig des Garnen*
Bei der Anordnung des Details ist kein Umstand, der
aus einem andern, vorher angegebenen, natürlich herfiiefsk,
migafamn, und kein angeliihiter unbenutit fsbliebeni und
eben eo wenig findet man einen, deaaen der Diehter bet
dürft hätte, nnd der nicht schon durch die einmal voraus*
234
gesetzten V erhältnissc mitgegeben gewesen waie. Wie in
einer voUkoniiiien ausgearbeiteten Bildsäule nichts mehr
bloüier Stoff ist, wie auch der ideiaete iUnfn, über den der
Finger iiinweggleitel, seiiie eigne Form «nd seine eignn
ßegrenü-ung liat, so ist auch hier alles bestimmt, und jede
Bestimmung erzeugt immer von selbst wieder die folgende«
Der Leser iiütte sie hiaxiifügen müssen, wenn es der Dich*
ler versäumt hätte.
Gerade nun dadurch zeichnet sich das echte Dichter-
genie in der Composition aus, dafs es seinen Gegenstand
gieicfa dergestalt in die Piisntasie auifidsty dais sieh allea
davon ahsondert, was keiner poetischen Wirkung« fihig ^
alles hingegen, was diese vermehren kann, sich von selbst
darin .£odet Ohne nur irgend zu suclien, mofs der Dichter
in dem Stoff, den ihm 4ie Begeisterung; suMrte, selbsl
verwundert, alles vereint^ und nur das antreffen, was av be«
darf; er mufs blofs entwickeln, was ihm, gleich als wäre
es das Geschenk eines glücklichen Ungefährs , sein Genius,
ohne sein Bemühen, nur durch die Kralt seiner Natur fjßky
Dies ist hier um so aufifollender,. da ein so einfiKdier Stoff
und im (I runde nur ein einziges Verhaltniis aufgestellt wird.
Der Dichter kann hier nicht, wie i, B. Homer hei der
Sehilderung einer Schlacht, mehrete Bilder si%Mch ank-
gen, und von^ dem einen sum sodcm Übergehn; er -mala
sein ganzes Material sich aliein aus sich selbst erzeugen
lassen.
xc.
■ " ■ •. •
Augenblick, in welchem die Handlung anhebt.
Die Wahl des Augenblicks, in welchem der Diehihr
die Handlung aufnimmt, gehdrt cu den vorsBghehslen Be-
weisen seiner Geschicklichkeit in der Behandlung derselben.
Digitized by Google
I>eMi -von ihm bÄB^lt das InUresse ab, das sogleich und
iNunitlelbar in uns erregl werden eoU* .Dalier ist es .bei-
nah flur Regel geworden , den Zuhörer gleich in die Müle
der Begebenheit zu versetzen, und in der Thal ist jeder
Anfang zu leer und unbestimmt ; es bleibt zu ungewi(s, was
man sich von dem Erfolge versprechen dar( als da& schon
da eine bedeutende Th«hiahme enlstehen könnte. Auch
unser Dichter ist dieser Hegel gelreu geblieben, er halte
aber hierzu noch einen andern und wichtigern Grund.
Der AnCang^ scHier Handlung ist Uerrmanns Fahrt nach
dem Zuge der Ausgewanderten» und die Vertheilung der
Geschenke, mit welchen ihn seine Eltern hingesendet hal-
ten. Diese ganze Scene cnUiehl er unsern Augen ^ wir
böven nur die Schilderung derselben aus Herrmanns und
des Apcihekers Munde; dies aber ist auch die einstge Stdle^
wo wir nicht unmiUelbare Augenzeugen des Geschilderten
sind. Die Hauptgruppc in unserm Gedicht ist Herruianns
Familie; wenn wir an der Begebenheit die uns erzählt wird,
Theil nehmen sollen, so müssen wir erst mit dieser ver«
Iraul weiden. Diese müssen wir also auch allein im Vor-
dergrunde erblicivcn. Halte der Dichter jene Schaar aus-
gewanderter Flüchtlinge^ die Verwirrung ihres Zugs^ das
Unglfick ihrer hniflosen Lage,. unmittelbar selbst uns vor-
geführt, so hätte unser Gemüth, durch diesen Ungeheuern
Gegenstand plötzlich erfüllt und zerstreut, sich nicht wie-
der auf den Punkt sammeln können^ in welchem doch ei«>
fe&tlich' allein das ganie Interesse verheizen liegt Er
halte, in der Nähe auftretend, alles Andre gewaltsam nie-
dergeschlagen, da er jetzt, in der Ferne erscheinend, viel-
mehr eine überaus schöne und verstärkende Wirkung her-
vorbringt. Hat unser Dichter nur erst Zeit gewonnen, uns
seine Personen und ihre Schicksale ans Herz zu legen, so
scheut er sich nicht mehr> uns mitten in das gröÜMste Gei*
Digitized by Google
m
wülii SU führen, uns mit den erschiUlftrnden Schüderuogen
ehies forcfatbaren Krieg» und einer grolieii Reveiution su
miterhallen. Er hat uns ernnval eine bestininite Bnspflu*'
dung eingeflöfsl; stall dafs wir nus derselben herausgehen
sollten» ist er gewii5, dafs wir nur auf sie allein alles Fremd»
beliehen.
Aof diesem Zuge isl es femer, dafs Dorothea «lertt
ihrem Herrniann erscheint, und der Dichter erreicht nun
auf einmal einen doppelten Zweck, wenrj er mit der ßfr»
gebenheit selbst auch den ^druek schildert, den sie in
ihm siurOckgelassen hat. EndUoS schlielat siäi die Zeit 4er
ganzen Handlung kürzer und schöner zusammen, wenn das
Gespräch über Herraianns Verheirailiung, das den eigentli-
chen Anfang der Verwickelung macht, auch gleich in de«
ersten Gesüngen anhebt, wenn es die erale liedevtende
8cene ist, die wir vor unsem Augen vorgehen sehen.
XCL
Batwkeideade VmiliAdei durch weldifi dio Haadlvny ihr« Baapteiaii*
dangen erbilC
Drei Hauptwendungen sind es vonüglich, diirdi weldie
die Handlung eine entschiedene luchtun^ erhält: der Streit
zwiachen dem Vater und dem Sohn^ das Begegnen Uerr-
manBa und Doretheens am' Brunnen; sein Antrag, aio
mir ak Magd In sein Hans tU' führen, ^p«4>unden mit der
verstellten Rede des Geistlichen, durch welche dieser die
hieraus entstandene Verwirrung noch weiter fortdauern läfst.
Alle diese drei Umstände- aber entspringen dnrchabi naltlr-
lieh aus der gaifsen jedeemahgen Lage, und die beiden
letzteren passen noch überdies so gut z,u dem Charakter
des epischen Gedichts, dafs der Dichter sie schon in dieser
•
Digitized by Google
IBiiikiht hSM Wtfhkii miiaMn^ w«iui sie aueh nkht su
Mitier Abiioht gebraiwlii hält«.
Der Vorwurf des Vaters beschleunigt den Gang der
Uandiui^» die somt mcht so leicht zur Entscheidung ge«
Ibonmm wäre; (lemiiaiiiift- GeoiiHh muffle iwck sie
bewegt, seine sarltielie' MuUer ttm ihn so besori^l^ sein Hm
durch ihre liebevolle Sorgfalt so tief gerührt werden, wenn
er^ der sich sonst so schwer enUchlofs, sich so schnell ent*
dbcken, so piöteiieh die entscheidendeo «Sd^ntte m wagm
enlsehlieisen soUlew Zugvieh aber ist es so oatürlich, dafii
der Vater in einer Stunde, wo er heiter gestimmt, aber
durch die Begebenheiten der Zeit ernsthafter bewegt ist^
der Verheirakhung seines Sohnes gedenkt, die ihm acheii
httge am Henen Ug, und dafe der Anblick so. vieler U»»
glücklichen, welche das Schmerzliche einer traurigen Flucht
darum noch bittrer empfanden, weil ihre Frauen und Kin-
der ea mH ihnen theUien, das Gespräch überhaupt auf diese
Materie lenkt
Von- dem Begegnen beider Liebenden am Brunnen
haben wir schon lui Voi igen gesprociien ; es gehört zu den
fireignisseiv in welchen gerade das Wunderbare und Uebec«
laschende natürlicher ist, als das Gegentheii Kein Zn-
aMaul einer stärkeren Leidenschaft, efaier höheren Spannung
der Seele wird je ohne ein solches ungeQiitre Zusammen-
treffen blofs zurailiger Umstände gefunden werden; sey ea
■MW Ml .wir aMm Tom diese. 1,Jiau|taHde, schäriisr hsmus«'
haben and danemder an imserer Empfindung anCbe wahren^
oder sey es wirklich, dafs eine geheime und unbegreifliche
f^mpatflio 4fr Seele diejenigen zusammenfuhrt, die in ih*
m innewteik fimpfindnngaa £ins sind» oder dala tttiitf)ho
Gemttthsotinunung ihnen wenigstens ühnliehe Richtiia^[aA
gebe, in welchen sie sich öfter und leichter begegnen.
Die Schürsung des ila^MoM«» end^ch antspiingl
Digitized by Google
2a8
sehr imtüdiich aus Hemnanns und DoroUieens CJiarikter«
Er 4 fderiich gestimmt und tief bewegt, und aus mehr als
Einem Grunde, aber ▼orafiglich wegen des Ringes (den der
Dichter so trefflich benutzt hat) an der Erfüllung seuier
Wünsehe zweifelnd, mufste nothwendig in seinen ^'WOTtsm
laaäerisi' und; stocken; Dorotheens leichte und gewanOlelife^
Setaitoheit Ihtn eben so nothwendig mit einer «IramiisAi^
Scheidung zu Hülfe kommen. Das Unglück ihrer Lage nmU
ihr einen Antrag zur Heiralh so unglaublich, und dagegen
4nA; d«n iSe wirklich annimmt» so wahrscl|«einikl^tiM|ÜH
und Seme '^hSchtemheit, seine Freude, sie* dodi 4Nllij|sHiik
nun in seiner NShe zu besitzen, seine Fuichl, tlurch einen
andern Zusatz »auf einmal alles wieder au -verderben, muk
ihn diesen Ausweg, den sie ihm darbietet, mit beiden Hän-
den -ergreifen lassen.
hl der Thal halte der Dichter kein glücklicheres Mittel
finden können, seine Wirkung zugleich hinsuhaiten und zu
verstirken. Wie sehön wird nun der Rückweg der baden
Liebenden durch dies Mi£hrersländni£i, das Dorotheen die
ganze Freiheil in ihren Aeufserungen gegen Hertmann er-
hülty welche das Bewufstseyn anerkannter Gefühle noth-
waldig raubil Welche liebliche Zweideutigkeit bringt es
in die Worte des Jönglings, mit denen er immer sweifehid,
aber auch immer baid mehr, bald weniger hoffend, ihr
seine Besitzungen, das Haus seiner Eitern, dies Fenster der
Kammer seigt, die er bisher einsam bewohnt hat, und aua
doppelt glücklich an ihrer Seite bewohnen wird. Wie gern
hören wir ihn hier, nicht mehr im Stande seine Empfin-
dung ganz an sich zu halten, ihr sagen, dafs diese Kammer
künftig die ihrige seyn wird, aber auch gleich durch den
Zusati:
wir vefMe» in Hawe,
wieder das zurücknehmen , wodurch er sich verrathen au
23(
lialpen glaubt Wie glttcUlch hal der Diehler diese ganse
Stelle auf einem reizenden Mittelwege zwischen dem Ernsl
der Wirklichkeit und dem 6piei einer bloiseu Kinbiidung
gehaften»
Die lettte ron denen, weiche wir hier Büsammen an-*
führten, und welche die Cntwickelung noch am Schlufs ei-
nen Augenblick versögert, ihut uns, wie sich nur wenige
Leser werden abiäugnen können, auf gewisae Weise wahe.
Wir haben einen so innigen Anlheil an Herrmanna und Do^
rolheens Gefühlen genommen, dafs wir die Verwirrung, die,
wenn sie uns bis jetzt selbst ergötzte, nun für beide drückend
werden kann, gern unmittelbar getöat wissen möchten; wir
sympaUrisiren überhaupt inniger mit ihnen, als mit dm an*
dern Personen, die eben im Hause versammelt sitzen; wir
smd schon darum anders und zarter, als sie, bewegt, weil
wir die beiden Liebenden auf ihrem Wege begleiteten, weU
wir, eben so wie sie salbst, durch die €ngewifeheit ilirsT
Lage und die augenblickliehe Verstimmung durch den* Ui^
Mi auf der Treppe des Weinbergs reizbaicr und verwund-
barer geworden mnd. Dag^en ist der Pfarrer twar «n,
au%eUSrter 'und einaichtsvotter Mann, aber mehr eine heiti«
und unbefangne, als empfindsame Natur, und in dem An«
genbhck, da das Paar in die Thüre tritt , freut er sich ein
Werk, vollendet au aehen, das er grölstentkeils sdbst be-
reitet hat. ' in^ &sem Moment kann er, weniger um den
Schmers, den er augenblicklich züfugen wird, als um daa
Erklärung bekünimerl, die er hervoriocken will, der Ver^
' suchung nicht widerstehen, das Gemüth des Mädchens aufs-
Aeufserste zu bringen) und dadurch' ihre Oesinnmig au
fMrOfen« In diesem fiinn setzt er die Verwirrung durch Ver-
Stellung fort, und auf diese Weise konnte der Dichter eine
Aeufeerung nicht vermeiden, au der einmal alles gegeben,
aHes Torbereitet war«
Digitized by Google
24«
0
Aber er hülte auch ailBeii epiwhcn VorUnil nur we»
nig Tmlanden, wenn er sie, durch eine falsche Delikatesiie
verleitet, halte aufgeben wollen. Denn gerade diese min-
der sorgfällige Achtung larter Gefühle, diese Stimoiiiiigy i«
dar wir andre nicht fiir varwundbarar ansahen, ak una
salbat, und daher ohne weitere Rücksicht unsern Launen
oder Ein (allen fuigen, vielmehr an absichtlich angerichteten
Verwirrungen und Mifsverständniasen» von denen wir doch
▼omuasehon, dafa sie nch auletat in dinen Uo& beRem
Sehers auflösen müssen, eine sichtbare Freude haben, ist
den eigcnüjcii natürlichen, rein realistischen, und also durch
beides wahrhaft epischen CharaUeren ani^ meiatcn eigaiv
Daher findet man audi Stellen diäter Art nirgends ao häufig,
ab in den' Allen, und Homem Jicraserschneidende Worte/'
die voreöglich in der Odyssee so oft wiederkehren, stehen
meistentheils in keiner andern Bedeutung da, als hier daa
Rede dea Geialüchetty nur dafo ihnen mehr lualiger Schem
und manchmal sogar eine gewisse Rohheit beigemischt ist.
So wie diese einzelnen, sind die meisten, oder, genau
genommen, vielmehr alle Umstände, die der Dichter in sei-
nen f^an verweht hat, durch efoe dreifiiche Noth^andighcit
begrtedet:
1) als Folgen des vorher Gegebenen^
2) ala Mittel sum Zweck des Ganaen$
9) endlich ala (tte UufliBhalen Weiiaeuge rar Hervor«
hringnng einer wahi^aft epischen Wirkung, und daran, da/s
dieses alles immer unzertrennhch susammengeht» sieht man,
dafs das Ganse aus einer einaigen rein didileriaehen An-
aehauung entstanden ist Diea durch alle TheSe dea Ge*
^fiehls hindurch einaehi an aeigen, würde eine überflüssige
Arbeit seyn, da gewifs alle in ihrer ganzen Verkettung
dem Leser gegenwärtig sind. Auch haben wir in Voiigen
(XX-^XXXVL) schon eine Veranläaivng gataden, dto
241 •
uns beinall durch das ganze Gedicht vom Anfange bis zuui
Ende geführt hat. Wir können uns daher Iiier begnügen,
nur noch ein Paar allgemeine Bemerkungen hinzuzufügen.
XCII.
Ueiiutzuiig des OrU und der Zeit.
Die Quellen, aus welchen der epische Dichter alle seine
Mittel schöpft, sind allein der Lauf der Begebenheit und
die Natur der Charaktere, die er darstellt. Der unsriee.
der in dem ersleren keine grofse Hülfe finden konnte, mufste
sich vorzugsweise an die letztere hallen; indefs hat er der
eigentlichen Begebenheit etwas andres unterzuschieben ge-
wufsl, wovon er mehr, als vielleicht bisher ein andrer Dich-
ter, IrelTlichen Nutzen gezogen hat — den Ort und die
Zeit.
'K. Beide bestimmt er mit unermüdlicher Sorgfalt, bei bei-
deu vernachlässigt er schlechterdings keine Beziehung, die
sie liuf die Handlung oder die Personen haben können;
und dadurch gruppiren sich nun in diesen Umgebungen die
Figuren noch dichter und schöner zusammen. Die Zeil
der Handlung ist, wie das Verhältnjfs zu ihrem Umfange
forderte, nur sehr kurz, nur von dem Anfang des Nachmit-
tags bis zum Einbruch der Nachl. Auch dies ist wieder
zugleich in der Lage der Sachen gegründet. Eilte nicht
Herrmann, Dorotheen noch an demselben Tage zu besitzen,
so zog sie fort, und verschwand ihm vielleicht auf immer
in der Vemirrimg des Kriegs und im traurigen f^inzielin und
Herziehn.
Der Tag ist ein schwüler Sommertag, der sich mit einem
Gewitter und Regengufs endigt. Wie gut der Dichter die-
sen Umstand, den Einflufs der Tagszeit und des Himmels
auf die Stimmung der Personen benutzt hat, davon haben
IV. 16
I
wir schon oben ausföhificlMr gMpfocheti. Aber er hat aadi
4jie allmäligen Grad«, dorch die bei der Hibe eines «ehwö-
len Sommeriags sich ntfch und fisch ein Gewitter soseni-
nienzieht, so stufenweis und so mahierisch geschildert, und
diese Schilderungen überall so naUkrlich eingeflochteD, da£s
wir den Nachmittag und Abend mit su durchleben, die
staubige Hitze zu fühlen glauben, den Himmel sich gegen
Abend nach und nach schwärzen, endlich die schweren
Wolken den voU und hell stralenden Mondirerschlingen sehn.
!!ßdii weniger spi^llig inacht er uns. m% dem Le-
cal bekannt, nidit weniger VorlbeU sieht er ans emigc»
schonen Standpunkten, wie aus der Aussicht auf das Städt-
chen am Birnbaum. Wir kennen die Stadl, den Weg zum
bcnachbaiten Dorf» den FuftjifiBd, der wm dl dordi jlas
Kom «1 Hemnonns Besitsung führt, veir «Hem aber deft
Gang vom Birnbaum in die Wohnung, deh wir zweimal
mit so verschiedn^ Empfindimgen zurücklegen , genau.
Dennoch ist in keinem einngen Vene -eine abiicfattnhe
adireibang enthalten^ aber ib alle Pertehen immer mit der
ganzen Anschaulichkeit reden, die sonst nur ein wirkliclies
Gespräch hat, und da es ein kleiner Kreis ist, in dem man
«ich hemmdreht, in jdem also dieselben Gegenstände melir
«eremale wiederiiebrett: so ist es eben so viel, als halte
aian diesen halben TiJg an dem Orte selbst zugebracht.
Der Dichter dachte sich die Handlung nie ohne -das Local,
iind dieses nie ohne, jene; daher leigt ec es immer sugleieh
mit ihr, und beschreibt es nie aliein und fur'sieh. So kann
z. B. der Apotheker, wenn er, ohner alle Absicht, in einer
gana episodischen firaüihlong den Ort einer Spazierfahrt
nennt, auf keinen andern, als auf den Lindenbrunnen
kommen, der uns schon dtireh eine ganz andre Erinnerung
BO wcrlii lät, uiiil eben so in allen übrigen Stellen.
Aber utisrem Jjichier lUfdU es aucili die lugeftthiunr
243 ^
lichkcit seines Stoffs mehr, als einem andren, zur Pfliclil,
die äiifsern Verhältnisse seiner Personen nicht zu vernach-
lässigen. Da sie immer weniger durch ihre einzelnen Hand-
lungen, als durch ihren Charakter, ihre Gesinnungen, ihre
Lebensart intcressiren können, so darf er nicht weniger
Sorgfall darauf verwenden, diese Dinge, die sie täglich um-
geben, als sie selbst, zu zeigen.
«• So hat sein Plan den festesten Zusammenhang, so
durchgängige Stetigkeit der Bewegung und vollkommene
Einheit des Ganzen. Aber er verbindet mit diesen Vorzü-
gen noch einen andern, der, wenn er auch nicht seine epi-
sche Tauglichkeil vermehrt, doch die Wirkung des Ge-
dichts sehr angenehm verstärkt, nemlich eine gewisse regel-
mäfsige, man darf es sagen, absichthche Symmetrie. Sie
kann dem aufmerksamen Leser von selbst nicht entgangen
seyn , und auch wir haben sie schon an mehr als Einer
Stelle in dem Bisherigen berührt. Sie giebt der ganzen
Production eine gewisse Lieblichkeit und Zierlichkeit, die
nur der Kunst angehört, und den Werken derselben um
so sichtbarer eigen seyn mufs, als es ihnen an grofsem
Umfang und an eigentlicher Erhabenheit abgeht. Wo sie
fehlt, wird das Elrnste leicht feierlich, das Pathetische leicht
drückend; wo sie übertrieben ist, geht alle Wahrheil und
aller Eindruck auf die Empfindung verloren. So , wie un-
ser Dichter, hierin die Miltelslrafse 7u halten, die höchste
und einfachste Natur , so ganz ohne ihr das Mindeste ihrer
Wahrheit zu entziehn, mit dem sichtbaren Gepräge der
Kunst zu stempeln, ist vielleicht der sicherste Beweis einer
echten Künstlernatur.
16*
244
»
XCill.
Stetigkeit in den nach «Imiiul^r eiMgt«^ Koipin^nnfien* — Aqm^m?
davon. — Settel det Aftotheken gegen die Ungeduld.
. £ben die Sletigkeit und Emheii, die in deuh Plan ded
Gedtehts herrscht, finden wir auch, tn den Eoipfindungen,
die nach einander erregt werden, wieder. Alle kommea in
der reinsten und menschlichsten Theilnahme an der Bildung
und an dem Glucke der Menschheit, in der Gesiiintftig nril
einander *überein, die, billig in der BiMrihatung Andrer,-
lins hlofs slrcng gegen uns selbst mnrlu, aber mis doch
immer in ununterbrochener Thäligkeit und heitrem Muthe
eihält. Im Einzelnen läuft jede immer sanft in die andere
über. Wenn- das Gespräch eiiie ^«u eni8lliafte> oder^TSfi^
* rende Gestall anriiaiiiii , so giebt ihm der Aj)olheLer eine
leichte und lustige Wendung; wenn dieser uns zu sehr, in
eeiaen Kreis her^buehtiv so führt iiQs.der-Geisibchie' zu ei<?
«
«er allgemeineren philosophischen Ansicht. * Besonders fin-
■ et sh Ii (lieser Ueber£,aiig vom Palhelischen durch das Ko-
mische zur biolsen Betrachtung efjen so iiäuiig, als er auch
im Leben selbst dorch die zuneige Mischung der Charakr
tere, und selbst durch, eine gewisse -innre Noihweodiglceit-
in dieser Folge, fast be^^tamü» zurückkehrt. , ^ -
Nur in einer einzigen iStelle ist ein sichtbarer Sprung,
ein gewiaserinafseii greller C'entrast; aber-^a ist er auch
nothwendig, da fordert ihn 'die Veranlassung selbst niillen in
der sonst nirgeiwls unleibrocbenen Stetigkeit der epischen
Gattung.. Unsre Leser errathen gewi^, dafs wir von dem
Mittel gegen die Ungeduld reden wollen y das der Apothe-
ker noch im Aller seinem seligen Vater verdankt; keiner
von ihnen wird über diese Stelle ieichl ohne allen Anstofii
weggelesen, jeder sich gefragt haben, was es eigentlich ist«
das ihn so sonderbar daran trifft. Wir wollen' versuchen,
Digitized by Google
245
an unsrein Theil von dem Verfahren des Dichlers Rechen-
schaft zu geben. *
' Herruianns Ellern safsen unruliig uiit den beiden Freun-
den da, und erwarteten mit Ungeduld die Ankunft ihres
Sohns und den Ausgang der Dcgebenheit. Die Wichtigkeit
dieser Entscheidung liefs kein andres Gespräch aufkommen;
die Mutter vermehrte das Uebel noch durch laule Klagen,
durch Hin- und Herlaufen, und durch Vorwürfe, die sie
den Freunden machte, die ihn allein gelassen halten. Be-
sonders wuchs dadurch der ünmuth des schon heftigen
Vaters. So müssen wir uns die Lage in dem Zimmer den-
ken, und so schildert sie uns der Dichter. '
In dieses Zimmer soll nun , wenige Augenblicke nach-
her, das liebende Paar eintreten. Soll jetzt der Dichter
diesen Augenbhck durch das Unangenehme dieser allgemei-
nen Verstimmung verderben? Unmöglich, Kr mufs viel-
mehr ihren Emi)fang vorbereiten; man mufs an dem vollen
Eindruck auf alle Gemülher fühlen, dafs es Herrmann und
Dorothea sind, die .hereintreten. Was giebt es aber für ei-
nen Uebergang aus diesem Zustande in einen andern, ehe
noch die Ursache desselben aufgehört hat. Offenbar kei-
nen andern, als einen gevvalUamen. Wodurch kann er be-
wirkt werden? Offenbar nur durch etwas Grofses und in
die Augen Fallendes ; nur durch einen grellen und harten
ConlrasU Denn da die Aufmerksamkeit immer allein auf
die beiden Hauplüguren gerichtet bleiben soll, so mufs der
Dichter suchen, die Veränderung iiervorzubringen, ohne
doch dem Gegenstande, den er dazu braucht, eine eigne
Wichtigkeit einzuräumen. Gerade die Veränderung also
ist es, die er fühlbar machen mufs, und darin besieht eben
das, was wir^Contrast nennen.
Wenn man die Aufgabe auf diese Weise stellt, so be-
wundert man niil Hcchl, wie glücklich der Dichter das Mit-
lel gefunden hat, sie zu lösen. Das Bild des Todes ist
es, 'das er wäl)il, und das unter allem, woa aich ihm dar-
bieten konnte, g^i<ede des einzige Pasaenda war» Jtein in-
dem es coglmeii den doppelten Gedenken der Verniehluog
und des Lebens liei beiführt, schüUelt es durch den ersleren
das Gemüt h aus jedem Zustande auf, in vveicheA es siefi
immer befinden mÖchlBy und iäist durch den leisteren pl6t«-
kdt mif die augenUickfieh dadurck hervoi^gebrachte Leei^
die schönste 1 ülle naciiioigen. Auch benutzt unser Dichter
keide iSeitcn gleich vollkgimDen; scheuet sich nicht, uns
mrsi den Tod in seiner ganzen (jfäfeiicbkeit auf eine reehl
Gothische Weise in der Enge de» Sarges , der ^duvünt'
der Farbe, der Gleichgültigkeit der Arbeiter zu zeigen, die
das Haus, das einen Menschen auf ewig in sick verberge
soll, mit eben der Gieicbgäitigkeüy .wie etuen gtwahdichen
Hausralh, verfertigen; und sammelt hemack die ganze Stärke
seiner ^Sprache, um das Leben in seiner schönsten Fülle
und Kraft zu schildern. Unmittelbar also aus der uuvor-
Ifaeiihaftesten .Stimmung zum Eanplange. des Brautpeari kal
er die beste und erwunschleste kerrorgerufen.
Wie IrelTlich sind aber auch hier wieder «ille öbfigen
Umstände beliandeil! Wie anschaulich sehen wir, dem
Apotkeker gegenüber, die Woknung. des Tiscklera; vm g»-
•ciiällig arbeiten Meister und Gesellen, vnt passend ist die.
sonderbare Erzählung dem Apoiht ker, die herrliche An-
wendung dem Geistlichen in den Mund gelegt, wie hübsch
ist die ganze Fabel - ersonnen! Denn was köniilte in der
Tkat kesser den Ungeduldigen zureeht weisen, als die NSh<$
des l'odes und die Sclmeliigkeit der Zeit, die sein ihörich-.
ter Unverstand noch gewaltsam vor sieh wegzutreiben c;ilt?
Digitized by Google
347'
l
, - p # •
' . XCIY.
* * • *-
■» ■ • • •
CJiartklere de« Gedichte. — AUj^emeiii« CUttvvf, zn der dievelbcn.
gdiSrai. Ihre Aehnliehkeit mit den Homeritchen.
Die wahre und natürliche und zugleich feste und be^
stinmite Zdlduung 4er Charaktere fiUllzpMhrui« Auge,
ab dafe^e btaenderft hetausgehobett wefden dürfte. Aber
die Behandlung derselben 4st auch durchaus episch; sie ist
es in der allgemeineB Verwandtschall aller mit einander»
in ^er beeondeni • Versdiiedeiifaeil der £iiiieliieii| m dem'
XaMfoik dSeiw ktatem ethander und au dem Gameo^
Alle Charaktere unsres Gedichts gehören sämnillicli m
Emer Gattung; denn alle Personen sind aus deraelben Ciasse^
4oa dem walilhabeiideii TJieit deB.BärgefslaBdes^ geiuim^
man. Waa wir in allen achen auf den ersten AnUick be«
merken, isl ein Uebergewicht der ursprünglichen Natur
über die erworbenen Kenntnisse und l^^ähiglLeilen, der na*
tlirlbeben- Kräfte übe^die.Cllitttr.' Der Geisiliche imd der
Apotbeker besitsen zwar- auch einen boheven Grad van
dieser , aliLr in dein letzteren ist es eine scliiefe und haibCj,
die ihm, ohne übrigens semer natürlichen Gulmüthigkeit zu.
acfaaden^ einen gewissen kemiaclien Analridi giebi^ m dem
Gciatlielien iat ifie voi^zugs weise aaf die -inoraKsehe Bfldung
und das Glück des Menschen, also wieder auf das Ein-
fachste und Nalürliciiste bezogen, was gedacht werden kaniL
In. allen finden vnr daher einen sehUehten und geraden Sinn,
reife und naturlidie'Empfindmigeny measckiiehe und billige
Gesinnungen; in allen mit Einem 'Wort einen sehr gesuu>
den iMensühen verstand und eine gewisse wackre Gutmü-
Ihigkeit» im Apotheker allein kann osan gegen Iwide ctnige
EinwörCe erlieben; in ihm ist der erstere. hie vnd da durch
HalbcuUur veisehroben, und die kUkiti mehr Schwäche als
Veidieuät. in dem GeisUichen önd beide durch mehr Macl^
Digitized by Google
.248
^ikeo undKeaninisae sogleich erhöhl und veräaderU Aber
am retOBten herrscht dieser Charakter in Hemnaim, m sei-
neu Eltern, und Dorolhe^n.
'Bei allen andern lindel sich ferner ein Zusatz, der sie
in den- Krds gewöhnlicher Menschen herabzieht, und sie
mainohnial nliber das Oemeiae^ Piatte wid -Rehe^ fatingU
Der Vater wkd himurmkitk «nseiltg vmd hart-, der Geisl-
iiche ist oft pedantisch, der Apotheker lacherlich. Nor
Uerniiann> seine Mutter und Dorothea bleiben durchaus gut
und edel; sie sind eigenkOek durehaas^>on gleichem abso*'
lulen- Werthe, nur siiid aach unter ihnen tvieder -die Nfcm-
cen fein und schön angegeben. Die Müller isl von der
tbütigsten Bravheit, der reinsten Güte, der zartesten Fein-
heit; aber sie'Jst es gletchsam ohne ihr eignes Verdiensl
und ohne es selbst xa wissen. Alles liegt allein in ihrer
Weibliciikeit und ihrem Muttergefühl immer stellt sie sich
nur hinter itiren Herrpiiiinn zurück; immer sieht sie sich
allein mir in ihA. - Hefnuann hat die echtste Anlage tu
allem Besten und Höchsten, aber sie^ist mehr, stark äuge-
deutet, als schon hinlänglich ausgebildet. Dut olhea allein
sei^ einen gewissen idealischen 3chwung, nur sie erhebt
sich SU einer Höhe, auf* der sie, wie uns die iektea Ge>
aprSohe awiaeben ihr und Hemnann deuHleh beweiten, nur
halb von den übrigen verslanden, aliein da stehl. Mit Herr-
mann würden wir gern einzelne Tage verleben, ihn gern
inilten in deiner .Gesofanftigkeity in seioem Fauilienkreiae er-
Uiekeh; die särtfiehe Sorgfalt der Mutter würde uns hert»
liehe Thvänen ablocken ; die guliiiulhige Lebhaftigkeit des
Vaters uns ergöizen und freuen; aber .nur mit Dorotheea
möchten wir umgehen, nw sie könnten ^wlr zur Verlraaten
misres Herzens wählen.
Im Ganzen, sehen wir an dieser allgemeinen tJeher-
sicht, kommen die .Charaktere uusres DklUers sehr mit den
%4»
Homeriselieii übee«iii. Auch in Homers Helden fioden mr
vor alifini ein Uen -in der Bnist, „das Unrecht hasset und
Unbill,'' einen geraden Sinn, der alles Verworrene kurz
und einfach schlichtet, und einen Mulh, der das einmal ße-
achlossene luraflvoll ausführt. Audi in der äiiOieni Lebens-
art ist «ne.^antfdlcnde A^hntifibkait ' Auch Homers Uddtn
hat >,Arbelt dea Arte und die Föise mfichiig gestärkel;**
auch 3ie sind selbst Ackersleute, schirren, wie Fierrmann,
ÜHM'Püarde seihst an,* und spannen sie selbst an den Wa«*
gexL Ja, wsis noch .mehr ist, in dam fiiditer dor^^aiugs^
wanderle» Gemeine erkennen wir an dar Weisheit, mit der
er den unbesonnenen Haufen zur üidnung unti zum Frie-
den ermahnt, an dem Ansehen, vni dem er durch wenige
Worte ihre Streitigk^n schlichket und die Ruhe' wieder*
hmtaUt, den Führer der Völker wieder, wie ihn uns Ho-
«er, und noch mehr, wie ihn uns Hesiodus schildert. Von
dieser Seite hat daher die eigentlich .heroisdie £pof>ee Aur
sehr' wenig Tor. der unsrigen voraus.
- ' Km epischer Dichter nendieh kann das Heldemnlfirige
in den China kieren enthehren. Denn vv^enn der lyrische
und der tragisclte nur einzelne . Empfindungen und Leiden-
i^ehaften brauchen so braucht er hingeg^ da» game We-
sen des Menschen. Dieses ganae Wesen abosmufs auch
noUiwendig etwas Dichterisches besilzen , aufser seiner in-
nern und eigenlliclten Trelllichkeit zugleich ein taugliches
Objeot 4w die £infaiidungskraft abgeben. . Dies aber, wosu
vor allem andern SelbalsteMKgkeit und Natur gehdit, ist
es gerade, was wir heldenmäfsig nennen. \\ er also in der
Epopöe mit Glück autgelulirt werden soll, muls sdhsl^ und
a«a eigner und aua lebendiger Knaft,- handehi.
xcv. ^'
V«rh«ltiiUk^«i' CuUur and «iter cslttfitVin ZmC zii>iI«u efMidieii
Gebisach. . .
Daher isl nichts dctu epischen üeist in so hohem Grade
mwlder, «If die blefre Gultur. Dedn sie islniclils iMbil*>
sündiges, eine Üofee unbettinutote TauglicUeü m aflemi
Möglichen; keine Kraft, ein blofser Besitz; nichls Leben-'
diges, ein lodter Schal«, der, \venn er Nutzen s^Ütea aoU»
ent gebreuelil werden nmfik Sie geht aber tnick nedh
darauf ans, SelbsGMandigkeily &aft und Leben* «kbendl m
lotlten, wo sie es findet. In dein Aiigeiiblkk. also , da der
Iflensch Cultur sucht, muls er ihr auch entgegenarbeiteii|
in dem Augenblick , da er« 'daa Gebiei der blefran Natur.
veHamnd, in ihr Gebiet fainüberlritt, beginnt Ifir ihn- ein'
Kampi, der nicht eher geendigt ist, als bis er sie mit der
Nalur in Uebereinstiniimung gebracht hat. Denn ohne die
MöglichlLeii einer selche» ScbiicMnng des Streia dorob
nachfoi|^de Hannense y wäre ee thMcht^ sieb' überfaatt]it
in denselben einzulassen. Die ursprüngliche und lebendige
Kraft luuDs also durch die Cuftur sich bereich^-n, dagegen
aber üknr unbeetiaunten TattgÜohlMit tm -bMtiaNiilea«2iei
geben, und das Todte naeh und nach in Leben ^rwandefaL
Nur so wird der cullivirte (blols bearbeitclej Mensch von
dem blols natürlichen mm gebildeten.
Alle Cuttur nemüch ist ein Werii dee abgesenderl wif^
•kendetf Ven^ndeA Nmi üben, ebne dte- Aadtikbing dee-
selben, die Dini;c um uns liei eben so wohl ihren Einflufs
auf unsre Empliudungcn aus, ^regen eben so wolii unsre
Neigungen und Leidensehafteni Aus beidem aber ental^
hon unsre Gesinnungen. Es ist also ein Cbaralcter mög-
lieb, auf dessen Bildung der bioise VersUnid g.ir keinen bc-»
ilculenden Einilu£s gehabt hat^ die reine Natur hol aiieia
Digitized by G
2&1
auf den remeaiMensciitta eingewiKkt Wir eiii[»iiiKkii und
begehren eben m^^giA, eb.naeblier; a^r dae, waa auf una
emo, und waa aoa ima «orttckwirlU, und die Art, wie diea
geschieht, ist uns einzeln nichl klar und versläiidüdi. Dies
ifit die Periode der blofsen NatuF.
Unaer VaasUuid ealwiekeU. v«kh, eine tiefim Emmkü
beginnt, wir unlenelidden uns dentliefaer tob dem Ob je ela ^
und ein Übjeet von dem an<fem. VVir verstehen besser,
was mit lua vergeht, aber wir lassen auch unsern Einpfio»^
dtfbgen weniger natfiriidie.Fieibeil^ und so knge-alee nnare
Cuhur noch «yroliatSffdig und «kiseilig iM, i^efben imd
verdrehen wir unser gesundes und gerades Gefühl. Dies
iai die Periode der ^»lofsen •Cullur*
(huro JEIoai^i erweiterl aich, wir geben nna, lieaaer
€ler nna aeibst belehrt» unare- natChrficlfe' Freiheit wieder,
kehren von den Verirrungen, zu denen uns eine einseitige
Cultur verfährt hatte, auf die Spur der Natur aurück; wir
weiden nun 'wieder «i eben dem^ waa wir waren, ehe wir
ansgingen/aber wir selbst tmd die Welt Sind uns mm ver»
stäfidlich und klar, und dies bessere und voilere Verslehen
liai zugleich unaerm Gefühl und unsem Neigungen eine
andre Gestalt mitgetbeilt: sie aind verfenieTt worden, ebne
eigenllieh in ihrem Wesen verändert «i werden; Dies iai
die Periode der vollendelen Bildung.
In dieser letzten Periode kann mm awar der epische.
Diohter den Menschen wieder Aufnehmen, iuid ao auf ein^
und den 'doppelten Verzug der Natur und der CMMr vern-
ein igen. In gewissem Grade ihut er dies auch wirklich.
80 lial der unsrige z. B. Dorotheen und dem Richter eine
aebr hebe, aber eine dnrch Begebenheiten und Erfishmn^*
niehl dnreli Wissen und Stu^um- hervofgebrachle gegebefo«
Doch abgerechnet, dafs durch eine solche Beiiniä4;hui)g ei-
ner iuannigfidligeren Bildung jdie dichterisehe Wirkiuig nur
wenig gewinnt^ so wird er auch noch, mdi jenes \mÜk»Hm
gm «t bcidieiMB, durch €iwM Andres verhindert.
* Das Uebergewidit der Cullur nnerer gaiisM Le*
bensarl eine gewisseniiaafsen iinniiLiiiliolie und kaiistliche
.Geslait^ und einen ähnlichen Charakter tragen auch die
Begebenheiieii unsrer Z4Ht. an sich. etne Menge
n^iier IMäHbsdse weekt, und vor oUmd dsrsiif aitögiofat, die
möglichst giofse Zahl der Zwecke luiL dem möglichst klei-
nen Aufwände von Mitteln zu erreichen, so hat sie zwi»
sfiben dieiü-all des .Menschen und das .Werk, das er. dft*
durch hervorbringt^ eine Hange von Weriueugan und Hit*
telgUedern gesetzt, vcriuüge deren ein Einziger mit gerin*
gercc Anstrengung eine grolse Masse bewegen lunn. Der
Mensch erscheint also seltner als die, eiuuge jü^rsache einer
B^ebenhek, Imd nodi saliner als die« unmiUelbare. Er
handelt nicht allein, odei nicht frei, oder wenigstens nicht
selbst und geradesu. Das Zusammenwirken dsc Menschen
und ßreigoias« isl,so vi«Uaeh uimI .mächtig •|fewprden, dafr
wir. weil dfter den Zufall — das- Zusaminenlreffen klainer,
für sich nicht bemerkbarer Umstände — als den Entschluis
Einzelner herrschen sehen ; die Ausführung der aufserordeot^
Üffhsten Unternehmungen , hängt mehr von der klugen Be-
rednung dar Umstände und -einer geschickten Anlegung
des Plans, als von der Kraft und dem Muth des Charak-
ters ab. Der remc Mansch für sich vermag nur wenig
mebi^ über den Manschen, und nwhls über, den Uaui^n; er
muk iauner durch Massen handeln, sieh immer in eine
Masclmie v ei wandeln. Wenn iioch eine Energie mächtig
ist, so ist es aUcin die Energie der LeidenschaÜen, und die
Leideoschafien sethsi verlieren durdi kleinliche £Heikeit
und kalten Egoismus, f o^i ihrsr iurohtharea NaturgrMe.
Padurch ist ein grof^'cr Charakter übeihau|>t, oder doch
üigiiized by Google
253
wenigslens die .bümiuung seltner geworiiea^ ihn in Auilefu
ni . finden, oder Ihn sieh seibsl «uitfniuen.
♦ ■ * *
XCVL
Mu^iiciikeit tJer lieiüitidieu Kpo^iee iu unsrer Zeit.
Bei dteter unpo^tuehen L^ige unsrerKcit hatderDicl^
ler uiciiLs rili>;cics zu ihun , als uns von da weg in eine
Welt zu retten^ die uns (ieni glüclwlicheren Ailerlhuaie nä-
her föhrl; er* oiufs daher «einen Stoff ^119 demjenigen Thdtt
der. Geaellsdiafl hernehmen, in weichem die urspsrüngliche
, Natur libch die Cultm überwiegt, und ihn überhaupt mehr
im. hürgei^lidien, als im li ileutiiehen Lehen (lüfsuchen; unil
dies ist- ee, wodurch die heroische Epopee jetoi beinah ta
einer unmöglichen Aufgebe -wird.
Kinen antiken Stoff dürfte der epische Dichter nicht
leiclit, so wie der tragische, wählen; dieser hat nur einen -
mseben Vorf^il^ eine euizeb^ Leidenschaft atu^schÜdem^
der er, da sie durch idte Zeiieh hin gleich menschlidvhleiH
immer die Farbe der Wahrheil geben kann, und gewinnt
nun einen, schon vor ihm in dem Cjeiisle seiner Zuschauer
potäiedi gebildeten Stoff. Jenem dimr, der das ganse Le-
iten- seiner Helden augleieh mit allem , was eie limi^eb^
schildern soll, der bei weitem nicht mit dergleichen WiÜ-t
kühr .Züge aus semem bilde weglassen , oder andre hiiizu-
fdgen darf, würde es auf Lesern Boden immer an Nalnr
und pragmaliacher Wahriieit: mangeln* -Wo aber findet er
nun in der -neuem Geschichte eine eigentlich epische Hand«
lung , eine solche, in welcher der Mensch allein und un-
mitteihar haodehid und tugleich. als Held auflriH? Qesetat
indefey er lande auch diese, so bleihi nocb'inraier Mii*aa»*
dres, beinah untihefwindliches Hindemifs übrig. Ehen die
C ullur, von der wir im' Vorigen sprachen, hat in un«?.eri/i
Digitized by Google
254
Handlungen eisen Unterschied eingeführt, in dem sie, ganz
unabhängig vim der njOöiüjshen moraKschen Wttrdigwng;
einem Uofs känstüch verabredeten Maafestab des Sehidc-
Kchen und Wuidigcn unterworfen werden. Jede Iilofs kör-
perliche Beschäfliguiig, alles, was* zum biols gewöhnlichen
Leben gehört, ist diesen Begriffen .nach' unanstümiKg und
des gebildeten Mannas unyvftrdig; aUet dies muls er andern
äiifserlich und innerlich minder vom Schicksal Begünsliglcn
überlassen. Wie soll nun der epische Dichter diese For-
derung 'mit dem Gesetze der -höclisien SinnÜclikeit, der un-
tmterbroehenen Stel%kdt reitten^'aptf - er* seineir Hilden als
eine Puppe zeigen , die , immer von Andern bedient, für
sich selbst nur durch Anordnen und Gebieten, also durch
RntschiöBse und »Reden, thätig erscheint? eder soU er im-
mer nur die Masse, die ihn wngiebl (immer also nur Be-
gebenheilen, nii !il Handlungen) schildern, ihn selbst aber,
gleich einem C>oU aus der Wolke, nur dann hervortreten
lassen/ wahn er einen entaeheidenden' Slfeich au s atofll hr fn
im Stande ist?
l^is also das e|tische ijeiiie durch die Tli.il das (Je-
gentheii beweist, kann man schon hiernach, ohne noch an
das Wundeibare ^ dessen sie schwerheh enlbeltren kdanle,
«u -denken, die heroische Epopeo in unserh Tagen mit voll«
komiiiciiem Recht unter die Zahl der Unmöglichkeiten rech-
nen; und es bleibt daher so lange nichts andres übrig, als
a^e epiachen Stoffe immer - nur aus dem Privatleben und
iwair aÜ9 derj etil gen AfenscfafficIaMc zu nefamen, die «nrk»
lieh auch jetzt noch natüHicher, einfacher und antiker lebt.
Dafs hierbei in der Thai in Rücksicht auf die Charaktere
kein Verlust ist, kann- schon Herr mann und Dorothea
btweisen. Was nur die -Menschheit Orofma und ßdlei be*
sitzt, ist darin in seinem vollsten Gehalte ausgeprägt Da-
gegen ist an der Erhebung der Phantasie, an dem 6chwunge
2»
der ßegeittening ein wahrer und bekl^igenswertkcr Verlust;
aber ^Hefer wSre aadi waiirsebeiiilMb (wenn es lile» derOrt
wäre, die Möglichkeit der heroisehen Epopee tat uns atl-
geniein zu untersuchen) noch aus andern Gründen, als aus
dem -«hiolisen ftlaugel eine^ passenden StoITs unersetzbar.
Der prilehlige Gfann der Epopee whemt mit diün Sinken
der grieehischen Sonne erieadfen seyn; glücUidi genug,
dafs uijs unser Dichter zeigt, dafs sich wenigstens die re ine
.üestimuitiieil ihrer Umrisse, das rege Leben ihrer Figuren,
^mil fiineoi AWort ihre voHe aHd Mühende Kraft überhaiiii*,
vooli bis SBU nns frisch und ungeachwäeht einhalten -hat
' . ' XCYIL . '
J)ArateUii^g «Infiwker WeibÜclikMt ia ]>orQlhetn.
Den höchsten Gthail in die einfachste Nalurforta ein-
zuschiiefsen, ist die Aufgabe, weicher der Dichter bei der
'diklung 'seiner Ghara|tere Volle Genüge leisten muls, wenn
er den G^sl und die Einbildangskraft seiner- Leser in glei-
C^ni Grade befriedigen will. *• '
Hierin gleich glücklich zu seyn, würe dem unsrigen
'unmö^idi geblieben, Wenn er nicht einen weibüdien .Che-
-mkter* gewühll halte, die Hauptrolle iil iseiaer Charakteri»
Silk zu spielen, den ei^eiiilichoii Ton darin zu hostiiimien.
Denn nur in der weiblichen Natur steht die nalüiüchste
ünd die hdchste Bildung in einer so sichtbaren Nähe neben '•
einander; nur in ihi^^'versdhait sieh die ursprüngliche Ei^
genlhümlicbkeit immer einen vollen und leichten Siegj nur
auf sie übt die Verscliiedenheil der Stände und Beschäfti-
guAgen eine minder fühlbare Alacht aiisr Zngteieh 4ber
konnte der Dichter auch, wie wir im Vorigen geseki ha-
ben, seiner Haujitwirkung unbeschadel, Dorollieen eine fei-
nere Bildung und «inen freieren tl^k^hwung der öeeie ein»
256
litNiCa' In ihr konoU er daher am besten neben emet
Mkm Indivi^iiiilitiit wn^^ dat reine tiU 4tr Oalteg
. aiifsletteiL
Denn so. viele ^clülderungen weiblicher Charaktere
mr ftoeb ackon GiUbe's Mflisterhand verdankea, so zeigt
kein eimiger ein so Irenes <j«mShUe und nalMksher^
Weiblichkeit , als der Cb'arakter Deretheens. Alle andern
aind in besondern Lagen und Empfindungen, oder vielmehr
— denn darin liegt der eigentliche Unterschied — k&SK
etttsiger von jmeB. ist' in epischem Reiste gezeichnet In
DoroiheeA erblickten wir dfirefaeus • und vor allen andern
nur zwei Haupieigenschaften — hiilfreiche Geschäftig-
keit und besonnene Gewandtheit; alle übrigen zeigen
sich nur augenblicklich^ nur wie die Veranlassung sie iier-
Tormft; ohne sie bleiben sie tief im Innern der Seele ver-^*
borgen; an jenen beiden liiufl ihr ganzes Lebei^ huii so
lange es in seinem gewöhnlichen Kreise fortgeht»
/ Die Stelle über die itUgemeiiie Bestimmung dee Wei- .
bes (S. 172.) gehört zu den scbdnsten und« empfiindeBMttt,
die je über diesen Gegenstand gesagt worden sind. In kei-
nem Stande V in. keinen Verhältnissen kann es, ohne eine
solche GesimMiag 9 obnir .diese rhersiiche BereitwiAUgkeit wa
jedem hfilfrelchen Dienste, einen schönen weibEehen Ch*>
rakter geben. Denn es ist ohne sie kein inniges Gefühl
häuslicher Tugenden möglich, .und jede weibüche Sohon*
helt und Gröfse muls einmeL immer auf diesem.Slamm em-
porldUben. Das- weibliche Geschlecht'^ au der sebanatea
und würdigsten Herrschafl, zu der Herrschaft über die Ge-
müther» bestimmt. J)as Bewu&lseyn dieser .Bestimmung,
verbunden mit dem Be.wufstseyni daCs diese mbralisebe Ge-
walt nur durch die gänzliche Aufopferung aller physischen ^
gewonnen werden kann, in deren Vei einiguiig das Wesen
der Weiblichkeit bestejH, juachen zusammen jene Geain-
Digui^uü L>y Google
257
nung aus.^ Oline dieses ist die Herrschaft des weibJidieii
G«8ciiie€ht8 empörend 4ind widrig, ohne jenes seine dicnst-
hm Unterwürfigkeit knechtisch und verSchllieh.
• Nicht weniger weiblich und mädchenhaft, als jener Zug,
isl die anscheinende Kalle, mit der Dorothea bald die Em-
pfindungen des Jüog^iiigs aoriickscheuchi, bald seine helb
und dunkel gewagten Aedserungen kurs abfertigt; .da(s sie
QberatI verelindig, gewandt und besennen, Aber nur selten
bewegt und gerührt erscheint Die geschäftige Lebhaftig-
keit der Phantasie in dep Weibern, ihre gröfsere Aufrnexkr
samkeit «uf die Dinge, welche sie umgeben,, die schöiie
Leichtigkeit, mit der sie, wenn sie sich auch einem Gedan-
ken, einer EuipÜiidung überlassen, darum nicht alles Uebrige
aus den Augen verliersn, contraslirt sehr gut mit der Hef«
tigkeit, dem '^efsinn und. der Feierlichkeit des Mstmes^und
der Contrast wird noch auffallender, wenn, wie hier, die
Individualiliil des Charakters, statt ihn zu uuidcrn, ihn noch
erhöht. Aufserdem aber sind diese Eigenschaften zugleich
die, wefohe sich in Dorotheens Lage am nati&riiehsten ent-
wickeln mu&ten, und die am meisten einer noch hSheren
und leinerea Ausbildung fähig sind.
XCVIIL '
MMlitit in der Charakter -Sehildening.— VerhjUtnUs der Cliankteie
BU eSnaadec.
Durch diese Schilderung Dorotheens hat der Dichter
gezeigt, wie genau er natürliche Wahrheit mit echter Idea-
lität zu verbinden weifs. Dorothea ist in der That ganz
das, was sie selbst von sich sagt:
— ein tüchtiges Mädchen;
Ztt der Arbeit geschickt, und nicht von robesi Gemuthe. ^
iv! 17
258
Dies isl sie, wenn man sie mil dem kalicn Auge des bio-
Isen Deobaciilcrs belrachleU Aber wie viel mehr noch. er*
schetnl aie dem BÜek ihres Geliebteii, wie viel oMhr una,
da wir sie jeUl, durch den Dichter dasti begeislert, in dem
Spiegel der Einbildungskraft ansehn! Ohne dafs jenes na-
lürliche ßild sich im miiiUeslen verändert, können wir ihr
jede weibliche Grölse, jede weibticfae Tugend^ jede weib-
liche Schönheit, die nur überhaupt mit dieaein Charakter
übereinstimmen, beilegen, und keine wird ihr fremde jede
ei^enthümlicik erscheinen.
Auf eine vielleicht noch aufiaUendei[^ Weise finden wir
indefe dies Idealische in der Schilderang des- Vaters. Gani
wie er da isL, konnte ein solcher Charakter in der iSalur
cxisiiren, und alsdann würden wir ihn wohl manchmal an-
genehm und ergötaendy aber gewife nicht liebenswürdig im
Gänsen finden. Wodurch kann er nun in den Händen des
Dichters auf Idealität Anspruch machen ? Blofs diu eh seine
reine EigenihumUehkeil, blofs dadurcli, dals alles in iJim
durchaus aiisasmietthangt, sich durchaus gegenseiüg be^
siiaimt, dafs er das Gepräge dner reinen Geburt der Phan*
tasic an sich trägt. Wodurch versichert er sich hier unsres
ungctheiiten Beifalls? warum läfst er hier einen andern
Eindruck 9 als in der Wirklichkeit^ aurück? Wieder eben
dadurch) dafo wir ihn hier nur mit unsrer Einbildungskraft
anschauen, dafs wir dort einen Menschen sdicn, der , weil
er einem beschränkten Charakter bleibend angehört, dadurch
minder vollkommen ist^ hier nur einen Charakter sinnlich
dargestellt, der awar im Leben manchmar vorkommt, hier
aber nur als ein einzelner Zug in dem grofsen Bilde der
Menschheil ersclieint; nur dadurch dafs wir in dem Gebiete
der Wirklichkeit uosre Aufmerksamkeit, mit einer gewissen
unruhigen Besorgnifs immer nur auf die Schranken und
UnvoUkommenhdten derselben richten, da wir hingegen im
Djgitized by Google
2M
Cjiebieia der Phantasie, besser und reiner gesliixunt, nur ihre
ivirküfifae Krall» ihr wiridiches Weseii »s Auge fusot und
jene Schranken nur «Is das ansehen, was diesem eine be-
siiuimte individuelle Gestalt giebt.
Wie gut das Verhältniis der veischiedaeii Personen
unler einander heob^itei istp haben wir schon w^ter oben
bemerkt Wir haben schon oben geseilt, tvie trellich «eh
unter allen der Junüling und die Jungfrau hervorheben;
wie alle and^m sici^ immer in dem Grade, in weichem sie
ihnen näher verwandt sind, auch näher und dichter ymen
zur Seite steilen; wie natürlich sich Hemnann und sone ~
'Ellem in das liikl Einer FamiJic, sie und die I)eidcn Freunde
in (las ßild benachi^arter licwohncr desselben Orts; sie alle
endüeh mii der ausgewanderten Gemeine, dem Riehler und
Derotheen in das Bild derselben, nur In mehrere an Ge»
stall \iiid liildiing verschiedene Stämme getheilten, Nation
zusammenschliersen.
Ueberau treflen wir daher das schonsle Gleiichgewichty
voiikommeae Totalität, die natürUdiste pragmatische Wahr-
heit, überall den echlen und reinen Charakter der episclien
Dichtkunst an« , , - .
XCIX.
D i e t i o a.
Die Schönheit der Di'Ction kann nur an «naefaien
Beispielen gezeigt, nur empfunden werden; wir sdiriinfcen
uns daher hier blofs auf eine einzige iicBierlkung und -auf
wenige Worte ein.
In keiner Steile dieses ganseh Gedichts wird man ei-
nen uberflOssigen Sehmuck, eine mülaige Metapher, über-
haupt einen Ausdruck aalrcffen, der starker oder prächtiger
wäre, als der Gegenstand ihn verlangt Nichts kann dem
17»
Digitized by Google
SSO
oratorischen Btyi m der Fofsi«, den wir v^olnüglich in 4mi
Werken der AaslSnder so oft bemelrken/ mehr entgegenge-
seUt seyn, als der Vortrag unseres* Dichters. Uebefall schil-
dert er nur die Saclie, aber überall auch diese in ihrem
gmen und vollen GefaaH.
Wo er grofiie Nataracenen beachreibl, bt adn Aiia^
drück sinnlich, prächtig und kühn. Hermiann und 'Doro-
thea gehen am Abend, da eben die Sonne sich zum Unter-
gänge neigt, nach Hause. Wie gredB mahlt er uns dieaea
Scshauapiel!
Also gingen die zwei entgegen der ^iukenden Sonne,
Die in Wolken sich tief, gewitterdrohend, verJiüilte,
Aas dem Schleier, bald hier, bald dort, mit gliiliendeii Biickeo
fttrablcad ober das Feld die ahaduogsvotlo BeleucIrtiMg.
Es >vird Nachl.
Herriicli glänzte der Mond, <ler volle, Vom HiiDinel herunter;
Nacbt war'», völlig bedeckt das letzte Sehimiaem der Sonne;
Und so lagen^Tor ihnen in Hassen gegen einander
Lichter,, bell wie der Tag, ond Sehattea donUer Machte.
£in reifes Kornfeld wogt, von der Luft bewegt, hin und
wieder. £r nennt ea eine goldene Kraft, die aich im
ganzen Felde bewegt Aber aelbat bei diesen Schilderun-
gen sieht man schon, dafs er auch sinnliche Gegenstande
nicht blofs den Sinnen mahlt, dafs er immer die Einbil-
dungskraft zugleich tiefer stimmt» alles charakteristisch, allea
in Beriebung auf die ganae Wnrkung taiehnel; die ea auf
uns ausübt
Denn dies isl die groise und schöne Eigenihümlichkeit
seines Vortrags. So wie er, wie wir im ersten TbeU die*
aaa AiilBalaea aaben^ ttberiunipt immer »igleick und in Eina
verbunden die Geatalt mit der Gennnniig daratallt, eben so
walilt er auch immer eiiiea Ausdruck, der zugleich beide»,
die erstere in aller ihrer Individualität, die ietatere in aller
Digitized by Google
m
üoßt Walurlieil Migt DolMr besiUi «r «nie so «igwUliüiii*
iieb^ Kiaisl, viel ^rdi aisseliMS BmwörUr ai]ftiiiiiclil«ii) mm
meisten durch die, welche auf den ersten Anblick, und aus
dam Zuaammenbang iierausgerissen , aufsersl einlach schei«
nen, wie der wohlgehildete Sohn, der menecbiicb«
Haiiawirlbi die zuverlässige Gattki,
W« er Empfindungen mahll, oder Webfhuteii ausführt,
da vermeidet er jedes Wort, das übertrieben oder künsüich
scheinen y oder mit dem nur überhaupt das tinfacbste und
schliehleate Gefühl nicht sympatbiaireo kSnnle; ^gfgeo
knüpft er immer, alles das auf emmal lusammen, was mil
dieser Einfachheil verträglich ist. Dadurch bekoimnt jeder
feiger Aussprudle ein gewisses gediegnes und anUkes An->
sehn,' und die Begriffe Von Tugend^ von Glück , von Leben
gewinnen bei ihm einen Gehalt und dne Fülle, die wir
vergebens bei einem andern Dichter suchen. Es scheinen
nicht mehr Worte und (Schilderungen; es scheinen diese
Gisfüble selbst » wie sie aus dem Heraen hervoratremeik
Man lese die Rede des Geistlichen über das Bild des To-
des (S. 203.) noch einmal nacb, und luhle ä^lb^l, weich ein
Leben aus diosicn Versen hervor(|uillt.
■* . ' ' '
Kinfaehtieit der Diclion.
So ist die Sprache unsrea Pichters durchaus einfach,
wahr , und kräftig, durchaus in Harmonie mit seinem dich-
terischen C'harakter, wie wir ihn iui Vüii^tn schilderten,
und mit den Forderungen der epischen Dichtkunst. Kein
eiMebier Ausdruck, keine Wenduni;) kein einsiger Vers ifk
*
dem Gänsen ist weder didaktisch, noch lyrisch.
Der Vorwurf abevj dem dies (jcdicht schwerlich ganz,
entlehn wird, ist der einer au groisen £inlachheit der D^-
üigmzeü by CjOO^Ic
2C2
soichen, die manehiiMil wentgslens mall wmI
prosaisch wird. Bis auf einen g^^ssen' Punkl ist dieser
Tadel gegründet', es hälie in der Thal liic iiud d.i ein min-
der gewöhnlicher Ausdruck gewählt, der Gang der Perio-
den durch das Hinwegschneiden mölsiger ParliiieUi rascher
gefliiadit;'foder ohne auch 'hierin etwas sa andern, durdi
den Bau des Verses ilem kleinen UebelälauJ abgehoUen
werden können. • * -
Gröistefitheils aber entsteht jener Vorwurf nur ans «I-
ner enseiligeti Ansicht derer, die ihn erheben. Etnoial darf
ein Gedicht, wie das e;e,£:en\värt,ii;p , nicliL stellenwcis, es
inu£i im Ganzen beurüieiit werden. iSur wenn der Ein-
dnick dea Gänsen matt und^prosatseh ist, oder wenn Le>
ser, die mit Vollkommener Theilmdune an dem Gegenstände
ihre Aufmerksamkeit durchaus auf das Ganze richlen, durch
^zelne prosaische Stellen gestört werden, nur dann ist je-
ner Tadel gegründet Sonst aber ist es sehr natürlich, daü»,
\ nm dem Gänsen das n5thlge Gleichgewicht va erhalten,
um nicht überhaupt in einen Schwung zu gerathen, der
dieser Gattung nicht zukommt, einzelne Stellen so gemil-
dert werden müssen, dafs sie, allein herausgehoben, nicht •
anders als malt etseheinen können.
Dann giebt es auch bei der Beurthciiung dessen, was
die einen matt, und die andern nur einfach und ualüriich
nennen^ offenbar swei verschiedene Standpunkte. Die ei-
nen nemBch gehen bei dem Dichter mehr von dem Begriff
des Rhapsoden (des Sangers), die andern mehr von dem
des Poeten aus — wenn es nemhch erlaubt isl, diese bei-
den Begriffe, in so fern>in dem einen mehr das Musikali-
sehe des Gesanges, in dem andern mehr das Künstlerische
der Form herrschend ist, von einander zu Irennci). Jene
sehen ihn als einen Menschen an, der, dui*ch die Eingebung
onea Gottes in emen sinnlichen Schwung, in eine hol»
Digitized by Cu..- .
SIS
Bcgiitlerttiig TvrielBl, mm «ucb. eine Sprache amiiimity dw
steh über alles Gewöhfrfiebe emperliebty nieht nur der Qt9ke
ihres Gegenstandes nul der Kühnheit ihres Ausdrucks folgt,
aoiulem ihm vielmehr da, wo er kleiner erscheink^ ^dordi
noch grölsere Kühnheit nachhilft. Sie wetten gaiw andre
Worte, andre Wendungen, kurz eine durchaus und m je-
dem Einzelnen andre »Sprache, als die Prosa verlangt. Diese
lietrachten ihn als einen, dessen Einbildungskraft einen Ge-^
goiMtand' lebhaft aufgelalsl hat, und nun, inehrnis die Sacken
ab um den Ton bekümmert, nur daran arbeitet, ihn ans*
zubiiden, und wieder der Einbildungskraft Anderer werlh
zu machen, im Einzelnen der gewöhnhchen Sprache nahe
bleibt^ aber das Ganxe dadaroh aU«n umändert und em-
porfaebt, daia er es, seiner Form nach» au einem ränea;
Werke der Phanlasie macht.
Diese beiden Ansichten näher zu priilen und zu wür«
digen, die Zeiten und Sprachen au Torgleidien, in welchen
die 'eine oder die andre melnr gegolten hat, würde mdiag-
bar zu wichtigen Resultaten führen. Es würde uns ieliren,
dals erst die volikommene 6cheiduug der poetischen und
piwaischen Sprache das Zeichen der ¥eUendelen földang
des Styls ist, und dafs für diese Vollendung bei uns, wenn
nicht die Poesie zu prosaisch, doch die Prosa noch zu pue-
tisch i&t. Allein da dies eigne und weiüäuftige Untersu-
chungen erfontertOy da es uns offenbar ndthigen würde»
tief in die Spradie HooKrs und- Plate*s (wddier letaters
vorzüglich hierüber lieffliche Winke enthalt) einzugehen;
SO müssen wir uns hier dabei begnügen, dafs in jeder die* '
aer Ansichten, so wie sie im Vorigen geschildert sind,, den*
noch offenbar etwas Einseitiges und Uebertriebenes liegt,
und dafs jede unliiugbar besser zu einer besondern Art der
Dichtkunst palst. Wenn nun unser Dichter ein billigeres
Urtheü nach der ietateren erföhrt, so verdient er es mit
Digitized by Google
SM
■ " >
er
P e 1- 1 o (i e n b a o.
Der Periodenbau ist so meislerhafl, dafs er ein eignes
Studium verdienle. Er schildert übeiali den Gegenstand
sfillNit» £i4gi ihm in alien seinen Bewegungeiiy besitai.daM
ciaai se voUen Numerus des Wohlklangs, schlmgl sieh so
schon durch alle Theile des Rhythmus und durch die Verse
hin, und verbindet mit allen diesen Vorzügen eine so un-
gezwungene und naMirücbo Leiehiigkeiti dals er dadurch
atteio gewifo sehr vbl au der Objeelivitat beitragt, die wir
mit so vielem Recht an diesRem Gedichts bewundern. Sich
Itiervon im Einzelnen >zu überfuijren, vergleiche man nur
die 3eschreihttng des verwirrten Gepäcks ^uf den «Wageb
der Ausgewanderten, und des Umscidagm eines deneibeii*
(Ä J6.)
Unter Ueu Construclioneu sind mehrere', welche eine
Grammatik, die streng am aiien Gebrauch 4iäng^ Neueran«
gen nennen würde. So hal der Dlehter s. B. die Tren-
nung des Genitivs von dem Sohstanüvum , das ihn regiert,
sehr häufig und au einigen Stellen sehr glücklich gebraucht
Wer fühlt z. B. nicht den gröls^ren Nachdruck, den durch
diese Wendung folgende Worte der Mutter erhaiken:
Denn iiiii gah der Tag den (Temalil; es haben die erstcfii
Zeiten der wilden Zeritöniog den Sehn mir der Jageistl
< ' gegeben. ■
Aber auch da, wo sie nicht gerade diese Wirkung hervor-
bringt, hal Sie emen Reiz, der sich manchmal besser em-
pfinden, als erküren läfet.
Digitized by Google
i
CU.
" Die Behandlung der Verse gäbe' einer Kritik, die ins
Einielne eingehen wollte, tu mancherlei Bemerkungen Stoff.
Es ist nicht zu läugnen, dafs hier eine Menge kinner Flek-
ken ins Auge iailen, die man in einem übrigens so volU
kommnen Gänsen lieber ^wegwünschte. Indefs zeigt sich
docb auch hier «ine gewisse ]^nheit in dem Charakter des
Dichters.
Die blolse einfaciic bchiiderung des Gegenstandes hat
in seiner Seele vor der rhythmischen Form einen gewis*
sen Vorsug beliiaupiet Daher ist^ der Bau der .Perioden
besser hehanifeit, als der Ban der Verse, der Numerus bes-
ser als de» lihylhnius, welcher letztere nicht nur reicher
sondern auch reiner seyn könnte. Sein Slod hat sich ihm
nieht gleich bei dem ersten Wurf hinlängtioh rhylfamiscdi
geformt dargestellt, und sein nachheriger offenbar sichtbarer
Fleifs hat diesem Mangel nicht überall n.ichhelfen können.
Die Vorzüge also, die ihm der Versbau darbot, hat er nicht
eben so, als alle übrigen j geltend «gemadit;» er hal nicht
einnSel hier durch strenge Beobachtung der Regein die noHi*
wendige Correctheit erlangt. Dafs er aber diese Hegeln
anerkennt, dafs er nicht, wie wohl Andre, glaubt, es sey
genug, wenn die Verse fliefsend und wohlklingend sind» sie
milchten übrigens Hexameter seyn oder nicht, oder gar dals
es andre HexauieLer gebe, üls die uns die Alten überliefert
haben j beweist er genug dadurch, dafs unter allen Hexa-
metern, die wir ihm verdanken, diese nicht nur bei weitem
die besten, sondern auch grofsentheils regelmafsig und ta-
dellrei, sehr viele derselben musterhaft und vortrefflich sind.
SvUle er nbti auch in dfi' Folge dahin gelangen, alle klei-
nen NadiläsfligkeileB su vermeiden, so wir^ er doch schwer-
üiyilizea by L^OOglc
2M
Hch je daiua kommen, <U£s sich die Sdionheil und Praebi
dee Verses, der RetchUmm des RhyUunus mii einem <ge-
>vissen Üebergewich^ in seinen Prodnclionen ankflndigen
soUle; und wer ihn tiefer sUidirtr liat, wiid dies nicht ein-
mal wünschen können.
Nimi^t man daher alles zusammen, was die. Diction^
den Numeros und den Rhythmus unsres Dichters betrifll^
so erscheint er auch hier in durchgängiger Harmonie mit
sich seihst, und iälst auch von dieser Seite, iui Ganzen
nommen, jiiehts zu verlangen übrig, im £inxehien aber
werden wir freüieh hier kirne Flecken und NacMässigkei-
len gewahr, welche die einen minder, die andern mehr
stören werden, je nachdem einige >virkHch strenger und
aarter, oder, was vielleicht eben so oft der Fall ist, klein-
Mcfaet und pedantischer in ihren Forderungen sind
Aber selbst diese Nachlässigkeiten verdienen kaum die-
sen Namen, da sie fast alle wieder kleine Vorzüge mit sich
Ufiuren. .-Man versuche es^nur, Inc<(rrectheiten m diesem
Gedicht umtuiindem,< und man wird nur äußerst selten
• darin glücküch seyn, ohne zugleich irgend eine, wenn auch
vieUeiolit kieine, Schönheit der Diction aufopfern zu müs-
sen, wenn man nur fein und tief genug in die £igenlhüm-
Üdikeit des Dichters^ in die Einfachheit und Objectiyität sei-
nes Vortrags eingeht Wie leicht scheint es s, ß. in dem
Verse: (ö^ 90.)
Reichen Gebreite nicht da, und antea Weinberg und
Garten
der freilich durchaus unstaldiaften Verkürzung der Stamm-
silbe „ — berg" durch die Versetzung;
— Gactett und Weinberg
ahsulielfen. Aber alsdann wird die Folge der Gegenstände,
^Kne sie. kl der Natur ist^ verändert, und Herrmann nennt
Digitized by Google
wenl^ im sdnem Aage qpllter encheiot, und eben so wer->
den iich ähnliche Grunde dem Versuch emer bloCm Vei^
iiiideiung (die nichl die ganze Periode umarbeitet) in einer
Menge andrer Stellen widersetzen. Nicht also in einer Un-
Jiekanntschaft mil den, Regeln des Versbaus, und noch we-
niger in einer Geringschätnmg- deirselben wl der Mangel^
von dem wir hier reden, gegründet; er liegt tiefer in dem
Charakter des Dichters^ und entsteht allein durch das Ueber-
gewicht eines grofsen und unläugbaren Vonugs, so daüi
der Dichter, «wo er gldcklich genug, isft^ denselben g«» su
überwinden, nun auch die höchste Vdlendung zugieicJi in
der Form und in dem Tone der Darstellung erreicht»
^ " - *
cm.
üehefviiiatiBimfliig 4es betondm* CWskten des Gedichti mit den
allgeiueinen der Gattang, zn der es gehört.
Wir haben nunmehr die JEwiefache Beurtheihmg been-
digt, welcher wir dieses Gedicht unterwerfen wollten.
-Wenn wir unsern Blick noch einmal auf dieselbe zu-
rückwenden, so finden wir den subjeetivea ' Charakter des
Diditers mit den objeefiTen Gesetsen. der Gattung, die er
behandelt hat, in durchgängiger Uebereinstimmung.
In ihm fanden wir vorzugsweise reia dichterische Dar^
siettungsgabe, Natur und Wahrheit, Ruhe und £in£Mchheit,
Krall und diejenige Fülle des Gehalts, welche aJle Kinfte
des Gemüths, den ganxea Menschen befriedigt. Eben diese
Eigenschaften fordert aber auch das epische Gedicht, und
gerade in eben der Mischung und Sttnunung diejenige be-
sondre Art desselben, der wir H err m ann un d D or olheia '
beigezählt haben. \^
Durch diese Uebereinslimmuiig nun mufste notiiwendig
das entstehen/ wovon wir, als derXotalwirkung desgaasen
Digitized by Google
SM
GcdiciHs, .im Anfange (L~) auagiiigen: die sir&nge. und
reib poetische Objectivilel^ die VerbiiiduD|^ voll«
komiuener Individua^ilSt mit echter Idealität Es
muüäte die Erscheinung hervorkommen, dafs wir uns vou
einem einfaeben und sehÜcbten Gegenstände aus in eine
Welt Ideafiscber - Gestalten yewtit, von ^ einem einaigea
Bikk aus tu den hüchtten . Ansichten erhoben, von den
liefsteu Empfindungen durchdrungen fühlen.
Wenn ^uns die Auseinaaderselzung unsrer Gedanken
gelangen ist, so muls der Leser nicht nur jetsEt emseheOf
wie dies angegangen ist, sondern auch euf das denlltefasle
versieben, wie es biols dadurch möglich war, dafs sich
der Dichter ausschliefslich unsrer Einbildun^gs-
kraft bemeisterte.
■
• • • • •
• . . . < ■ ►
CIV.
8 c h 1 tt 1 s.
Da wir jetat nichts mehr über unsern Gegenstand hro-
susufügen haben, so sey es uns erlaubt, noch einen alige-
menien BUek auf die Aeathelik übevhai^t su werfen. -
Wir beben in unsrer Untersuchung auf die ersten Gnmd*
sätze derselben surndCgehn, wir haben die Frage vorlegen
müssen: wie sind überhaupt ästhetische Wirkun-
gen durch den Künstler mdglicb?; Wir haben es
nicht vermeiden können» das Wesen ^ der Kunst fiberhaupt
nahe su- berühren, da sowohl iinter allen Dichternaiuren die
unsres Dichters, als unter allen Dichtungsarten die epische
das reinste Gepräge der darstellenden Kunst überhaupt an
eich trägt
Wir haben uns bei dieser Veranlassung genauer Über
dns Wesen und die Methode der Aeslhelik un Aiigenieiuen
gl^Küfly und SU üfkdßa geglaubt, dals aie alle ihre Gesetze
Digitized by Google
269
«Itein aus Natur der £illbiidlnl§;skra^i , Mr sich geaQiu*
men und auf die andern Gemüthakräfle bezogen; abteilen,
und um vollständig zu seyn, einen doppellen Kreis Volieii-
den muls, einmal objectiv den der Möglichkeit üslhelischer
Wirkungen, dann sobjectiv den der Mögiichkett äslheüscher
Stimmungen, also, auf die Dichtkunsl angewandt, eben so
woM die verschiednen Dichtematuren, als die verechiednen
Dichtungsarten einzeln darzustellen und zu würdigen hat.
Dieseb Grundsätzen sind wir bei der gegenwärtigen
Beurlbeilun^ gefolgt, und sie- würde ihren Zwisek gatas er*
r^hl habe«, wenn sieAnsprudi darauf machen diirfle, als
ein Fragnieni einer so ausgearbeiteten Theorie der Kunst
betrachtet zu werden.
Die voUstandige Auafühniog einer solcben Theorie aber
dürfte nie erwünschter als jelat eirscheinen, da sie die ICunsi,
sie immer auf den Menschen und sein innres Wesen bezie-
heudf mit der moralischen Bildung in nähere Verbindung
sali«n würde, als bisher geschehen ist, und- es nie nöthiger
war, £e iahem Formen des Charakters su' bUden tind-su
befestigen, als jetzt, wo die äufsern der UmsUiiide und der
Gewohnheit mit so furchtbarei* Gewalt einen ailgemeiofn
Umitun drehen.
^ Deber^
den Geschleelitoiiiiterseliied nnd dessen
£liüliifs aiif die wi^aiilselie JVatar«
V on der Wichtigkeit des Endswecka erfüllt, welchem der
Unterselii^d der Gescfalecbter sunäichst gewidinet iß^ pfl^i
man die Besllmmung derselben auf ihn aliem tu beschrän-
ken. Man nliiiiut ihn iinmitlelbar mit in den BegrilT der-
selben auf, denkt sich unter dieser Anstalt der Natur wei-
ter niehlsy als «in cur £raeugung noüiwendiges Mittel, and
wenn diese anf einem lündem^Wege m erhatten
wäre, einen Unterschied leicht entbehren zu können glau-
ben, der die Entwicklung der Gattung in den Individuen
nichl Seiten su bindern scheint. Nur ailenfails im Men**
sehen wird auch die gem^nsle Beobachtung mehr auf
heilsame J juwirkimg des einen Geschlechts auf das andere
aufmerksam gcmaciU, Allein auch in der übrigen Natur
ist diese Erscheinung nicht weniger sichtbar^und es bedarf
nur einer mäfsigen Anstrengung des Nachdenkens, um den
Begriff des Geschlechts weit übör die besclu iinkle Sphäre
hinaus, in die man ihn einschhefst, in ein uncrmefsiiches
Feld au versetsen. Die Natur wäre ohne ihn nicht Natur,
ihr Bliderwerk stunde s1ill,'*und sowohl der Zug, welcher
alle Wesen verbindet, als der Kampf, welcher jedes ein-
zelne noUiigl, ^ch mit seiner, ihm Qigenihümlichen Energie
Digitize<l by Goog[(
271
ZU wafncn, iiörlc auf, wenn an die Stelle dieses Unter-
schiedes eine langweilige und ersclilafTcndc Gleichheit träte. *
^ Das Streben der Natur ist auf etwas Unbeschränktes
gerichtet. Alles Grofse und Trefliche, was in endlichen
Kräften wohnt, will sie, ohne Ausnahme, und zwar in ein
Ganzes vereint, besitzen. Aber da diese Kräfte immer end-
lich und an die Gesetze der Zeit gebunden sind, so hebt
die eine, sofern sie thälig ist, die andre auf, und es ist
nicht möglich, dafs sie alle zugleich wirken. Diefs gilt
aber nicht blofs von ihren einzelnen Kräften, sondern über-
hauj)t von ihren beyden haupsächlichslen VVirkungsarten,
der Ausbildung des Einzelnen, und der Verbindung des
Ganzen. Denn indefs die Kraftübung Einseitigkeit her-
vorbringt, auf die auch die Beschaffenheit des Stoffs führt;
so. verlangt die verbindende Form Vielseitigkeit, und
die eine Forderung vernichtet in dem Augenblick, da sie ge-
schieht, nothwendig die andre. Wenn also, bei allen Schran-
ken der Endlichkeit, ein unendliches Wirken zu Stande kom-
men sollte, so blieb nichts anders übrige als die zugleich
unverträglichen Eigenschaften in verschiedene Kräfte, oder
wenigstens in verschiedene Zustände derselben Kraft zu
vertheilen, und sie nun durch den Drang eines Bedürfnis-
ses zu gegenseitiger Einwirkung zu nöthigen. Diese bey-
den Merkmale sind aber gerade auch die einzigen, welche
der Geschlcchlsbegriff in sich fafst. Denn, gehl man auch,
um denselben so aufzufinden, wie er sich wirkUch in der
Natur zeigt, am besten von dem Begriff der Zeugung aus,
so kann man ihn doch auch, ohne alle Rücksicht auf diese,
in seiner völligen Allgemeinheit fassen; und alsdann be-
zeichnet er nichts anders, als eine so eigenthümliche Un-
gleichartigkeit verschiedener Kräfte, dafs sie nur verbunden
ein Ganzes ausmachen , und ein gegenseitiges Bedürfnifs,
diefs Ganze durch Wechselwirkung in der That herzusteilen.
272
Denn auf der Wechselwirkung allein beruhl das Ge-
hcuntulis der Maiur. Uii§;leieb«rttger Sl«ff- verknüjül rngk,
im Verkiilipll« .wird wiedenmi Theil «nei gröberen Gan-
zen, und bis ins Unendliche hin umfafst immer jede neue
Einheit eine reichere Fülle, dieiil jede neue Mannigfalüg-
keil einer schöneren Einheit Stoff und Form, se vielfach
in einan4er verschränkt» ver lauschen ihr Weaen, nadl nir-
gends ist etwas Mofa bildend oder gebildet So erhSk die
Natur zugleich F.inheit und Fülle, zwey scheinbar entge-
gengeselale, aber nah verwandte i^gen^hafton, deren eian
dem Gebi wohlthälige Rnhe gewährt, wenn ihn die andre
itt thätigem Nachdenken angespannt hat
Von dem zauheiidiulichtri Wirken dieser zahllosen
Kräfte erstaunt, verzweifelt der menschliche Geist, je in
dieii heilige Dunkel va dringen. Dennoch fOhlt er sieh
tarch ' seine Natur an%eforderl, es an- versnefaen. SoU nun
der Versuch nicht gänaJicli inisluigeii, wende er seinen
Bück von dein ZusammenUufs der Wirkungen ab auf die
vereinzelten wirkenden Kräfte . Was dort durch vieHaehos
Eingreifen in fremder und mannigfaltig veraehiedener Go»
slalt erseheint, sieht er hier, vereinzelt, in seiner eigenlhüm-
liehen wieder. Denn jede Verbindung in der X^atur geht
aus der innren . Beschaffenheit der Wesen hervor«, und ihr
stilles Wirken iinterbrieht kerne eigenmächtige WillkölM^
Was sich aiit einander vereinigt ,^ trägt in seinem Wesen
selbst das Bedürfni£s dieser Vereinigung; und alle Erschei-
mmgen der Natur bestimmt der Charakter der wirkenden
Kräfte. Ist indels der Weg auf diese Weise vercinfBcfal^
so dail üian ihn niciit zugleich aucii erleichtert nennen.
Sehr schwierig ist es, diesen verborgenen Charakter zu er-
spähen, der nicht in dem Inbegriff der> oft niue isuftliigeil
Aedserangen einea Dinges besteht, sondern ihr iraeraiea
Wesen s^bst ausmacht, nicht durch rhapsodiätische Auf-
Digitized by GoooTr
273
dUilaiig der emselMfl Merkmaie enchöpfi * wird, soadero in
eemer gatiien Eii^it aufgefafBl werden muft. Gerade weit
er die letzte Verbindung von jenen ist, darf er keine Tren-
nung versUtlen, ist er für die innere Anschauung, was die
änfsere Geatalt dem Auge, und enUiüllt sich fasi nur einem
gewissen ahnenden Geföhie^ da er doeh anf Begriffe eu«>
rückgeföhrt, und durch Beweise bestätigt werden soll
W aSf so wie dieser Charakter, das letzte iiesultat aller
Tereiniglen Krätte ist, kann wieder nur mit vereinigten
Kräften verstanden werden. In harmenischem Bunde mufs
das Gefiihl mit dem Gedanken geindnschaftÜeh Ihatig seym
Hat der Versland die Natur und die Wirkuiigsart des We-
sens nach Begriffen untersucht, so mufs die Phantasie das
äufsere HÜd seines Erscheinens, die Form jenes InhaltSy
auffassen, und nur die Einheit, su welcher der Gast diefii
doppeile Hesultat zu verknüpten sliebl. kann dem Gesuch-
ten einigermafsen entsprechen. Keine Erscheinung einer
Kraft darf daher der Forscher wHIckweiseDi und durch das
ganse Gehiet ihrer Wirksamkeit mufs er sie verfolgen. Bei
Untersuchung der Körperweit mufs er mit der moralischen
ebensowohl, als bey dieser mit jener vertraut seyn, und
sein Bemühen gehe auf die grSüsiere NaturtilLODomie eder
den Ueineren Kreis des Menschen, so darf er nie das Game
ans dem Gesichte verlieren. Denn die äufsei'^e sinnHche
Gestalt der Gegenstande giebt ihm einen Spiegel in die
Hand, in wekhem sdn Auge ihre innere Beschaffenheit
erblickt
Vorstiglich abei bedarf der Mensch zur Ergründung und
Veredlung auch seiner moralischen Natur einer anhaltenden
und ernsten Betrachtung der physischen am ihn her, und
ihre Vorsorge hat ihm sogar diefe Studium erldchtert
Schon in dem blofs körperHchen TheiJ seines Wesens hn-
det er mit unverkennbarer Schritt dasjenige auagedrückt,
IV. 18
Digrtized by Google
274
was er in seinem inoraiischen zum Daseyn zu bringen atre*
Vm aolL Freilich verweiii das Auge 4m Bctoftclitofs mir
selten hinlSngheh auf den Züfen dieaer Sehrift. Voraich-
lige Besüignifs durch leere Bilder der Phantasie gelauscht
SU werden ) zieht oft die AufmerksamlLeit davon ab, und
noch weH öfterer hindert aie Mangel an Feinheit des Sinne»
überhaupt nur rege su werden. Dennoch ist ea uniäugbar,
dafs die physische Natur nur Eid i;r ofses Ganze mit der mo-
ralischen ausmacht» und di» Erscheinungen in beiden nur
einerley Gesetaen gehorchen. Nach der Eirforschung der
Körperwelt und dem Studium dea ionern Lebens der Gei-
ster bleibt daher noch endHch ein Blick auf das gegensei-
tige Yerhiiltnifs dieser beiden völlig ungleichartigen Reiche
tthiigy um diejenigen Gesetae aufiiufinden, welche ^ in bei-
den herrachend, die höchate Verknüpfung des Natm ganien
vollenden. Dieser Gesetze weiileü irevlicli immer nur sehr
wenige und äufserst einfache aeyn können, da sie die reiche
Mannigfaltigkeil aller besondren anter sich befassen miisaco«
Allein eben dadurch wird es dem Menschen leichter wer-
den, ihiiL'U auch an seinem Theil zu gehorchen, und gerade
die verborgensten Geheimnisse seines Wesens in ihnen bes-
ser enthulll au sahn. • Denn vorailgüch in dem Felde der
naenseUicheh Empfindung und Begierde plülA es Tiefen,
welche der Forscher nie zu ergründen vermag, wenn er
den Blick unmittelbar und allein auf .sie heftet. Wo die
Verwandtschaft mit der schlechterdings physischea Natur
des Menschen au nah ist, hört die Möglichkeit auf» alles
durch seine hlofs moralische zu erklären. Er mufs daher
zugleich auf jene zurückgehn, und dasjenige, was in einer
feinen mtd verwickelten Organisalion undeothch erscbehit»
mufa er da aufsuchen, wo es in grofsen und einfachen Zü-
gen aosgedrOekt ist Wohin aber wendete er sich dn bes-
ser, als an dieselbe Natur in ihrer weniger verwickelten,
275
aber gröfsem Oekonoinie? Ans ihr mufii der Mcmseh sieh
besser verslchn lernen, und bcy ihr den >btainni aufsuchen,
von dem nur die feinste Biülhe in ihm sprofst. Hat er
diesen entdeiekt, so ist es nun weniger sehwer^ den wun-
derbaren Bau bis in seihe aufeersten Zweige so verfolgen.
Hier ist der Standpunkt, auf welchem der Kenner der phy-
sischen und der Erforscher der moralischen Nalur einander
gegenseitig die Hand bieten, um die steile Höhe su erstei-
gen, von welcher jedes sein eignet Gebiet in einer neuen
und nun erst in der wahren Gestalt erblickt. Den äufser-
sten Gipfel dieser Höhe zu erreiciien, dürfte allerdings wohl
ttienschtichen Kräften verwehrt seyn. Aber die Kernitnifis
der Natur wird sich immer gant und . gar von der Wahr-
heil entfernen, wenn man demselben nicht wenigstens cnl-
gegenstrebt, und er nicht der Gesichtspunkt ist, den man,
auch bei der Beschäftigung in jedem einselnen der beiden
Reiche^ nnverrüokt im Auge behält.
Aus endlichen Kräften bestehend, weifs die Ntitur sich
durch ihre Form Unendlichkeit zu verschaffen. Dem Ge-
setaie derselben gehorsam, hinterläfst das hinschwindende
Wesen, ehe es von dem Schauplats seiner Thätigkeit schein
det, ein neues an seiner Stelle, und indem so das Einzelne
wechselt, bleibt das Ganze in ununterbrochener Einheit
Diese Sorgiait für die Fortdauer der Gattungen, bei der
Veri^glichkeil der Individuen, ist die erste Erscheinung,
welche sich dem allgemeinsten Blick auf das gesammte
Gebiet der iNatur darstellt. Aber nicht auf biofse Fort-
dauer aliein beschränkt, ist ihre Absicht hiebey zugleich
auf etwas höheres gerichtet Weil bei endlichen Wesen
das Vortrelliche nicht auf einmal entsteht, so erhebt sie sie
von Stufe zu Stufe des bei^iren. Dadurch hat sie es mög>
lieh gemacht, nach dem ersten Wurf der Keime, ihre Hand
von ihrem Werk abaiehen lu künnen, und nun mit ruhi**
18»
Digitized by Google
276
gern Bfick auf den Reihen der Wesep «i verweilen, die
sieh jetzt, unendlichen Ketten gleidi; ven selbely und doeh
iuinier Einem Ziele zueilend entwickeln. Unter allen Ver-
bindungen, die wir in ihr gewahr werden, and gerade die
höchsten, numnigfaltigsten und innigslen diesem doppeftten
Endzweck gewidmet; und gelänge es dem menschlichen
Geist diese durch Erforschung des Charakters der dabey
wirksamen Kräfte genauer zu durchspühen, so wäre es ihm
dann möglich, diefs tiefe Geheimnils mit grö&erem Recht
XU bewundem.
Bei allem Erzeugen entsteht etwas vorher nicht vor-
handenes. Gleich der Schöpfung, ruft die Zeugung neues
Daseyn hervor, und unterscheidet sich nur dadurch von
derselben, dafs dem neu Entstehenden ein schon vorhande«'
ner Stoff vorhergehen mufs. Dieser Nolhwendigkeit un-
geachtet, hat indefs das Erzeugte dennoch eine von dem
Eraeugenden unabhängige Kraft des Lebens, und weit enfc^
lernt, dofs diese aus demselben erklärbar wäre, bleibt es
vielmehr ein unergründiiches Geheiinnifs, wie nur sein Da-
seyn daraus hervorgeht Was durch Entwicklung oder
Wachsthum entsteht, ist ein Theil desjenigen, su dem es
gehört, und empfangt aus fremder Hand seine belebende
Krall. Was aher durch Zeugung ans Licht tritt, ist ein
Wesen für sich, besitzt selbst Leben und Organisation, und
kann, wie es selbst hervorgebracht wurde, eben so wieder
hervorbringen. Obgleich die Fähigkeit su zeugen durch die
ganze INatur verbreitet isl, so vermag doch keine Krafl Le-
ben und Organisation mechanisch zu bilden; keine Weis-
heit den Weg dasii vorzuschreiben. Daher ist Zeugung
von Bildang verschieden, und dar^ nur Erweckung genannt
werden , liie uaclilolgende Bildung des Erzeugten gehört
ihm selbst, nicht dem Erzeugenden an. I^Ian kennt, was
der Zeugung vorhergeht, und siebt das Daseyn, das dar-
Digitized by Google
277
auf erfolgt; v/ie beides verknüpft ist ? uinhüiit em uiidurcii^
ibiiigÜcher Sehkier. Denn wie die Zeugung von Sekeit
das EriMigteii Erwecking iB^ so isi ne von Seilen des er^
Eeugenden^ Wesens nur eine augenbliekKciie Stimmung, die
nieht blofs durch die höchste Anstrengung dej Kräfte, son-
dem besonders durch die Vereinignng alier bezeichnet wird»
Die Kraft, weiche .das Lebendige und Organiadm besecll,
kann, wie aie aelbtt in aM Eins ist, nur am dem ihrGUi^
eilen, hervorgehen, und nicht blofs dafs jedes zeugende We-
asft seine eignen gteicfa«rtigen Kräfte zur liöciislen Harmo«
nie gesümml fäUl, sa ist auch jede Zeugung-eine Verinn-
dung ftweier versefaiedener imgleiefaarliger Prinetpien, die
man, da die einen mehr thätig, die andern mehr leidend
Mnd, die sengenden (im engern Verstände des Worts) und
die empfangenden newit So liat die Naltir ihre Kinder,
welehen, ab endlichen Wesen, nicht alles iugl«ch su be*
sitzen vergönnt war, wenigstens an die Einheit erinnert,
die allein jedem höheren Streben genügt, und ihrer Sehn-
sHfihi Momente gesdienkt, die ae veigessen lassen^ dafii sie
au gelrennlem Daseyn verurlheiit und.
Diesem gegenseitigen Zeugen und Empfangen ist niclit
Uoia die i^'ortdauer der Galtungen in der Körperweit an*
vertraut. Auch die reinste und geistige Empfindung geht
auf demselben Wege hervor, und seihst der Gedanke, die-
ser feinste und leUlc Spt öfsling der Sinnlichkeit, verlaugacL
diesen Ursprung nichL Die geistige Zeugungslurafl ist das
Genie* Wo es sich aeigt,. sey es in der Phantasie des
KiinatlerB, oder in der Entdeckung des Forschers, oder m
tier Knergie des handlüiiden Menschen, eiwcilst es sicli
adh^pieiisch. Was seiner Zeugung das Dasejn dankt, war
YOrher nicht yerhAden, und ist eben so wenig aus schon
Voihandenem oder schon Bekanntem blols abgeliiileL Zwar
wird äich iui Gebiete deä Denkeii^, ui welchem durcligän-
Digitized by Google
378
giger logischer Zusammenhang heriiichen muis, immer tUe
Verbindung desselben mit dem schon Gegebenea. nn^on
lassen, aber dieser Weg isl darum niehi auch ebeMlenelbe»
auf weUam es gebunden werden kowile Demi das wahr«»
haft Genialische isl keine F olgei ung aus, blof» schnell über-
sehenen, miltelbar zusammenhängenden iSätzen, es ist wirib*
liehe Erfindung, wenn gleich das, was oii^ dieser Art iai,
ebenfalls anf genieähnUehe Weise lierrorgelMNieb^eyn kann.
Was hingegen das ächle Gepräge des Genies an der 8tirn
trügl, gleicht emem eigenen Wesen, für sich mit nignii
orgpnisclMa Leben* Dureh seine Nalar Jeiireibi esGcsela«
vor. Nwhil wie die Theorie, weldie der VerstaMl langsam
auf Begriffe gründet, giebt es die Regel in todten ßuchsU-
ben, sondern unmiUeibar durch sich selbst, und mü ihr««»
gleich den Sporn sie au üben« Denn jedes Werk des Ge»
nies isl wiedenim begeisternd Üir das Genie^ und pflansi so
sein eignes Geschlecht fort.
Durch Begeisterung gewirkt, ist dem Geni^ seine sf
gene Wirksamkeit imbegreiClich. £s geht nicht auf gebM*
chenen Bahnen fort, hier erscheint es und dort, aber ver-
gebens suchten wir die Spuren .seines wandienden FuTstritts*
Daher ist es nie zu berechnen, und vermag selbst nicht an
verbürgen, ob sein Product geselaios oder regebnärsig seyn
werde ? £s kann ^ Letitere nur mittelbar befördern,
indem es sieh selbst geseLzmäfsig macht, und es
ist ihm liein andrer Einllufs auf das Erzeugte, in dem Att^
genbhcke der Zeugung, erlaubt^ als durch die allgememe
StinmMng asiner selbst» als des Eneugenden. Da alle seine
KrSae in diesem Momente vereinigt sind, bleibt keine su
Jiii Isigem Zuschauen, oder kalter Leitung übrig. S^hst-
iliatigkeit und Empfänglichkeit sind beMe gleich gesdtliftig
in ihm, und das|eiiige, dessen es sich emsig bewufst ist, ist
gerade die Vermählung dieser ungleichai tigen Naturen. Nur
m
dtttcli dif^e Wechselwirkung der SelbsMiMIti^eil und
pQi^glidikeit wird ihm mfiglieh, «ch aii» «ch.MlUiher*;
auftsiistellen, und ai^ Mlbst, abgesondert von allem Zuföl-
ligen, zum Objecl seiner Reflexion zu machen. Diese Tren-
nung aber ist zu jeder genialischen Hervocbrin^^g uDent-
bebrlach, da daa Genie das Nothwandj^e ^ur atta der Tiefe
aeioer Vemunlt hervornelm, und ea niehl tndai«> als durch
giltttliche Entfernung aus dem Kreise seines empirischen
Das^na^ rein absondern kaiui. Daher erfordert dasselbe,
wofe» <a.fi8kföfif<tffiaiab werden aqU» die liöchate ObieGtivi*
läty d. h. ein, in BedärMla übergehendes Vermögen, daa
Nothwendige zu ergreifen. Dieses aber kann es nur aus
seinem Innren schöpfen, oder es mufs vielmehr sein ei^pnaa
subjeeiivea und auliiUigei Daaeyn in ein nolh wendiges ver-
wandeln. Nie wird der Hand des KünaÜera ein Meister^
vveik gelingen, wenn er nicht die idealische Schönheil, zu
der doch scuie Phantasie die Züge saibat bildend entwarf,
als eine Wirkiiehe GealaU au umlasaen vermag» sie wird
der Philosoph einen Ferk$d»ritt gewinnen, der die Masse
der Ideen wesentlich bereichert , wenn nicht die Wahrheit,
die er aus der Tiefe seines Geiäleä hervorzog, sejoea ioiQT
ren Sinn» gleidi einem äulpren Objecle bewegt» und nie •
wird in schMderigen F&Uen des Lebens der handlende Mensch
alle verwickeile Knoten gegen einander wirkender Triebfe-
deni genialisch lösen, wenn er nicht über der Weit sein
eignes Ich vergUat, oder vieliM^r «ein leh au dem Umfang
einer Wall erweitert.
Leichter als der Augenblick, in welchem das neue Da^
seyn erweckt wird, ist der Zustand zu beobachten, welcher
demselbea vorhergeht In dieser SUmmuag dar achöiiitsri<t
sehen Weihe ist, von weleher Art audi die Zeugung seyn
mlf^e, das GeflÜil einer überfliefoenden Fülle mit dem ei-
nes bedürfUgen Mangeis verbuiulcn. Dia Kr^ft satfuneU
Digitized by Google
28a
tidi in sidi selbitV nie fÜMl «t sich reicher und gröfser,
nieJebliafter bewegi, nie räsUger m herrlichsten Thüig-
keil. Seihst die Erinnerutig an diete 8lSrke vermeg )ioch,
sie in der Folge begeisternd zu erwecken. Aber in dieser
Bewegung liegt der Keim einer unruhvollen Sehnsucht, die
Mir flerrofhringung rei«t Sich, ihres Reiefathums «nge-
adiletj se wie sie ist, nicht genügend, ahnet sie etwas an-
dres, mit dem vereint sie erst ein vollendetes Ganse bildet.
Wird ihr Suchen hier mit glücklichem Finden gekrönt, so
strebt ne naeh einer Vereinigiuigy welche jedes eincehie
Daseyn vertilgt Es entsteht ein Wegen, ein Hin* nnd Her^
wankey, und jene Sehnsucht erreicht eine schmerzliche
li^he. Die ganse Erwartung ist nun auf die Hervorbrin*
gong gespannt, und das eigne Ich eni&ulseri sieh bis lu
deioi Grade, dafs es ach selbst gern för die neue Schöpfung
hingeben möchte. Aus diesem höchsten Daseyn springt das
Daseyn hervor. Auf diesem einzigen Moment beruht die
Efseugung audi des geialigen Products. Hat die Phanta-
sie des KQnstlers einmal das Bild lebendig geboren , so v*
das Meislerwerk vollendet, wenn auch seinfe Hand in dem-
ssiben Augenblick erstarrte. Die wirkliche Darstellung ge-
hört nur noch dem Nachhall jenes entscheidenden Mo-
ments an.
Eine befremdende Krscheinung ist es, dafs Kräfte, die
sich 80 nolhwendig sind, und so heftig suchen, getrennt exi-
stiren -sollen, und dafii das nir Verinndung BesUnmite nicht
Eins se3m kann. Denn überall sehen wir'sitr Zeugung swei
ungleicliartige Kräfte erforderlich, dieselben mögen nun, wie
in einem Theil der Natur, in Einem Wesen verknüpft, oder
in swei versehiedne vertheiU seyn. Da das Erseugte mit
dem Erzeugenden immer gleichartig nnd ihm ihnlicfa ist,
so scheint es wundcibar, warum nicht unmittelbar aus dem
Lehen das Leben, aus einer Kraft die andere hervorgelien
üigiiized by G('
SSI
kSniie? und d« der Begfiff der veineii Kreft hier nichto Wi-
deteprediendee entbSk, so mtaen m diefo in den Sdnraa-
hen derselben aufsuchen.
Die lebendige Kraft, weiche jedes organische Wesen
beeeetty fecdert einen Kttiper. Dieeer Körper und jene Kraft
Hiikm^m'VlHtoBMiAti^ gegensei-
lig aul einiindcr ein und /.urück wirken. So ist in jedem
organischen Wesen Wirkung und Kück Wirkung verbunden.
Wid iin«ie|freiflidi<iwnk4äiieh .dM ist»
a#' wird^i^adli' e üfi el f w e nigii t en irfMi», del» dn^rErseugte m
einer Stimmung des Erzeugenden hervorgclil, und, wievor-
£üglich die Pioduete des üeni^^s ^uliaUeiid zeigen, dersel-
beii^>4toieii>eNLi ^^Bittffetewy^ ^x§mi$$km Wesen erfor-
derl daher einei doppelle» eine auf Wirkung und eine andre
auf Rückwirkung 'ger^teieStiffilniuiig/ und diese ist in der-
selben Kraft und m gleiclier Zeit unmügliuh.
iiiie^ nun begiittif des i üpteaiiteM . dcüj^Geschlechter.
J^mmiS^niAm^9ik^iBismKil^ empfan*
gende- Ji(fcd M g J iia »Jii l 4 <i ii4ii ii i g gestiMMMk ^Rap^ von der er^
gtefü belebt wiid, nentiea vvii' männlich, was- die letztere
heseeit, weiblich. Alles Männliche zeigt mehr Selbstthär
ÜgklätM^yiMMiiti elipi Mimki i«H|gimlichkeit In-
detf liJstii!ihtidihiwillMeftelii»d:>i^ nicht
in dem Vermögen. Denn wie die tliäUge Kraft eines We-
sens, 80 auch seine leidende, und \viederuai umgekehrt.
Etwas blois Leidendes ist nicht deniibar. Zu attem Leiden
(Empfinden einer fremden Einwirkung) gehört doeh aufs
mindeste Berührung. Was aber gar kein Vermögen der
Thäligkeit besitzt, ist gar nichts, wird durchdrungen, aber
sieht berührt Daher überall gleichviel Entgegenwirken»
ab Leiden. Die thätige Kraft hingegen ist (wenn wir uns
erinnern , dafs hier nui von einer endlichen geredel wird)
den Bedingungen der Zeit unterworfen» und an einen Stoff,
Digitized by Google
mitfiin an etwas Leidendes gebunden. Ohne au^ fai tiü^
fere Beweise einEiigehen; eehen wir im MenadMn MUMlr
Selbstlhäligkeit und Empfangiichkcil enMmder gegenteilig
entsprechen. Der seibstlhäiigste Geist ist auch der reiz-
barste; und das Herz, das für jeden Eindruck am meistea
ein|ifänglich ist, giebi auch jeden mit der lebliaftestaii £iier*
gie surOck. Nar also die vertcfaledeiie RiehUing imlefeehet*
det hier die männliche Kraft von der weiblichen. Die er-
slere beginnt, vermöge üirer 6eibsithäügkeil , mit der Ein-
wirkung; nimml aber, verml^ge ihrer Empfiipgiichkeily • die
Rfiekwirkung gegenseitig auf. Die lelilere geht gerade
den enlgegengeselzlen Weg. Mit ihrer Empfänglichkeit
nimml sie die Ij^inwirkung auf, und erwiederieie mit Selbst«
tbattgkeit.
Diesen ewiefaehen Cberakler Mekt aneh der veiw
scliiedene Zustand aus, weicher in beiden der llevvovbiin-
gung unmittelbar vorhergeht, in beiden ist das Geliihl ei-
nes überströmenden Vermögisis mit dem eines sehmeMli*
chen Entbehren» gepeart Aber wo die Männlichkeit hemwhl,
ist das Vermöfjen: Kraft des Lebens, bis zur Dürftigkeit
von Stoir enlblölsi; und die entbehrende Sehnsucht auf ein
Wesen geriehtet» das der Energie cagleieh Stoff soir Thä*
tigkeit gebe, und, indem es durch Röekwirkung ihre Em^
pfänglichkeit beschäftigt; ihre glühende Heftigkeit lindre.
In dem Kreise der Weiblichkeit hingegen ist das Vermö-
gen: eine üppig überströmende FüUe^ lü reich, als dele die
eigne Kraft allein ihrer Belebung genügte; indefe die ent^
behrende Sehnsucht ein Wesen sucht, das zugleich den in-
nern Stoff erwecke, und der eignen Kraft, ifidem es sie
durch £inwirkttng «i selbstthatiger Aückwirkmig nöthig|k|
eine gröfsere Stärke ertheiie. In dem ersteren Fall ist da*
her eine Stärke, die, auf Einen Punkt versammelt, von die-
sem nach aufsen hin strebt Aufser sich ^uebt dasjenige
Oigitized by
«nieii Stoff, wftfl m sieh niclii genog BeMfaÜligiiiig smner
Thätigkeit ind«!. In dem leideren üfl eine Fülle des StofÜ,
die sicli einen fremden Gegenstand in einem Punkt inner-
kalb ihres Wesens aufzunehmen, und von ihm Einheit zu
eüpfongen sehnt 80 befnedigl die eine Kmft die Sehn*
sttcht der andren, und beide ftmeebiingen emander wa ei«
nem harmonischen Ganzen.
Auch in der geistigen Zeugung nehmen wir nicht blois
dieselbe Wechselwirkung, sondern auch denselben Unter*
seUed awei Tersdiiedner Geschlechter wahr. Gans anders
ist es in Gemüthern beschaffen , die zu zeugen ; anders in
solchen, die zu empfangen bestimmt smd. Es ist schon
schpwer, so liskie Verschiedenlieiten im inteUectuellen und
moralisclieii Leben nur su bemerken, und bei weitem sehvre*
rer noch, sie darzustellen. Wo indefs das Genie männliche
Kraft besitzt, da wird es, zeugend, mit seibstlhätiger Vcr-
manft auf das idealische Object, einwirken. Wo demselben
bingsgen weibliehe PüMe dgen ist, wird es, empfongend,
die Einwirkung dieses Objects durch das Uebergewicht der
Phantasie erfahren und erwiedern. Vorzüghch offenbart
sich dieser Unterschied in der innren Stimmmig bei der
Uervorbringung selbst; dem geübten Bück aber wilrd er
ebensowenig in den Producien entgehn. Denn ist gleich
jedes ächte Werk des Genies die Frucht einer freien, in
sidi selbst gegründeten ^ und in ihrer Art unbegreiflichen
Uebereinstimmung der Phantasie mit der Vernunft; so kann
ihm dennoch bald die männlichisfe Vernunft melur Tiefe;
bald die weiblichere. Phantasie mehr üppige Fülle und rei-
zende Anmuth gewähren *). Da aber der GesohlechUunter-
*) MeM V«i^tdiaBg ia einselaen raim wiritlich sasaBtellen, ,iit
schon daram fOft lielen Sehwierigkeiten begleitet, weil selten zwei
Köpfe übrigens Aehnliciikeit genug zeigen, um gerade dteten Ua-
tenobied naffidünid richllMT sv nu^tu Nor 'ftbo mu » Bei-
m
scbidd überhaupt, als eiu Unterschied der Natur, durch den
fonneiMleo Witten, so als möglich sur Einheü erhöbe^
werden mufr; so wird freilidi dasjenige Genie, das sich
auf seine Bildung versteht, jene beiden Kräfte, bis zur gänz-
lichen Yerkennung desselben, in ein reines Gleichgewicht
zu stimmen bemüht seyn. Deutlicher, als hier, erscfaeiAt
daher dieser Unterschied im praktischen Leben. Wo dort
der Tugendhafte, von dem erhabenen Gefühl der Achtung
des Gesetzes durchdrungen, der Ausübung seiner Pflicht
sein Giück und sein Leben- opfert, d» ist eine gro&e und
heroische Handlung . mit männüdier Krall eneugt Dei^ mo-
ralische Sinn fühlt sich in rüstiger Stärke, die Stimme der
Pflicht ruft ihn zur Thal, und er empündet sich gedrungen,
dem Rufe su folgen. Wo hingegen die Tu^d, im Bund-
nils mit der Phantasie, durch Ihre Anmuth reisl, da ist je-
nes moralische Geluhl mehr empfangend, als zeugend. Ea
erhält aus der Hand der Einbildungskraft die wohithäüge
Gestalt, schlielst sich mit kmigkeit an sie an, und strebt,
sie mit seinem Wesen su vereinigen; und so ist die tu-
gendhafte Handlung, welche hervorgeht, nidht sowohl das
Werk einer völlig frei und selbatthätig, als einer zurück-
wirkenden Kraft.
Dieselbe Eigenthümlichkmt der seugenden und emplui-
gendcn Kräfte, welcfae w|r in den'BbmmiteA ihrer hSch-
ipiele zu erinnern, sey es erlaubt, hier Homer und Virgil,
Ariott und I>»ate, Thompion und Young, Plato iindAri-
atotsl«« «inaadar g«g«Mlb«r su steUen. Wenigstens dSiAe aw-
maad leidit in Abyed« aeyn, dala, in Rüoluiiclit auf ilm Geguu^
theile, in den xueist genannten, wenigstens in Vei^leidinng nnt
der aus ihnen herrorlenchtenden Kiaft, mehr Ueppigkeit der Phan-
tasie herrscht, da aas den letzteren die Ferm df-r Vernunft mit
einer fast an Härte gränzenden Bestimmtheit spricht. Zogleich
Yon dieser Härte und von einer zu gro(sen üeppipkeit frei , kann
Sophokles, in der Mitte zwisclien Aeschylus und Euripides,
xum Beispiel das gesclilechtiosen Gtsnies dienen.
385
Sien Tliitigkeit wahrndimen, offmbart sich «ach durch ihr
ganzes Daseyn hindurch. UeberaU spricht aus den ente-
ren hervorbringende Kraft durch freies Geben aus eigner
Fülle; tiberall isl in den lelzleren Stärke des Auffassens
durch festes Umschliefsen des Aufgenommenen sichtbar»
Aber über das stille Daseyn der Wesen unaufmerksam hin«
wcgrülknd, eilt unser'BKck ritmriep Vniir !hi»en Wirkiirigen
zu, und doch iat es elirn ilicis unbcüieilvltä Leben, dem die
Krifleidet) Nattir'jä»edFori4ai«er di^kett»- Denn wasiwii)«^
destBaa^yn dMMil/4li iOm ^äM^r^^if^
welche unaufhörltteltfdfe Thaligk<^lpilH*M^
in dem leUien Theil ihrer Laufbahn eiLlkkcn, wenn das
fortl es etete^ötrctea dioti£ralltrisndhch bis amn i^ebevatül»»
meivlaibaiiydlitT^liilfaaie^^^
reu fjröberen Sinn, MeCsrder leifee^i^her ttftriill|^C!hlMlt^
den alles, was lebt, unmittelbar dadurch verhreilel, dafs es
is^ UMIR^iMli einemmilBjyitbwien Hauch entschlüpft. Eben
s(l'M'äMis'itei|^4Hi>iM^nMi iwid .INM[ite||(tiito'^JM|fM
nicht'iterf^rge -M^WdH^flaiiiiiii^ «fil^i^juweiilFaul^'^^Mil
bloiä die Erzeuguag, die vor unsren Augen geseliieliL Auch
die Erhallung, und 4a die Erhaltung des i^ndiiciien nui uii->
a> ni il a li(j|iifctffr»s»^ fc i iAf mU m faH i i
sich anknüpft, auch die uns Terborgene Wiedererseugung
ist ihr W erk. Vermöchte daher auch die Natur jenen Zweck
der Forlpflanzung auf eiueui andren Wege zu erreichen, so
könnte sie doch nie die Wechselwirkung entbehren, in der
die Kri^fte der Geschlechter einander gegenseitig ergänsen.
Die Natur, welche nnl üiidiichen Mitlein unendHche
Zwecke verfolgt, gründet ihr Gebäude auf den Widerstreit
der Kräfte. Alles Beschränkte lielt auf Zerstörung, und der
himmlische Friede wohnt allein in dem Wirkungskreis des-
sen, was sich selbst genügt. Der zersförenden Thatigkeit
des eitlen mufs daher das andre eolgegenslreben, und in*
Digitized by Google
4m beide gcgeiiseHig einander ihren findsweek vereileto»
erfüllen sie den sehrankenloeen Plan der Natar. Allein auch
sie gewimil diesen Sieg nur, wenn man sie in ihrem gan-
MD Um£ang und durch die Dauer aller ihrer Epochen be-
traehtel; oder vielmehr derselbe hegt aliein in dem Inhalte
ihrer Gesetae. In jeder einaelnen Periode daiiert der Kan^
noch fort, und das Vollendete entbehren*], aiuls sie üich
das Höchstmögliche zu besitzen begnügen. Da sie die
Sehnmken nicht entfernen kann, mufs eine Kraft die Lücken
der andren ausfüllen; und da jede ThStigkeit sieh endliefa
selbst aufreibt, Unlhätigkeit aber vei bannt ist, so inuls die
Ruhe in dem Wechsel der Wirksamkeit bestehen. Denn
die höchste Kraft erfordert die Vereinigung widersprechen-
der Bedingungen. I^lit rasüoiror Anstrengung soll behan^
hches Ausdauern verbunden seyn. Aber die Anstrengung
ist ein Feuer, das sich selbst verzehrt; um nicht an inteii-'
liMi zu vertieren, mufo sie sich aller hindereden Masse ent^
ledigen, und ^en Stoff, den sie besitat, energisdi zusammen-
drängen. Denn ij,icbl es gleich auch Kräfte, welche gerade
durch Masse mächtig sind, wovon vorzüglich die uubeiebte
Natur auflallende Beispiele leigl, so wkkt doch da eigent-
lieh nur die veremte* Stärke vieler einzebien, zufiilllg in Ge-
iueiüsciialL skliciideii Theile. Indem nun die Anstrengung
die Empfänglichkeit aussclilielst^ nimmt sie sich selbst den
Genuls erquickender Ruhe^ Di^egen erfordert die Stärke
des Widerstandes, welche zur ausdauernden Beharrlichkeit
nolhwendig ist, mahv Fähigkeit, die fremde Einwirkung auP»
zunehmen, als sie zurückzuweisen, mehr Slimraung zu lei-
den, und daher einen reicheren Stoff, kt aber dieser, ia
sich zurückgezogen, so sehr zur Beschäftigung mit fremder
Energie aufgelegt, so verbiulet er sich dadurch selbst die
Möghchkeit eigner seibstthätiger Anstrengung. So ver-
sahhefiit die Dichtungskraft, wenn sie in glühendem Feuer
Digitized by Google
S87
BUdtr auf BiMer schaff die Sinm dtn äiiÜMiren EiiMklkkaHi
und so verwehrea diese , ivena sie mit lebendiger Wärwe
die Wirklichkeit dmfiwsen, jener den kOhiien AufHug ins
Land der Erfindung.
Die männliche Krafl, zu beleben hestiinmi, samtnelt
Sieb von selbst» und durch eigne Bewegu&g. Allen Stoff«
den sie besitzt , drängt sie zu ungelheitter Einheit zusam-
men. Je reicher und mannigfaltiger derselbe ist, desto er-
mattender ist die Anstrengung, aber auch desto gröfser die
Wirkung. Der Stoff darf nicht schon durch seine eigne
Natur zur Verbindung gestimmt seyn. Von ihr, als einem
herrschenden Piin/,ip, mufs er die Leitung erhallen. So in
sich versammelt, wirkt sie aus sicii heraus. Von heftigen^
Drange thätig «i seyn beseelt , wünscht sie einen Gegen«
stand zu finden, den sie durchdringe ; aber ganz nur Seihst«
thäliglteit, ist sie in dieseai Augeiil)lick aller Empfänglich-
keit verschlossen. Einer solchen Anstrengung folgt jedoch
bald Ermattung nach, und sie gleicht einem Hauche, dei;
müchtig belebt, aber bald verschwindet Mit dem Gefähl
der sinkenden Stärke erwacht in ihr die Sehnsucht der
Empfänglichkeit, und gern ruht sie da aus, wo sie vorbei*
hiols schöpferisch war. So ist sie, was sie ist, durch sich
selbst, und ihre eigenthümliche Form. Der Mann, dessen
Brust ein thatenkühner Muth begeistert, fühlt sich in sich
verengt. Viel Erfahrungen hat er mit beobachtendeai Geiäie
auf der Bahn des JUehens gesammcU, hohe ideale aus sei-
■em Innren hervoranBchafflBn ; mannigfailigjB Gefühle l>ewe-
gen ihn, bald die WMe der neuen Schöpfung, nach der
er sich sehnt, bald theiinehmendes Mitgefühl mit den* We-
sen , die er zu veredeln strebt. Für alte diese erhabenen
Bilder hat aein Busen nieht Haum genüge and heilser Dursl
nach Thatigkeit treibt ihn. Er sucht eine Welt, die seiner
Sehnsuclit entspreche. Uneigennützig und ^ern yon jedenv
Digitized by Google
288
Gedanken an mffi^ Geoufii, MtwkUk er aie mi der FüUe
seiner Kraft. Die neoe Seiil()>lung atehl da, und frettdig
ruht er aus im Anblicke seiner Kinder.
Die weibliche Kraft, zur Kiickwirkung bestimmt, sam*
melt sieli aof einen fremden Gegenstand und durck^ frem-
den Reis. Da der Stoff, den sie in rdeher FuUe besifaii»
sich durch seuic eigenthümliche Nalur vereint; so wirkt er
mehr durch ein leidendes, als ein seibätlliäliges Vertnägea,
Mit dem Grade seiner Mannighiiigkeit wächst gleich&dls
die Sditoheil der Wirkung, nicht aber sugleich auch die
Anstrengung. Vielmehr wird diese durch vielfachere lie-
rührungspunkie erleichtert, und ihr Grad nur durch die In«
nigkeit des Umschiielsens bestimmt, die von der gegense»«
iigen Harmonie- abhängt Der Stoff der weiblichen Kr«ft
bedarf weniger der Herrschaft eines vereinenden Prinzips,
sondern verbindet sich mehr durch seine eigene Gleichar-
tigkeit in dieser Einheit enviedert sie die Einwirkung mit
immer steigendem Feuer, bis endüch ihre ganse Thätigkeil
augLS|Kinnt ist Aber da ihre eigenthümliche Nalur sie fä-
higer niaciit, Widerstand zu leiden, und sie von der glü-
henden Heftigkeit irey ist» welche die männliche venefart»
so vergütet sie die Langsamkeit ihrer Wirkung dureh lan«
geres Ausdauern. iSo dankt sie der Beschaffenheit ilires
Stoffs selbst einen Theil ihrer Wirksamkeit, die durch ihn
vorbereitet und unterstütat wird. Ein He»| das . sich ^ von
mannigfaltigen Empfindungen bewegt und von einer edefai
Strebsamkeit beseelt, reich in sich selbst iühlt, aber den
kühnen Muth vermifst, sich eine eigne Richtung zu gebent
wird von unnihiger Sehnsucht gefoltert Sich seihst unver»
ständlich, und arm im SchoolM des Üeberflusses, wünsch!
es ein Wesen zu finden, das die verschlungenen Knoten
seiner Gefühle, freuodüch löse. Je tiefer die Quelle dieser
verworrenen Stimmung verborgen Uegt^ desto schwerer bo*
Digitized by
289
gegnet es der (jewührung seines Wunsches, aber deslo in-
niger schliefst es sich an die gefundene Erscheinung an.
Je länger es an ihr verweilt, desto mehr Berührungspunkte
entdeckt es, und verläfsl sie nicht eher, bis der Keim zur
vollendeten Frucht gereift ist
Nicht also ihrem Grade, softdern allein ihrer Gattung
nach, sind die zeugenden und empfangenden Kräfte von
einander verschieden. Blofses Aufnehmen ist kein Empfan-
gen, sondern steht eben so unter diesem, als das Geben
unter dem Zeugen. Beyde, Zeugen und Empfangen, sind .
höhere und kraftvollere Energien, beyde ein Hervorbringen
durch Geben und Aufnehmen. Eigne fruchtbare Fülle mufs
bey jenem das Enläufserte begleiten, bey diesem das Auf-
genommene umfassen. Der wahre Charakterunterschied
beyder Kräfte besteht darin, dafs den empfangenden mehr
Stoff, mehr Körper, den zeugenden mehr Seele eigen ist,
wenn nemlich Seele jedes selbstthälige Prinzip bezeichnet.
Gerade aber durch diese Verschiedenheit thun sie der For-
derung der Natur ein Genüge. Sollle der Zerstörung dro-
henden Heftigkeit der männlichen Kraft eine andre entge-
gengestellt werden, so durfte es keine gleichartige seyn.
Gegenseitige Ermattung hätte dann den Kampf beschlossen,
in dem, wie überall in der Natur, der ünterhegende selbst
neues Leben aus den Händen des Ueberwinders erhalten
sollte. Der überströmenden Fülle mufste daher ein ße-
dürfnifs gegenüberstehn ; aber da die Natur in ihrem Gebiet-w
eben so wenig Armulh als Selbstgenügsamkeit verstattel, so
ist das Bedürfnifs wieder mit Reichthum verknüpft. Indem
nun alles Männliche angestrengte Energie, alles Weib-
liche beharrlichesAusdauern besitzt, bildet die unauf-
hörliche Wechselwirkung von beiden die unbeschränkte
Kraft der Natur, deren Anstrengung nie ermattet, und de-
ren Ruhe nie in Unthäligkeit ausartet.
IV. 19
Digiti^B by GQQgle
SM
In j«d«r ZdiguAg wM. abo wreyarAey evCodbri, ie>*
Wn^ge BMiigle Ar KnA, die Mif fineii, Punkt «eb s«-
sammenzieht, und lebendige dee Slofls^ der ihre Et»-
Strömung in allen seinen Punklen empfängt. Jeae \v)sd
daher ihrer Nalur nach, auf TrenntHig gaikhtei aaya» mil
^ aHa*, Wae mchl lia aalbai iü, lia'Ui ihnr rainaii Wirksam-
keit hindert : Diese wird auf Einheil gerichtet seyn, um von
allen Seiten aus die einwirkende Kraft zu uuisclüielseA.
Wano das Genie (da .diaaa^^4i)raGheiiuMgiaa ^i«h die ga^at
Kalle der harvorbringeiideii Wesen dbseUbeo ahid) vermegit
der reinen Selbstthätigkeit der Vernunft, die belebende
Flamme ausströfnl^ der, gleich einem Funken, das göttliche
Wevk entsprüht,; so muiii .die Phantasie sie in ihren ächaofii
aobehmen, und wohtthalig umschliaften. Die aengemia
Kraft vermöchte sich nicht energLsch zu saiiimeln, wenn
sie niciiL alles zurückwiese, was diese Anstrengung stören
könnte; und dar empfangenden wäre aa unmöglich, .siah
mi allen Seitaa her nach- Einem Ptenkt 1^ au neigen»
wenn sie nicht die liö( liste Uebereinslimmung in sich be-
wahjcte. Die Helligkeit, mit der die erslere for^trebt, rieh«
Isi na auf einaehie Gasiehtspunkle, und ihre unatt%ahai-
tane Wirkung mfifirte überall Trennung und Zeraldmng
* aeyn. Dagegen macht der letzteren die harmonische 6auft-
muth, mit dar sifii entgegenkommt, eine mehr umlassende
fimhaü.sum Geaato, und ihn Pröda ist Erhalliing; Was
•an kMan-bestinunl isl, mufii reisend erwecken. Aller
Reiz aber richtet die Aufiü^rksainktit auf einen einzelnen
Zustand, und das Gefühl durchgängiger Gleichgültigkeii
wMa Sehkuniaar oder Ted aeya» J>as JM^bende 4arf da-
her nieht, mit allzugrofser Schonung, jede Erschütterung
vermeiden. Dagegen muis der Stoff, welcJier der Belebung
enlg<g<ngefühct wird, gleichmäfsig u^d gana ^on ihr dui)eK-
drungen werden. Was ettdiinb Mnekf Fami banlal» nah
Digitized by Google
291' . .
. , • • • ■ »
zwar auf Verbindung, aber, wie die Forin überhaupt, nur
durch Trennung; so wie, was dem Stoffe näher liegt, wie
dieser selbst, zwar in sich ein Mannigfaltiges, aber noch
wenig geschieden ist ^Mr
üeberall, wo der männliche und weibliche Charakter
sichtbar ist, wird man in ihm diese Seiten gewahr; in dem
crsteren ein Streben, mit trennender Heftigkeit erzeugend,
in dem letzteren ein ßemüheu, durch Verbindung erhal-
lend zu seyn. Alle Eigenschaften, in welche gekleidet beyde
Geschlechter durch die ganze Natur, aber vorzüglich im
Menschen, erscheinen, bringen denselben verschiedenen Ein-
druck hervor. Die reizende Anmulh und die liebliche Fülle
der Weiblichkeil bewegt die Sinne; die nicht sowohl an-
schauliche, als bildliche Vorslellungsart und der sinnliche
Zusammenhang aller Begriffe geben der Phantasie ein rei-
ches und lebendiges Bild; und die Einheil des Charakters,
der, jedem Eindruck offen, jeden mit entsprechender Innig-
keil erwiederl, rührt die Empfindung. So wirkt alles Weib-
liche vorzüglich auf diejenigen Kräfte, welche den ganzen
Menschen in seiner ursprünghchen Einfachheit zeigen. Was
dem Mann und seinem Geschlechte angehört, läfst dagegen
diese minder befriedigt, beschäftigt aber mehr das Vermö-
gen der Begriffe. Die Gestalt hat mehr ßeslimmtheit, als
anmulhige Schönheit; die Begriffe sind deutlicher und sorg-
fälliger geschieden, slehn aber auch in weniger leichter
Verbindung; der Charakter ist stark und hat feste Rich-
tungen, erscheint aber nicht selten auch einseilig und hart.
Alles Männliche, kann man daher sagen, ist mehr aufklä-
rend, alles Weibliche mehr rührend. Das eine gewährt
mehr Licht, das andere mehr Wärme. Da in der endlichen
Natur das Leben immer dem Tode zur Seite stelil, und das
Befsre nur an die Stelle des minder Guten tritt; so mufs
dem neuen Daseyn das schon vorhandene weichen. Die
19*
Kraft mm» die, yoii eigtiem finlteM«fo ^mben, adberiidi
tliätig ist, mUk mll einer WiMkuhr lian^ein^ wemi sie
Hindernisse zerslörend hinwegriioml, nicht anders als ge-
walUhälig erscheinen kann. Daher vti kein Mulh zu grö-
feeren UnternefainiiiigeB ohne eine gewisae Härte denkbar.
Da aber die neue 8ch(>pfung nieht gedeihi, wenn sie nidil
mit weiblicher Schonung gepflegt wird , wandeil in ei-
nem wahrhaft xum bandlendea Leben gebomen 4>eoM ^ sanfte
Mild» die Harte iti ernste FeetigfLeH uül ^ >^t*^: Mmm-
Denn niir dieVerbifidiing der EigenthüniiielAdiftMilM^
der Geschlechter bringt das Vollendete lici voi , und wenn
das Studium des männlichen den Verstand anhaltender be»
scbSlligty 'und die Belracfatang des weibÜchen die Empfi»» ~
düng lebhafter bewegt, so befriedigt nur <fie Verknöpfung
beyder, oder vielmehr das reine Wesen, abgesondert von
allem Geschlecbtsunterschied, die Vernunft, ala das Vermö-
gen der Ideen. Die höchste Einheit erfordert allemal swey
enlgegengcsetate Richtungen. Da die Einheit überhaupt
nur dann Werth hat, wenn sie aus der Fülle, nie aber,
wenn aie aus der Armulb entspringt;- so darf »die Stärke
und Ausbildung der einaelnea TheUe ntsfat minder gvafb
seyn, als die Innigkeit des Zusammenhangs aller. Allein
uni das Euizeine zu üben, wird Trennung erfordert, und
eben diese Tremnng schränkt die Afdgiichkeit der Ver-
bindung ein. Da Aon daa eine Geaehleebt jene, das andre
diese mehr begünstigt, so befördern be^de, iudeiii sie ein-
ander entgegenwirken, geiuemschafliich die -wunderbare Ein-
heit der NaUir, welche, augteieh das .6anse anfe innigste
verknüpft, und das Einaclne aufS' voUkommenato ausgebil-
det zeigt
Denn die uroprüngliqh ankngende Thatigkeii ist den
äsenden Kräften, ae wie die erwiedecnde den empfim-
genden e^en, und die Zeugung, ala daa gameinsdiiftiich«
293
Werk beider, ist auf diese Weise zwischen ihnen verlhcill.
Alle Hervorbringung setzt einen Stoff voraus; denn nur an
das seilen vorhandene knüpft die Natur das Neue an. Die-
ser Stoff bildet sich aus, und zwar durch einen Trieb, wel-
cher mit eigcnthünilichcr Kraft, und nach einer Regel (die,
wie vorhin bemerkt worden, die Erzeugung des Gleicharti-
gen scheint) thätig ist. Zu diesem Triebe aber, als zu ei-
ner ihm vorher fremden Energie, mufs er erweckt werden,
und diese Erweckung ist der Anfang des Lebens, als der
Verbindung des Bildungslriebes (im allgemeinsten Verstände)
mit der rohen Materie. Das erste Geschäft dieses ßildungs««
triebes ist die Ausbildung selbst, und, ist diese vollendet;
die Ersetzung dessen, was der organische Körper zufallig
verliert. Allein auch aufserdem ist er ununterbrochen fort
thätig, um die einmal vollendete Bildung zu erhalten. Denor
da die Gesetze der Materie, hier vorzüglich die chemischen
Verwandtschaften, den Gesetzen des Lebens, d. i. der Or-«
ganisation, immerfort entgegenarbeiten, und das Leben wie^/
die Resultate neuerer Untersuchungen zeigen, nichts andres
ist, als der Sieg der letzteren über die ersteren; so ist eini-*
unaufhörlicher Kampf nölhig, diese Oberherrschaft zu be-*^.
haupten. Das Prinzip, das hier thätig ist, pflegt man die>
Lebenskraft zu nennen, und von ihr macht der Bildungs-
trieb (im engern Verslande) nur eine besondre ModificatioiiJ
aus. Die Hervorbringung erfordert daher zwey unentbehr--*
liehe Elemente, rohen Stoff, und Belebung desselben zur?^.
Ausbildung.
Sollen diese beyde unler die zeugenden und empfan-
genden Kräfte verlheilt werden, so scheint es natürhch den
Stoff den letzleren, die Belebung den ersleren zuzuschrei- .
ben. Wenigstens zeigte sich, nach dem bisherigen Raison- *
'nement, bey den zeugenden Kräften die Energie, bey den -
empfangenden das ursprünglich Vorhandnc, worauf die P^ner-
g$e wiikt, iü hj^ierem Gnde. 80 schien io Absicht der
Imi voilivhigviidflif Kfaft dtfn tirstcm tnclir sdibrtltötigcs
Feuer, den l«t«lffn mehr enlgcgenwiHken^ SlMe^ In Ab-
sicht der Einheil der Wirkung den crsleren ein stärkeres
vmnaiides Primip, den letsleren mehr Imwittige Ueher^
«MilinHinng dee Bincelnen eigen w seyn. Auch in der
Betrachtung der Natur entdeckt schon ein flüchtiger Blick
überall in dem männlichen Geschlecht mehr Ausdruck von
Krafki in dem weiblichen, zwar niefai an sich, aber m Ver^
gleidiong mit der, m demselben* herrorlettehlenden KraCI^
melir Ausdruck von Külte.
Jeder reinen Theilung widerspricht indeis schon die
Anakigie der Naturgesetee. Denn soweit ansre Beobaeh-
lang reidit, sehen wir, dafs die Natnr, immer bemQhl, den
höchsten Beichlhum dincli die einfachsten Mittel hervoizu-
scliafien, Wesen von ungleichartiger Wirksamkeit nicht so-
wohl dureh'den Grad, als die Richtung ihrer KrÜfle Ton
einander unterscheidet Eben so ist nun auch in den em-
pfangenden nicht weniger Kraft, als in den zeugenden Stoff
in dem Augenblick der Hervorbringung wirksam; und die
Versefaledenlieit liegt allein in der Art, wie beyde gegen*
seilig gestimmt sind. In dem mSnnfichen Geschlechte ist
alles allein auf die Einwirkung gerichtet. Da der Stoff blofo
bestimmt ist, sie dadurch su Terstärken, dafs er ihr gleich«
sam ^neü Körper leiht, so tacht sie ihn sieh, fast bis tnt
Vertilgung semer eigenthihnlichen 'Natur, su asstmifiren. In
dem weiblichen geht dagegen die ganze Stimmung auf die
Kückwirkung. Indem die Kraft diese modern Stoff su er-
höhen strebt, behandelt sie ihn mit größerer Schonung.
Eigentlich gesclneht daher die Belebung durch beyde Ge-
schlechter zugleich, nur dafs die männliche Kraft doch al-
kin die Erweckung bewirkt, indefs die weibliche nur ihre
Möglichkeit vorbereitet, und Ihre FoHdauer sichett. Nie
Oigitized by
295
veriiiöchle auch die belebende Krafl auf den Stoff zu wir-
ken, wenn niclit zugleich eigne Thäligkeit desjenigen We-
sens hinzukäme, welchem derselbe angehört. Selbst die
stärkste Einwirkung kann nur durch Rückwirkung in das
eigne Wesen aufgenommen werden, und aus dem ganzen
Umfange ihres Gebiets hat die organische Nalur blofs ui\^
Ihätiges Leiden verbannt. Dadurch, dafs sie jedem Ge-
schlecht beyde zur Erzeugung nothwendige Kräfte verlier
hen, hat sie es möglich gemacht, dafs Mangel der Kraft auf
der einen Seile durch ein .[Jeberge\vicht auf der andern
gleichsam übertragen werden kann. VV^o es der männlichen
Kraft an Stärke gebricht, da kann die Lebendigkeit der
weibHchen noch die Möglichkeit der Fruchtbarkeit reiten,
>vie diefs die Erfahrung in der That nicht selten beweist,
und umgekebrl kann, wo die weibliche einen zur Empfäng-
lichkeit wenig vorbereiteten Stoff darbietet, die männliche
diesen Fehler wiederum gut machen. Mag man sich diefs
nun durch einen wirklichen Auslausch der Funclionen, oder,
was wahrscheinlicher ist, durch eine F>weckung und Un^
terstülzung der Schwäche des einen Theils vermöge einer
aufserordenllichen Stärke des andren erklären, die, indem
sie ihrer Verrichtung in einem eminenten Grade genügt,
die gegenseitige erleichtert; so bestätigen Fälle dieser Art,
ebenso wie die, wo augenblickliche Stimmungen der MuUer
auf die Beschaffenheit der Frucht wirksam schienen, das
hier Gesagte auch auf dem Wege der Erfahrung. Wenn
indcfs Zeugung und Empfängnifs beyde einen Stoff und eine
Kraft erfordern; so ist bei der ersteren der Stoff nur nolli-
wendig, weil die Kraft nicht ohne Stoff zu wirken ver-
möchte, und bey der letzteren die Krafl nur erforilerlicli,
weil ohne sie die Einwirkung auf den Stoff nichl geschehen
kann. Hedet man daher blofs von der Hauptnchtung bey-
der Geschlechter; so gehört dennoch die Kraft bei der
Di
HtrvoilHÜlgHng Uofii de« seiigeftdei», 4«r Staff iiiotft. itoi
•Bapfangendfiii an. ■ -
Den geweihten Sehleier zu durchdriDgcii , in ^len
Natur gerade ihr heiligstes Bilden verhüUt, ist von einer
Uiwierigkeit bcgieitoi, wdiebe «eb loho» duick die imo«*
nigfaJiigan wid gtelicii vmdMaieB. ThtoM iilMr di»»
sen Gegenslatid verrälh. Die wahrscheinlichsle unter dMi*
selben siimml jedoch genau mit dem eben Gelten über-
ew. Ueberau, wo ^ Natwr Ziva%m% und Rmpfiin(pMfii
swey vereehtedenen WceeA anveilfaiA bM, iel der Sief in-
dem eiii|)iangeiiüca, das belebende Prinzip in dein zeugen-
deo. Daoait aber beyde miteinander in Verbindung gesetzt
weiden lUmnciii owilii Mdi* eiiie Tbiüglkeit iiuch dee enUn
m JiMultoiimieii , -dorcfa wdehe ein Thttl des Sbdk mA
Josreifsi, und Keim zur teiaeien Ausbildaiig wati. Gerade
in iiirer geheimsten Werkstätte wirkt daher die Nalur am
meislen schäpferisch imd am wei H gsten mecbaniadi. Ge»
rade bbr iMlsl sieh am wenq^n die' Wirkung ani den
Ursachen beieclmen ; vielmehr zündel nur ein FunLc den
andern an. Diefs liahea am meisien diejenigen gii^fiihi^t
wekbe .diels Pbiinonien -durch jene Wirkuagsiurt su erU»»
ren milemahmen^ da doeb dem menseMicfaen Verstend hier
liiciils übrig blieb, als die hervorbringenden Ursachen auf-
susucheuy den Erlolg zu beobachten^ und nicht zu erklären,
•oiidern s^weigend «i bewuudem, «in Gipfel dsar. beacbei-
denen Achtung gegen die grofira Werkmeisterin) s« wel-
chem nur die neuere philosophische Naturkunde führen
koQiUe* Wunderbar ist es zu seben, wie die NaliiK» kulem
sie sich jener körperlichen Kräfte nur in seweil bedisnl»
als es ihr gleichsam unenlh^Uch schien, die Freiheit, diefs
grofse Vorrecht der Geisterwelt/ auch in das andre Gebiet
ihres Reichs hinuberaufübren strebt. Nur eine Partikei des
Stoffs nimj^t sie auf| nur 9ur ersten Belebuug entlehnt sie
Digitized by Google
297
0
•
eine fremde Kraft. Wie der erste Funke glimmt, lodert er
durch sich selbst auf, empfängt Nahrung, aber die er nach
eignen Gesetzen gebraucht.
Achtung für alles wirkliche Daseyn, und Streben denw
selben eine bestimmte Gestalt nach eigner Willkiihr zu ge-
ben, bezeichnen überall den weibHchcn und männlichen
Charakter, und so erfüllen sie beide dadurch gemeinschaft-
lich den grofsen Endzweck der Natur, die unaufliörhche
Wechselwirkung der Form und des Stoffes, ünmit- '
telbar gegenübergestellt, müfsten Form und Stoff einander
feindlich begegnen. Da aber, bei der, den beiden Geschleclw
lern eigenlhümlichen Wirkungsart, die Strenge der Form
durch den Stoff, den dieselbe annehmen mufs, gemildert,
und der Stoff durch eine formende Kraft zur Empfänglich-»
keit vorbereitet wird; so ist nun die innige Vereinigung
möglich, auf welcher allein das Geheimnifs der Organisa-^
lion beruht Die Nothwendigkeit, mit welcher alle wech-'
selseilig aufeinander wirkende Kräfte eine der andren be-
dürfen, macht auch die zeugenden und empfangenden ab-
hängig von einander. Indefs ist den ersteren doch nicht
alle Beschäftigung ihrer Wirksamkeit für sich allein, so wiej
den letzteren, verwehrt, und diefs begründet eine giöfsere
Unabhängigkeit von ihrer Seite. Eben darum aber sind die
cntgegengesctzlen das höchste lieförderungsmiltel aller Ver- •
bindung, und da nun gerade die Kunst der Verbindung das;
höchste Daseyn in der Natur bewahrt, so sind dieselben
durch ihre innre Beschaffenheit mehr und dringender, diefs
zu befördern, veranlafst. Sie sind es, die man als das ei-
gentlich verknüpfende Band in dem Ganzen der Natur an-
sehen kann; die am emsigsten Gegenstände aufsuchen,,
welche ihre Energie zu beleben vermögen, und bei den ge-
fundenen am längsten verweilen.
Durch diefs Verweilen führt die Fähigkeil zu empfan-^
gen Bu dauander Beharrtiefaketi« Mehr in «eh WKHkkm^
kehren, als in wehe Femen ni w l iwe M e n dotdi ÜtveNHur
selbst veranlafsl, sind alle enij»fangende Wesen an eine«
jittteren, minder wechssinden Gang gelesselt Um der Kr<iÜ»
die ihnen entgegen fcoomil, aoedMiarnde Stirke enigegea
EU Selzen, das Getrennte ta verhinden, und dielShi^kung
in erwiedem, bedürfe» sie eines hamonischen und gleich*
gestimmten Sirebens. Da mit dem Empfangen anch eu-
gleich die Ausbildang de« Keims verbünd«! ist, t« erfar*»
i]cy[ diese häufig eine venvkkdiere OrganiealioB', and w»-
nigslens lüufs die Natur, um diesen Zweck nicht zu vei*-
fehkn, Wesen» die hiesu bestimmt sind, mit doppelter Wach-
•amkett an 4hre Geselse binden. BeharrMchkeit aber ist die
ÜnveränJcrlichkeit des Endlichen, mid^ so scHeinl^ die Natur
auch diesen ieUten Vorzug, welcher erst allen übrigen, die
ohne ihn mir ein erbetenes ' und vergängliehes Daseyn be-
sitzen würden» den wahren innren Werth und den sehin
slen auiscm Glanz gl cht, den empfangenden Kräften rof*
KUgsweise von selbst und aus freier Gunst zu erlheilen.
Aber £e BeharrüehkeiC hat nur dann einen Werths
"wenn sie das Geseta der Th&tigkeit ist, nMl ^leam ne aw
Unlhäligkeit herabsinkt. Besitzt mm das weibliche Ge-
schlecht ein Prinzip der Beharrlichkeit, so ist ihm nicht
auch isagleich ein andres der Thätigkeit eigen, sondern es
mufs diefs von der wechselseitigen Einwirkung des mämi«
Üchen erwarten. Die Kralt, die mit so grofser Heftigkeit
wirkt, dafs sie selbst die Zerstörung nicht scheut, und
fremden StofiT-nach dgner Willkühr au formen nntermmail,
ist unermüdet, aber auch leicht dem Wechsel unterworfctti.
Da sie nicht Kaum genug in sich fühlt, das schwellende
Streben au fassen, so ist ihr Ruhe unerträghch ; und da sie
nicht sowohl der Beschaffenheit des StoSs nachgiebt, als
von eignem Feuer beseelt Mird, so läfel sieh die ^liUig|keit
Digitized by Google
299 .
ihrer Wirksamkeit nicht verbürgen. In demjenigen Theil
der Natur, in welchem überhaupt wenig oder gar keine
Willkühr herrscht, wird diefs wenig sichtbar seyn; viel«
leicht aber ist es auch nur, wie so vieles in diesem Gebiet,
wenig beobachlel, und wenigstens bestätigt in dem übrigen
die Erfahrung diese, hier blofs aus Begrifien gefolgerte Be-
hauptung. Soll der Mensch zu dem Ideale gelangen, das
die Vernunft ihm vorschreibt; so mufs der Mann seine na-
türliche Thäligkeit an ein festes Gesetz binden, das Weib
die Gesetzmäfsigkeil, welche es seinem Wesen eingeprägt
fühlt, durch innre Anlriebe mit Thäligkeit beleben. Unter-
liegt aber das Bemühen der Vernunft hier dem Hang der
Matur, so hebt der doppelle Fehler beider Geschlechter sich
selbst wieder auf. Mit verschiedenen Eigenschaften ver-
sehen und doch unzertrennlich von einander, beschränken
sie sich selbst bis auf die Gränze, welche dem Endzweck
des Ganzen ehlspricht.
Die Natur, in ihrem ganzen Umfang betrachtet, ist un-
veränderlich. Die Thäligkeit ihrer Kräfte rostet nie, und
ihre Gesetze verschaffen sich immer gleichen Gehorsam,
So unterbricht nichts je weder den Grad, noch die Form
ihrer Wirksamkeit. Diese Thäligkeit aber unveränder-
lich zu erhallen findet sie in der gegenseitigen Eigenthüm-
lichkeil beider Geschlechter eine mächtige Stütze. Indefs
sie aus dem einen Rastlosigkeit schöpft, verbürgt ihr
das andre die S tätig keil.
So sind nun zwischen beiden Geschlechtern die Anla-
gen verlheilt , welche es ihnen möglich machen , diefs un-
ermefsliche Ganze zu bilden. Nur dadurch gelang es der
Natur, widersprechende Eigenschaften zu verbinden, und
das Endliche dem Unendlichen zu nähern. Denn überall
droht angcslrengle Thäligkeit dem ruhigen Daseyn, so wie
erhaltende Buhe der regen Energie den Untergang. Darum
beseelte die MaUur ihre Söhne mit Kraft^ Feuer und Lelyn
haftigk«t,.uiid haudile ihren Töchtern Haltimg^ Warme Hp»d(
Innigkeit ein. Indefs nun die einen ihr Gebiet zu erwei-
tern streben^ bereichern es die andern mit sorgsamer Hand
innerhaib seiner Gränsen.. Paon der ganze Chfi|?i|(|l«(i<d^
mäanlieheii Geschlechls ist auf Energie geric^eMv^Mai
zielt seine Kraft, seine zerslorcnde Helligkeit, sein Streben
nach Aufsenwirkungy seine RasliosigkeiL.,. P^gAfiif^ S^H
die Stimmung des .weibfiehen^ seine amißiamfffl^
seine Neigung zur Verbindmig, sein Hai^-. die<EiaiiiihMjig;
zu erwiedern und seine holde Stätigkeit, allein auf Erhal-
lung und Daseyn. Mit gemeinschafllicher .^cglalt ver-
nähten sie daher die beiden gro£»en OperatioiM^cTdei^fi^
tur, die, ewig wiederkehrend, doch se oft in verändertei:
Gestalt erscheinen, Erzeugung und Ausbildung des Erzeug-
ten. Vergleicht man indefs ihre eigenlhiinüiche Be&ch||Ee^*
heit noch näher mit einander; so hat die Natur die em^
pfangenden Krftfte noch unter genauere Öbhul^jeiioaMBen.
Sie theileii mit ihr ihre entschiedensten Vorzüge, und, gleich
4en Töchteip im Hause j schliefst sie sieh o^r^, ^ ^
sorgsame Mutter an. '
Daseyn, von Energie beseelt, ist Leben, und das
höclisie Leben das letzte . Ziel, in dem sich das Streben al-
ler verschiedenen Kräfte der Natur vereint. Die Verscfaie«
denheit beider Gesdilechter befördiert die Erreicshung die«
ses Ziels, oder vielmehr ihre eigenthümliche Beschaffenheit
führt sie zu demselben hin, ohne dafs sie selbst sich des-
sen bewuist sind. Denn kerne Kra(| der Natur dient aie
Mittel einem Zweck, oder strebt einer fremden Absicht ent^
gegen. Indem alle haraiüiiisch wirksam sind, folgt jede nur -
ihrem eignen Triebe, und das letzte Resultat der Thälig-
keit aller geht mit einer Nothwepdigkett hervor, die, da sie
atte Absicht ausschliefet, auf den ersten Anblick «ißüttig
*
301
scheinen kann. In gleicher Freiheit wirken nun auch die
Kräfte beider Geschlechter, und so kann man dieselben als
zwei wohllhälige Gestallen ansehen, aus deren Händen die
Natur ihre letzte Vollendung empfängt Dieser erhabenen
Bestimmung genügen sie aber nur dann, wenn sich ihre
Wirksamkeil gegenseitig umschlingl,und die Neigung, welche
das eine dem andren sehnsuchtsvoll nähert, ist die Liebe.
So gehorchl daher die Natur derselben Gottheit, deren
Sorgfalt schon der ahnende Weisheitssinn der Griechen die-
Anordnung des Chaos überlrug.
• ■ •• • .' i , .
5
.1
4
Uelier
len in den hlesli^eii Klliii^liclien Antiken«
»ammlnngen
Die hiesigen Königlichen Anlikensammlungen besitzen Wer
Bildsäulen weiblicher löwenköpfiger Aegypüseher Gotthet-
^ D» mieli die üatonadiaiig dieier ]>eidonal6 fib«r nelirere Pukte
sweifeUuift lielt, io wandte ich mich mit einer Reihe »ie betie^
fender Fragen an Herrn C Ii u m ;) o 1 1 1 o n den jüngeren. Nach der
grollen und wahrhaft musterhaften GefKlUgkeit, mit welcher die»
ser Gelehrte, frei von aller klcinliclien Kifersuclit nnd ängstlichen
Gehf inilialtnnfr , über dir ihn die Sicherheit seinpr F'orschungea
ein|)()rht lit, seine Entikckiingen frei und olfen mittlieiit, beantwor-
tete (lersel'je meine Fragen in einem aosfuhrlichen Briefe, in wel-
chem er jede seiner Erklanuigen, mit gewohnter Genauigkeit^ mit
Beveiten an Aegyptisdten Deidonalan belegt. Ich habe es mir
%m Pflicht gemadit, dasjenige ant dieiem Briefe, was smiichtl
bkiiier gehört, in »eine AUiaadiiiBg sn ?«fw«beii, «nd vo idi
Henm Champollioa, oiiae Nemumg eiaar Miner Sclirifkea an>
.l&hre, besiehe ich mich auf diese briefliehe Mittbeiliing« Ich hoffe
Herrn Champollion richtig Terstanden zu haben; aottten indela
Unricb^keiten in dem als seine Meinung Vorgetragaien yorJLom-
men, so bitte ich, sie nnr mir, nicht ihm beizumessen. Zwar klagt
er in sein»*n», aus Livorno flatirten Briefe (larüher, dafs er sich
dort entfernt von allen seinen Handschriften und Materialien be-
fand. Allein <!« r Inhalt bewebt, wie die abgehandelten Gegen-
stände ihm geliiuiig und seinem Gedachtnifs gegenwärtig sind.
Diejenigen, welche den Venacben der Hieroglyphen -Entziffening^
•of gültig gvfolgt iind, werden ai«h «w dicm bMIdien MiCth«!.
r
« JDigitized by Google
41 -
•
303
ttüy von welchen zwei Geschenke des Grafen von Sack
sinJ, die beiden andern aber 7ai der MinutoHschcn Samm-
lungen mit Vergnügen sehen, wie Herr Chainpollion immer
nene Fortschritte macht, iii^mer mehr Zeichen zu .entzifTern lelirt,
«ml auch hie und da Ton ihm bisher angenommene Entzifferungen
berichtigt. Die Offenheit, mit der er begangene Irrthümer aner-
kennt, zeigt nicht nur seinen unpartheiischen Eifer fiir die Ent-
decliung der Wahrheit, sondern seine Verbesserungen beweisen selbst
die Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Weges. Bei einer
Entzifferung, die zwar auf sicheren Grundlagen ruht, aber nur
von der Vergleichung immer neuer Zeichen und Anwendungen der-
selben ihre Vollendung erhalten kann, müssen die Fortschritte, so-
. wohl dem Umfang als der (^nauigkeit nach, nothwendig allmäh-
. lieh geschehen , aber die Berichtigungen der einzelnen Erklürun-
gen, wenn genau verfahren worden, zu Bestätigungen des Systems
werden. Ohne selbst darauf Anspruch zu machen , das Studium
der Hieroglyphen- Entzifferung durch eigene Entdeckungen zu er*
weitern (wie denn auch das, was in d^r gegenwärtigen Abhand»
lung Verdienstliches liegen könnte, allein Herrn Champollion
angehört) habe ich mir ein besonderes Geschäft daraus gemach^
was von Andren darin geschehen ist, einer möglichst genauen Prii-»
fung zu unterwerfen, und das Studium der Koptischen Sprache*
nach ihrem Baue und den von Zoega herausgegebenen Texten da-
^ mit verbunden. Ich lege daher gern hier das Bekenntnifs ab, daf»
mir der von Herrn Champollion eingeschlagene Weg der einV
zig richtige sclieint, dafs ich die von ihm gegebenen Erklärungen,
die vorzüglich in historischer Rücksiclit zu so wichtigen Entdeckun-.
gen geführt liaben, (bis vielleicht auf wenige bei einem solchei»
Studium unvernieidliciwi Ausnahmen) für wahr und fest begründet
halte, und dafs ich die gewisse Hoffnung nähre, dafs, wenn ihm
N** vergönnt bleibt, diese Arbeiten eine Reihe von Jaliren hindurch
fortzusetzen, man ihm eine so sichere und vollständige Entziffe«
rung der Hieroglyphen -Denkmale verdanken wird, als sie von ür-,
^ künden möglich ist, von denen , wie viele man auch besitzt, doch
immer ein gewisser Theil, der gerade zur Vollendung der Entzif-
ferung unentbehrlich seyn kann, unwiederbringlich verloren gegan-«
gen ist. Ein bei weitem vollgültigeres Zeugnifs für das Cham«
pollionsche System, als das meinige, und eine wahre Bestäti-'
gung desselben, gewährt Herrn Salt's Schrift: esstoj on Dr. Youngg>
and Mr. Chnmpollions phnnelic System of hierotßtjphks. Dena|>
Herr Salt kannte, während er diese Schrift abfafste, Herrn Cham-
-I* poUion^s I«leen nur sehr unvollkommen, fand aber selbst Viele»
1^ auf dem nämlichen Wege übereinstimmend mit ihm ai|f.
Digitiz
9M
hmg gehöreif. Eine der letsteren nt eine sitelieiide, mit
dem Lotusslahe i<i der einen, und dem gehenkellen Kreuze,
(dem Zeichen des götüichen Lebens) in der andern. Die
andren sind sitaende, und wie schon Herr Hirt (AbhandL
d. Akad. d. Wissensch. Hist phiL Klasse 1820. 1821. S. m
Anm.) bemerkt hat, durchaus der in der Descr. de TEgypte
(T. 3. PL 48.) ubgebildelen älmlich. Diese Bildsäulen wa-
ren überaus häufig in AegyiHen, man fand bei- einer ^nsi^
gen AuBgrahung in den TrQmm^n von Tliebae bei'Kflr^
nak über 15 derselben, (ib. Descr. A. T. I. Chap. 9. p. 278.
279.) die Drovettische Sammlung eulhäit deren allein zehn.
Alle diese silzend^ Statuen tragen, wie es scheint^ im We-
sentlichen dieselben Hieroglyphen -InschriRen an sich, und
mehrere beziehen sich auf dieselbe Epoche der Aegypti-
schen Geschichle. Die stehende, welcher auch die Fülse
und ein Theil der Bein« fehlen, hat leider gar kdne in-*
sdirift. Sowohl Herr Chämpollion der jSngere (Lettreft
ä Mr. le Duc de ßlacas. Lettre 1. p. 39.) als Herr Gaz-
zera (Descrixione dei monumenti £gizj p. 16.) haben Be-
sdireibungen'und EridSrungen der sitzenden Bildsäulen die*
ser Art im Turiner Museum gegeben, und diese Bildsäulen
kommen im Wesentlichen ganz mit den hiesigen überein.
Die Inschriften der unsrigen weichen aber in mehreren, und
nicht ganz unwesentlichen Punkten von jenen ab. Die
Schriften des Herrn Champollion und Gazzera geben
auch nur die französische und italienische Üebersetzung der
Hieroglyphen, ohne sie «änseb in dieien nachzuweisen, und
stimmen nicht ganz mit einander selbst öfoerein. Auch habe
ich geglaubt, dafs bei der Theilnahme^ w elche die so ganz
•unerwarteten Entdeckungen des Herrn Champollion er-
regen, es, selbst wenn ich wenig Neues hinzufugen könnte,
schon interessant seyn würde, nur dasjenige, was über vor
unsren Augen befindliche Denkmale gesagt worden i&t, so
Digitized by Google
SM
maumfemueteikii, iak daduicli 4sib ürUwil über jüi^finb-
decbingeii gdcitot werden buin *).
§.1.
. . Krilärung (l«r titzen4«]i Gottheit.
Mm erkennt bei den ersten AnbUek, dafs die Steinen,
mit welcJien wir uns liier beschäftigen, Vorslellungen einer
wtüyichen Gottheit sind. Die genaue Bestiinniung ^
AciSypIischen Getibeiien wird aber daduceh erschwerf^ dele
daeselbe gdttfidie Weeen, nach den verachiednen ihm bu-
gelheilten Guücliüften, auf ganz verschiedene Weise vorge-
stellt wird, und wieder gleiche Attribute verschiedene Gott-
boten beseiehiien. So kommt Pblbeh blaweileb mit ineiiadi«
lidiem Haupte, oft laber aaeh mit emem Falkenkopf, und
andremale mit einem sogenannten Nilmesser an der Steile
des Kopfes vor, und ebenso g^ebt es auf der andren Seite
mehrere falkenköpfige Götter^ und mehrere GöUinnen, de*
ren Kopfschmuck in einem liegenden Geier, oder einer
Scheibe zwischen Kuhhörnern besteht Einige Götter sind
auch biols Incarnationen einer des andren, und ersciieinea
daher, indem sie wirklich nur Eine sind, ab zwei. So der
dreimal groDse falken- oder habicht» (hieracocephale) und
der zweimal giolse ibisköpüge Hermes. (Champollions
Pantheon Vll. ad PI 30. Tölken, Reise des Freihemi von
filinu&oii. S. 139.)
Hieraus muls man wohl die vielen Ungewifsheiten und
unJcUJgbaren Verwin ungen herleiten, die noch in der Be-
stimmung der Aegyptischen Gottheiten herrschen. Man ist
*) Auf der angebänglen KupfeiUfd befindet sich eine treue Abbil-
dug 4er u vwm Statnaa Toriumdeaen Insciiriften, bei welchen
Uoli die sich wiedeiliolMidea Zeidimureihe» weggelas«en sind.
FJg. J. Hl VOM der «mmü fiMkiMben; B.€f, voa der andern Sacka-
Hk»mi J»^X.K im der MumtolaMlktti Statue i^atanwf
IV, 20
Digitized by Google
SM
es Jiudi faler H«mi ChampolliM MhaMig, dirft er cmk
\V€fg vorgcteiehnet ImI, der wtmgß^mB m ein«ni Mrtadwl-
deitdeii Mittel der Anerkennung hinfuhrl, nemlich tien, nur
diejenigen Beslimmungen als gewiCs anzusehen, die aus Vor-
«teUungen gefimmnen sind, wa die Bilder toq Inwlinlltii
begleitet sind. Aas diesen, sie nidgeii den Nineii, oder
die dtn verschied tiic» GüUheiten eigenlhiimlichen Tilel enl-
halten, JäTsl sich alsdann wenigstens mit Sieiicrheit sehen,
weför die Vorsteilttiigen bei ihfea eigiw» Ui^nliirinig(dMi^
Herr Cbai»poüiofi bemerkt an niehffBreil^^lflHiaitliim
Werke (b. B. Pantheon VII. ad PL 15. t.) dafs bisweilen mir
die Inschrift beslimnie> welche der mehreren iihniich Wfr
gestettten Gettheilen gemeint sey» ^ach diiwuMi fliwaiiillMii
bat dersdbe In seinem Aegyptischen PaAtiiee»^|M^ eiMM
anziehende, als belehrende Darslelluiig der Aegyplischen
Gottheiten angefangen, die sich schon dadureb auszeichnet,
dafs sie gans aus Denkmalen genonnnen iat^ indMIilAiiiy
nisse der alten Schriftsteller nur nut diesen' '¥ergleieli4.
Eis war nolhwendjg, diese Bemerkungen vot anzuschicken,
da auch die hier vorgestellte Gottheit in verscbiedenen Ge-
stalten, und veraebiedenen Graden ibres gdUficben Raogaa
angetroffen wird.
Was nembch die hier betrachlelen Bildsäulen charak-
lerisirt, ist das Löwenhaupt Nach diesem, dem 6ymbol der
Tapferkeit und der durdi Edelmulb gebSndigten S»rk«,
balle schon Herr Hirl (a. a. 0.) dieselben für Vorstellun-
gen der Nellb, der Aegyp tischen Minerva *) erklärt Herr
*) In rin( r andren Ideen Verbindung- ontpiirach Nfitli auch der Ae—
gyptischen Idiki. (C h a m p o 1 1 i n n, Panthron Heft XI. zn PI. 28.")
••) InMhrer iJezielamiy aiit Amon Ra war der Gottin Neith auch
da* Sjmbol des Widders nidjt tremd. In Sais sowohl als in The-
ben worden heilige Widder onterlialten nnd Herr ChampoUion
liitt et iir wümdieiiilich, daJi NdUi auch nit einem Widderkopfe
dsiirctlsttt wde. (Pftiittite K^. H«il V. m Fl»8. bik 6 «ig-
Digitized by Google
-i
307
Champollion ist der gleichen Meinung, hat dieselbe aber
weiter und bestimmter ausgeführt, und ein «weites, die
Göttin charakterisirendes Kennzeichen in der Hierogly-
phen-Inschrift (Fig. B, Zeichen 9 — 11.) aufgefunden. Diese
beiden vereinten Kennzeichen heben allen Zweifel über die
Deutung dieser Denkmale im Ganzen auf.
Neith ist in der Aegyptischen Mythologie das zweite
der göttlichen Wesen, das, als das urweibliche Princip, mit
Ammon, dem urmännlichen, von dem es aber seinen Ur-
sprung erhalten hatte, vor aller Schöpfung vorhanden war,
und in dieser Epoche mit Ammon dergestalt Eins aus-
machte, dafs die Göttin oft auch als Mannweib bezeichnet
und dargestellt wird. Von diesem Grundbegriffe ausgehend,
findet Herr Champollion die Göttin in folgenden bild-
hchen Vorstellungen und Bestimmungen ihres Wesens.
1) Mit menschlichem, mit dem vollständigen Pschenl
geschmücktem Kopf, in ihrem Hauplbegriff, als weibhches
Urwesen, mit dem hieroglyphisch geschriebenen Namen der
Mutter, oder grofsen Mutter. Der Begriff der Mutter wird
alsdann durch einen Geier (Vautour), der eine Geissei auf
dem Rücken trägt, angedeutet. (Champollion Pantheon
"Eg. Heft I. zu PI. 6.) Von dem Beinamen der grofsen Mut-
ter, Aegyptisch ischor-maui, oder dschor-maut leitet Herr
Champollion die griechische Benennung Tegf^ovrig oder
OeQfiovttg ab, und hält also die mit demselben bezeichnete
Göttin für diese Urmuller der Wesen. (Pantheon HeftVUI.
zu PI. 23. a.) *)
niaut Religions de TAntiquite. T. I. P. 2. p. 828. not. p. 900.
not. 1.) Dies spricht für die von Herrn Tolken (Reise desFrei-
herm von Minutoli S. 145. Taf. IX.) gegebene Erklärung einer
stehenden widderköptigen Figur. Auf den Begriff der Rhea, wel-
chen Herr Tölken auf eine stehende löwcnköpüge Figur anwen-
det, werden wir weiter unten zurückkommen.
*. ♦) Ich bemerke hier, dais ich in der Schreif»ung der Koptischen Wör-
20 •
2) in wc Mi icher GeataH, aber lail dem Ldwtnhwyt»
das mit der Somanaelietke oder twm langan BiMUcm §o^
schmückt ist. In dieser Gestalt, welche unsren Bildsäulen
anUprichl, It iigt sie den mit den Zeichen 9. 10. 11* der aa-
gfhSafleii Taldi (Fig. A.) geadvieiMDaii NaoMii. Die Imh
den letalen Zeidien bilden daa koptiacfae Wart: ein an*
derer*), werden aber hier phonetisch genommen; das erste
dar üruppe, ein 6ceptery ist, «einer Ausaprache aachi mek
tat mit LateiuUchen Buchstaben M durch u, den 8ten BnchBta«
bea dM-$ciieltiiM&en AJtfluMB (Gnm« Aegypt p. 2.) (das Mda)
doKh H, den SSston (das cfti) durch eJk« den 25sCen (das «cArt)
doFch tdk^ den jMsCen (das pM) dnrch den STvten (du cftcQ
dnnli dUb, den Mten (das pMi^) daieh tJiA oder daek^ den iUMaa
(das »hma) durch «Jt, den vorletzten (das dei) durch (i bezeicJine.
Die richtige Bestimmung der Aussprache des Koptischen ist noch
grofsen Schwicrif^keiten unterworfen. Es entgeht mir bei der hier
gewälilten BezeichnHnf^ nicht, wie iinbchiiWlich das Italienische ci
und gi durch tsch und dsch ausgcdriickt werden. Unstreitig ist
, ea gefälliger für das Auge und richtiger für das Olir, sich, wie Herr
A.W. V. Schleorel thiit, für diese Laute des Englischen ch nnd j
zu bedienen. Dies iüiurt aber die, meines Erachtens, noch we^
lentUeiiere Unbeijuemlichkeit mit sich, Buchstaben, die in unserer
Sprache festbestimnite Lante haben, nutsolcben na gebranchen^
die iknen eine fremde giebt Man kßMa^ wie es mir sdieintt In
'aaserer Spmche fremde Lante nur entweder dnich Vefbindnog««
nnserer Bochstabea ia ihrer gewotmlichen Stellung, oder dordk
ganx fremde Zeidien, wie Herr Klaproth in der Asia polyglotta
gethan, wiedergeben. Dals das Engtische j* ein einfacher Laut
ist, dürfte der Schreibung durch dsch wenig entgegenstehen, da
man im Di Mtschen die, meinem Urtheil nacb, auch einfachen Laute
ch, sch gleichfalls mit zwei und drei Buchstaben schreibt.
*) Herr Cham pol Ii on führt, indem er in seinem letzten Briefe an
mich diese Erklärung giebt, das Koptische Wort he, cAel, oder
tfiÄff, als die Bedeutung der Zeichen 10. IJ. an. Trh mörlite aber
nicht behniipten, dafs er darum das 10. Zeichen, den leeren oder
ge^^ti eilten Kreis, als Buchstaben tiii A oder ch nimmt. In seinem
hieroglyphischen System erklärt er es durch «, und ein späterer
Brief Ton ihm bestätigt mir diese Entzifferung. Sie veriiägt sich
tnch mit seiner jetzigen Briiauptung, da auch das Koptische Wert
Digltized by Google
1 '
«ufciili— r, «imI nü iImi ^dier auch iKeaar gaMe hmm
4» OMmk. Dafe aW 4ia8e iSwenköpfige Figureii die
Göttin Neitli vorsteilen, wird dadurcii aufser Zweifel ge-
tIaUii da(is diese Göttin mit dem so eben beschriebenen
Naman auf deai ialataQ Thaile dar grofsen LaieiNiiritaaie
vericammt, dab na jarin Amt Amao^Ra «mailiailiar wm
Seite steht, und in den daneben befindlichen Hierogl3rplieti
4ib kMgiiche Gemahlin Paiehakas, eines Beinamen des Aon-
mMy und köugllkha Muttar Pachakatw» aiaas Btmamm
des Phihah, buaidiBet wird. Die GmUn li^l auch auf
vielen löwenköpCgen Bildsäulen Beherrscherin der Gegen-
dan Amaru (oder Asieibi^ ynd Sasa%' dia an aadfenOrtan
totüB^ dar ^Mk^^iigaKlHiabMi Me^isiL'
3) Mit mensddidieB» Haupt, aber nur mit dem tinte*
tm Theile des Pschent geschmückL In dieser Gestalt wird
aia hiar agt y ph iach so baiaidiDat>^wie >iBaa as m Herrn
Clia«pomai^alMli^ti»ibft^ Fig. 12. findet,
nämlich durch ein figürlichem Zeidien und ein nachfolgen-
des t, dem auch wohl das Zeichen der Weiblichkeit bei-
gi^iigi iat > Das^figli^^ Saielfa« iMite Harr ChampoK
Ii an für awai Bogau mk ihren Pfeilen gahaltan. (a. a. O.)
Jelzt erklärt er es für ein Weberschiff, dem es auch in der
Thal viel ähnlicher sieht. Neben dieser Bezeichnung findet
«eil bia w aita p phoaefciach nt, und hat oder uH heiki, nadi ,
Harrn ChampolUon (im La Oraaieoiian WSrteHiueh fiada
ich das Wort nicht) ein Weberschiff. Die Sailische Gültin
wird daher hierdurch, wie die Griechische Ü^lmcrva, als Er-
findem und BaedmUarin .dar Wabaraian dargeatalit Dia
Sailiseben Monumente bieten hfiufig diesen Namen, anf dia
obige Weise geschrithen, tiar. Herr Cli a mpollion leitet
sogar Neiih aus nat oder nci ab, und findet den Namen,
der Göttin auch in dem der Königin JDfUokrU der sechsten
DynaMia, den er, nadi £ralos4lienä» UabarsaUung dassal-
Digitized by Google
dl«
p. 26a) vom N«ilh (wH) und «fcr«, «Mgen» aUsitel. Aaf
✓ Nainenschilden, die Herr Champollion von dieser Köni-
gin gefunden hat, kommt der Name out demselben Zeichea
4et W^berschilfoy übrigens ab^ pbonoüsch vor *). In die-
eer Ymvlelinig erhalt die Göllin Neiüi bei den ^Gaeelwi
den Namen Bulo , and wird mit Latoiia verglichen. Sie
gehört in dieser Eigenschaft tu. den ersten Aci;yplischea
GtMMkm^ in . die uranfangiiche Nachl^ aber die üntteMdea
SenneDgoUefr Piire. (Champollion Pantheons HeftlMül.
PI. 23. 23«. Heft XI. PI. 23e. 25 r/. und die Erklärungen
dazu). Denn Phre ist ein weniger alter Gott als ^niiM^
Ra (L e. UefllV. mi PL 24L} inid ao kanM^eüli iMMM^
gidch die erste Emanation Amon-Ra's, der gletcyilla in
unmittelbarer Bexiehung auf die Sonne steht, Amon-Sonne
ist (/. c. Heft L au PL 2.) mid Mutler Plire's seyn.
Von "dem ersten Range der Gottbeil in die Gollhcilen
des iweitcn tretend, wird Neith
4) erstlich zur Nelpe oder Netphe, der Aegyplischen
Khea, der Mutter der Isis und des Osiris. Die hierogly*
pInsehe Beseiehnong dieser Göttin giebt Herr Champol-
Hon im Pr^is du systtoe hi^oglyphique. (Kupferlafefn
nr. 54.) Herr Salt hat (Essay elc. p. 36.) die hierogiyphi-
adien Namen der Neith und Netphe verwechselt, indem er
die figurlidie Zeichen des Himmeb (phonetisch pe) zu dem
letfteren nicht hinzugenommen hat. Dieser Irrthum ist aber
gering, da die beiden Gottheiten nahe verwandt, ja diesel-
ben, nur in verschiednen Potenaen genommen sind. £s
würde daher auch weniger sonderbar se3m, als es. beim
ersten Anblick erschemi, wenn Netphe in einer Griechi-
*) Herr ChampolliQii tiMilt mir in seinem llriefe Titel- anilN».
Biensdiiid dieser Kinigia mit Ich habe aber daeae Schilde nicht
hkr mit abbilden lassen, um il« hi«i(ui nicht vofnngieifoa.
Digitized by Google
T
aii
mkm, VM Ummi. Bank«« k dtr IMübe vmi fiMwh
wb itbe ai a Inscluifl (Sali I. e. p. 46« not 7.) ab AUmi»
dargestellt würde. Deno in der ThaL war die Aegyptische
Rkea, Athene io der zweiten , me4irig«rei» PoiaiUB. Dage-
gen Iii ieiae hemmg 4m Nmaa» in dem er (k e* j^474
äm GMa Nelphe, Anephfthe gescshrieben , fpefonden lu
liaboii glaubte, durcliaus iabcii. Ich verimilhelc bei der
Ansicht seiner J\tipierla[eJ, dafs er das k mit detii p^{f IkM^w
wk Übe, nni.4er Inewigl yp Iw u eS e INiwm 4m GäUmaM\ikiy
die Aoiivpliscbu Vesta ( h a m ]) o 1 1 i üii raiiUieoii Heft Ii.
m PL 19.) beseiciiaeii müsse, und He£iS|lHfbäinpoiiioii
mmg ä mn jmr m mmg ^ )nm m i ' mir
§ i B i lMi ih wn i P« i fc » jwftWf A> iMa n mnmii i t eft a t juicwAyr
gen hntle*), vulikomuien. Der iN'^iii^ Aae^>Jiah^ •
ia Hieroglyphen vorgekouuuen.
6) S&weiftene wird Neüli sur Scbwealer des Aegypti-
•dien Herkules» Tafne. Diese ist die eigenüiclie Jacarna- '
liOEi der iü\venkö|ifigeii Neilh - Beschützerin , uiil der wir
uns hier beschältigen, und immer auch löweuköpüg, so wie
ÜMT Ufhildi Die gpiecbischen inid. rdaiiseben SchrifisleUer
and die Insdiriften in diesen Sprachen erwihnen dieser
Göttin nicht, man findet sie nar in Hieroglyphcu-Denkma-
* Uoy aus welchen Herr Champoliion ihren Namen iit sei«
neni Sysidme liidni»giyplui|tte nr« 63. gt^ssben iiaL Das in
diesen Inschriften dem Namen nachfolgende t gehört nicht
zu deinselbeo, sondern ist der weibliche Artikel. Durch
diese Inschriften nun lassen sich die beiden löweoköpiigen
Gettheüen» die beide Neilh sind» die des ersten Ranges,, die
Neilh* Besehülaenn» und die des aweiten Ranges, die Neith-
. *) Di« Saltiictie SMnmlmig Aegyptui^w Allertkihner ht bekaiuitlidi
Ton d«r FnuinciBchea ]l«gierai|g aifekiwCk wordea, und Heir
ChampolHon beiofgle Ibra Venendnag sar See Ton UTorno tut.
Digitized by Google
tft
Täiicy bcttirnnt untonditldeB. Die tmktff Übit 4ke tkmm
erwilniteii (KupfertiM A. Zakhen 9«>IL) k dtn jetzigen
Zustand des llieroglvplien - Studiums noch nicht lesbaren
Zeichen» die letztere den eben erwähnten Namen mit aich.
Ke .tÜMiiden Slatnen, die 'wir hier' ver uns hebete, «i4
welche nui
Tafne genüiml werden ^ soiulem können nur die INcilh des
ersten uralten Götterranges vorstellen. V-oa. allen ähniicheii
Sietiieiiy die Herr €4la<B>pe41>»»: gc a <Jie% ü<ir#wiiiiiM%^
»er jene Zeichai feMen, gitl üstfiih» '-i/T ii ' ii itilii I ilMljaM
Herr Cliain I» o 1 1 i 0 n ausdriicklicli und bosliniint. Was er
über diese siUenden Statuen in seinem- ei:fi4a&>v4^riefe at^
den Ueneg vcm BhMMMT (p. M)4«gl^'4lbnMMHiU|^^
•rileineiK WnilM^^ekigt ^flerr'Ovfttee»»^^^
moniinienli Egizj del regio Museo. p. 18.) eine den unsrigen
ganz gleiche Bildsäule füLschlichHnt^dem Namen Taftie. «r
Als Göttin des dritten Ranges wird Neith endlich
6) cur Isis, so wie Osiris und Horns Incamalioim im
Amon-Ra und Phthah sind.
In dieser, aus Herrn Champollion^s neuestem Schr^
hen an mich endehnten». lichtvollen Aafiülhlaiig der venohi^
denen Vorstellungen und Eigenschaften der Göllin Neüli
erwähnt derselbe nicht ihrer Erscheinung als iiithyia, Aegyp-
tisch Suan durch wekhe Neith aseh mit der Griechi-
schen Here «uammenh&igL Man kann aber über dieee
die Erklärung zu den Kupfertafeln 28. 28a. 286. im XI. Heft
seines Aegyplischcn Pantheons nachlesen.
Nach allem, bis hierher Gosaglen leidet es demaech
kernen Zweifel, dals die Bildsäulen, mit denen wir uns hier
I
*) Man seile die TonUenn Bach mann übersetzte Schritt des Herrn
Angelo Mai aber die YaticMiiMdien Papyntt. S» 26^ B; nr. 7.
Der Palken kopf efscfieiiit hier befremdenil, da das Zeichen de»
Mttlleriidikeit bei den Aegx|iiiem iiamer der Geier vfL
Digitized by Google
fcniiiiiinji", VonleUMigiB der Neük in ikmr hmdmm-^
fiigtMchaft uaa ki Utatmi iMklistei Goitenrang« «a4
Das Löweiihaupt und die Inschrift vereinigen sich, dies«
Deutung feslzusleÜen; aulserdeiii ab«r folgt (Kupferiafel ^.
2«ichMi i2b) in dm Innchnfttm unwer ^BiUw«ke mmiiU«!^
Ur auf dm Nainen der GöIUd ilur BUd. Denn in derkUjk
nen, auf Aegyplische Arl am Boden silzenden Figur er-
kennt man, obgieicii der an diesen Stellen sehr verwitterte
Siein.die LiNffcmaeke^mhi 01^ deoüich leigt, doch den
.IfaferiicJMB der ttihr vetlSngerten GeeidililiMe. '
An einci ganz, ähnlichen, uhI demselben Königsnanien , als
die 'MAM:4§<in, versehenen Statue der Pariser königlichen
iSj|iHNJwWi ielh^de»ipgpimhanjtt an dieier kldnen Figurnedi
in aUan seinen Zügen siehlbar.
Die sitzenden Statuen der Hcsc hülzeiiu Neith wurden
in grofser Anzahl vor den i empein in gerader Linie, oder
aU Zngänge, wie die Widder und iSphinxe, in DeppeUe»-
ben aufgestellt, um diese beüi§en Oerter ge^ den ZulriU
von üoUlüsen zu sichern, und Herr C h a nip o ili o n , der
viele derselben mit einander zu vergleichen Gelegenheü
hatte» glau]»ty dala die «narigan» eine ,der Pariser SanuDr
hm^y iwei d^ Turinischen» awei der Saltiseben nUn anob
nach Paris gekommenen, und drei des Valicans zu dersel-
ben Do|>{i^eibe gehört haben > und von dem gleichen Qsi
nach Eorepa gabraehi werden sind.
<
Namen- und Titelüchild des Königs.
Der hisloiiach wichligala TheU der Mer betracbteliii
Statuen sind die in der fnsdirift befindlichen Namenschilde
des Königs, weiciier sie entweder selbst aufrichten lieCSy
oder weicher der Gründer oder Versciiönerer des Gebin-
des war> ver dem sie 9(aAden. ' Nach Heivn ChMpoK
»14
lieii*8 DeutiMg ist diM ÄMMpliii iL 4m acite&teig^it
aehtaelinteii Dynaitie, wenn mn di« KSwgin AaMMa Ml*
ziihll, tlorselhe, der bei den Griechen Memnon hiefe, und
dem der grofse tönende Koiofs bei Thebae gewidmet war.
IMi dieie ChaaipoUiMiMhe Effkläning die richtige Iii, wM
es leicht seyn, aus DenknuüeiF^ die wir theiliVeethM^^WH
in ge Irenen Al)hil(luiii;cn vor uns haben, zu beweisen. *
- ' Die Einrichtung der königiiciien Nnmeiischilde ist schon
ia»6anx€n hinlängtick bekemiL -JederK^nigJiilR^^NrtMM
swei,' em«H w«lehett ^eh- den ^kebehiU nwiivili mMißtt^
seinen olücieiien lieinanien, eigcrillich seinen angenomme-
nen Titel enihilii, ' und meistentheiis, jedoch bei weitem
nicht immer, das pheneüseh geachriebene>rW«MHPW|fMMI
eine Biene , ab Sinnbild dei - g e henani en ¥MwilMllfii!^
iubrt, und einen zweiten eigenthchen iNarnenächiid, iu dem
seift Name ateht^ imd der ^ben nril der'^Somi^scheibe und
def ^Fucksgans wsehen^ist ffar we^^dieee^ WMMMUlll
die nämlichen sind,- Ist von - emem "elnd '^eifi^^lfRfff^nig
die iiede, und in der liegel reichen die Titeischilde zur
BeieiohnMig hin. iodefs lähm -lieebv'üe Köoi|p^«ii^
liad Mandtini ( Ghaapoili!«« i 'lettre iMlllMkMMM
p. 85.) den nämlichen, der auch in der AbydiscMUlrtflhP
schlechtslafel (es ist der 16te in der zweiten horizontalen,
li«ihe' von' der rechten <^eit» «M^ |^
einmal vorkommt, da beide Kdnige uw nillli^if <Wi>^iiili»
der folgten.
Diese Geschiechtslafel ist als die vorzüglichste Ur-
kunde SU betrachten y aus der sich die Reihe der Könige
4er achtsidinten Dynastie und einiger der siebensehnten
herstellen läfsl, und man mufs gestehen, dals dies Herrn
Oha nipoüion, der aulserdem viele hieroglyphische In-
«ehriflen und die Berichte Aianethns dabei benutate, ädsersi
glücklich gelungen ist Die Tafel ist auf einer der Wände
Digitized by Google
315
• t
eines Gebäudes in Abydos eingehauen, die Wand ist aber
oben und an einer ihrer Seiten zertrümmert. ( Cham pol-
lion Syst. hieroglyphique p. 245. II. lettre au Duc de ßla-
cas. p. 12. Salt /. c. p. V-VII.) Das übrigens gut erhal-
tene Denkmal wurde in verschiedenen Zeiten von Herrn
Bank es und Herrn Cailliaud entdeckt und abgezeichnet,
und beide Zeichnungen sind nun, die erstere inHrn. Salt's
oft angeführtem Werk, die letztere in Herrn Champol-
lion's zweitem Briefe an den Herzog von Blacas her-
ausgegeben worden. (Taf. 6.) Obgleich beide Zeichnungen
im Wesentlichen übereinstimmen, so weichen sie doch in
einigen Stücken von einander ab, wie man sich durch die
eigene Vergleichung besser, als durch Beschreibung, davon
überzeugen kann *). Suchen wir nun den Titelschild unsrer
Statuen (Kupfertafel A. B, C) auf der Abydischen Ge-
schiechtstafei auf, so finden wir ihn in beiden Zeichnungen
als den dreizehnten der mittleren Horizontalreihe von Schil-
den und erkennen ihn aus dieser Stellung als den des
sechsten Abkömmlings des Stifters der achtzehnten Dyna-
stie, dessen Titelschild die siebente Stelle in derselben Reihe
einnimmt. Ehe wir aber in der Erklärung dieses Titelschil-
des weiter vorgehn, ist es besser, uns erst zu dem Namen-*
Schilde zu wenden.
Dieser (Kupferlafel E.) ist an der sitzenden BiMsäule
*) üebcr die Gründe dieser Abweichung drückt sich Herr Cham*
[>oltion in seinem neuesten Briefe an mich folgendergestalt aus:
La difference entre la table d'Abydos donn^e par Mr. Salt et le
n\öme monumcnt dessind par Mr. Cailliaud, ne vient que de ce
que Tun des deux dessinateurs a sii distinguer mienx que i'autre,
au milieu des fractures les lignes Constituantes de quelques car-
touches de plus dans la seconde serie. Le dessin de Mr. CaiU
liaud est defectueux dans la troisieme rangee de cartouches en
ce qu*il ne donne pas, comme Ta fait Mr. Bank es, toutes les
vanations du nom propre de Ranises le Crand qui avec »on pre-
nom ordinaire occupe cette troisieme serie.
4er Bünufcoliieheii Sanwiiing, an 'der älwrlMMi|^ die IMeup
glyphen vorlrefilieh eingesdnntten aMy ae sdiiSii lad ipsIU
■Ifindig erhalten, dafs er nichts zu wünschen übrig lälst
Die an den beiden iSackischen sind verwittert jedoch blei-
ben die Buchetaben dee Neneii kemyüieb» Vergleieht tarn
mm den erhaltenen NamenechHd und alle T^UdidnMe^ ae
stimmen sie vollkommen mit mehreren in der grolseii Pa-
riser Beschreibung der Aegyptisciien Allerlliümer abge^eich-
neten> namentiich aber ant cwet ^vor -^eln PaüiMMdiMipA^
toi Tempelr «von Brnhoef (H I. M idi «ndMMti) herge-
nommenen üburein. Es fehlt blols bei dem Namenscbilde
der letzteren ein Zeichen, i^ufi&tl&ki E, Zeichen 13.) das
aber, wie w gleieH^aehei»^ 'werde»K iiiiiihi iiilgwiiilirtilil»
MH deradbd» imbeieaienden ' ¥ei«nderu^
6clylde die Herren Ciiaiiipoll io ii (Lettre l a jMi*. le Duc
de ßlacas PI. 2. ar. 9 b.) und G a e z e r a {L c Hl 4. E*)
nach einer atehe a dew -BildaäntoH^dee»' beMitAMiteAMll^
rnid nach emcoF eben ■ soleliAi eitsertden^MMHillprtMHflM
snge ist, gegeben. Diesen Nameiisciiililen ganz gleich ist
der in Herrn 8alt*s Schrift 1¥. HK^iä.) vorkomiq^i^idlll
findücfa sind ^ieseibeii^cllüde an ^«to nMlilMg^^
kdofs, dem tiinendenKE)i^aer«4e^gy{)te TJf«#Mif|i^^
und mit kleinen, dea rvaiiiea nicht angeJiendcn Verschie-
denheiten, au^- an dem südiichen (I. e» PJ. 21. nr. aiH
zuireffen. ,
Die Namenschilde enlhahen sehr hSufig nach dem Na-
men noch einen Titel, oder ein Deiwort des Regcnlen und
80 Stehen, in dem unsrigen erat die Buchstaben u (Kuplier-
lafel £• Zeichen 8. ) m (deichen 9.) n (Zeichen 10.) einer,
der ein langes o, ü oder f bedeuten kann; (Zeichen 11.)
dann folgt in drei andren Zeichen (Zeictien 12-14.) ein
Titel Von diesem gleich nachher. Jene Buchstaben leaen
sich also mit blo(»er Hinxuselaung der Vocidlenle Jmmp
Digiti/üü bv G
317
oder Amcnof. Da nun Memnon in einer griechischen In-
schrift an den Beinen des nördlichen Tlichacischen Kolos-~
ses ausdrücklich, mit hinzugefügtem Aegyplischem Artikel
€pafievw(f genannt wird (Mifivovog yj (pa/iievüjtp) und auch
Manetho bei Georgius Syncellus (p. 57. ]20.) von einem
Amenophis aus der achtzehnten Dynastie der Aegyptischen
Könige sagt, dafs er für den Memnon, den tönenden Stein,
gehalten werde, so kann die von Herrn Champollion
behauptete Identität (Syst. hier. p. 235.) des auf unsern Sta-
tuen genannten Königs mit den Thebaeischen Kolossen nicht
in Zweifel gezogen werden.
Man kann dem so eben Gesagten auch noch das Zeug-
nifs des Fausanias (I. 42. 2.) hinzufügen, obgleich dies we-
niger beweist, da nach ihm auch Sesostris von einigen für
Memnon gehalten wurde.
Bei Georgius heifst dieser König AfitvcScftg und ^fit-
vüi(f &ig, welches vermulhlich daher kommt, dafs im Aegyp-
tischen amnf nur eine Abkürzung von amnftp , dem von
AtnmoH Geprüften j Gcbilliglen ist. Nach Herrn Cham-
pollion's in seinem hieroglyphischen System (p. 238.) ge-
aufserter Meinung, wurden beide ISamen gleichgültig von
denselben Personen gebraucht, und er erklärt ein Grabmal,
in dem man Figuren mit dem Namen Amenoftep fand, für
ein Grabmal des Amenophis Memnon. Herr Salt führt
auch einen deutlichen Amenoftep mit dem unverkennbaren
Titelschildc unsres Amenophis Memnon (/. c. PI. 4. nr. 11.)
an, so dafs es offenbar ist, dafs dieser König beide Namen
trug. Indefs hat Herr Champollion selbst in seinen Brie-
fen an den Herzog von Blacas doch den Unterschied bei«
behalten, und den Gründer der achtzehnten Dynastie (Br. 1.
p. 19.) Amenoflej), seinen Ururenkel (/. c. p. 38.) Amenophis I.,
dessen Enkel (/. c. p. 85.) Amenophis II. und den dritten
König der neunzehnten Dynastie (Br. 2. p. 85.) Amenoftep II.
»18
ginMttiiil« Herr GhampoUioa sdrabl nir aber, dafii er
nur mt der gewöhnfidMii Sdir^bung auC den Denkmalen
getreu zu Meilyen, diese Bezeichnungen gewählt hat. Sonst
heharrt er bei seiner früheren Meinung über die Einerlei-
Mi beider Namen, und erklärt aicb jelai neeh deiilüeiier
dahin, dab der Name, der bei den Griechen als Aummi-
phis, Anieiioplillies, Aiiiinenephlhes und Auienolh vorkommt,
nach der GeUuiig der liierosflvphischcn Zeichen eigeiitiich,
nach Verackiedenheilen dea TbebaaiBchen'iMMNieni^fiiiNlM
Difllecta, setfte^' Awt i elj^ » ^ oder Jtmemtp g€iMMiMilii^
und dafs er naiier v erfahren wäre, wenn er die Zahl der
Kegenlen iiätte durch alle durchlaufen lassen. Wii kiich heiijst
der Amenoftep der neoniehnlen Djnastie beftMMÜNNaMIII^
der, Härm Champc^ilien-Figeae {2ler0ri#HMilMM^
zog von Jllacas p. 157.) Amenopliis IV. Ich würde hier-
bei nichl so lange verweilt haben, wenn Herr Ga'i&zera
{k e* p. 21.) nicht irrigerweise die nothwendige Untersdie^»
dang bcidi»r Namen als einen imnmslAUehen Grambata
aufstellte.
In der Rmhe der von Manetho angegebenen Könige
ist Amenophi8«>Bfemnon der achte der acbliebnien Djma^
slie, und Nachfolger eines Thutmosis. Unter semen sieoen
* Vorfahren ist aber eine Königin Aniense (Josephus contra
Apienem L 15.) oder Amesse, und da diese die Schwester^
nleht die Tochter Aires Vorfahren auf dem Throne war, se
ist Amenophis-Memnon nur der siebente in der Geschlechts-
folge. Gerade so verhält es sich nun auch in der Tafel
von Abydos, welcfae nicfat eine Reihe von Königen, aen-
dem eine GescUechtrtafel denelben giebL Seeks andste
Titelschilde gehen dem auf unsren Statuen gezeichneten
voran, nämlich von Amenoftep (Salt. Mittlere Reihe. Schild 7.)
•an gerefchnet, und die Tafel von Abydos stimmt also geBan
'* Digitized by Gooj^le
319 . .
mit dein Zeugnifs Manelhos überein. (Champ o Ilion leltres
a Mr. le Duc de Olacas. Lettre I. p. 77.)
Durch diese glückliche Uebereinstimmung wird gerade
dieser Amenophis der feste Punkt, an welchen die weitere
Vergleichung des Schriftstellers und der Monumente ange-
reiht werden kann. Denn einige wenige Ausnahmen ab-
gerechnet, weichen die Namen des Manetho von denen der
Monumente, und sehr bedeutend ab, wie man aus der Ne-
beneinanderslellung beider (/. c, p. 107.) sehen kann. In
der Zahl aber herrscht genaue Uebereinstimmung, und für
die Abweichungen giebl Herr Champollion (/. c, p. 77.)
Gründe an, die man selbst bei ihm nachlesen mult. Ich
hebe nur die eine, wie es mir scheint, höchst glückliche
Bestätigung der Champollionschen Behauptungen heraus,
dafs der von ihm auf den Monumenten gelesene Name des
grofsen Sesoslris (des ersten Königs der neunzehnten Dy-
nastie) Khamses, im ganzen Alterthum nur bei Tacitus
(Annal. II. 60.) und Ammianus Marcellinus (XVII. 4.) vor-
kommt, wo die Stellen selbst zeigen, dafs er von Gebäuden
durch einheimische Erklärer abgelesen worden war.
Auf den Namen folgt, noch im Namenschilde, ein Ti-
tel, der Amenophis den II. (um bei dieser einmal angenom-
menen Bezeichnung stehen zu bleiben) von den andren Kö-
nigen gleiches Namens unterscheidet. (Kupfertafel Fig. £.
Zeichen 12-14.) Der genaue Sinn und die Lesung dieses
Titels sind Herrn Champollion, so wie er es schon im
Systeme hieroglyphique (p. 235.) gestand, auch jetzt noch
-unbekannt. Von dem ersten dieser Zeichen (nr. 12.) ist es
Herrn Champollion durch viele Stellen bewiesen, dafs
es Leiter, Aufseher, Herrscher bedeutet, und es fm-
• det sich in verscliiedenen Zusammensetzungen als ewiger
Herrscher, Herrscher aller Lebenden u. s. f. Das
zweite Zeichen (nr. 13.) ist ein k und mufs zu dem hier
320
gemeinten, noch unbekannten Aegyplischen Worte gehören.
Es fehlt in einigen Inschriften, was sich eben daraus leicht
erklärt. Von dem letzten dieser Zeichen (nr. 14.) hält es
Hen* Champoilion für uusgeinachl, dafs es der symboli-
sche Name irgend einer himmlischen oder irdischen Ge-
gend ist, da in ausführhchen Texten die Zeichen, Land,
Gegend, ihm regelmäfsig nachfolgen, und dasselbe auch
in Texten in hieratischer Schrift im Turiner Museum bei
dem Titel Amenophis II. der Fall ist. So wie oft weibliche
Gestalten mit der sich auf Aegypten beziehenden Lotus-
pflanzc auf dem Kopf auf den Denkmalen vorkommen, so
finden sie sich auch dieses Zeichen als Kopfschmuck tra-
gend. Als Beherrscher dieser Gegend wird der Gott Mandu
genannt *). Allein welche Gegend mit diesem Symbol ge-
nannt sey, bleibt ferneren Untersuchungen vorbehalten.
Der Schild an dem südlichen Memnons - Kolofs hat zum
Titel das gehenkelte Kreuz, und eine thronende Figur, die
wohl eine Gottheit vorstellt. Man müfste ihn also wold:
der lebendige Gott übersetzen. Eine der Sackischea
Statuen scheint auch das gehenkelte Kreuz im Titel (Kupfer-
tafel Fig. D, Zeichen 9.) gehabt zu haben, doch ist die Stelle
zu sehr verwitlerl, um genau darüber urtheilen zu können.
Die kleine sitzende Figur des Tilelschildes (Kupfertafel
Fig. -4.1?. Zeichen 7. Fig.C Zeichen 10.) erklärte Herr Cham-
poilion bisher für die GöUin Sale **) (Syst. hieroglyph.
Planches nr. 51. p. 99. 100.) und übersetzte die ganze In-
schrift des Schildes (/. c. p. 234.) Herr durch Phre und
*) Man sehe über diesen Gott Champoilion*« Pantheon Heft 10.
zu Tafel 27. Niebuhr's Inscriptiones Nubienses p. 10.
**) Aufweiche Weise Herr Champoilion in dieser Voraussetzung
die Verrichtungen der Göttin Sate in der Unterwelt erklärte, kann
man in Angelo Mai's Verzeichnifs der Aegyptischen Papyrus (Bach-
manns Uebers. 8. 12 — 14.) ausführlich nachlesen. • .' '
321
Sate* Seit ganz kurzer Zeit aber glaubt er mit GewÜslieil
gefunden zu haben, dafs die, vorzüglich durch die Feder
oder das Blatt auf dem Haupte charakterisirle Göttin das
Sinnbild der Wahrheit ist. Er übersetzt daher jetzt diesen
königlichen Titel: Sonne ^ Herr der Wahrheit, le soleil,
seigneur de verite, Nach den gleich anzuführenden Grün-
den hat diese Meinung wirkHch sehr viel Wahrscheinlich«
keit für sich.
♦i Zuerst wurde Herr ChampoUion auf diese Vermu-
thung dadurch geführt, dafs er am Halse einiger sehr reich
ausgestatteten Mumien das Bild der Göttin, wie sie auf dem
Titelschild des Amenophis vorgestellt ist, hängend fand, und
dafs er sich dabei an die Erzählung Diodor's von Sicilien
(L 75.) erinnerte, dafs es zur Amtspflicht des Oberrichters
in Aegypten gehörte, ein kleines Bild, das man die Wahr-
heit nannte, an einer goldnen Kette am Halse zu tragen.
Hieran knüpfte Herr ChampoUion, dafs in der Vorstel-
lung des Todtengerichts, mit welcher der zweite Theil der
grofsen Leichenrollen immer schliefst*), nicht nur eben
^*) Die genauere Einsicht in den Inhalt dieser Leichenrollen, der'
• grofsen mit Bildern und Hieroglyphen- oder hieratischer Schrift
versehenen Papyrus, die man gewöhnlich zwischen den Schenkeln
< ■ der Mumien findet, verdankt man gleichfalls Hrn. Champoliion's
gründlichen Entdeckungen. Die zerstreuten Bemerkungen, die sich
darüber in seinen Schriften und seinen Briefen finden, zeigen, wie
er selbst nach und nach tiefer in dieselben eindringt, und es wirJ
höchst interessant seyn , einmal die vollständige Erklärung dieser
grofsen Leichenrituale von ilim zn erhalten. Das in dem grofsen
Aegyptischen Werk in Hieroglyphen - Schrift enthaltene giebt nur
den zweiten der verschiedenen Abschnitte, in welche, nach Herrn
ChampoUion, diese Rituale zerfallen. Dieser zweite Abschnitt
wird durch die beiden Bilder, die Vorstellung der drei Kegionen
der Götter, der Sonne und des Mondes (die letztere fehlt in dem
Pariser Papyrus) und die des Todtengerichts begränzt. Sehr viel
Lehrreiches über den Inhalt und die Anordnung dieser Leichen-
rituale findet sich in dem von Angelo Mai herausgegebenen Ver-
seifchnifs der Vaticanischen Papyrns von Herrn ChampoUion
IV. 21
SS2
••Idie Figiir (als er bisher Saie OAimie) Vorsitzerin der
kweitindWenig Riofater iil> ion4«ni mk ibr cfaaittktmü^
sches Sinnbild des Bkrttea ItSofig in d«r einen Wagschale
liegt, indefs in der andern ein Gefafs isl, welches die be-
gangenen Fehler des Verstorbenen vorsleUen soll (Die Pa-
pyvm der V«lieaiMaBhai.>6ibi A«» ^ itaL 4es Angalo iM
von L. ßachmaiui. Das Bkitt aUHt ihnen mithin
seine guten, in Wahrheit und Gerechligkeit gegründeten
UandiangeD^jentgegen. Beides kann man auch in dem gro-
tei Atgy^Mm MmL <KBpleftarein. Antiquilfa Vit IL
PL 72.) deutlich seten Wo die Wahrheit die oheea Watf i e
dar Richter zur rechten Hand eröffnet, und obgleich auch
die Riehter da» ihr charakteristische Bla Ii tragen, , am man-
gaMenj Barl MmoMtk iA Mü diesen Syaätohm «erbindel
811^ das ^eiele^ S^khcAi tiiea faieroglyphisch gMeh wa h en en
Namen der Göttin, (Champo 1 1 i o n. Syst. iiierogl. Alphab.
lir*vfl!5.) wekhes eia lÄngenmaals (coudee) vorstellen soll»
Waa.aher in minen Angän dieier ttenerfn Erkläning das
Hm, 'Gluiai{MiIiioi^ «den grö^Matan WerÜi^gieU, 4«|
glückliclie Anwendung, die er auch hier, wie schon sonst
öfter, von der uns durch Ammianus Marceilinus (XVU. 4.
Ed. Bip. VoL I. ^ m) erhaltenen UebeneUunir
Hekednachrift nach Hermfqnon macht In dieser Inschrift
wird dem Könige Ramestes (wie er dort heifsl) der Bei-
name ffilaXri&rjg gegeben, und auf allen Kömischen Obe-
lisken hat Herr Champoiiion die Figur dieser sitaendeii
Göttin mit dem Blatt auf dem Kopfe und dem gehenkellen
Kreuz in der Hand angelrofTen, namentlich auch mit dem
bekannten Zeichen des Aegyptischen Wortes, mei, geUebip
(g«eliim>iMti|che Uebsfietsoag 8.1— 2S.) Bs wtrdtn darin vier
Abschnitte denelben erwähnt Die Vergleichung der iihnlichen
hiesigen Papyfui ia difser WifkMi behaUe kk mtM aadvea Ge-
legeeheit vor.
untniitelbar verbimdeiL Den Namen liest uod erklärt Herr
Cliampollioii j«tst Midi «ade» als Uther» MMÜch mM
mehr (Syit lii^. Pkadies lur.Sl.) M iMNidm mtm, inden
er hiebei nn das Koptische Wo i L inäi, gerecht, wahr, denkt,
and das s (was aber fernerer Hechtferügung bedürfen wird)
ab priügiirtan BtiehsUiMii aiittiiuniL Er iiat »Siniich ttte
im swe^ hieroglypfaMdia Zeichen des bisher titä geles^
nen Namen seine Meinung geändert, und hüll dasselbe nicht-
mehr» wie ürütor (<äyst bierogL Alfdiab. nr. 30.) für ein
aendem filr mt, weil er die Syibe ma dureh einen von die»
aem Zeichen durohkrenslen , a hedanlenden Vogel, mühin
als eine synonyme Gruppe von andren ma anzeigenden ge-
lunden hat
Die Güttin Stde, die darum 4en Aegypiiaohen Dank-
malen nicht entzogen wird, indetHenr C hampoll ionjalat
in der Göllin, die er bisher (Pantheon Heft II. zu Taf. 19.)
Anuki benannte, so wie er der letzteren jetzt die Gestalt
giabty welche Hpke oder 3>e (der Himmel Panth. Ueftili
an Taf. 10.) fiihrt Denn er gestehl frdmOthigr data er In^
her diese beiden Göllinnen, Aniiki und Salc, die übrigens
gewölmiicli eine die andre begleiten, verwechselt hat. Er
Isl au diesam Irrlhnm dareh einan OngiiachHi eine State
Lord Befanore vorsteUcBdei^ Kupferstich i^oMlat wnw
den, auf dem die Namen dieser Göttinnen falsch gestellt
sind. Der hieroglyphische Name der Anuki ist in dem
Pamk^ (jHeft II. Taf. 19.) au sehen; der der $ate,
kommt, wie An Heir Ckampollion jatat annimmt, noch
nichl darin vor. Er besteht aus dem lOlsten, 28sten und
6ten Buchstaben des ChampoUionschen Alphabeb, von welr
«thaa aber dar eiate auf seiner ohsran SpÜM loch -einen
abgestumpften Kegel trägt Der horisontale Strich des
Kreuzes, aus dem dieser Buchstabe besteht, ist bisweilen
ein Pfeil, wodurch das. ligüclichc Zeichen der Göttin, der
21 ♦
T)igitized by Google
1
a24
PM^ nit d«r hieroglypiMcheii Gnip^ gepaarl ist llilil
dem PCeil'bniigl Herr Champollion «iick den im Kopii-
schen diese Waflfe bedeutenden Namen der Göttin, Sate*)^
m Verbindung. Dals in Amenophis II. Utelsclulde das Zei-
^ eben der Wabrlieit dem Zeichen der Herrschaft vörangehl,
ddrfte schon an sich nicht wuidem^ da ja der Genitiv in
der Verbindung die erste Stelle einnehmen kann. Herr
ChampoUion macht aber hierbei darauf aufmerksam, dafs
auf architektonischen und statuarischen Denkmalen die Zei-
chen; der Uelsen Symmetrie wegen, woM anders gestellt
werden, als es die Aussprache fordert. In der hieratischen
Schrift, bei weicher diese Rücksicht hin wegfallt, geht auch
in den Titeln Amenophis U. das Zeichen HerTß die henket-
lese Sdiale, dem Bilde der Wahrheit, der sitwndea GdfÜn
•mit dem Blatt auf dem Haupte, voran.
. Nach einer Hieroglyphenschrift im grofsen Franzöa^
sehen Aegyptisehen Werke ven mem Pfeiler des Südtem^
pek In ElephantiAe (Antiquit^. Planch. VoL L PI. a6..Fig«a.)
sollte man glauben, dafs der Titelschild Amenophis II. auch
einem andren Könige angehörte, dessen hieroglyphisch ge-
schriebener Name EtUMtM gelesen werden kann» Ich hiell
dieeen Namen Uhr ▼ersdirieben» nur die ausdrudciiche, die-^
ser Abbildung in der Erklärung der Kupferlafehi hinzuge-
fügte Versicherung der Genauigkeit dieser hierogiyphischen
Abschrift (Fig. tons les iairog^rphes sont exacts) iiefs
mich iweafelhaft. Herr ChampolHon bestätigt aber meine
Vermuthung, und sagt mir, dafs die genaueven Zeichnungen
dieser Pfeilerinschdft der Herren Huy o t aus Patis niid Ricci
ans Florens den Namen Amenophis gehen.
Die Hiteeten TheSe des PaUnsbes von LoufMir, das
*) NiHlleb m Mt, werftn, 8aU findet sieh im La Crosisdiea
Wörterbudi nicht als Pfeih Der Pfeil hnbt aber daipn ntkn^f,
'worin Mte dMMlIW'iStaannwstt.lieft.
325
MenmoiMm, der Tempel 4e$ Aiiiiiieii-CfaniilM vmi anAre
grofse Gehau de bis ia Nubien hinein wurden von Ameno-
phis Ii. Iheiis erbaut, iheils verziert Nach der chronologischen
Bestimiming des Herrn Champoliien-Figeac (Lettre L
k Mr. le Duc de Blaeas p. 107.) ßUit seine drnfsigjährige
Regierung von 1687 bis 1657 vor unsrer Zeilrechnung, also
um mehrere Jahrhunderte vor den Memnon des Troischen
Krie^.
§. a
lascliriften.
Herr Gaxsera giebi (!• c» Pi3. nr.2.3L) die Inschrif»
' len von swei der Idwenköpfigen Statuen des Turnier Mu-
seums, so dafs wir mil den unsrigen die Inscluiften von
itinfen vor Augen haben, in Jeder von diesen finden sich
Verschiedenheiten.
Die E^richtimg der unsrigen, und wahrscheinfieh auch
der Turiner ist so, dafs die den Titelschild begleitenden
Hieroglyphen neben dem rechten, die andern neben dem'
linken Bein der Bildsäule in einem schmalen Streifen her-
ablaufen. ^ Ich fange von jenen an.
üeber dem Tilelschild steht in allen der Gott ^ nute,
(Kupferlafel. Zeichen 1.) der gute (woMthäfige , hcilbrin~
getuie) numef, (Zeichen 2.) der Herr, näb, (Zeichen 3.) der
irdiseken WeH, io; (Zeichen 4 5.) In der Minujtoliscken
foiel hiiiaiil noch: der Herr (i ig. ۥ Zeichen 6.) der drei
Regionen, (Zeichen Ö. 7.)
Dann kommt der schon oben erklärte Titelschild.
' Hinter diesem steht eine Phrase , die sich auf das su-
letzt nachfolgende Parlicipium: (jeliehi , ttiei (Fig. Zei-
chen 16. 17. Fig. B. Zeichen lö. 19. Fig. C. Zeichen 21. 22.)
bezieht . •
' Das Wesen von dem er geiieblr wird, ist umnHleibar
Digitized by Google
3M
ntfii dem TildtdliM «oagedrQskty.uiid 4ie ersten dcei&ffp
dien nach demeeUM rind daher üi allen fünf InadniHen
ohne allen Unlerschied dieselben. In einer der Turiner
Statuen (Gaasera Pi.3. nr. 2.) und in unsren beiden Sacki-
aaheii iit ihnen «i grSfterer Deutliehkeil daa figürliche Z«.
dien der 69ttin (KupfertafeL Fig. A. B. Zeiehen 12.) bd^
gefügt, und dann folgen bis zum Ende der Phrase Tilel,
die nicht überall dieselben sind.
Von den in allen fun£ Inschriften auf den Titelachild
folgenden drei Zeiehen und der sie beglettenden Figur habe
ich schon oben bei Gelegenheit der Göttin Neiih geiedeL
Nach dieser Gruppe Itommen in jeder Inschrift ver- •
aehiedene Zeichen. Ich bleibe aber bei denen der Bnüni«
sdicn jSlataen stehen.
Auf der einen Sackiscbcn folgt in der Inschrift liier der
Artikel des weiblichen Geschlechts (Kupferlafei bigur^
ZeidMn 13b) die beiden ZeieheBj welehe Herr Cbaittpol*
lion (Syst hidrogl. p. 136w Planehes nr. 347.) durch NMreiU
iig erklaii^ und uiil fehlendem Vocai dtichr (bei la Crofte
äwhor) schreibt
Auf der awdten Sackischen Bildsäule* steht naeh dem
XÜtel der GMn wieder das Partid|»ttin mtd, geliebt (Fig.
Zeichen 13. 11) uud ein darauf folgender Zirkelabschnilt.
(Zeichen 15.) Diesen erklärt Herr Champol lion, ohne
sich über die phonetisch^ Geltung aimulassen» fiir ein Zei-
chen, welches ansetgt, dafs das Wort, hinter dem ea steht,
doppelt genommen werden soll, entweder so daia es da-
durch in den Dualis gesetzt, oder so, dafs sein Sinn ver-
stärkt genommen, oder endlich so» dafs das Wort selbst
zweimal ausgesprochen >(verde» Denn ea war, wie man
noch aus dein Koptischen sieht, der Aeg:yplischen Sprache
eigen, in Substantiven und Verben dieselbe Sylbe, nur bis-
wetten mit verändertem Vocal, awiimal ai^ einander foi-
Digitized by C
m
gm m laMtt *)» Gflwöihiilieh föhrt aun BW«ir der Zirkel-
aMniill hl dkier Bedeutung twei kleine ^Irielie nech
sidi, wie sie im ChampoUionschen Alphabet (nr. 42.) dea
Vocal i bezeichnen , und die Erklärung dieser beiden ver«
büadeMn Zeichen, ab VerdoppelungBandeulung^ rtfirl ur^
sprinf^h ven Heim Salt her« Unere Inschrift hat nur
das erste der beiden Zeichen, Herr C h a lap o 1 1 1 o ii versichert
aber die Gruppe öUer so abgekürzt gefunden zu haben.
Eine andre solche Abkfireuag siebt, er in deiselbeii In-
sehrift in dem Gharaktery welcher dem am Ende stehenden
Participium: geliebt , unmittelbar vorhergeht (Fig. B, Zel^
eben 17). Es ist ein s (Champoiiiou Syst liierogl. AI-
fbab, nr. 86,) und der AnisngslKichstabe der sehen oben
erwiibnten Gegend Se§mm, öber welche ^e Herrechaft der
Güttin Ncilli durch die unmittelbar vorhergehende Schale
(Fig. Ii, Zeichen 16.) angedeutet wird. In andren Texten
ist der Name biereglyphiscfa voUsländig angeschrieben und
mit dem erliutemden Zeielwn: Idond, Gegend versehen.
Die Göttin trägt diesen Titel als Göttin des ersten Ranges
in menschbcber Bildung sowohl, als mit dem Löwenhaupt
yetgesteUt.
Die in der fascbnft der IftnuteliSÜien Bildsäule auf den
Namen der Göttin folgende Gruppe (Fig. €, Zeichen 15-17.)
beüst: der Guten, {WohliAätigcn), Sie pflegt aber an an-
dien Stetten swiseben den auC der angehängten Kupferlafel
(Fig. C.) nut 15. mid 16. beieiehneten Charakteren noch ein
f (Chauip oiiion. Sy&L hie(;ogL Alpliab. ur. il9.; m füh«
*) Solcliü Worter sind tusUf Augenblick, chremrem, Gemarrael, Iof>
lef, zermalmt werden, mohnek, denken, wutnmtn, btwegt werdea,
Umim, Tfommel, IfNMIfiM, Demetii, e, s. w« Sie Khciamii
wie so vieles in der Sprache , an« pbanetascher Gewohnheit ent-
standen za seyn, und der Grand d^r Vefanderang des Vocab der
Endeylbe Hegt waIiI in der grSüitipen dadilreh beswwkten L«l|b»
tiafenlfc detf ftniamriiiilifii'
Digrtized by Google
He
dart Denn das ente Z«icli6ii diMer Qmff^ <iir. Uk) mi
eine Theorbe, ein musikalisches Instrument^ das ab Syiabol
der Wohllhäügkeit gilt. (Champoilion. I. Lettre au Duc
de Blacaa p..l7.) Da utitliiii hierin scboii der gaaie Be»
griff liegt, 80 kann das nachfoJgende (nr. 16.) nur die £«•
dung des gcsj>rüchcücii Wurlcs yiof-ri seyn. Der ZiikeJ-
absehnitt (Zeichen 17.) ist bekauntlicli der weibliche ArtikeL
In der in derselben Insclirift weiter folgenden Gruppe
(Zeichen 18-20.) erkennt man niir die beiden letalen des
Plural andeutenden Zeichen, das erste ist bis jetzt noch
von unbekannter Bedeutung, obgleich es oft auf Mnaien
und Papynuroilen angetrofien. wird. Herr Champollioa.
sieht es für ein mit swei Geilsein yersebenes Siegel an.
Die letzte Gruppe der Inschriften der Mmutolischcn
und einer der Sackiächen Staluen und die vorletzte der an-
dren Sackisdien hei(sen: Ge^er de* Leken** Der Begriff
des Lebens liegt m dem gehenkelten Schlüssel. (KupferliM
Fig. A, Zeichen 19. Fig. B. Zeichen 21. Fig. €, Zeichen 24)
£s ist das Koptische Wort önchh. Das vorhergehende Zei»
chen, der Triangel, bedeulei den i Laut, (ChampollioB.
SysL hi^. p.43. PL 3. Fig. 3.) und ist hier das koptiscfie
itj ycöcH, Die ganze Gruppe sieht Herr Cha inpoliio ti
für das koptische WoH itmehhOß beleihen, der ßeleöetuic
m, da seiner Bemerkung nach, die langen Vocale.in su»
sammengesetalea WGrIani kurtf au werden pflegen.
Die Schlufsgruppe der Inschriit der einen Sackischen
Statue hat nach vielen ötcUen und namentlich auch der
Rosettischeo Inschrift die Bedeutung für immer j (etc^) al-
lein das dadurch ausgedrückte Koptische Werl weife Herr
C h a ni [) 0 1 1 i 0 n noch nicht anzugeben. (Kupfertafei Fig.
Zeichen 22 - 24.)
Die Uieroglyphensäule des - Namensehüdes Hängt bei
Digitized by Google
m
aUcn hkf beUraehteUn SlaUm, auter der ItfioiitiijKtclwR,
nnl den Worten an: ' S^kn der Sanne, te^ke ikn Uebi, rä,
{Kupfertafel F'ig. ö. Zeichen 1.) schäri, (Zeichen 2.) m, Ab-
kür^uDg von m^i, (Zeichen 3.) f angehängtes ProQomeQ
d. persb fing. maBcul. (Zeichen 4.)
> Auf der Muratoliscfaen Statae folgen auf die Worlei
Sohn der Sonne fünf Zeichen (Kiipferlafol E. Zeichen 3-7.)
flie theiis an sich, Iheils in dieser Verbindung in den Schrif*
leBi^deS' Uerrt»^^€i»#'ii|p eJÜi o n^^aiehi angetroffen werden.
M>aeiiien»^6riefe ,aQ imob aber gielit er über dieselben fol-
gende Krklüruiig, die er jedoch voia der des 4ten Zeichens
abhangig macht. Er glaubt nämlicii in diesem einen Aegyp-
iischen iSfiaiifaji ^t^. >boi^i4iii fljNrne) au erkennen, und in
diea^« y eUku n iHniig b i nt la 1^i ^w^^d^e Hieroglyphengruppe,
welche dem Naiuenscliild vorhergehl: Sohn der Sonne und
seith Uüd oder ^vörtilcher SptegcU Das drille Zeichen, w,
bamy »»Jeirt«^4e»*iif i^T^ (ä ai aa a p ichen des Nominativs,
t (i efff*f a i> «H i ll II i I i il iigAiaiiiläbtedies Verbindungawörlchens
ttem, fm</, nehmen. Hr. C hampollion äulsert sich d;u liber
nicht bestimmt. Das siebente Zeichen ist das schon oben'
erklärte Pronomen der 3ten Person. Sehr merkwürdig aber,
und für die ganzeIiieroglyi)hen'-Ehlaifierung erweiternd ist,
was mir Herr Chan»pollion über das fünfte und sechste
Zeichen mitlheilL Diese Gruppe wird nämlich gesetzt,
woin ein sugteich figürlich und phonetisch geltendes Zei-
chen in einer Stette die erstere Geltung» wie hier der Spie-
gel, haben soll. Auf diese Weise bezeichnen das Auge
der Mund, die Hand, mit diesen beiden Zeichen nach sich,
diese Gegenstände, ohne dieselben die Buchstaben a, r, U,
(Champollioln. Syst hierogl. Alphabet, nr. 9. 59. 22.)
Aut diesen fungang folgt der Namenscliild, und nach
diesem werden auf jeder der fünf Slutucn dieselben Hiero-
glyphen wiederholt^ welche hinter dem Titelscfaild stehen.
Digitized by Google
Dit gMtte ImdiriA der BeriiüiMiieii BMma, dbü lim^
ncrlning der midi niclit Mi d iU ü er i i d ep Stellfln iautei d»»
her folgendermafsen.
Ich lege nemlich hier die Inschrift der einen Sucki»
sehen SUiitte (Fig. B. D.) ab die v^Uttüidigeie iiiin Gmnde,
wd bemetke die Abiwciehiiiigen in Parenlhewo iind An^
merkungen.
Der Gott, der Wohlihätigc , der Herr der irditchm
WeH, (Fig. ۥ der Herr der drei Meghnen) die Sonne,
der Herr der Wahrheit, t>en der der GeUim
Ncith') (Fig. J. der Grofseu) (Fig. fJ. der WohlthäHget%
de» ) der doppelt geliebten **) lierrwkerm über
SUem^ geUebiy.der Geier dee Letene, für mmmt«
Der Sokn der Somtc gelieH ven ikr (Pig* E* und ikr
Spiegel)***) Amenof****) (Fig. e. der Herrscher über
£a tat hekanntf dal» den AegyptUohen Königen niehl
Uela ersl nach ihrem Tode» sondern audl schon bei ihran
Leben göiüiche Ehre «rwiesen wurde.
' Versi^rmafl; de«* F\if«9««lelte.
An den beiden Seiten des Fursgestells unsrer, und ver-
nialhlich aUer ähnlichen Statuen sieht man eine Verschfin*
gung von Lotosstengeln und Blumen, die man scliondarmn'
nicht für eine bedeutungslose Verzierung halten könnte^
*) Dies Figöiclieii b«ftodet mtXk aar aaf des hekdim Saokiiclmi
Statur Q.
**) Herr ChampoUion übersetzt deua? foia aimabh dttme. Icli
bin bei der auf daaselbe hinatMkominenden, wörtlichen Uebertra>
gung geblieben.
Die Worte gelkbt von tikr* feliiM liimr.
**^> IIbb kum SB«!! AaienO kmen^
Digitized by Google
wtU SM 10 tlberaos häufig und immef «uC /as( gans gUiclM
Wdte gefondon wird. (Kupfertafel Flg. F. ferner Ddsor. de
TEgypte T. I. PI. 16. 80. nr. 5. T. II. PI. 89. Ga«zerai.c.
PI, 4, nr. 4. PL 9L) . Wo dieser VorsleUung die ganze Aus-
lühning gegeben ist, siehen neben ihr swei Figupen/eine
auf jeder Seite, die selbst Lotiia|>fl«ttien in GefiUscii anC
dem Kopf tragen, und die der Verzierung zusammenge-
knüpft halten. (Descr. de i'i'.gyple. T. I. PI. 10. nr. 5. T. IL
Fi. 2a gr. Form. PL %L 22.) DioMlben. Figuren fcomoM
andi oft einsoin tot, und sind zugleich mit dem gehenkel-
ten Kreuz und andren Emblemen versehen. (/• c* T. IIL
PL 47. nr: 4.)
Da Herr Gees er a naeh Herrn Ghampollion die in
diiaer Vertietung enthaltene Hieroglyphe für ein Symbol
der Erhaltung oder Beschützung der obem und untern Ge-
gend erklärt, so war es leicht, daft spatenuhnliche Werk-
letti^ welches die Venierung in awei Hälften Iheiit, für die
ariion oben erwähnte Theorbe, das Symbol der Wohlthä»
ligkeit und Beschirmung, zu erkennen. Zwar weicht die
Gestalt ein wenig davon ab, allein man ßudel auch auf
aadren Denkmalen, da(s jenes Emblem bisweilen in ein sol-
ehes benfSrmiges Bklt endigt, und mit dem langen Stiel
nicht über den oberen Querstrich lünausgeht. (Descr. de
l'Egyplc T. L PL 36. nr. 3. T. II. PL 21. nr. 2.)
Auch in dam erklärenden Verneichnils der Papyrus der
Vetifranisehen Bihliotbek (Baehmann S. 7.) Oberselii Herr
Ghampollion diese Hieroglyphe in die Worte: WohltAm^
ter der obcrn und der untern Region*
Die Beseieltoimg der beiden Theile Aegyptens, die hier
mit der obern und untern Gegend geoldnt aind« Uc||jt in
den beiden Loluspflanzen, wie durch eine Steile der In-
sehrifi von Rosette (Zeile 5.) deutlich zu i>eweise^ ist. Nur
Über den UnUnrsdbied beider Gegenden in dnr hicfoglyphi-
Digitized by Google
sn
flehen DettltiDg lieft mieh dM, was Henr Champollion
B1 801116111 PaDth^on (Heft VII. nt,7. A,B.) sagt, sweüel-
haU. Sein letzter berichligen<ler Brief aa mich aber hebt
alle Dunkelheit in dieser Rücksicht auf, und stellt beide
Zeichen bestimmt fest -Das obere Aegypten wird dtureh
eine Lotosart, deren immer blau und rotb-gefihrbte Btunie
der Lilie gleicht, mithin durch die in uiisrer Kupiertafel zur
Linken stehende Pflanse bezeichnet , die untere ^dtireb|^i
daneben aur Rechten befindiidie niil andrer, biai ^ n^^j^rilfe
gefärbter Bkune. In dieser Geslällr :der Bkunoi^^m^ äber
in den zur Seile zerknickt herablüngeiiden Steugela liegt
der Unterschied beider Gegenden. In dem fttedMWPtllN
druck der Inschrift von Rosette ist swnr .iücIlbiterCbben
angegebene Unterschied der Blumen, aber gaiiiii ikrfltlii eiiii.
Verschiedenheit der Pflanzen selbst 'ds\x erkennen. '^'«^ ^
Die mannweiblichen> am Bait und «den mialMtmkWitiBt^
sten kenntlichen Figuren, welche der hier betraditeten Ver-
zierung oft gleichsam zu Schildhaltem dienen (Descr. de
TEgppte IL cc.) erklärt Herr Champollion für Vorstel-
lungim des oberen und unteren Nüa. £r bemerkt nigUicby
dafs die Aegyptier den oberen und unteren Tbeil ihres Lan-
des noch bestimmter als den südlichen und den nördlichen
fafsten, daher die Embleme, von denen wir hier reden^ auch
den Süden und den Norden überhaupt beaeichnen. Er
knüpft hieran sehr interessante Ausliifarungen, wie nörd-
liche und südliche besiegle Völker auf diese Weise ange-
deutet werden, und beweist dies aus Steilen hieroglyphi-
scher Denkmale« Ich Irage indeÜB gereehlea Bedenken,
hierin weiter einzugehen, um ihm niclit in der eignen Slit«
Iheilung dieser interessanten l^ntdeckungen zuvorzukommen.
Der Lotus spielt in der Aegyptischen Symbolik eine
wichtige Rolle. £r galt aueh für das Symbol der £rha-
benheii des gdliliehen ■Ventandes ülker die Materie. t)ieae
Digitized by Google
333
DeulUDg war von dem Emporragen der langstieligen Lo«
'tuablume über dem Wasser -hergenommen. Dieselbe Ei*
genschaft veraniafste die Indischen Dichter, das sittlich Reine
mit der Lotusbiume zu vergleichen, die auf dem Wasser
schwimmt 9 ohne benetzt , zu werden. Man muls aber ge-
stehen^ dafi» die Aegyplische Deutung tiefer geschöpft ist.
1 M
■ ' 1.
Die ittiaerHem Z«mt«i.
Von inelem werden dtefc SäulenhaUen,
Wenn ilmeii MeiMdieiirede würde, seogen»
Doch Mit Jalirtauaendeii tm diem schweigen.
Und Meoichenstiiiimeii spnrloi dumpf v^haUen.
Sind Seufzer hier beklommner Brust entfallen,
Yeraahm man froher Jubeltone Schallen,
Sind beide der Yergangenheit jetzt eigen«
Und nie herfor ant ihrem Schootse ttdgen.
»
Es währet nichts, als was gefühllos starret,
Die Weien, welche Schmerz und Lust empiiodeo
YennSgen nicht den-Augenblich so bmden;- .
'. ' ' ' * • '
Umsonst auf Bwigkeit ihr Sehnen harret.
Erst aus der Hand der finstern SdiattenrnSehte,
Erwachset sie dem sterblichen Getchlecbte.
..Der 8«liaU«M*
Nicht Finsteriiifs, nicht Nacht, nicht Tod ist Schatten,
Der Schatten kana nur mit dem Licht tidi gAttta,
Und in ck» Lichtai reinettem £alfalteii , . ?
Die tehärfste Gräme , auch die Sehatteii bähen»
Sie zeichnen alle Irdische Gestalten,
Und bleichen mit de§ Tagsgestirns Ermatten.
Wo SonnV und Mond ihr Ikhtes ReicU. erst hatten»
Die näcktgea fichwinsen ■cihettentoe avn wallM.
Und wenn der MeBech nSeht lebet melur enf Brden,
Fühlt er, was Licht hier ist, zn Schatten werden
Von Licht, das nicht kann durch ^die nebelfeachten
Gefilde dieser dwikleii finde leaelilMu
km ErdemcliatteB sidkre Abadiiiig liibet
Dai reine Lieht» dn» Jeoieitf etralend glüiiet» '
' 3. •
Irdltcber Zwiespalt L
Demetern wir in reiner Dem uth dienen.
Wir seheo zurar des HimiueU goidne Sterne, ■
Doch Geilt nnd Busen niemaUs sich erkfilmeo-
ZU'idnreifen in.so vngenewae Feme. .
Demi dafs dir Furchen Saaten fröhlich grünen,
Gehören wir der Erde dunklem Kerne,
Und untres niedren Looses Schmach zu sühnen,
Ziemt UM, dafii ausre Brost nicht Zucht rerleme.
Die Brde, wenn nicht Lfeht ihr HeKos sendet«^
Dem Himmel zu die finstre Scheibe drehet,
Und Tagsgeschlechtj,^ mit Arbeit ringend, träfet.
Das sich in enggesogDieni Knii teveget.
Und Thrinen enileod, wo et Mühe aiet»
Dankopfer doch der Q6fter Tenpefai spendet.
397
4.
u.
Mit iaatan Cymbelktang wir preitoiil «NeoeR
Dem Gott der Stenenlnst und wilden Fmde^
Weil prächtig anmotiitTolle Augenweide
Ihm unsre mächtge Zwiegestalt gesdiienen.
Doch tpridit die Loit Bvr «iw Getang tud Ifienen»
Die Broit iit attgefUlt mit Mrem Leide,
Weil die oai eigenen Natinen beide
Mit gleichem (JlUck an gleichem Stamm niebt gHinen;
Die Enge dumpfer Thierbeit hält gefangen
Der Menadüieit ahndnogeehnende Yeriangen^ .
Und eie mit tribendem GewSUt nmldOial
Doch sie, die gottentsprossne Hoheit füllet.
Mit diesem fremden Element vermiAchet,
Yenchleiert trauert, aber nicht eriiichet.
22
316
Das Unwiederbringliche.
Die schönen Tage eind dahin gegangen»
Wo ans Albane ffeandlich jah veieinet;
Wenn je uns jene Senn* auch wieder scheinet.
Stillt nicht, wie damals, sie der Brust Yeftangen.
Was war, kann niemals wieder man empiangen.
Das SchiciLsal mit dem Menscben streng' es mua»t.
Und was sein Aaas|>nidi einmal hat verneinet.
Gewähret nie es thfSnbeaetsten Waogeo.
Denn Zähren würden sich dem Aug' entstehlen.
Wenn wir die tiieuren Hitapter sähen, fehlen.
Die damals gUnneten in imsfem Kreise,
Und zu des Aethers Räumen aii%eatiegen,
Nun schlürfen, nach der alten Gotter Weise,
UnsterbiichiLeit in laogentbehrten Zügen.
Digitized by Google
3M
I>as fremde Ltnd.
Wenn man verlätst der Erde reixend Grfioeii,
Die Schritte sich zttoi Febemteg erktibnen,
Und nao eikliiiinit die hohen BetgessStie,
So starret rauh ten Schnee «lie ode Spitze.
Wenn, woiün nie der Sonne Strahlen schienen.
Man tief sich senkt in Schachtes oächt'ge Minen,
Den Boden -s|^altettd> iHe mit JotIs Btttse,
Stellt kalt Gestein in harter Brdenfttze.
Und doch auf Erden kein tintschlafner bleibet,
Der Tod ihn fort von diesem Lichte treibet;
Wo wird ein scbdwes Land ihm neu erblähen?
Von ans weiCi Niemand, wo es ist gfelegen»
Und Forschen ist umsonst nach seinen Wegen;
Doch schön Gemüth wird Schönes an sicli ziehen.
22*
340
7.
Kalter Trogt.
Ich denke wohl bei mir: es ist oatüriichy.
Dafo nicht im hehmk Apet jg^t lo ehea,
Dab mancbmal Stnim und Klippe «ich erhnbMi^
Allein mint koaunt» lo trani^ ich uiwnllfcn hrK ch^
Dann sag ich mir: doeh Schein nur und figürUdi
Ut Vieles, dem wir falsch Bedeutung geben»
Und indie co mir em Geipinnct zu wcbey
Ton Scfaeialioftgriliiden den^ und miimriidi;
Allein des Busens still gefühlte Schmerzen,
Die unbesänftigt gliilin im tiefsten Herzen,
Dies kalte Denkm nkht in Schinmmer wieget.
In ihnen nur des Daseins WahMt lieget^
Und des Verstandes blendend Gaokelscheraen
Das wahr und rein Empfundne nicht betiüget.
341
8.
-Die Getinaung.
WM jeder thut und wakt mf dieMr Brde» —
Er Bog' in Hurtengrobe Biriini entrebed,
Br möge wellen itill nm Hehmtlis -Heerde» —
Es ist stets vor dem Ziel doch eadead Leben.
Wer will, daüi et rdleedct^ GAnet weide^ .
Dec mifii im Buten tleh ein eignet weben .
Aut Wenn und Schmers, Gelingen und Betchwerde,
Dem Aeuitren niehti, dem Innren AUet geben.
Dann kann er dreist ins Weltgewülü sich taucliett,
]>ie Kräfte, die tontt uneiibrtcliet tchliefen, •
An reiebgegebnem Surffe lutaftroU prüfen}
4
Es wird ihm nicht die innre Freiheit binden,
Im wildsten Sturm sich wird er wiederfinden.
Und wat vom Himmel «tammt; zum Himmel hauchen.
342
9.
Der Ritter.
per Ritter wHI gimf in den Bttgel etefigeo».
Sein stimniig Rofs hüh tdion den Pnft gehoben.
Da winkt ein M6nch am seiner Zelle oben.
Er gebt hinauf in ehrlurchtsvollem Schweigen,
*
Und ?or dam Mönch sieh jene Kniee beugen
Nach abgennnunnlm Helm. Nicht tcfameielielnd LoAten
Vemimnit er, heiigen Bifen heftig Toben,
Dafs Sünden noch sein Herz und Wandel zeigen.
Und iLebreo soll er zu des Mittagt Stunde/
Er weif« eein Hen in Bevttth still no lassen.
Er knTst des Alten därre Hand gelassen,
Und leiikt äein Rofs zum Ruck weg, wie beloliien.
Nicht seiner Seele milden Trost zu holen,
Nein, zvt erneuen schwerer Kränkung Wunde.
Digitized by Google
343
P 4
0ie Treue.
Als Knappe indoeoi Herro aof seifien Zögen
Folg* ich», und treuer Bf otli deo Am mir etäUef,
Dock meine Ahndug nidit et mir T^heblet:
Vettdinirt wwd' iek hier in «kr Wöite liegen.
Kurditlos mein Rofb und ich zum Schutz ihm tliqgcny
Wenn er swn ZmX die IritthnjMen Feinde wählet.
Sei mir der Tage lefeMer sngestiilet,
Ich iierbe gen» eeh* Ihn idi herilich eiegen.
Das dürre Gras der Stepj^e wird mich tlccJien,
Ein einsam Kreuz auf öder Haide stdieUy
Und die» foröbeni^hend, dann es aehcn '
Noch mein gedenkend, «erden rühmend sagen,
Dals treu mein Herz in meiner Brust gesclilagen,
Und Ireudig werd ick daiui im Grab mich »trecken.
11;
Weien dor Sohonheil»
Wen das Gefiihi des Schönen soU durclidnngün»
Dem wanU ans Sumenklarbeit et entspcingeD, -
Wie Unadiiild g^Snaet vai dm Jungfrau Wangen»
Die nodk nidit kennt der liebe fiila Veilangen»
Es regt nicht frei die silberhellen Schwingen^
Wo Wönscbe menschlich nach^ Bcritie ringen;
Nor am ea tief and tiefer sa anrfangcn»
D«if Sebnaocfat brfimtig an dem SfcliSnen hangen
Wer eine innre Welt sich also bauet
In reiner Schönheit still empfundnem Walten»
Dem Ton den Schlacken urdischer .GettaUett»
Wie von den Stanen Hecieagkana» «e tiiaoet.
DaCs Ton dem Himmel sei auf Erden Kunde,
Steht sie mit allem Irdischen im Bunde.
345
12^
Der Komet.
Wird daiiMt Schweiliei Sduminer sii erblkkieo.
Mein Auge nodi da» Licht det Taget tdiianent
Wird, wenn uns deine StraUen nalie rficiken,
r
Mein AmÜits scKon des Grabes Nadit nntliafien?
Bern Men^heD w€chse]Dd Loos die Götter sdiidken»
fir kann auf aichre Felaen niemals bauen;
Der Fels auch iiililt der Brde krampfhaft Zacken. '
.Aul deinen Lanf kann die Seluinde tränen.
Du gehst, gleich todtem Weltenulirenrade,
Die vom Gewicht dir zugewägten Pfade.
Dem Menadien Freiheit wählt die eignen Bahnen»
Wo Leidenschaft ihn treibt, ihn Flüchten mahnen*'
Sie führt ilia jenseits auch der Erdengränzen,
Wo oft ihm kann dein lichter Pfad noch glänzen*
34«
13.
D i e* F «1 k « üb er ge^
Bei Finclibadi im Gebirge der Sadeten
'Giebt et zwei sdion bekrAnste ZwUlingphüjgelf
Abrundend rieh am blaata Himmeittptegel,
llaibmooden gleich, die- Schöpferhände drehten.
Geatripp, au» Saameo, den' dort Falkea aälen, .
Aufttarrend, Hemmnog setzt dem FolSi and Ri^jel:
UrsprüngUclier Natur jungfraolich Siegel-
Sind die töo reiner Lüifte Baoch Umwehten.
Doch wollen Menschenhände sie entweihen, - ^
Mit Axt uod Beil die nppgen Strftucber haueD,
Durchfarchend de mit Egg' dnd Pflug bebaiteUf
DaCs, wo sonst Unschuld der Natur gewaltet,
Jetzt Menschen- Kigeiimacht und Laune schaltet,
So mÜBien sie die Döppeiwöibuag leibea.
347
14.
Die Brabmin und dfts Sftdra-Weib.
Entliehe dich» uoreifte Meatehheit- Schande!
Wie kannst du Wasser hier xu schöpfen wagen,
Da dti mtch, Reine, siehst am Ganges -Strande?
Die liralüiiin sprichti, die Sudra hörts mit Zagen.
O weh» da hast mir mein CMU nendUagen. ^
BaHoÜsige mit schmntsigem Gewände,
Recht dir geschiehts; nieht in unheil ge Bande
Gefaliit, puls heilig Wasser .man enttragen. —
Die Brahmin schöpft, doch sie das Wassw fliehet
Dem Sudraweib snm festen Ball si^hs roÜet»
Und stall gebt sie sn ihrer niedren Hütte.
Dem Stolz die IJralimin scliwere l>ufse zollet;
Mit abgeschornem Haar durchs Land sie ziehet,
Vom Mann verstofsen nach Brahmanen Sitte.
348
16.
Haida.
Ich sitz* und denk' in dieser näelitgeii Stille
An den Geliebten, den ich nie liiehr sehe;
Zam Sterne sag' ich, dafo er zu ihm gebe,
Und melde; üim, wie Gram mein' Herz umquUle.
Denn sq nicsh bannt hier ernster Fügung "Wüle, -
DaCs ich mit Sun nkht kenne andre Nühej
Als daCs sein Baach mich Ton dem' Stern anwehe»
Aa dem ich hänge in Krmuruugäiulle.
Sein mUchweiisreiaery stUier Aetherschiraoer
Uns lenehtetii in jenen seeigen Tagen»
Wo wir g^tanden uns mit Weone-Zagen,
Daf» eines nur im andren konnte leben. ' •
Darum wenn wir den Blick zum Stern erhebeo>
Sehn wir in ihm noch unsres Glückes, Triunmer.
Digitized by Google
349
16.
A t e.
Wenn ungUitkiiroliend leuchten tlie Planeten,
Ein giftger Uauck von sclnvarzem Unstern webet»
Dann auf der Menschen Häuptern Ate gehe^
Damit aie emdten» wai aie iref«lnd säten.
Sie will der Erde Boden nicht betreten.
Damit kein Ohr nach ihrem Tritt sich drehet;
Wie ungeahndet schwarz Gespenst dastehet^-
Will .«OS dai sündige Gescblecht sie jitan*
Und wemi den Stolzen sie in Staub gebeuget,
Sie in die Lüfte hoch den Fittig schwinget;
Es hört der Meosch« wie dumpf sein Rauschen idinget»
Und aogsterbleirlMiMl sittert €^ and sdnreiget.
Tor des Gescbiekes fnrchllMir mAebtgor Gr6ise
felrbebt des Menschenfrerels schuldge Biöfse.
I
350
17.
Leben im LebenloseD« .
Nie ikrg und Thüler Lust noch Weh empfinden.
Sind Scbauplats. nur, wo Bich Enpfindiiag reget,
Die in dee Herxene Pulfen klopfend teblAget;
Denn Mtfg^fiild kann niemals lie «sptzäaden, .
Was uns der Vorzeit Stimmen fern verkünden» .
Sahn sie, wie tb&tig es sich hat beweget»
Gebläht, gelebt und sidi int Grab geleget;
Wir Spätgebornen scbwftche Spar nur finden.
Doch wie kann sein, was weder tuiilt noch lebetj
Was keiner innren Regung Odem hauchet?
Wir witaent nicht. Doch das was in uns strebet
In Leben selbst dies Lebenlose fanebet. -
Denn aus dem Sfeinbnich klippi^f r Gefilde
Schafft Künstlermeüsel athmende Gebilde.
351
ia
Kiftrh«it und Tiefe.
Wer in die wolkenlose Bläue seliauet,
Je mehr er sduiuend «idi darin vera^ket
Sidi detto reueber mit dem Balsam tränket
per von der Itcbten Höh' Jwraieder tfaauet. •
So wer «ich ihrem Wesen fest Tertrauet,
Und seinen BUdt aUein auf sie gelenkett
Der fühlte reiner stets und unbeachrftnket»
Wie Himmel si^ iit Mensdwehiiieii bauet.
Denn wie der luftge Rautn dtn Kreis heiiranzety
In den anmuthig Land und Meer sich leget^
So war ibr Weseiii ruhig gleich gew&get>
♦ ■
Die Erde innig mit 4em Sanm berubiendy
Allein von da zur Aetlierwölbung führend.
Wie Sommernacht, von Sternen rings umgläozet.
352
19.
Die Biche.
Des Norden» ttanmkaft diclitbelaubte Bichefa
•Die Konigumen beUsen wollt de» Bimn«;
Wie duftig auch Gewächs in Süden keimen '
So brauchen deunocii keinem sie zu weichen.
Sie sind des deutschen YoUks und Sinnes Zeiefatn,
Und wie dop Heeras-Tiefe dnnUe Räume
Nldit Knden^ dals am lidit die Welle' schfinme,
Sie auch zugleich in E|rd' und Himmel reichen.
Denn Starlte, die mit dem Gefühle ringet^ ,
Bis alte Tiefen sie der Brust dnrehdiinget,
Und Fbantasie, die. sieh im Aelher wieget.
Dem Zartesten sich an in Milde schmieget,
Und sich in neuen Blütheu stet» vergünget.
Von Uneit her in Thuskens VoUie lieget.
>
353
20.
Vereinigung.
Wenn eintt der Erde dompfe Nebel aiiiken, .
Die Augen stell» des Tages mfide, schUefsen,
Und auf des Leibes Grabe Blumen sprlefsen,
Wird reinen Aethersduft die Seele tfiukea.
So gebt die Sage» uad der Stmne Blittken, .
Die freundlieh nieder uns mm Htminel grolaen.
Wird sie mit seinem Strahlenlieüt omflieCien,
Sdion jetzt sie &ii im Leid uns Hoffnung winken.
Doch daTs sich Dasein pilgernd stets eraeuet»
Des Bosens Sehnsuebt keine Roh gewähre^
Und wenn der Mensch nicht weilet mehr auf Erden,
Er sulser ahndendes Verlanyeü nähret,
Von irrdischem» geschicdneni Sein befreiet.
Mit dem, was er geliebt Jiat, Eina zu werden.
23
354
21.
Der Sehautpieler.
Ei muJb der lHlenich zo Tidem sich bequemen;
Ich mufs sä diditen krummen ifttch und winden.
Ein Schauspiel jeden Monat neu erfinden.
Und selbst die er«te Koile ühemehmeo.
Die Herrn, die zusdin, nicht den Tadel sälunen,
Durch gellend Pfeifen sie ihn laut rericunden.
Und zShIen vor mir dann des Stöcke» Sunden,
Heraus mich rufend, mehr mich zu beschämen.
Drauf wird zu Hause mir der Text gelesen,
DaOs, folgend -meinen läppischen GefnUen,
Ich nach der Menge Beifall nicht will ütrehoi.
Und wenn ick eiiitnal glücklicher gewesen.
Man Beifall hat ertlieilet meinem Spielen,
So lobt man auch zu Hause nur so eben.
a55
22.
Blinder (relio^rsaiit.
■ ' Frarje.
Wanim hier stehst Du, wie granitne Säule,
Dais starr uiir vor sich hin die Augen. seheB^ -
So wie in Sonnenbrand und Stonneiwehen
Bralunnne iteht, als ob er Sdimm nicht -theUe?
Antwort.
Der Brahme steht zu seinem Seelenheile,
DaTs, wie die Weseu sich der Sinne dreheUi
Gefühl und Denken ihm in Nichts Teichen,
Ich 899 Gebocsam unbewegt hier weüe.
Frage,
Doch der Gehorsam sich auf etwas gründet?
Antwort.
Ein fester Grund ist pflichtgemäls^s Müssen.
Frage.
Doch wer Gehorsam noch so streng auch übet^
Kann doch die Gründe des Befehles wissen f
twort.
Durch Grübeln der Gehorsam wird getrübet,
Die ächte Pflicht gehorchet und erblindet.
23»
356
23.
Burga.
Sie dem Gemahl folgt in das Reich der Scbatt^,
Und strafet seihst mit streng geliobnem Anne;
Was sie erblickt^ erbaugt in Angst und Harme,
Denn Zorn nnd Rachsucht nie in ibr ermatte«.
Sie straft gerecht nur die gesündigt hatten,
Docli nicht ges< hiehts, dafs sie sich je erbarme,
Und Menschenljrust an ihrer Huld ei^warme;
Sie übertrifft den furchtbar grausen Gatten. ■
Wie wer sich schwhnmend will am Felsen retten.
Sich mub in sichren Tod der Wellen betten,
Weil, wie er angstvoll aus die Arme strecket,
r
Zurückgeworfen wieder ihn die Flutb bedecket;
So anzugängUcli Dni^as Busen starret,
Wenn Menschenlippe auf £rh6riing harret.
3^7
24.
Das Gold.
Der Beiigaiäiiii wohnet in der Erde Sdilnnd^
Und fordert Bat, doch nicht xu eignem. Frommen;
Des Tageslichtet Lmt ist ihm genornmen»
Ib Dunkel jagt er nach clem reidien Funde.
ünd doch hat man ron keinem Glänze Kund^
Yeigleichbar deoi den wir daich ihn beljjommen. .
Der Some scheint« dee Goldes Strahl en^lommen.
Wenn heiCi sie biennt in* schattenloser Stunde.
Der Bergmann seinen ScJiweäs in Naclit vexgielsetf
Und findet oft des dnrftgen. Lebens finde.
Wenn foa dem eigw Weihe seiner Hände
Zusammen über ihm die Erde schieCiet.
In Finsternifs er daiiii begraben lieget,
Des Goldes Schimmer alle Zeit besieget..
26»
9
26,
Freiheit mid Geiets.
Die MentclMii Natur die Fom .gen gebe«,
1a der tidi regt ihr enget geiitgee Leben,
Und ihre Blicke sieb im Stillen freuen
Ao «cUÖngepflanzter ßäume langen Reihen«
Doch der Natur anfiniehenid äppgee Leben
Ift ein Terwirrtet Dutcheinandenreben.
Wie Wind and Zefallbünd den Saanen atrenen, \
So Wies* und Feld den' bunten Sdunnck erneuen.
DeoQ seibat was kreist iiaclt ewigen Gesetaen,
Die keiner Freiheit WiUkühr kam Terletaen»
Des Himmeb upgeiflblte Sternen Menge,
Scheiut «ur ein fröhlich luftges Glanz>;edränge,
Wo in den tief von Licht durchstrahlten Räumen,
Wie Gras der ^acht» Myriaden Weiten keimen»
Digitized by Google
3d»
26.
Dit Wehmnth.
Wie wenn dakin des Winters Monde gelieo»
Und lanlten Zepjiyn liuie Löflte weliCD»
Sidi ISsen' nach uod na«h der Erde Schollen
Und fteudig fecMUiei die Wogen rallen; .
80 wenn erstarret Gram und Kummer steken,
Muü Wehmotb ent der Uensch sie MJunelaen »eheii.
Wenn 191 Empfinden und im satten Wollen
ErtSnen seeienTolle Klänge lolleo.
> • '
Denn zwisclieu Himmel Mittlerin und Erde«
Als eigeu einzig ikm . gegebne Blütke,
Wohnt WehHuith tiel im meoMhUchen Gemfitfae,
I
• %
Des Schmences starren TrtÜislnH so erschliel^
Und Schatten in zu blendend Licht zu giefscii,
Dals sülser Dämmersckein dem UUcke werde.
27.
Opfer d«r Tyrannei.
Dmn tt^aßB Weib der Sdumde m entziehen^
Tavebst da .in üire Brut dein merdend E«^» .
Und da sie lufalt das Leben aebeidend fliefacn^
Die alilleb Zage nodi dicb segnend preiaea. -
Befangen in der Knechtsdiaft engen GLeiaeo
War Jibeine andre Frejiieit eucb ? eiüeben^
Ab in der Lnüe 6den« wilaten Kreiien
Zu (nidicn Bnbe Ton der Erde lifiben. - . ■ '
Der Menscli, den Menschen hart in Ketten Si^lage^
So Herrschaft auf mit Sdavenelend wäget; .
In taoaend Formen lebrt ea die Geiebichte,
Denn wenn aucb MemeUicblLeit oft rügend waltet.
Tönt KnechtschaftsklaiK*, ewig neu gestalte^
Docb wieder vor des £wg^ Ötraijgehciite.
Digitized by Gopgle
28.
Jano LudoTisi.
Du teiltest nie, hast nie dich aufgeschwungen '
Zum GöttenitZy bist Dieraahb ihm entiitiegeD;
In Marmor ewi|g ddoe Lippen 'idiwiegeii»
Aot Künstler» Fhaataiie biit da entsprungen.
Doch hast du eignes Wesen dir errungen.
Da» rulit in deinen stillen Gottenögen,
Und kein^ Madit der- Zeit kann et besiegen, -
Da tief es ist in Mensdienbnut -gedtnngen.
So alle Ewigkeiten zu durchwalten
Dafs in der Schattenmenge Traumgewirre
Er nicht» ein Bmekstöck nur des Uattfens» vre.
Kann «aek der Mensdi zn Eignem sieh gestatten.
Dem ErdenstofF ein Funken nur entsjirühet,
Die eigne Bahn er dann selbst l^ichtend ziehet.
29.
Faros.
Alt Hellas Rnbin noch nidit war gm gdaUeii^
Da horte man in Faros Berges -KlfiftaD •
Die Kläoge des gesdiSlfgen MeiCwia sdiaHeo,
Und Uire Mannorfelsen ferahin sdiifften.
Denn boiies Bildwerk heilger Tempelhallen
Entstieg den jetzt in Nacht begrabnen Grüfiteo,
Wo LunstkM beut die dfirftgen Wofaner wallen.
Und Wild grate einsam auf den oden Triften.
Wenn deiner Fackel Licht sich bell eatuiadet,
Adienes Aiiglanz, bildender Gedanlue;
■
Wie machtig auohr «s die Natur amranke«
Aus ihrem ScLoofs das Schöne los sich windet. .
Wenn du nicht ^T^ii^t sein sehnendes Yeriaogeo^
Hält ewig sie in Dunkel es gelangen.
36a
30.
Di« Jungfrau. Iiraelt« .
Mit Stolz ich auf die Nachbarvölker blicke,
* *
Weil uns ti^r Herr xu aeinein avserwählet,
. Und Jtnda's FlamaeiMehirert mit Kraft geatiUilet
Zu bändigen der Heiden ^fredie Tikke*
Die lllume reiner Frömmigkeit ich piiucke.
Und uas kein Seegea der VerheiTsung fehlet;
Drum Darids iieil(ser Harfe laut venniUilet
Zum Dank empvr ieh meine Stimme tdiieke. ,
Wenn auch zerstört sind Zions Tempelmaueru,
Und wir, zerstreut in alle Länder, trauern,
Doch edier 3toiz in unsrem Biuen giüliet.
- •
Denn bis xor WellseiatScang Zomgeiichte -
Doch in der völkerwägenden Getcbichte
Rein uoveriniacbet unser. Zwölfstanmi bhiliet.
364
31.
Die SeUauftpielerin.
Der Biiline Bretter sind luetü wahres Leben,
Dat eigentiidie Itab ich aufgegebeilt
Und den-GeUebten our aiA Hera idi dHiekei
Den mir der Tag aulolut ia jedem Stiicke.
jPodi dies der nackten Wirklidikeit Entkeben
bt nuf ein reiner ahndend Wahrheitsstreben. '
Denn tot det Dicfateis gottbeeeeltem .BAiciue -
Füllt in GeieUck'iind Bnut aieh jede Lüeke.
Die Dicht LiMg liin durch meine Lelienstage
Wie reich gewirkten Gürtel zaiihrisch schlioget.
Und wat in Menichenloote Walarlieijt bringd»
Vor mir vefidiogt» wie alt ▼erschoHoe Sage.
Der Tod erst beide Göttinnen vereinet;
Zur Walirheit wird^ was irdisch Dichtung scheinet.
M5
32;
Der Schmerz.
r W .
1. Wie ^ehst du «o beherzt den Pfad der Sehmerisen,
Als fühltest nicht da deine Thrünen rinoeD?
2. Da icli in Schmerz mein Leben mufs abspinnen,
Soll er. mir oieiDes HüiUDels GUdz nicht schwärzen.
1. Wie Gaukler kühn mit giAgeo Schlaii'geik' scheneeD,.
Glaubet über ihn den Sieg du zu gewinnen.
2. Wer Stärk« schöpft aus ruhig tiefem Sinnen, -
Lülät dulUead uageu ihn am wunden Herzen.
. Die Zeit rauscht hin in Wenn- und Schmerzenatagsn,
Und Heil bringt, wai suriiek roh beiden bleibet,
Dödi segffnsföUer ist des Schmerzens Zagen.
Wem es des Leliens Prufungsbiick erweitert.
Und seines Busens tiefste Gründe .läutert,
Der keinem Schicksal sich entgegen sträubet.
33.
M o 11 j.
Und foUteD nieiDe Fafae auch ermatteD,
Ich mufste auf und ah doch spAt noch gehen,
Um au der Balkeiulffke ihren Schcittea • '
YorüberstreUen wenigstens zu sehen.
Der Liebe Pfeile midi betfadret hatten»
Ich iLonnte mehr nicht selber midi ferstehen;
Wenn Eiferradit tich und Yerlangen gatten.
Gesunden Sinn zu Wahnsinn sie Terdrehen.
Doch dieie Fieberglut ist längst T«rflogen, '
Und ruhige Yeitoniift zuruckgekehiet
Nun sie zn mir hat Liebe angezogen,
Doch ihre Neigung meine Kälte mehret.
Der Schleier rollte vor den Augen nieder,
Enttäusdit, so wie sie ist, seh' idi sie wieder.
34.
Die Nonne.
Die Noone kennt Um iliren Klogtergarteu,
Den ilire Hahde liebend sorgsam wafter.
Die andre Welt ist weit Ton ihr geschieden,
Vom Himmel wie die ErdjB ist biunieden.
Auf stilie Rah der Bmst Verlangen harrten.
Doch im Gewühl des Lebens bang erstarrten;
Nun keine 'Wünsche mehr im Busen sieden
Wallt er in ungetrübtem Seelenfrieden.
Zwei Wonneblütlien Ruh sind und Verlangen,
Die nie scag^ich dasselbe llaupt iimifangea.
Brreichte Sehnsacht gleicht den Sonnenblichen,
Die gaukelnd irmzcn .tuf der Woge Rücken j
Die Ruhe aus der dunklen Tiefe steiget,
Wo, fem vom Sturm, die feuchte Oede schweiget.
35,
Di« Doppetweien.
Keiuiit.«fci wohl, Stella,j*ene alte Sage^ '
Die Kold durchwaltete der Vorzeit Tage,
Dafs, die fest liebend an einander hingen,
Als Doppelwesen duccli das Leben gingen?
So dir SU seio mit jedem HerieiMscTilage,
Ich das Gd&hl im tijBfen BoseD trage.
Zwei Wesen engre Bande riie amsehlingen,
AU mich dir, mir dich, Hohe, nahe hringe«. '
Man sagt wohl sonst, nm Nahe änzuzeigeo»
lüaJs eins der Schatten ewig sei des andern.
Doch wir fiel euger uns zusammenfügen;
Denn wir von früh Uis zu der Soujie Neigen,
Wenn einsam wir durch Roms Gefilde wandern
Mit Einem Schatten iieide-4ins hegnugen.
SM
36.
Bin alter Fttam-i,
Der Bauiu, kein andrer, soll laeiii Grat) bescliatteu
Mein Lebensloos steht mit iiiin im Vereiae» .
'Oft vor der Sonne frühem JMiosgewclieiiie
Schon sepae Ziieige mir geli>pek Iiatcen.
Die We«en der Natur bedeutsam gatten
Sich mit des Meiisciieu Schicksal. Bäume, Steine
Es stMon bewahren, vrie in heiigem Schreine»
Wie goldgeg^bne Schrift auf Marmorplatltn.
Denn nie könnt* kh' miek von dem Baume tiemieti»
Wie Schatten liinter seinem Körper schreitet.
Hat er durch« lange Leben midi hegleitet.
In der Geüuhle aehnsocfatSToUem Brennen.
Ehrt' ich, wenn. ihn audi nicht die Blicke iahen.
Doch seines Rauscliens mir geweihtes Nahen.
370
37.
PfliehterfiiUong«
Ein eingfl)orner Trieb, der es bestimmt,
Beseelet jedes Wesens Sein und Leben,
Uod mit dem tiefe» imiren SeeleiMtrolieii
Den gleichen Weg da« änüte Schicktal iii«nt.
Glück ist nicht Lust; sie plötzlich aufglimmet,
Dann sieht man »ie erlöscht in Uaucii entschweben;
Was wahrhaft Glttck allein der Brust kann geben,
Ist Pfad, der nie rom Ziele al> mgIi krümmet.
Und Ziel ist jenee Triebes ernst Brfötlea«
Wenn Müh' auch ringt und 1 liranc schinerslich rinnet.
Wer, still ergelien in den ewgen WiileOy
Ans sich herf er des Schickanls Faden spinnet»
Geaietst, wenn um ihn her anch Sturm nie schliefe.
Doch Gottermhe in des Busens Tiefe.
Digitized by Google
371
38,
KntkcliulUigung.
Mit Unrecht, Verse, nenn ich eucli Sonette,
Da ihr nicht schlinget iu gleich engem Ki*ei:ie
Der Wechselreime kidit gewundue Kette, .
Mehr folgend fieiw, selbit gewählter Weite« •
Mein Ohr und Sinn es freUidi iielier.htfte,
Ihr bliebet in Hesperiens Woliilautsgleise,
Doch den Geilank<;n auf Prokrustes Bette
MüTst ich eiRpassea. seiftein Keii^gehHuae*
Dem wahren Didiler tstt allelii gegeben
Dafs, aus einander wie Ton selbit entepningeu,
Sprachiessel und Idee zusammenstreben;
Umsonst von Mulie wird danach gerungen,
fch folge nur dem Trieb» in leichte Schranken
Zu heften ftei buistromende Gedanken.
24*
372
39.
sieben Risciiis.
Der Bfirin sieben belle Sterne lolm' n,
Glaubt man am Ganges, jenen heilten Weisen,
Die, zogeseUet za der Gotter Kreisen,
la Indras ficfatumglüBstem Himmel wofane».
Ihr wisset nidtts von jenem eitlen Thronen
Von Wesen, welche Wahn und Dichtung preisen
Ihr, Welten, rollt in weitge^chiednen Gleisen,
Kein Land umschiingt euch in den Aethenonen*
Der Welt Atome aoseimmdergehen,
Und wenn Gestalt soll nnd Begriff erstehen,
iVluIs sie zu einigen Ueni Gekit gelingen:
Doch aadi in untenaischten Daseins Reinheit
Gieht es unsichtbar wesenhafte Einheit,
Und der zo nahen, mnfs der Mensch vollbringen
Die
373
401
Die Wolken liiu uud her am Himmel gehen,
Und bald iicli treiineD, baid zusammenziebea.
In lichten F«rb«ii bald liell fttokclad glähfiD,
Bald Schwans wie Nadit» wie Schnae faiU flookig tlelian.
So auch die Menschen sich im Wirliel drelien,
lu buntem Erdenschmuck, wie Püauzen, blühen, .
Sich ohne Ursach suchen und dann fliehen.
Wie Spreu, bewegt ven Aeichlem Wiadeiwehfli.
' Doch dareh dee inrliehtgleichen Haufent Mitte .
Der Gotter ewges Scliicksal ernsthaft schreitet, . "
r<jicht achtend auf ilur lauaenhaftea Wolleo«
Nicht JanmecUagwi gilt» idcht flehftde Bitten
Bs herrisch jeglichem seb Loos bereüet,
Und jeder iqu£b dem müchtgcn Ehrfurcht zollen.
374
4L
WaM«r Hit 4 F«mor.
Da» Wasser und die Flaiumeu wild Tertcblingeo,
Wai auf dtff fijxie nali«! Ihrem Kraifey
Doch thun et beid* mI weit ^tchiedoe Weine,
Wem jeoee laakt, eicfa dieie aedwfittt «dnriDgeB. •
Des Feuers Krälte jedes Ding darchdringen,
Die Flut des WasMr» bricht .durch Kelsen- Sehleoie^
So wfiten •ie><in<ifhlM»i«ikfil|Di4SWee^i^«b'i^i 'nulo iiakt,
Und in JMCjP'sirh^i A «liMA^fM^^ «u^K^a tslW
Doch v^enn den Stoff sie sclionnngslos verzehreti
Die Flamme steigeod sich aetlierisch nähteti
Und wai der £rde Bfiide niederh^ugeti • • *
Durch ScfaiMTC f^eliateft sie, wie aea enevget,- •
Dafs es empor sicli aus der Asche hebet,
Und Phönix ähnlicli zu den Wolken strebet.
Digitized
375
41
Di« Slale.
Wie tchlaak die Stalt in die Ltfte n^ft,
Sie fordert, dalii tie hSWet Knmtwerk kröne,
Vermählend freundlich sich mit ihrer Sclione,
Und iat zufrieden, daüi sie dieaeud trege.
In Saal» kmtimml au UtOMmm GelAgt»
Schmfieke, dafii dereh Aimiitfi K»eehtMhaft eie veiiobiie,
Und nicht ihr Haupt anwülig dienstbar fröhne,
Sie es, wie Qiuthenkekh an aono'gem Tage. .
Uod wenn mn mkm dm FaUmtei X«il«ni,
Sie, Ton GeMedi mtiiket^ eiAtin ilelie^
We Siedl San UMk eddltste^ term iieii wihel,.
Sieht man, des Schmacks ijemnUt, sie einsam tt»mi:a»
So iolirt, fon Hank uad Kiadera ionit amgebfn,
Venraiates Weü» ia Gran vemiakMe Lebe».
376
*
43.
0er Osttill.
Wo •traleDd her die Senae konmit geschntteRy
Jst das Greschlecht der Stcrijlichen entsprun^a. '
Id früher Urwelt kindlich reinen Sitten
Wird lieblicb da ihr efstai Seia berangen; t> ,
Zaerst bat dort der' Memch tidi >küki emtritlen
Unsterlilich Licht, dem Dunkel abgerungen,
Und ist mit leis gescliwungnen Geistertritten " j
Bis zu der Gotüieit Wesen forgedniogeii»
Drum dort hin eick det Abendt «Blicke «enden, < • ■ <
Und todien'dort des UriichtA Iveodge Strahlen
Doeh die oft schwachen Glanz nur aufwärts «eade%
Und den Tribut dem 2«eiteiiwjechsel saUen,
Denn wie am Himmel weebsefatd ' Wolken neben^-
Muls vor dem Donkel oft das laeht^ entfllfehen.
44.
Eilen und Verweilen.
Der Welt Betrieb iit, aienalt stelm xu bleiben.
Wie Blut mag von geschwungnen Schwertern thaueu,
Sie scheuet nicht des Todes linstres Grauen,
Wenn sie nur fost und fort ihr Werk kAnn trcüben.
Sie hau kein Mitleid» hemmt kein G^gauMMa,
Man darf nicht rfickwirts, iotl mr ▼•rwamt echMe%
Nicht klagend um Verlornes, weiterlj.iucji,
Da£i Funken sprühen aus der KxMtt Beihen.
Des Geistes Art dagegen .Ist YenraileB,
Und sterr den Wkk auf Binen Punkt m lenken»
Um weiter, als der Erd^gränze Säiilen>
Sidi in die Nacht der Tiefe zu yersenken. '
Der Mensch mu£s beide Weisen in sich einen, -
Doch Seelcnkleuiod ihm Beschannng seheinen.
378
45.
Die Legirung.
Das gltamendite dtr gHimcmlctt Metall«
Ttt Gold ; et Htlio« Peaeriocken gldtßliet^
Und funkelnd es von Pol zu Pole reichet
Im Sditaimer der gewölbten SteroeobaUe.
Doch In MaMwiaiilb«ni Strähieiiballe,
MH SÜbar et gepaavH nnM atfaleiobet,
Und erst mit dem, was ihm an Adel weichet.
Gemischt, madit Kunst, dals es als Schmuck gefalle.
So iat des Mentdueo. Tveiben^ aoeb mid SiBiitii»'
Die» im $m mnmdmhttm gt^oMen, < > .
Nidhl ^oA von acfaneidigneiB Stoff diiwikfloiaiiii
Zu starr und »{»rode sind iur irdisch Streben.
Bin wenig Znaatz aefaon «arlangl «U» Leben«
Wenn ea aell Aeia und Leiahtigktit gewlMMB.
37»
46.
Heiliftme Zucht.
Mao zidMt ttrafier an des Schülers Zügel,
Bewegea nrafii -er sich ia engem Kreise,
Aiheiteo auf die Torgesehfiebne Weite«
Und wenn er abaciiweifl^ kürzt man ihm- itte Ftöget.
So mübvoU er erklimmt des Wissens Hügel,
Bii frei er gehn lernt In der Fottdumg Oleisev
Und wenn er litt etat, wird betohnt mit Ketie,
Und endlich 16tt der Weiahcit «ditet Siegel.
Die bis zu ihr aufragenden Gedanken
Bedürfen fest bestimmt gezogner Schranken; . > •
Dea fieistet Feaiehi ieine Flügel werden.
Die Schönheit nar entspringt am Formenstrenge^ -
Die W{\hrlieit aus des tiefen Spähens Knee,
Und Freiheit fessdlos nie frommt aui Knien.
47.
' Pi e Amaxo nun.
Yeraditead ScblacLtgefalir und Krieyawülieii^,
Eilt in deo Kampf die Schaar der Amazonen,
Sie üicht den Feind, die eigne linkst nid^t .s< lioaeo.
Nur Eine» fürchtend» weUiiscU feig zu fliehen.
Doeh wie die tfaiinn Güecter Kjraft aach apcibeiw
In ihren Zügen Sokners und WefaBwtli w^hnett;
Dos Sieges l^'iL'uden niemals s.ie belohnen,
Gesenkten Uauptei sie gtiau^itiu ziehen.
So sait Ton HellM Kuiutt vard ab||c«ogien> : .
Was fodem dM.Geadileclila» evge Haahte^
Das Weib miqcht muthig wioU akh dam Gefechte,
Von der Gewalt des Schicksals hiagWMIgfik -
Doch wUde Kampfluiil^ Zuvenicbt so liegen .
Nicht liennt die Bnial» der Lieb* und Sehtttiiciit gliiigen.
Digitized by Google
381
48.
Macht and OhnmacbC.
Was Feuer wilol im Felsgebirg* erzeuget,
in uDgeheoren Massen anfgescliicbtet,
Daraus Gestalt hervor dein Künstler steiget;
Die edle Form den rohen Stoff veinicUtet.
Der srarre Sleiif,'^er »eeleiiloi sMiir «ch
Sich lebend nan'^Ui > 4leH Beitehaiier richtet« '
Vor dem Gedaukeir -die ' N*afffr< ' «ich ' beuget, "■*■>' ^
Und sich vor seinem Licht ia i elsnacbt flüchtet.
Des Lebens innre Kraft den Tod (»esieget. '
Wie mächtig Stellt 'IM Stefai sieh iettge tilget,' ^
Der Pflaba^ iquiUend Wadi^b iie iterspteäget
Allein das Lehen aiiclt dtm Tod erlieget.
So ist der Sterbliche in Loos gezwänget,
Wo Seift und Nichtsein wechselsweis sich dränget.
882
49.
Die RIement«.
Die Luft im Wogen« Sioken ist und Heben»
Sie and da» Waieer wecliaelnd licU evseugen^
Wenn feucbte Nebel «af- und abwilrti steigen»
Der Flamiiie Spitzen miaiät iodernd beben.
Sie alle anm ferwaadten HiiiMnel streben.
Die Finthen sebasuchtsToU snoi Mend sich iieigeB,
Jht Flamme SprAhn ahmt nach der*Sfcetae Beigen»
Dodi alle niedrig sie im Dunstkreis schweben«
Die Erde nach so kühnem Ziel auoht jüget;
Sie bleibt am Grund» und Wohming bietet
Dem Alensdien) den sie lebend nährt und hütet»
Und todt im kühlen Schoofse freundlich heget
Und seinen, tiefem Sinn entschöplten Worten
Krscblielsen irabrhaft sich des Himmels Pforten«
4
Digitized by Google
383
60.
Die Zeit
Wm kt der Strang der keinen Ursprung kennet.
Und sich in keinen Ocean ergielset.
Der ohne Unterhreehung ewig flie&et,
De£i Länge keine Zunge tnesiend nennet?
Die Zeit es ist, die alle Diuge trennet,
Und doch im weiten Bett zasanunenschliefset)
Die in. demselben Na vergeht nnd spriefset.
Und mehr Tersehrt, als Glothj die lodernd brennet.
Doch der die Allmacht vor nicht Gränze schreibet.
Der setzt der Menscli in seinem Innren Schranken
Durch seines Geistes Fühlen und Gedanken.
Denn was in ihm bestandig gleidi sich bleibet.
Das tkr Natur gemäfse, stete Wollen
Lälst lort sich uiciit Tom Zeitenstrome rollen.
384
ÖL
Di« Bagaette.
Da Alles, was uingieht mein innres Leben^-
Ich flecbt' in schnell ? erblühende Sonette,
♦
Muiüi ich vor AUem auch in <ie Terwebeu
Dich^ Bmsl und Spiel, leicht wiegende Baguette.
Wenn Wichtiges idi glücklich wollt' erstreben»
Zurück ich niemals dich gelassen h&tte,
Wenn mich Gedanken sollten still umschweben,
Umschnukeltest du ihre schwanke Kette*
Doch wie wer lang'' auf hohem Meer geschweüet,
Dafs endlicli er Gefahr und Arbeit meide,
Das Ruder müde heftel in die Erde;
So ich, Baguette, oft jetzt von dir scheide»
Und bald dich, also niederlegen w { ide,
Dafs nieisaU meine Hand nach dir mehr greifet.
Digitized by Googl
865
Die Nat«r.
Die nuiD die Jf ntler «Ucr Didge Bcnael,
Die ewig« Natory der JPrtMht uad Bliidie '
EotoprieTieii» die al» Ur^piett «Her Güte
, Der Menidi a^itt^ dia Mitleid niemals kmuat,
i^ji liarien, unerbitdiehen Gemütlie
Siet mm «eh lieH »awideinillich treonet, - -
Und ftatt d^ aie det MeMciien Vfmk behiitej
Sie niademhBaCftfft, 'fibesMlnranMnty ▼«tlNDeanat.
Die weise iiält die Erde eingepr^seti
Die wilden Kvillte» stänniscli iot sie l&aset, .
' GetdUec^ter nach (SeäcUaoiitaiii f^annm aeliMile^
Und Menschennoth uud Meui^ che ti seh merz iiidit aditet»
Zufrieden, wenn nus Kräften Kräfte streben.
Und durch einander wimiaeki Tod und Leben.
<
De? Tod.
Den Geilt mit heitern Bildern' nngefüttet«
Aut weichen mir de« l^ebent Glfiek geqoellea^
Will ich dem Tod die letsten Standen- sollen^
Dem Gra}>e Iiold, das jedes Sehnen stiUet.
•
I
Ich werd ihn sehen frei nnd iinverhüUety
Den In ider Ewigkeiten ewgem Rollen
SteH gleichen; ond doch' ewig wechedvoUen,
Der Leben lehHeikt» >mid aw dem Leben (fnillet.
ich sterbend gern auf meine Jugend schaue.
Denn ich der Liebe heiler Kraft tertiane»
Die in der BIfithe der MIhfe griadel»
Was Herz au Herz in heifsem Glühen dränget.
Des Todes starre Bande sehnend sprenget.
Und überm ^ Grabe 6llchelld.wieder^i^det.
Digitized by Google
387
■ 64. .
Des Alters Gewinn.
I.
Ich schelte nidit des Hauptes giwie Haare,
Die sidi allii>8Mig ia die daiiUeii scbleidMii;
Wenn alle dmiideii auch einmal eibleicInD,.
Idi doch Zufriedenheit in mir bewahre.
Viel gute Gaben bringen viele Jahre,
Wenn Reiz and Frisclie m dem Weihe weichen;
Sie lefDt, dab sich nicht alle Tage gleidten,
Znm GLiIdL nidht hilft, dals man sieh Mfibe Iqiare.
in vieles will die Jüngre nicht sich fügen
Worin, die Aeltere sich lernet schicken.
Um sich mit stülen Seatam m besiagan.
Dann in den nihgen, immer gleidien BliciLen
Trügt sie des Busens tiefen Seelenfrieden,
Der selten schmerzlos wird erkauft hienieden.
SM
57.
Irditchet Treiben.
BiD schwinmieiMl fiQaad wohl ein Schiff »an nentoel,
Denn riagt fet et toii Wogviflm uingdben,
Und Vehen gleich, die ^ber Meer tteti hetten.
Die Menschen wahrend es vom Wasser trennet.
Doch nicht der Feste SidMrheit'et. lteBnef*
Leidit umfif et auf der Wellen Rftcken »dnrebeo^
> Und selbtt die febenhanen Henen' beben.
Wenn anfgewohlt der Stürme Wntfa entbrennet.
So ist Yon himmelstroroenden GedaniLen
Im Erdgewöhl dea Menseben Bniit nmflfliMen, •
Und in des WandeldtBeyiis irrem Sdkwanlben
Erblüht Geffihl an ewijeni Quell entsprossen, '
Doch unerschüttert fester Seelenfrieden
ist nur der Gdtter ebraem Sits besdneden.
Digitized by Go
Digitized by Google
Dici